Entscheidungsdatum
01.02.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
I414 2166721-1/8.E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter und die Richterin MMag. Alexandra JUNKER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Vorarlberg (SMS), vom 17.07.2017, Zl. OB: XXXX, betreffend den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Am 30.06.2017 beantragte Herr XXXX (in der Folge als Beschwerdeführer bezeichnet) die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.
Vom Sozialministeriumservice, Landesstelle Vorarlberg (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet), wurde das medizinische Sachverständigengutachten von Dr. L. vom 18.06.2017 herangezogen. Dieses Gutachten wurde im Zuge des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers am 07.06.2017 erstellt.
Darin hielt der Gutachter fest wie folgt:
"[ ]
Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Insgesamt ist davon auszugehen, dass der AST in der Lage ist, eine kurze Wegstrecke von 300-500m ohne kurzem Anhalten zurückzulegen. Auch stellen das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel kein Problem dar.
[ ]"
Ergänzend wurde am 14.07.2017 von der belangten Behörde eine Stellungnahme zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingeholt:
"Frage(n):
81. Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
82. Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
79. Liegen die Voraussetzungen für die beantragte/n Zusatzeintragung/en (siehe unten) vor?
Antwort(en):
Der Antragsteller wurde vor kurzem im Rahmen des Behindertenpassverfahrens von mir untersucht.
Laut Einschätzungsrichtlinie ist bei cardiopulmonalen Erkrankungen die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund dauerhafter Mobilitätseinschränkung jedenfalls zu vergeben wenn eine Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen (z.B. Beinödeme, Wasser in der Lunge, Dyspnoe usw.) vorliegen würde. Dies ist beim Antragsteller nicht der Fall. Die vom Antragsteller gegenüber dem Referenten getätigte Aussage, dass bei einer Herzerkrankung mit einer EF von unter 30% jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel besteht, kann aus ärztlicher Sicht unter Berücksichtigung der Kriterien nicht nachvollzogen werden.
Beim Antragsteller besteht zwar eine koronare Herzkrankheit/ischämische Kardiomyopathie mit einer EF von ca. 25%, die gewählte Position laut EVO (05.08.03) ist aber im mäßigen Bereich (Begründung der Position im Erstgutachten). Für die nächsthöhere Position (05.05.04) müssten Dekompensationszeichen bei geringster körperlicher Belastung bzw. in Ruhe vorliegen.
Somit ist im Einzelfall zu prüfen ob eine kurze Wegstrecke, das Ein-. Bzw. Aussteigen und ein sicherer Transport möglich ist.
Beim Antragsteller besteht keine Dyspnoe (Atemnot) bzw. sonstige Anzeichen (Gangbild hilfsmittelfrei, unauffälliger Allgemeinzustand) dass eine Wegstrecke von 300-400 m in adäquater Geschwindigkeit ohne Anhalten nicht möglich wäre. Auch das Ein- bzw. Aussteigen (Überwinden von Niveauunterschieden) ist dem Antragsteller möglich. Des Weiteren stellt der sichere Transport (wie z.B. das sich Festhalten in einem öffentlichen Verkehrsmittel) kein Problem dar.
Auch in Kombination mit den anderen festgestellten Leiden besteht keine derartige Einschränkung dass eines der oben genannten Kriterien vorliegen würde."
Mit Bescheid vom 17.07.2017 wies die belangte Behörde schließlich die beantragte Zusatzeintragung ab und begründete dies damit, dass das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung nicht vorlägen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig im Rahmen seiner Niederschrift vor der belangten Behörde am 28.07.2017 Beschwerde. Er brachte vor, dass bei ihm die Diagnose über eine Herzleistung von LVEF von 25% bestehe und diese auch von Dr. L. so bestätigt worden sei. Er berufe sich auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach bei Vorliegen einer Herzinsuffizienz mit LVEF unter 30% jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel begründet sei. Der Beschwerde legte er zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes und Erläuternde Bemerkungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bei.
Beschwerde und bezughabender Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 04.08.2017 zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schreiben vom 08.08.2017 wurde Dr. G., Fachärztin für innere Medizin mit der Beantwortung nachstehender Fragen im Rahmen der Erstellung eines ergänzenden Gutachtens unter Einbeziehung der bisherigen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens ersucht:
"a) Liegt beim Beschwerdeführer eine Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen vor?
b) Kann der Beschwerdeführer eine kurze Wegstrecke (ca. 300 bis 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe (allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe) ohne Unterbrechung zurücklegen?
c) Erschwert die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels in hohem Maß?
d) Wirkt sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens (zu überwindende Niveauunterschiede) und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel (u.a. beim Stehen oder bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt) unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen aus?
e) Bestehen beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten?
f) Bestehen beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit?
g) Bestehen beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. Funktionen?"
Dr. G. hielt in ihrem Sachverständigengutachten vom 11.09.2017 nach neuerlicher persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers fest:
"[ ]
Zusammenfassende Stellungnahme zu den Fragen a) bis g):
Ad a) Beim Beschwerdeführer liegt eine Herzinsuffizienz im klinischen Stadium NYHA III (Stadieneinteilung nach New York Heart Association-Classification I – IV) vor. Dies bedeutet, dass bereits eine geringe körperliche Belastung Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris verursachen.
Ad b) Eine kurze Wegstrecke von ca. 300 bis 400 m kann aufgrund der unter Belastung auftretenden Atemnot nur mit mehreren Pausen zurückgelegt werden.
Ad c) Eine Verwendung von Behelfen liegt nicht vor.
Ad d) Das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel ist aufgrund der Atemnot bei bereits geringer körperlicher Belastung erschwert.
Ad e) Erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten liegen nicht vor.
Ad f) Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt vor.
Ad g) Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten liegen nicht vor.
Bei vorliegender Herzerkrankung ist von einem Dauerzustand auszugehen, da bereits eine optimierte medikamentöse Therapie vorliegt. Eine Besserung der körperlichen Belastbarkeit wäre nur durch eine Herztransplantation evtl. zu erreichen, die dann eine hochdosierte Immunsupression erfordern würde.
[ ]"
Das Gutachten von Dr. G. wurde den Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme nahm weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde Gebrauch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren, hat seinen Wohnsitz im Inland und ist in Besitz eines Behindertenpasses.
Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer an einer Herzerweiterung mit hochgradig herabgesetzter Herzleistung, Polyneuropathie der oberen und unteren Extremitäten, Diabetes mellitus Typ II und Hypertonie leidet.
Es ist dem Beschwerdeführer nicht möglich, eine kurze Wegstrecke von 300 – 400 m ohne Unterbrechung zurückzulegen. Das Ein- und Aussteigen ist ihm nur erschwert möglich. Es liegt eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor.
Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.
Eine Besserung des Leidenszustandes ist nicht zu erwarten.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seinem Wohnsitz und dem Behindertenpass ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.
Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand ergeben sich aus dem von der belangten Behörde und dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. L. bzw. Dr. G.. Wie aus dem Verfahrensgang zu entnehmen ist, wurde das zuletzt eingeholte Gutachten der Sachverständigen Dr. G. vom 11.09.2017 den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Es langte weder von der belangten Partei noch vom Beschwerdeführer eine Stellungnahme dazu ein und blieb somit unbestritten.
Dass dem Beschwerdeführer das Ein- und Aussteigen sowie das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 – 400 m ohne Unterbrechung unmöglich sind, ergibt sich ebenso aus dem Gutachten von Dr. G. und blieben auch diese Ausführungen unbestritten. Die Sachverständige führte nachvollziehbar aus, dass beim Beschwerdeführer eine Herzinsuffizienz im klinischen Stadium NYHA III vorliegt und es dadurch schon bei geringer körperlicher Belastung zu Rhythmusstörungen, Luftnot und Angina pectoris kommt. Aus diesem Grund ist schlüssig, wenn die Gutachterin zum Ergebnis kommt, dass eine kurze Wegstrecke wegen der auftretenden Atemnot nicht ohne Unterbrechung und mehreren Pausen zurückgelegt werden kann. Genauso nachvollziehbar argumentiert sie, dass dadurch auch das Ein- und Aussteigen in und aus einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zumutbar ist.
Die Feststellungen, dass eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit und dass eine Besserung des Leidenszustandes nicht zu erwarten ist ergibt sich aus dem Gutachten vom 11.09.2017. Zusammenfassend führt die Sachverständige aus, dass es sich um einen Dauerzustand handelt und eine Besserung nur durch eine Herztransplantation erreicht werden könnte.
Die Gutachten von Dr. G. vom 11.09.2017 steht mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, ist schlüssig und vollständig und ihm wurde nicht entgegen getreten. Aus diesen Gründen legte der erkennende Senat dieses medizinische Sachverständigengutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.
Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ergänzendes Sachverständigengutachten eingeholt.
Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden in den eingeholten ärztlichen Stellungnahmen berücksichtigt. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme wurde nicht Gebrauch gemacht. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
3. Rechtliche Beurteilung:
§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:
"Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Senate
§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."
§ 45 Abs. 3 und 4 BBG lautet wie folgt:
"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."
Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.
Die §§ 1, 17 und 58 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten wie folgt:
"§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.
(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."
Zu A) – Stattgebung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes in der geltenden Fassung lauten wie folgt:
"ABSCHNITT VI
BEHINDERTENPASS
§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen."
§ 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl III 2013/495, lautet wie folgt:
"Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen."
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, je mwN).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten vom 11.09.2017 nachvollziehbar ausgeführt, dass im Fall des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen.
Zudem hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass beim Beschwerdeführer eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vorliegt und gemäß der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist nach Antrag des Beschwerdeführers schon aus diesem Grund die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" vorzunehmen.
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I414.2166721.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.02.2018