TE Lvwg Erkenntnis 2017/12/13 LVwG-151273/2/WP/KHu

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Veröffentlicht am 13.12.2017
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Entscheidungsdatum

13.12.2017

Norm

AVG §17
AVG §42

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter Mag. Peterseil über die Beschwerde des Dkfm. Dr. A M, vertreten durch x, x L, gegen den Berufungsbescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 5. Mai 2017, GZ: 0022047/2017 MDion RM (RM-Bau-170193), betreffend Verweigerung der Akteneinsicht

zu Recht:

I.     Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision unzulässig.

Entscheidungsgründe

I.       Bisheriges Verwaltungsgeschehen:

1. Mit Eingabe vom 4. November 2016 beantragte der Bf Einsicht in einen näher bezeichneten Baubewilligungsverfahrensakt.

2. Mit Bescheid des Magistrats der Landeshauptstadt Linz vom 23. März 2017 wurde der Antrag des Bf auf Akteneinsicht abgewiesen. Mit Eingabe vom 10. April 2017 erhob der Bf dagegen Berufung.

3. Mit dem ggst. Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 5. Mai 2017 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass dem Bf im Baubewilligungs- sowie im Planabweichungsbewilligungsverfahren, in deren Akt er Einsicht nehmen möchte, zwar (zunächst) Parteistellung zugekommen sei, er aber ordnungsgemäß sowie unter Hinweis auf § 42 AVG geladen worden sei und keine Einwendungen erhoben habe. Er habe demnach seine Parteistellung verloren. Unter Hinweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde dargelegt, dass bloß den Verfahrensparteien das Recht auf Akteneinsicht zukomme und dass dieses Recht einer Person, die die Parteistellung verloren habe, nur zwischen dem Ende der Verhandlung und der nachträglichen Einwendung längstens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache zustehe.

4. Mit Eingabe vom 23. Mai 2017 erhob der Bf Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Ausgeführt wurde, dass unstrittig sei, dass der Bf in den betreffenden Bauverfahren (zunächst) Parteistellung gehabt habe, er ordnungsgemäß geladen worden sei und keine Einwendungen erhoben habe. Begründend wurde zur Beschwerde vorgebracht, dass die Parteistellung für das Recht auf Akteneinsicht nicht das ganze Bauverfahren über bestanden haben müsse. Es reiche, wenn die Parteistellung zu irgendeinem Zeitpunkt bestanden habe. Auch nach Rechtskraft der Baubewilligung dürfe einer Verfahrenspartei nicht die Möglichkeit genommen werden, zu überprüfen, ob sich die Bauausführung im Rahmen der Baubewilligung bewege. Würde Akteneinsicht nur längstens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung in der Sache zustehen, würde den Parteien das Recht auf Akteneinsicht genommen werden. Betreffend den von der Behörde zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 2014, Ra 2014/04/0025, sei darauf hinzuweisen, dass es sich beim dortigen Sachverhalt um keine Präklusion gehandelt habe, sondern die Revisionswerberin überhaupt keine Parteistellung erlangt habe. Diese Situation sei mit dem hier ggst. Sachverhalt nicht vergleichbar. Dass die Parteistellung während des gesamten Bauverfahrens zu bestehen habe, könne aus der Rechtsprechung nicht abgeleitet werden; vielmehr habe der Verwaltungsgerichtshof vielfach auch im Falle präkludierter oder übergangener Parteien das Recht auf Akteneinsicht angenommen.

II.      Sachverhalt und Beweiswürdigung:

1. Der Bf wurde von der Baubehörde als Miteigentümer der Nachbarliegenschaft mit Schreiben vom 14. April 2008 nachweislich zur Anscheinsverhandlung über den Antrag der Fa. x GmbH auf Erteilung der Baubewilligung für den Neubau eines Wohngebäudes in L, x Straße x, auf den Grundstücken Nr. x, .x, .x, EZ x, KG U, geladen. Die Kundmachung enthielt einen Hinweis auf die Präklusionsfolgen. Der Bf erschien nicht zur Verhandlung und erhob auch keine Einwendungen bis zum Tag vor der Verhandlung. Die Baubewilligung wurde mit Bescheid vom 27. Mai 2008 erteilt.

Mit Schreiben vom 23. Februar 2009 wurde der Bf nachweislich zur Augenscheinsverhandlung betreffend den Antrag der Fa. x GmbH auf Erteilung der Bewilligung zur Abweichung vom genehmigten Bauvorhaben geladen. Die Kundmachung erfolgte unter Angabe des Inhalts des Änderungsansuchens und enthielt einen Hinweis auf die Präklusionsfolgen. Der Bf erschien zur Verhandlung, erhob jedoch keine Einwendungen. Die Bewilligung wurde mit Bescheid vom 11. März 2009 erteilt.

2. Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einschau in den vorgelegten Verwaltungsakt. Der Sachverhalt ergab sich eindeutig aus dem Akteninhalt und ist im Übrigen unbestritten.

3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs  4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrages abgesehen werden, weil die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Freiheiten, BGBl Nr 2010/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr. C 83 vom 30.03.2010 S.38 9 entgegenstehen. Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, wurde von der belangten Behörde im Bescheid festgestellt und wird – wie in der Beschwerde zum Ausdruck gebracht wird – vom Bf auch nicht bezweifelt. Releviert wurde in der Beschwerde vielmehr bloß eine Rechtsfrage, welche bereits höchstgerichtlich geklärt ist und somit keiner näheren Erörterung im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bedarf.

III.     Rechtliche Beurteilung

1. Der Bf hatte im Bauverfahren (sowie im Verfahren zur Abweichung vom genehmigten Bauvorhaben), in dessen Akt er Einsicht begehrt, zunächst jeweils Parteistellung, hat diese aber mangels Erhebung von Einwendungen verloren (Präklusion). Die genannten baubehördlichen Verfahren wurden in den Jahren 2008 bzw. 2009 rechtskräftig abgeschlossen.

2. Die Ansicht des Bf, dass ihm ungeachtet der eingetretenen Präklusion das Recht auf Akteneinsicht auch nach Abschluss der genannten Verfahren zukomme, erweist sich als nicht zutreffend:

3. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine Partei mit dem Eintritt der Präklusion alle Parteienrechte verliert (vgl. etwa Hengstschläger/Leeb, AVG § 42 Rz 25). Dementsprechend besteht grundsätzlich auch kein Recht auf Akteneinsicht.

4.  Der Verwaltungsgerichtshof anerkennt das Recht auf Akteneinsicht bei einer präkludierten Partei vielmehr nur im Zusammenhang mit der Erhebung nachträglicher Einwendungen im Wege der „Quasi-Wiedereinsetzung“. So führte der Verwaltungsgerichtshof in dem vom Bf angesprochenen Erkenntnis vom 19. November 1998, Zl. 98/06/0058, VwSlg 15.029 A/1998, aus, „daß dem ‚übergangenen‘ Nachbarn, der die Wiedererlangung der Parteistellung anstrebt, die Akteneinsicht (zumindest grundsätzlich) schon zu gewähren ist, bevor er Einwendungen erhoben hat (zu welchem Zeitpunkt er gemäß § 27 Abs. 2, letzter Satz, BauG Partei ist), damit er beurteilen kann, ob er überhaupt Einwendungen erheben will, und diese gegebenenfalls auch näher ausführen kann. Zwingend erforderlich ist aber, wie gesagt, die Akteneinsicht nicht, um Einwendungen erheben zu können (sondern ‚nur‘ – sehr – zweckmäßig).“ Im Erkenntnis vom 15. September 2005, Zl. 2004/07/0135, hielt der Verwaltungsgerichtshof zur „Quasi-Wiedereinsetzung“ fest, dass „die Parteistellung – bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 Abs. 3 AVG – durch die nachträgliche Einwendung ex nunc neuerlich erworben wird. Zwischen dem Ende der Verhandlung und der nachträglichen Einwendung ist der Betroffene nicht Partei, hat aber schon vor der Erhebung nachträglicher Einwendungen bestimmte Parteienrechte, wie z.B. das Recht auf Akteneinsicht (Hervorhebungen jeweils nicht im Original, Anm).

5. Im von der belangten Behörde zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichthofes vom 17. September 2014, Ra 2014/04/0025, wurde ausgeführt, dass „[e]iner Person, die die Parteistellung verloren hat, [...] das Recht der Akteneinsicht (im Hinblick auf die ‚Quasi-Wiedereinsetzung‘ in § 42 Abs. 3 AVG) nur zwischen dem Ende der Verhandlung und der nachträglichen Einwendung längstens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache zu[steht]. In Folge hielt der Gerichtshof – zur hier nicht näher relevanten Situation des Wechsels der Person des Grundstückseigentümers – fest, dass auch der Rechtsnachfolger der präkludierten Partei die Präklusion gegen sich gelten lassen müsse.

Der Bf führt aus, dass der der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zugrundliegende Sachverhalt nicht mit dem hier ggst. Sachverhalt vergleichbar sei, weil im dortigen Verfahren nie eine Parteistellung bestanden habe, während hier ein Fall der Präklusion vorliege. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in der Begründungslinie des zitierten Beschlusses durchgängig auf die Situation einer präkludierten Partei bzw. den Verlust der Parteistellung abstellte. Wieso generalisierende Ausführungen, die sich – wie die zitierte Textpassage zeigt – ausdrücklich auf den Fall der Präklusion beziehen, im hier ggst. Verfahren nicht einschlägig sein sollten, erschließt sich nicht, zumal die Rechtsfolge der Präklusion aus dem AVG herrührt und damit für grundsätzlich alle Administrativverfahren einschlägig ist.

6. Die Behörde stützte sich in ihrem Bescheid daher zutreffend auf den zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes, wenn sie ausführte, dass einer Person, die die Parteistellung verloren hat, das Recht der Akteneinsicht (aufgrund der Möglichkeit der „Quasi-Wiedereinsetzung“) nur zwischen dem Ende der Verhandlung und der nachträglichen Einwendung längstens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache zusteht.

7. Da die Verfahren bereits in den Jahren 2008 bzw. 2009 rechtskräftig abgeschlossen wurden, kommt eine Erhebung von Einwendungen im Wege der Quasi-Wiedereinsetzung augenscheinlich nicht in Betracht. Dem Bf kommt daher kein Recht auf Akteneinsicht mehr zu.

8. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung oder ist die Rechtsprechung als uneinheitlich zu betrachten. Eine Revision zur selben Rechtsfrage wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 17.9.2014, Ra 2014/04/0025, zurückgewiesen.

Schlagworte

Akteneinsicht; Parteistellung; Präklusion; Verlust; Quasi-Wiedereinsetzung

Anmerkung

Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2017:LVwG.151273.2.WP.KHu

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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