TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/11 97/16/0214

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Veröffentlicht am 11.05.2000
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Index

DE-32 Steuerrecht Deutschland;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

ErbStG §2 Abs1 Z1;
ErbStG §20 Abs1;
ErbStG §20 Abs4 Z4;
ErbStG §20 Abs4;
ErbStG-D §24 Abbs4 Nr4;
ErbStG-D 1974 §10 Abs5 Nr3 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der I in W, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 14. April 1997, Zl. RV/047/2-9/Mü/97, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Bad Ischl als Pflegschaftsgericht vom 1. Oktober 1993 wurde Rechtsanwalt Dr. Hans-Peter Neher zum Sachwalter für Josef Karl S bestellt. Der Sachwalter wurde vom Gericht beauftragt, zwei seinem Kuranden gehörende Liegenschaften, EZ 12, Grundbuch Hallstatt, und EZ 158, Grundbuch Obertraun, zu verkaufen. Diesbezügliche Angebote waren bis 9. Dezember 1993 beim Pflegschaftsgericht einzubringen. Die Beschwerdeführerin legte mit Eingabe vom 7. Dezember 1993 ein Offert über S 851.000,-- vor.

Ein weiteres Kaufangebot über S 901.000,-- erging von Irmgard F am 8. Dezember 1993. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Bad Ischl vom 16. Dezember 1993 genehmigte das Erstgericht das von Irmgard F vorgelegte Angebot. Mit Beschluss vom 20. April 1994 wies das Landesgericht Wels den von der Beschwerdeführerin dagegen eingebrachten Rekurs zurück, weil ihr als "Vertragspartnerin" im Verfahren zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung von Verträgen Pflegebefohlener keine Beteiligtenstellung zukam.

Am 2. Juni 1994 verstarb Josef Karl S und es erbten je zur Hälfte die Beschwerdeführerin und Alfons D.

Am 29. Juni 1994 beantragte Irmgard F beim Bezirksgericht Bad Ischl die Bestellung eines Verlassenschaftskurators zur Unterfertigung der Kaufvertragsurkunde hinsichtlich ihres vom Sachwalter Dr. Neher angenommen und pflegschaftsgerichtlich genehmigten Angebots. Der diesem Antrag stattgebende Beschluss des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 5. August 1994 wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 21. September 1994 zufolge Rekurses der Beschwerdeführerin ersatzlos aufgehoben.

Daraufhin klagte Irmgard F die Verlassenschaft auf Zuhaltung des Kaufvertrages vor dem Landesgericht Wels zur GZ 3 Cg 269/94 g. Zu diesem Zeitpunkt war bereits ein Rechtsstreit zwischen der Beschwerdeführerin und dem Erblasser ebenfalls vor dem Landesgericht Wels zur GZ 4 Cg 14/94 anhängig, weil auch die Beschwerdeführerin auf einem mit ihr gültig zu Stande gekommenen Kaufvertrag bezüglich der strittigen Liegenschaften bestand.

Die Erben schlossen am 18. April 1995 ein Erbübereinkommen, wobei vereinbart wurde, dass die Beschwerdeführerin das gesamte Erbe mit allen Aktiven und Passiven erhalten sollte und der Miterbe mit einem bestimmten Betrag unabhängig vom Prozessesausgang abgefunden wurde.

Mit Einantwortungsurkunde vom 7. Dezember 1995 wurde der Nachlass der Beschwerdeführerin und dem Miterben auf Grund ihrer unbedingten Erbserklärungen je zur Hälfte eingeantwortet und ausgesprochen, dass der Beschwerdeführerin auf Grund der Ergebnisse der Verlassenschaftsabhandlung das Eigentumsrecht an den zwei strittigen Liegenschaften einverleibt werden müsse.

In dem letztlich durch Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 19. September 1996 zu 2 Ob 2207/96i entschiedenen Rechtsstreit zwischen Irmgard F und der Verlassenschaft wurde Letztere, deren Rechtsnachfolgerin die inzwischen eingeantwortete Beschwerdeführerin war, zur Vertragsunterfertigung einschließlich der Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Klägerin verurteilt, weil nach Ansicht des OGH der Kaufvertrag durch ein um den 22. Dezember 1993 zwischen Irmgard F und dem Sachwalter geführtes Telefonat mündlich zu Stande kam.

Daraufhin schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz mit Bescheid vom 6. November 1996 der Beschwerdeführerin Erbschaftssteuer in der Höhe von S 46.583,-- (ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb von S 388.191,64) vor. Die noch im eidesstättigen Vermögensbekenntnis mit dem Einheitswert als Aktiva der Verlassenschaft bewerteten Liegenschaften wurden nunmehr durch den Verkaufserlös von S 901.000,-- ersetzt und der Beschwerdeführerin anteilig zum Erwerb zugerechnet.

In der dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, dass ausser Nachlassregulierungskosten in der Höhe von S 36.000,-- auch noch die m Prozess um die Liegenschaften angefallenen Kosten, nämlich Kostenersatz an die klagende Partei in der Höhe von S 191.601,60 und Kostenersatz an den eigenen Rechtsanwalt in der Höhe von S 165.674,60, vom steuerpflichtigen Erwerb hätten abgezogen werden müssen.

Gegen die daraufhin ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung stellte die Beschwerdeführerin unter Wiederholung ihres Rechtsstandpunktes fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei sie ergänzend angab, dass der Rechtsstreit zum Zwecke der Erhaltung zweier wesentlicher Liegenschaften für den Nachlass geführt wurde und somit vom Erwerb abzuziehende Kosten eines für den Nachlass oder wegen des Erwerbes geführten Rechtsstreites gemäß § 20 Abs. 4 Z. 4 ErbStG vorlägen.

Mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung setzte die belangte Behörde ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb von S 352.190,-- die Erbschaftssteuer mit S 42.263,-- fest und wies das Mehrbegehren auf Abzug der Prozesskosten von der Bemessungsgrundlage ab. Für die Abzugsfähigkeit von Prozesskosten nach § 20 Abs. 4 Z. 4 ErbStG sei Voraussetzung, dass der Grund der Kosten im Übergang des Vermögens vom Erblasser auf den Erben gelegen sei, beispielsweise in der Feststellung der Nachlasszugehörigkeit eines Vermögenswertes oder in der Feststellung der Eigenschaft als Erbe in einem Erbrechtsstreit. Die von der Beschwerdeführerin als abzugsfähig geltend gemachten Prozesskosten stammten aber aus einem Rechtsstreit, bei dem es um die Frage ging, ob die Beschwerdeführerin verpflichtet ist, einen zwischen dem Sachwalter des Erblassers und einer Dritten geschlossenen Kaufvertrag zuzuhalten. Dieses vom OGH entschiedene Verfahren habe in keiner Phase gezeigt, dass es um die Nachlasszugehörigkeit der verkauften Grundstücke gegangen wäre.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Abzug der in § 20 Abs. 4 "Punkt" 3 ErbStG (gemeint nach den weiteren Beschwerdeausführungen: § 20 Abs. 4 Z. 4 ErbStG ) genannten Kosten vom Erwerb verletzt und brachte vor, dass darunter auch solche Aufwendungen verstanden werden müssten, die zur Rechtsverfolgung, nämlich um für den Nachlass etwas zu erlangen, aber auch zur Rechtsverteidigung, um die Forderung eines Dritten gegen den Nachlass auf Herausgabe einer unbeweglichen Sache abzuwehren, notwendig waren.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Tatbestand des Erwerbes durch Erbanfall mit der Annahme der Erbschaft, also der Abgabe der Erbserklärung erfüllt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. August 1995, 95/16/0098). Die Steuerschuld entsteht, von hier nicht in Betracht kommenden Sonderfällen abgesehen, gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 ErbStG bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tod des Erblassers.

Gemäß § 18 ErbStG ist für die Wertermittlung, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld maßgebend.

Gem § 20 Abs. 1 erster Satz ErbStG gilt als Erwerb, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der gesamte Vermögensanfall an den Erwerber. Nicht abgezogen werden können Kosten, die nicht mit dem Erwerb zusammenhängen oder nicht in der Person des Erblassers entstanden sind. Ferner können erst nach dem Erwerb bzw. nach dem Todestag neu entstandene Kosten und Schulden nicht abgezogen werden, sofern sie nicht in den einzelnen Ziffern des § 20 Abs. 4 ErbStG gesondert angeführt sind (vgl. Fellner, Erbschafts- und Schenkungssteuer9, Rz 19 zu § 20 ErbStG). Die Ziffern 1 - 4 des Abs. 4 führen aus, was "insbesondere" vom Erwerb abzuziehen ist. Nach Abs. 4 Z. 4 dieser Gesetzesstelle sind von dem Erwerbe abzuziehen die Kosten eines für den Nachlass oder wegen des Erwerbes geführten Rechtsstreites.

Schon aus der Verwendung des Wortes "oder" ergibt sich, dass diese Gesetzesbestimmung zwei Tatbestände erfasst, nämlich die Kosten eines für den Nachlass geführten Rechtsstreites oder die Kosten eines wegen des Erwerbes geführten Rechtsstreites. Kapp unterscheidet im Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz4 zur gleich lautenden Bestimmung des § 24 Abs. 4 Nr. 4 des deutschen Erbschaftssteuergesetzes 1959, die Kosten eines Prozesses durch den eine Nachlassforderung eingeklagt bzw. eine Nachlassforderung geltend gemacht wird (Rz 119) von Kosten eines wegen des Erwerbes geführten Rechtsstreites (Rz 120).

Die hier durch die Abwehr eines von einem Dritten gegen die Verlassenschaft geltend gemachten Anspruches entstandenen Prozesskosten sind nicht Kosten eines wegen des Erwerbes geführten Rechtsstreites, sondern Kosten eines für den Nachlass geführten Rechtsstreites; ein gegen den Nachlass gerichtlich geltend gemachter Anspruch sollte abgewehrt werden.

Zu den abzugsfähigen Kosten gehören nicht nur die Gerichtskosten, sondern allfällige Kosten für den eigenen und den gegnerischen Anwalt (vgl. Dorazil, Kommentar zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz2, 254). Auf das Ergebnis des Prozesses kommt es für die Abzugsfähigkeit nicht an (vgl. Kapp, a.a.O., Rz 119). Dies ergibt sich schon daraus, dass nur Kosten eines Rechtsstreites abgezogen werden können, soweit sie nicht etwa dem Erben erstattet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 1989, Zl. 88/16/0010), weil § 20 ErbStG, der den Umfang des steuerpflichtigen Erwerbes festlegt, auf die tatsächliche Bereicherung des Erben abstellt (vgl. Dorazil, Kommentar zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz3, 486 Rz 1.1 zu § 20 ErbStG).

Der im Rechtsstreit zwischen der Verlassenschaft und Irmgard F strittige Kaufvertrag wurde im Dezember 1993 ohne Errichtung einer einverleibungsfähigen Kaufvertragsurkunde vom Sachwalter des Erblassers mit der Klägerin mündlich geschlossen und ist somit dem Erblasser zurechenbar. Gegen die Zurechnung zum Erblasser spricht auch nicht, dass die Käuferin auf Grund der nach dem Tode des Erblassers bestehenden Unklarheit bezüglich der Vertretungsbefugnis der Verlassenschaft die Klage auf Einhaltung des Vertrages erst geraume Zeit nach dem Tode des Erblassers einbrachte.

Die Beschwerdeführerin war, nachdem ihr der Nachlass eingeantwortet und nachdem sie alle Aktiva und Passiva auf Grund des Erbübereinkommens erhalten hatte, durch das Urteil des OGH als Rechtsnachfolgerin der Verlassenschaft zur Unterzeichnung einer einverleibungsfähigen Kaufvertragsurkunde verpflichtet. Aber auch ihr starkes persönliche Interesse an der Erhaltung der Liegenschaften für den Nachlass und somit für sich selbst, welches sich zuerst durch ihr Kaufoffert und anschließend durch ihren mit dem Erblasser zu 4 Cg 14/94 beim Landesgericht Wels geführten Rechtsstreit zeigte, ändert nichts daran, dass die Verpflichtung aus dem Kaufvertrag bereits in der Person des Erblassers begründet war. Bei den in der Folge aus dem Rechtsstreit zwischen Irmgard F und der Verlassenschaft entstandenen Prozesskosten handelt es sich daher um Kosten eines Rechtsstreites, der für den Nachlass geführt wurde.

Unstrittigerweise ging es in diesem Prozess für die Verlassenschaft um das Bestehen einer Verbindlichkeit auf Herausgabe zweier Liegenschaften einerseits und um eine ihr gegenüberstehende Kaufpreisforderung andererseits. Dabei handelt es sich jedenfalls um eine Nachlassforderung bzw um eine Nachlassverbindlichkeit. Das zeigt sich auch daran, dass die Liegenschaften zuerst im eidesstättigen Vermögensbekenntnis als Aktivum ausgewiesen wurden und vom Finanzamt bei Feststellung des steuerpflichtigen Erwerbes nach Beendigung des Rechtsstreites nicht mehr berücksichtigt, sondern durch die Nachlassforderung in der Höhe von S 901.000,-- ersetzt wurde, wozu es aber nur auf Grund des für (bzw hier: gegen) den Nachlass geführten Prozesses kam.

Da die strittigen Prozesskosten aus einem Rechtsstreit hervorgehen, in dem es um die Durchsetzung einer Nachlassverbindlichkeit bzw Nachlassforderung ging, sind diese Kosten nach § 20 Abs. 4 Z. 4 ErbStG vom steuerpflichtigen Erwerb abzugsfähig.

Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muss.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/199.

Wien, am 11. Mai 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997160214.X00

Im RIS seit

21.12.2000

Zuletzt aktualisiert am

16.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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