Index
E1E;Norm
11992E092 EGV Art92 Abs1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):97/16/0457 B 11. Mai 2000Betreff
99/16/0084
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der W GesmbH in W, vertreten durch Dorda, Brugger und Jordis, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien I,
Dr. Karl-Lueger-Ring 12, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 28. Jänner 1999, Zl. MD-VfR - W 31/98, betreffend Aussetzung in einer Getränkesteuersache, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag, die Getränkesteuer für das Jahr 1997 festzusetzen und die entrichtete Getränkesteuer zurück zu zahlen. Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4/7, nahm mit Bescheid vom 29. September 1998 eine Festsetzung vor und wies den Rückzahlungsantrag ab. Die Entscheidung über die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung wurde von der Behörde erster Instanz mit Bescheid vom 12. Oktober 1998 gemäß § 216 Abs. 3 WAO ausgesetzt.
In ihrem Fortsetzungsantrag führte die Beschwerdeführerin aus:
"Zwar machen wir im Rahmen unserer Berufung vom 8.10.1998 geltend, dass die Anwendung der Getränkesteuervorschriften gegen primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht verstößt, doch bestehen gegen diese Abgabenvorschriften auch (innerstaatliche) verfassungsrechtliche Bedenken (etwa hinsichtlich der Einordnung der Getränkesteuer als Verbrauchs- und Verkehrsteuer und einer damit verbundenen Verfassungswidrigkeit auf Grund des § 8 Abs 4 F-VG), weshalb wird für den Fall eines negativen Berufungsbescheides durchaus die Möglichkeit einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof in Betracht ziehen.
Sollte der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangen, dass die Getränkesteuerregelung als verfassungswidrig aufzuheben ist, besitzen wird ein imminentes Interesse, dass unsere Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof als "Anlassfall" gewertet wird und wir in den Genuss der 'Ergreiferprämie' gelangen.
Auf Grund der mit da. Bescheid vom 12.10.1998, MA 4/7-5680/98, verfügten Verfahrensaussetzung könnten wird der 'Ergreiferprämie' verlustig gehen, sodass dieser Aussetzung 'überwiegende Interessen der Partei' im Sinne § 216 WAO 'entgegenstehen'."
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde die Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführerin vom 29. September 1998 gemäß § 216 BAO aus. Mit dem bloßen Vorbringen, im Falle einer negativen Berufungsentscheidung die Möglichkeit einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof in Betracht zu ziehen, habe die Beschwerdeführerin überwiegende, der Aussetzung entgegenstehende Interessen nicht darzutun vermocht. Die im Berufungsverfahren zu beurteilende Frage, ob die Getränkesteuer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes widerspricht, sei Gegenstand
einer Vielzahl von Verwaltungsgerichtshof - Beschwerden, wobei
insbesondere auf die Zlen. 97/16/0221, 0021, verwiesen wurde.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Fortsetzung des <seite_2>Verfahrens und in weiterer Folge auf Rückerstattung zu Unrecht
entrichteter Getränkesteuer verletzt erachtet. Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Vom Verwaltungsgerichtshof erging am 13. April 2000 an die Beschwerdeführerin die Aufforderung, sich zur Frage der materiellen Klaglosstellung dadurch, dass der Verwaltungsgerichtshof zu den Zlen. 2000/16/0117 (vormals 97/16/0221) und 2000/16/0116 (vormals 97/16/0021) mit Erkenntnissen vom 30.März 2000 entschieden hat, zu äußern.
Die Beschwerdeführerin äußerte sich in ihrer Stellungnahme dahingehend, dass aus dem angefochtenen Aussetzungsbescheid der Behörde nicht eindeutig hervorgehe, bis zu welchem Zeitpunkt die Behörde das Verfahren ausgesetzt haben wollte. Ziel einer gegen den Aussetzungsbescheid gerichteten Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde sei es gewesen, durch Aufhebung des Aussetzungsbescheides die Fortsetzung des Berufungsverfahrens herbeizuführen; in der Regel werde die Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde erst mit dem Abschluss des Berufungsverfahrens durch Erlassung der Berufungsentscheidung gegenstandslos.
Im vorliegenden Fall habe die Abgabenberufungskommission das Berufungsverfahren weder erkennbar fortgesetzt noch eine Berufungsentscheidung erlassen, weshalb die Beschwerdeführerin durch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.März 2000 nicht materiell klaglos gestellt und die Beschwerde nicht gegenstandslos sei. Auch habe die Beschwerdeführerin ein rechtliches Interesse an der Klärung der Frage, ob der Aussetzungsbescheid rechtmäßig gewesen sei. Die Beschwerdeführerin spreche sich daher gegen eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 33 Abs. 1 VwGG aus.
Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich aus folgenden Erwägungen der Aufassung der Beschwerdeführerin nicht an:
§ 33 Abs. 1 VwGG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt; ein Einstellungsfall liegt etwa auch dann vor, wenn die Beschwerdeführerin kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (siehe die Nachweise im hg. Beschluss vom 8. Oktober 1997, Zl. 96/21/0039).
Wohl weist der hier angefochtene Bescheid in seinem Spruch die Dauer der Aussetzung nicht aus. Durch die Anführung des § 216 der Wiener Abgabenordnung und den Hinweis in der Begründung auf die Verwaltungsgerichtshof-Beschwerden, Zlen. 97/16/0221 und 97/16/0021, ist jedoch die Dauer der Aussetzung eindeutig bestimmt.
§ 216 WAO, LGBl. Wien Nr. 21/1962 idF der Novelle LGBl. 40/1992, lautet:
"(1) Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig oder schwebt vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, so kann die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen.
(2) Eine Aussetzung der Entscheidung gemäß Abs. 1 ist von der Abgabenbehörde zweiter Instanz auszusprechen. Nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens, das Anlass zur Aussetzung gemäß Abs. 1 gegeben hat, ist das ausgesetzte Berufungsverfahren von Amts wegen fortzusetzen.
(3) Die Aussetzung der Entscheidung kann auch von der Abgabenbehörde erster Instanz ausgesprochen werden. Dieser Bescheid <seite_3>tritt außer Kraft, sobald eine Partei die Fortsetzung des Berufungsverfahrens beantragt."
Die hg. Verfahren Zlen. 2000/16/0117 (vormals 97/16/0221) und 2000/16/0116 (vormals 97/16/0021) wurden mit Erkenntnissen vom 30. März 2000 beendet; es kann davon ausgegangen werden, dass unmittelbar nach der Abfertigung der Erkenntnisse am 6. April 2000 diese der auch hier belangten Behörde zugestellt wurden. Gemäß § 216 Abs. 2 zweiter Satz BAO war daher nach Beendigung jener Verfahren, die Anlass zur Aussetzung gemäß § 216 Abs. 1 gegeben haben, das Berufungsverfahren von Amts wegen fortzusetzen. Damit war aber die Dauer der Aussetzung eindeutig festgelegt.
Wohl hat der Verwaltungsgerichtshof in den in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin zitierten Beschlüssen vom 23. Oktober 1985, Zl. 84/17/0078, und vom 24. Juni 1997, Zl. 94/08/0126 unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung ausgeführt, dass im Falle der Aussetzung eines Berufungsverfahrens spätestens mit der das Verfahren sodann abschließenden Berufungsentscheidung die Aussetzung ihre Wirkung verloren habe. In den genannten Fällen war im Zeitpunkt der Einstellung durch den Verwaltungsgerichtshof das Berufungsverfahren bereits beendet; unter diesem Aspekt ist der Rechtssatz zu sehen, wonach das mit einer gegen einen Aussetzungsbescheid gerichteten Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde erreichbare Ziel, durch Aufhebung des Aussetzungsbescheides die Fortsetzung des Berufungsverfahrens herbei zu führen, mit dem Abschluss des Verfahrens durch Erlassung der Berufungsentscheidung gegenstandslos geworden sei.
Abgesehen davon, dass in den genannten Beschlüssen ausdrücklich darauf abgestellt wurde, dass spätestens mit der abschließenden Berufungsentscheidung die Aussetzung ihre Wirkung verloren habe, ging es in jenem Fall jeweils um Aussetzungen nach § 38 AVG und nicht nach § 216 WAO; § 38 AVG enthält aber insbesondere keine dem § 216 Abs. 2 zweiter Satz WAO vergleichbare Anordnung. Einer Aufhebung des Aussetzungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf es nicht mehr, wenn das Gesetz selbst schon die Fortsetzung des Berufungsverfahrens anordnet. Ein rechtliches Interesse an einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes besteht daher nicht mehr, zumal auch klargestellt ist, dass mit der Zustellung der genannten Erkenntnisse an die belangte Behörde die Entscheidungsfrist im vorliegenden Fall neu zu laufen begann.
Mangels einer formellen Klaglosstellung liegen die Voraussetzungen für Kostenzusprüche gemäß § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 zur Anwendung. Da im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand nicht erfordert, waren die Kosten jener Partei zuzusprechen, die bei aufrechtem Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegt hätte:
Zur Frage, ob die (jeweils landesgesetzlich geregelte) Getränkesteuer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes widerspricht, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 18. Dezember 1997, Zlen. 97/16/0221, 0021, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu einer Vorabentscheidung angerufen.
Zur Frage, ob aus diesem Grund Berufungsverfahren zur Festsetzung bzw. Rückzahlung von Getränkesteuer ausgesetzt werden können, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31. März 1999, Zlen. 99/16/0052, 0053, ausgeführt, dass jeweils im Einzelfall zu beurteilen sei, ob die Absicht der Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde zwecks Erlangung der so genannten "Ergreiferprämie" einer Aussetzung entgegensteht, und dass schon die bevorstehende Gerichtsanhängigkeit der präjudiziellen Norm der bereits eingebrachten Verfassungsgerichtshofbeschwerde <seite_4>gleichzuhalten ist. Entscheidend war in jenem zu § 216 Abs. 3 WAO
entschiedenen Fall, dass schon vor der Verwaltungsbehörde konkrete verfassungsrechtliche Bedenken vorgetragen wurden, die nicht von vornherein als aussichtslos abqualifiziert werden konnten.
Da auch im vorliegenden Fall derartige konkrete verfassungsrechtliche Bedenken vorgetragen wurden, standen überwiegende Interessen der Partei einer Aussetzung entgegen. Der angefochtene Bescheid wäre daher gleichfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben gewesen.
Davon ausgehend muss der Rechtsträger der belangte Behörde der Beschwerdeführerin Aufwandersatz (§§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994) leisten.
Wien, am 11. Mai 2000
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999160084.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
16.12.2011