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E6J;Norm
62010CJ0574 Kommission / Deutschland;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Dr. Mayr sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Revision des S in S, vertreten durch die Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 35, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. Juni 2014, Zl. W134 2008499- 2/7E, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Partei: F GmbH in P, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte in 1010 Wien, Bartensteingasse 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346.40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (Verwaltungsgericht) wurde dem Antrag der mitbeteiligten Partei im Nachprüfungsverfahren betreffend das Vergabeverfahren "Abendprogramme S Festspiele 2014" des beschwerdeführenden Auftraggebers stattgegeben und die Wahl des Vergabeverfahrens "Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung" für nichtig erklärt (Spruchteil A Spruchpunkt I.) sowie die revisionswerbende Partei zum Ersatz der Pauschalgebühr verpflichtet (Spruchteil A Spruchpunkt II.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist (Spruchteil B).
Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die revisionswerbende Partei habe im Unterschwellenbereich einen Dienstleistungsauftrag im Wege einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung nach dem Billigstbieterprinzip ausgeschrieben. Die österreichweite Bekanntmachung sei am 28. Mai 2014 erfolgt.
Folgende Aufträge betreffend Druckerzeugnisse sollten bzw. seien bereits 2014 von der revisionswerbenden Partei vergeben worden:
"(1)
Druck der (verfahrensgegenständlichen) 'Abendprogramme S Festspiele 2014 (= Sfestspiele)'. Der geschätzte Auftragswert beträgt EUR 120.000,00.
(2)
Druck der 'Abendprogramme Pfestspiele 2014'. Der Druck der Abendprogramme Pfestspiele 2014 ist im Wege der Direktvergabe im Mai 2014 vergeben worden. Der geschätzte Auftragswert beträgt EUR 12.000,00.
(3)
Druck der 'Programmvorschau Pfestspiele 2015'. Im Jahre 2014 ist der Druckauftrag vergeben und ausgeführt worden. Der geschätzte Auftragswert beträgt EUR 8.700,00.
(4)
Druck 'Almanach S Festspiele 2014'. Dieser Auftrag ist im Wege der Direktvergabe vergeben worden. Der geschätzte Auftragswert beträgt EUR 12.000,--.
(5)
Druck der Programmvorschau für das Jahr 2015. Der geschätzte Auftragswert beträgt ungefähr EUR 150.000,00.
(6)
Druck von ca. 30 Plakaten mit einem geschätzten Auftragswert von EUR 3.000,-- bis 5.000,--
(7)
Druck von Flyern mit einem geschätzten Auftragswert von bis zu EUR 5.000,-- (Schreiben des Auftraggebers vom 26.6.2014, mündliche Verhandlung vom 30.6.2014)"
Die revisionswerbende Partei falle unter Art. 14 Abs. 2 Z 1 lit. b B-VG und sei ein in den Vollziehungsbereich des Bundes fallender Auftraggeber des Bundes im Sinne von § 291 BVergG 2006. Daher sei die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gegeben.
Nach Zitat des § 16 Abs. 4 BVergG 2006 führte das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, die Gleichartigkeit der Aufträge sei bei Dienstleistungen der für die Auftragswertberechnung zu berücksichtigende Maßstab. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Gleichartigkeit sei das jeweilige Fachgebiet im Sinn eines Berufszweiges, in dem die Dienstleistung erbracht wird (Verweis auf eine Entscheidung des Bundesvergabeamtes vom 18. Dezember 2009). Unstrittig seien Dienstleistungen des gleichen Fachgebietes, die in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stünden, für die Auftragswertberechnung zusammenzurechnen (Verweis auf Heid in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht3 (2010), Rz. 284).
Im vorliegenden Fall seien bzw. sollten von der revisionswerbenden Partei für das Jahr 2014 die genannten sieben Aufträge betreffend Druckerzeugnisse vergeben werden. Diese Aufträge seien Dienstleistungsaufträge des Verlegens und Druckens gegen Vergütung oder auf vertraglicher Basis gemäß Kategorie 15 des Anhanges III BVergG 2006. Es handle sich um Dienstleistungen des gleichen Fachgebietes, nämlich des Druckergewerbes, die in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stünden, weil bei allen Aufträgen das Herstellen von Druckerzeugnissen im Jahr 2014 bezweckt werde. Die genannten Aufträge seien daher für die Auftragswertberechnung zusammenzurechnen.
Der geschätzte Auftragswert der als Lose anzusehenden genannten Aufträge überschreite somit den Schwellenwert des § 41a Abs. 2 Z 1 BVergG 2006 beträchtlich. Auch die Ausnahmebestimmung des § 16 Abs. 5 und 6 BVergG 2006 greife nicht. Die Wahl des Vergabeverfahrens Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung sei daher zu Unrecht erfolgt.
Diese Rechtswidrigkeit sei im Sinne des § 325 BVergG 2006 für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss.
Die Verpflichtung zum Ersatz der Pauschalgebühren begründete das Verwaltungsgericht mit § 319 Abs. 1 und 2 BVergG 2006.
Den Ausspruch gemäß § 25a Abs. 1 VwGG begründete das Verwaltungsgericht damit, dass die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 22. November 2011, Zl. 2006/04/0024, zur Auslegung von Ausschreibungsunterlagen) nicht abweiche, noch fehle es an einer Rechtsprechung. Auch sei die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
Das Verwaltungsgericht legte dem Verwaltungsgerichtshof die Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens vor.
Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Revision verweist in ihren Zulässigkeitsgründen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in den Erkenntnissen vom 8. Oktober 2010, Zl. 2007/04/0188, vom 22. Juni 2011, Zl. 2011/04/0116, und zuletzt vom 23. Mai 2014, Zl. 2013/04/0025, zur Frage des Vorliegens eines einheitlichen Vergabevorhabens.
Als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bringt sie vor, für den vorliegenden Fall sei nicht geklärt, ob sich § 16 Abs. 3 BVergG 2006 auf die für das einzelne Vorhaben des Kalenderjahres benötigten Dienstleistungen beziehe oder auf alle benötigten Dienstleistungen für alle Vorhaben eines Kalenderjahres gemeinsam.
Dazu führt die Revision näher aus, der Druck sei nur eine Teilleistung der zahlreichen Leistungen, die zu dem gewünschten Ergebnis/Produkt führten. Die Programmvorschau diene als Werbeunterlage für die Sfestspiele/Pfestspiele. Damit diese Werbeunterlage hergestellt werden könne, seien Erwerb von Nutzungsrechten an urheberrechtlich geschützten Werken (Artikel, Fotos), redaktionelle Dienstleistungen, graphische Dienstleistungen, Layout-Dienstleistungen und auch Druckerei-Dienstleistungen erforderlich. Das (Vergabe)Vorhaben sei daher die Herstellung der gedruckten Programmvorschau. Dasselbe gelte für die Abendprogramme, dessen Programmbücher hergestellt würden. Auch diese seien ein gesondertes Vorhaben genau wie die Produktion des Almanach. Auch der ad-hoc auftretende Bedarf nach Plakaten, Flyern, sonstigen Druckerzeugnissen seien - für sich genommen - Beschaffungsvorhaben im Sinne des § 13 Abs. 1 BVergG 2006. § 16 Abs. 4 BVergG 2006 sei auf ein bestimmtes Vorhaben anzuwenden und nicht so zu verstehen, dass die gleichartigen Dienstleistungen, die für verschiedene Vorhaben benötigt würden, für die Ermittlung des Auftragswertes zusammenzufassen seien.
2. Die mitbeteiligte Partei hält dem entgegen, die vorliegende Revision sei unzulässig, da mit der genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine einheitliche Rechtsprechung zur Frage der Auftragswertberechnung bzw. des Vorliegens eines Vorhabens im Sinne des BVergG 2006 vorläge und die "belangte Behörde" (gemeint das Verwaltungsgericht) dieser Rechtsprechung im angefochtenen Erkenntnis gefolgt sei. In ihrer Gegenschrift führte die mitbeteiligte Partei sodann nähere Argumente aus, warum die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes im Ergebnis zu Recht erfolgt sei.
3. Zu der hier maßgeblichen Rechtsfrage des Vorliegens eines (einheitlichen) Vergabevorhabens kann zunächst gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des bereits zitierten und zu dieser Frage zuletzt ergangenen hg. Erkenntnisses vom 23. Mai 2014, Zl. 2013/04/0025, verwiesen werden.
In diesem Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof unter anderem aus:
"4.1. Zur Frage des Vorliegens eines (einheitlichen) Vergabevorhabens:
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 8. Oktober 2010, Zl. 2007/04/0188, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH zur Berechnung des geschätzten Auftragswerts im Zusammenhang mit einem Dienstleistungsauftrag ausgesprochen, dass unter einem einheitlichen Vergabevorhaben unstrittig alle Dienstleistungen des gleichen Fachgebietes, die in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, zu verstehen sind. Die Aufteilung eines Vergabevorhabens bedürfe einer sachlichen Rechtfertigung, die nach einem strengen Maßstab zu prüfen sei. Fallbezogen hat der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis Dienstleistungen eines Architekten (konkret sowohl die Erstellung von Vorentwurf, Entwurf, Einreichung, Ausführungsplanung als auch die technische Oberleitung) als einheitliches Vergabevorhaben beurteilt, sodass diese Leistungen bei der Berechnung des Auftragswertes zusammenzurechnen seien.
Im Erkenntnis vom 22. Juni 2011, Zl. 2011/04/0116, hat der Verwaltungsgerichtshof für die Frage, ob mehrere Leistungen ein (Vergabe)Vorhaben im Sinne des § 13 Abs. 1 BVergG 2006 darstellen, auf mehrere Gesichtspunkte abgestellt (gleiches Fachgebiet, sachlicher und örtlicher Zusammenhang, gemeinsamer Zweck und gemeinsame Planung), sodass der geschätzte Gesamtwert dieser Leistungen für die Beurteilung der Zulässigkeit des gewählten Vergabeverfahrens ausschlaggebend war. So war für den Verwaltungsgerichtshof wesentlich, dass die Leistungen das gleiche Fachgebiet betreffen und sowohl in einem sachlichen als auch in einem örtlichen Zusammenhang stehen. Gleichzeitig war ein gemeinsamer Zweck dieser Leistungen gegeben, sodass diese ein Vorhaben im Sinne des § 13 Abs. 1 BVergG 2006 (bzw. ein Beschaffungsvorhaben iSd Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18/EG) bildeten (vgl. zur Bedachtnahme auf den gemeinsamen Zweck von Dienstleistungen, wenngleich im Zusammenhang mit der Beurteilung von prioritären und nicht prioritären Dienstleistungen, auch das Urteil des EuGH vom 14. November 2002, Rs C-411/00, Felix Swoboda GmbH, Rn. 60). Auch wurden diese Leistungen aufgrund einer einheitlichen Planung erbracht, wobei der Verwaltungsgerichtshof zu diesem Wesensmerkmal des Vorhabensbegriffes auf § 23 Abs. 2 Bundeshaushaltsgesetz verwies, der wiederum in den Gesetzesmaterialien zu § 22 BVergG 2006 angeführt wird (vgl. zu allem das obzitierte hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2011, Zl. 2011/04/0116, mwN).
Der EuGH hat im Zusammenhang mit der Berechnung des geschätzten Wertes eines öffentlichen Auftrags auf Art. 9 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2004/18 verwiesen, wonach 'ein Bauvorhaben oder ein Beschaffungsvorhaben mit dem Ziel, eine bestimmte Menge von Waren und/oder Dienstleistungen zu beschaffen, nicht zu dem Zweck aufgeteilt werden darf, das Vorhaben der Anwendung dieser Richtlinie zu entziehen' (vgl. das Urteil des EuGH vom 15. März 2012 in der Rechtssache C-574/10, Kommission/Deutschland, Randnr. 36). Bei der Beurteilung, ob verschiedene Bauaufträge als einheitliches Bauvorhaben bzw. verschiedene Dienstleistungen als einheitlicher Auftrag anzusehen sind, hat der EuGH eine funktionale Betrachtungsweise gewählt. Dabei hat er 'das Kriterium des einheitlichen Charakters eines Bauwerks mit funktionaler und wirtschaftlicher Kontinuität herangezogen und geprüft, ob die verschiedenen Lose dieses Bauwerks dieselbe wirtschaftliche und technische Funktion erfüllten' bzw. ausgesprochen, dass 'bei der Beurteilung, ob Dienstleistungen, deren Erbringung (...) in verschiedenen getrennten Abschnitten erfolgt ist, als einheitlicher Auftrag anzusehen sind, der einheitliche Charakter in Bezug auf ihre wirtschaftliche und technische Funktion zu prüfen' ist (vgl. Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 37 bzw. 41).
Somit ist es im Beschwerdefall nicht hinreichend, dass die belangte Behörde die Feststellung getroffen hat, wonach das gesamte Projekt (gemeint: das gesamte Bauvorhaben) nicht als Totalunternehmerauftrag ausgeschrieben werden sollte. Das Vorliegen eines Totalunternehmerauftrages kann für die Beurteilung, ob eine 'gleichzeitige Ausführung und Planung von Bauvorhaben' gemäß § 4 Z 1 BVergG 2006 (bzw. Art. 1 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2004/18) und damit ausschließlich ein Bauauftrag vorliegt, von Bedeutung sein (vgl. so Schramm/Öhler in Schramm/Aicher/Fruhmann, Bundesvergabegesetz 2006 - Kommentar2 (2012), Rz. 27 f zu § 4).
Für die Beurteilung, ob ein für die Berechnung des geschätzten Auftragswertes maßgebliches einheitliches Vergabevorhaben iSd § 13 BVergG 2006 vorliegt, ist der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH zufolge aber von einer funktionellen Betrachtungsweise auszugehen, die sich auch in den in der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten möglichen Gesichtspunkten für die Feststellung eines einheitlichen Vergabevorhabens wiederfindet (örtlicher Zusammenhang, gemeinsamer Zweck, gemeinsame Planung, gleiches Fachgebiet)."
4.1. Das Verwaltungsgericht hat sich im angefochtenen Erkenntnis mit der für den vorliegenden Revisionsfall maßgeblichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - das waren zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses die im obzitierten Erkenntnis angeführten hg. Erkenntnisse vom 8. Oktober 2010, Zl. 2007/04/0188, sowie vom 22. Juni 2011, Zl. 2011/04/0116 - nicht auseinandergesetzt und damit auch die nach dieser Rechtsprechung maßgebenden Kriterien nicht hinreichend beachtet.
Schon aus diesem Grund liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, die vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifen ist:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG kommt einer Rechtsfrage unter anderem dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Eine einzelfallbezogene Beurteilung (wie sie für das Vorliegen eines einheitlichen Vergabevorhabens vorzunehmen ist) ist im Allgemeinen nicht revisibel, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. den hg. Beschluss vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0033).
4.2. Zur Rechtsfrage des Vorliegens eines (einheitlichen) Vergabevorhabens hat der Verwaltungsgerichtshof in der oben wiedergegebenen Rechtsprechung mehrere Gesichtspunkte entwickelt, die bei der Feststellung, ob ein einheitliches Vorhabe vorliegt, in einer funktionellen Betrachtungsweise zu berücksichtigen sind.
Vorliegend hat sich das Verwaltungsgericht nicht mit dem Gesichtspunkt des gemeinsamen Zweckes von Dienstleistungen und der Frage befasst, ob diese Leistungen aufgrund einer einheitlichen Planung (des Auftraggebers) erbracht wurden. Diesbezügliche Feststellungen fehlen im angefochtenen Erkenntnis. Zu diesem Gesichtspunkt hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung auf § 23 Abs. 2 Bundeshaushaltsgesetz verwiesen. Dieser Vorhabensbegriff findet sich nunmehr in § 57 Bundeshaushaltsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 139/2009, und lautet wie folgt:
"(1) Ein Vorhaben hat einen in wirtschaftlicher, rechtlicher oder finanzieller Hinsicht einheitlichen Vorgang zum Gegenstand.
(2) Soweit ein Vorhaben die Investition in immaterielle Vermögensgegenstände, Sachanlagevermögen oder die Erbringung sonstiger Leistungen zum Gegenstand hat, umfasst das Vorhaben alle sich hierauf beziehenden sachlich abgrenzbaren und wirtschaftlich zusammengehörigen Leistungen, die in der Regel auf Grund einer einheitlichen Planung erbracht werden."
Genau die Nichtberücksichtigung dieses wesentlichen Gesichtspunktes spricht auch die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen an, wenn sie unter Verweis auf die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage des Vorliegens eines (einheitlichen) Vergabevorhabens auf die notwendige funktionelle Betrachtungsweise hinweist. Hingegen hat das Verwaltungsgericht seine Auffassung, es liege ein einheitliches Vergabevorhaben vor, neben dem Argument, es handle sich um Dienstleistungen des gleichen Fachgebietes, nämlich des Druckergewerbes, alleine damit begründet, bei allen Aufträgen sei das Herstellen von Druckerzeugnissen im Jahr 2014 bezweckt. Diese Jahresangabe für sich allein genommen stellt aber keine ausreichende Beurteilung des gemeinsamen Zweckes bzw. der gemeinsamen Planung eines allfällig einheitlichen Vergabevorhabens dar. Vielmehr wäre in einer funktionellen Betrachtungsweise mit den Worten des EuGH auf den "einheitlichen Charakter in Bezug auf ihre wirtschaftliche und technische Funktion" abzustellen gewesen. Aus diesem Grund fehlen auch die zur Beurteilung des gemeinsamen Zweckes bzw. der gemeinsamen Planung der vorliegenden Dienstleistungen erforderlichen Feststellungen. Ausgehend von diesen wäre zu klären gewesen, ob die verfahrensgegenständlichen Druckereidienstleistungen nicht nur Teilleistungen von Vergabevorhaben waren, die - wie von der Revisionswerberin behauptet - voneinander zu trennen sind.
4.3. Aus diesen Erwägungen erweist sich die vorliegende außerordentliche Revision als zulässig und Spruchteil A Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
5. Da Spruchteil A Spruchpunkt II. (Verpflichtung zum Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren) sowie Spruchteil B (Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision) mit Spruchteil A Spruchpunkt I. in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl. zum Pauschalgebührenersatz: vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2013, Zl. 2010/04/0092; vgl. zum Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063) war das angefochtene Erkenntnis in seinem gesamten Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
6. Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Gemäß § 47 Abs. 5 VwGG ist der dem Revisionswerber zu leistende Aufwandersatz von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verwaltungsverfahren gehandelt hat.
Bei der vergaberechtlichen Nachprüfung (Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens nach Art. 130 Abs. 2 Z 2 B-VG) liegt ein derartiges Handeln einer Behörde nicht vor. Da dem Gesetzgeber des VwGG nicht unterstellt werden kann, er wollte für diese Fälle von einem Aufwandersatz nach den §§ 47 ff leg. cit. absehen, ist diese Lücke dahingehend zu schließen, dass der Kostenersatz von jenem Rechtsträger zu tragen ist, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Beschwerdesache gehandelt hat. Danach ist entscheidend, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen der vergaberechtlichen Nachprüfung in einer Angelegenheit tätig wurde, die nach den Zuständigkeitsregeln des B-VG (hier des Art. 14b B-VG) in den Vollzugsbereich des Bundes oder der Länder fällt.
Daher ist vorliegend der Bund als gemäß Art. 14b Abs. 2 B-VG zuständiger Rechtsträger zum Aufwandersatz zu verpflichten.
Wien, am 27. Oktober 2014
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:RA2014040022.L00Im RIS seit
01.03.2018Zuletzt aktualisiert am
01.03.2018