TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/12 W169 2166732-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.02.2018
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Entscheidungsdatum

12.02.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2166732-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.07.2017, Zl. 1155942203-170696525, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 12.06.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.06.2017 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprachen Punjabi und Hindi spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Der Beschwerdeführer habe zwölf Jahre die Grundschule besucht. In Indien würde seine Mutter leben; sein Vater sei verstorben, als der Beschwerdeführer vier oder fünf Jahre alt gewesen sei. Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer an, dass er Mitglied der Alkali Partei sei. Bei einer Wahl habe die Congress Partei gewonnen. Diese habe ihn angegriffen und mit dem Umbringen gedroht, weil er die Alkali Partei unterstützt habe. Aus diesem Grund habe er seine Heimat verlassen.

2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 28.06.2017 gab der Beschwerdeführer an, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre. Er spreche Punjabi und etwas Hindi. Der Beschwerdeführer habe in Indien zwölf Jahre die Schule besucht und danach "mit Politik angefangen". Er sei ledig und kinderlos. Vor seiner Ausreise habe der Beschwerdeführer in der familieneigenen Landwirtschaft gearbeitet und gemeinsam mit seiner Mutter gelebt, die nun bei ihrem Bruder wohne; dieser habe eine eigene Landwirtschaft. Der Vater des Beschwerdeführers sei bereits verstorben. Weiters lebe die Schwester des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat, die ebenfalls vom Onkel mütterlicherseits unterstützt werde. Weiters habe er zwei Tanten in Indien. Der Beschwerdeführer habe Kontakt zu seiner Mutter.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (VP: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):

"( )

LA: Aus welchem Grund suchten Sie in Österreich um Asyl an? Schildern Sie möglichst ausführlich und konkret Ihre Flucht- und Asylgründe! (Freie Erzählung)

VP: ich war in Lebensgefahr in Indien. Ich gehöre der Akali Dal Partei an – ich habe Angst vor der Congress Partei.

Ich habe Akali Dal unterstützt – deshalb hat die Congress Partei mir immer Probleme gemacht.

Das Dorfoberhaupt hat der Congress Partei über mich erzählt, dass ich Leute für die Akali Dal Partei anwerbe/überzeuge. Die Congress Partei hat mich immer bedroht – sie hat gesagt sie werden mich umbringen – mich falsch anzeigen, wenn sie an die Macht kommt.

An einem Abend sind die Leute von der Congress Partei zu mir auf das Feld gekommen. Sie haben versucht mich mit Schwertern zu schlagen. Ich bin weggelaufen. In der Nacht bin ich nach Hause gekommen. Ich habe mit meiner Mutter darüber geredet. Sie hat ihren Bruder angerufen – mein Onkel hat mich mitgenommen. Ich habe bei meinem Onkel gelebt. Die Leute sind aber auch dorthin gekommen. Sie haben mir gesagt, sie haben Geld bekommen, um mich zu töten.

Dann habe ich in Delhi in der XXXX gelebt.

Noch ein Mann hat mit mir in XXXX gelebt. Er ist ein guter Freund geworden. Ich habe mit ihm über alles geredet. Er hat mir von einem Schlepper erzählt, mit dem er Kontakt hat. Dann bin ich hierhergekommen.

Mein Freund hat mir gesagt – ich habe hier keine Chancen – die Polizei gehört der Congress Partei. Deshalb ist es besser für mich Indien zu verlassen.

LA: Wie heißt dieser Freund?

VP: XXXX

LA: Wie lange waren Sie in XXXX ?

VP: ca. einen Monat

LA: Wie lange haben Sie bei Ihrem Onkel gewohnt?

VP: 15-20 Tage

LA: Dieser Vorfall am Feld – wann war der?

VP: das Datum weiß ich nicht – im März 2017

LA: Was machten Sie am Feld?

VP: ich habe das Feld bewässert

LA: Wie viele Leute sind da gekommen?

VP: es waren 2 Motorräder – es sind 5 Leute gekommen

LA: Wurden Sie bei dem Vorfall verletzt?

VP: nein – ich bin weggelaufen

LA: die anderen hatten Motorräder – wie konnten Sie entkommen?

VP: Sie haben das Motorrad geparkt – sie sind zu Fuß zu mir gekommen

LA: Wie weit waren die Motorräder weg von Ihnen?

VP: (überlegt) – 1 Acre entfernt

LA: Acre ist eine Flächenangabe – keine Entfernung – wie viel Meter - Kilometer?

VP: (überlegt) – 200 bis 300 feet – oder 300 bis 400 feet (umgerechnet 60-90 m bzw. 90-120m)

LA: Erzählen Sie mir genau wie das auf dem Feld abgelaufen ist?

VP: es war am Abend. Diese Motorräder sind zum Feld gekommen. Es war dunkel. Ich habe das Licht der Motorräder gesehen. Dann habe ich diese Männer gesehen. Sie haben überall nach jemanden gesucht. Dann hat mich einer gesehen – er hat es den anderen gesagt – er hat gesagt holt ihn/greift ihn an.

Es war nicht so dunkel – aber auf 100 feet sieht man noch alles – Sie sind hinter mir her gelaufen – wegen dem Wasser im Feld konnten sie nicht gut vorankommen – ich bin weggelaufen.

LA: Wohin sind Sie gelaufen?

VP: Sie waren hinter mir – ich bin in die andere Richtung weggelaufen.

LA: Wohin?

VP: es war ein Zuckerrohrfeld - dort habe ich mich versteckt

LA: Wie weit ist Ihr Feld von Ihrem Haus entfernt?

VP: (überlegt) 1,5 bis 2 km

LA: Wie kommen Sie vom Haus zum Feld?

VP: mit dem Motorrad, dem Fahrrad oder zu Fuß.

LA: Wie waren Sie an dem Tag dort – mit was?

VP: mit meinem Fahrrad

LA: Haben Sie die Männer gekannt?

VP: nein

LA: Waren Sie bei der Polizei?

VP: nein

LA: Warum nicht?

VP: die Polizei gehört der Congress Partei – sie würden mich falsch anzeigen – deswegen bin ich nicht gegangen.

LA: Erzählen Sie mir von Ihrer Tätigkeit für die Akali Dal Partei?

VP: ich war ein Mitarbeiter – ich habe die Partei unterstützt. Ich habe die Leute überzeugt, die Partei zu wählen.

LA: Wie lange haben Sie das gemacht – seit wann?

VP: für 3 Jahre habe ich für diese Partei gearbeitet - mein Vater hat auch für diese Partei gearbeitet.

LA: Haben Sie einen Mitgliedsausweis von der Partei?

VP: nein – ich habe keine Karte gekriegt

LA: gibt es Ausweiskarten von der Partei?

VP: von dieser Partei bekommt man keine Karte

LA: Wie wird man dort Mitglied?

VP: Mitglieder hängen die Fahne von der Partei an ihre Häuser – daher weiß man, dass sie Mitglieder sind.

LA: Wie haben Sie die Leute versucht von der Akali Dal Partei zu überzeugen – was haben Sie gemacht?

VP: ich habe den Leuten gesagt, dass meine Partei hat die Gemeindeschule aufgebaut in unserem Dorf. Kinder haben von der Partei Fahrräder bekommen – gratis Essen für Kinder. Stromrechnungen wurden auch von der Partei bezahlt.

LA: Wann waren die letzten Wahlen in Ihrem Dorf?

VP: (überlegt) Februar 2017

LA: Wer hat gewonnen?

VP: Congress Partei

LA: Warum hat die Congress Partei Sie verfolgt – sie hat die Wahlen gewonnen?

VP: sie sind meine Feinde geworden – ich habe die Akali Dal Partei unterstützt. Unser Dorf ist Anhänger der Akali Dal Partei – aber die Partei hat keine Macht- in Punjab hat die Congress Partei gewonnen.

LA: Sie waren bei Ihrem Onkel – Leute sind zum Haus des Onkels gekommen und haben Sie gesucht?

VP: ja – sie haben schlecht über mich geredet – ich war bei meinem anderen Onkel.

LA: Bei welchem Onkel waren Sie - Namen?

VP: XXXX (= Spitzname) XXXX – gewohnt habe ich bei XXXX

LA: Nach dem Vorfall am Feld haben Sie bei XXXX gewohnt?

VP: ja

LA: Wo wohnt XXXX (= Spitzname) XXXX ?

VP: im gleichen Dorf – XXXX

LA: Haben die Leute die nach Ihnen bei XXXX gesucht haben Sie gefunden?

VP: nein – sie haben mich nicht gefunden – nur meine Oma war zu Hause – sonst war niemand zu Hause.

LA: Warum haben die Leute gewusst, dass Sie bei XXXX wohnen?

VP: das verstehe ich selber nicht

LA: Wer hat Ihnen erzählt dass die Leute bei XXXX nach Ihnen gesucht haben?

VP: meine Oma hat es mir später erzählt

LA: Für welche Partei ist XXXX Anhänger?

VP: er ist Anhänger von der Congress Partei – im XXXX ist die Congress Partei

LA: Wann waren die Leute bei Ihrer Oma das?

VP: am Nachmittag – an einem Tag im März 2017

LA: Warum waren Sie bei XXXX ?

VP: ich war einfach nur so dort

LA: Wie ist er Ihr Onkel?

VP: er ist ein Cousin von meiner Mutter

LA: Für welche Partei ist XXXX ?

VP: das weiß ich nicht

LA: Das Sie Akali Dal unterstütz haben und Ihr Onkel XXXX aber die Congress Partei – war das ein Problem?

VP: Mein Onkel XXXX war nicht politisch tätig – er hat nur die Congress Partei gewählt.

LA: Wie heißt der Partei-Führer in Ihrem Dorf/Region?

VP: (überlegt) – XXXX

LA: Ist er für das Dorf zuständig?

VP: für mein Dorf

LA: Wo ist XXXX jetzt?

VP: er wohnt in unserem Dorf

LA: XXXX hat Ihnen gesagt was Sie zu tun haben für die Partei?

VP: er gehört zur Congress Partei – XXXX ist von meiner Partei

LA: XXXX ist jetzt wo?

VP: in unserem Dorf.

LA: Wie oft wurden Sie von den Anhängern der Congress Partei bedroht?

VP: 3 bis 4-mal insgesamt

LA: 1x Feld, 1x beim Onkel XXXX – die anderen Male – wo war das?

VP: die anderen Male waren telefonisch

LA: Wann war das?

VP: vor der Wahl

LA: Sie gaben an, wegen der Bedrohung durch Mitglieder der Congress Partei Ihre Heimat verlassen zu haben. Haben sie alle Fluchtgründe genannt?

VP: Ich habe mit meiner Mutter darüber geredet, die hat mit meinem Onkel gesprochen – von meinem Onkel bin ich nach Delhi gegangen. Ja, ich konnte alles sagen.

LA: Warum sind Sie zum Beispiel nicht in Delhi geblieben?

VP: Sie könnte auch zu mir kommen.

( )"

Weiters verneinte der Beschwerdeführer die Fragen, ob er jemals Probleme mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt habe, ein Gerichtsverfahren gegen ihn anhängig oder er jemals festgenommen worden sei.

Zu den Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Verwandten im Bundesgebiet und schon ein paar Freunde "im Camp" habe.

Dem Beschwerdeführer wurde am Ende der Einvernahme aktuelle Länderberichte zur Situation in Indien zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit einer etwaigen Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme und gab an, dass alle in Indien korrupt seien und die Congress Partei für die nächsten fünf Jahre an der Macht sein werde.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

(Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien

(Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß

§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde. Unabhängig davon stehe dem Beschwerdeführer aber eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Nach Wiederholung der bereits vorgebrachten Fluchtgründe wurde ausgeführt, dass sich die im Bescheid getroffenen Feststellungen nicht mit dem konkreten Vorbringen des Beschwerdeführers befassen würden und dadurch als Begründung für die Abweisung unzureichend seien. Mit Hinweis auf eine ACCORD-Anfragebeantwortung zur Schutzfähigkeit und -willigkeit der indischen Behörden wurde vorgebracht, dass Mitgliedern der Oppositionspartei Verfolgung drohe, zumal der Beschwerdeführer ein sehr engagiertes Mitglied gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe sein Vorbringen auch sehr detailliert und lebensnah geschildert und hätte die Behörde einen Abgleich mit den Länderberichten vornehmen müssen. Da die Congress Partei im gesamten Land gezielt gegen ihre Feinde vorgehen würde, sei auch keine innerstaatliche Fluchtalternative möglich. Überdies drohe dem Beschwerdeführer aufgrund seiner politischen Gesinnung unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung, weswegen im Falle einer Rückkehr eine Verletzung von Art. 3 EMRK drohe. Da der Beschwerdeführer auch stets am Verfahren mitgewirkt habe, bemüht sei, Deutsch zu lernen und strafgerichtlich unbescholten sei, bestehe aufgrund der ausgesprochenen Rückkehrentscheidung eine Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 8 EMRK. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

5. Der Beschwerdeführer meldete am 01.08.2017 das Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt" mit Standort Wien an.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht die Sprachen Punjabi und Hindi. Im Herkunftsstaat lebte er mit seiner Mutter bis zur Ausreise im Bundesstaat Punjab, wo er zwölf Jahre die Grundschule besuchte und seinen Lebensunterhalt durch Mitarbeit in der familieneigenen Landwirtschaft finanzierte. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Im Herkunftsstaat leben nach wie vor die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers, sowie der Onkel mütterlicherseits, der für diese sorgt und eine eigene Landwirtschaft besitzt. Weiters leben zwei Tanten des Beschwerdeführers in Indien. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Mutter im Heimatland. Der Vater des Beschwerdeführers ist vor vielen Jahren gestorben.

Der Beschwerdeführer hatte keine Probleme mit den Behörden im Heimatland.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Dem Beschwerdeführer steht in Indien eine inländische Schutz- bzw. Fluchtalternative offen.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen Familienangehörige in Österreich. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung und ist strafgerichtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer hat am 01.08.2017 das Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt" mit Standort Wien angemeldet. Er ist gesund und steht im erwerbsfähigen Alter.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

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Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India, http://www.ecoi.net/local_link/319831/466697_de.html, Zugriff 5.1.2017

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BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 5.1.2017

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MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

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USDOS - US Department of State (2.7.2016): Country Report on Terrorism 2015 – Chapter 2 - India, http://www.ecoi.net/local_link/324726/464424_de.html, Zugriff 5.1.2017

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USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

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Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

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NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

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ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS – US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

Opposition

Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen. Die Wahlen zu den Gemeindeversammlungen, Stadträten und Parlamenten auf bundesstaatlicher wie nationaler Ebene sind frei, gleich und geheim. Sie werden - ungeachtet von Problemen, die aus der Größe des Landes, verbreiteter Armut bzw. hoher Analphabeten-Rate und örtlich vorkommender Manipulationen resultieren - nach Einschätzung internationaler Beobachter korrekt durchgeführt. Behinderungen der Opposition kommen insbesondere auf regionaler und kommunaler Ebene vor, z.B. durch nur eingeschränkten Polizeischutz für Politiker, Versagung von Genehmigungen für Wahlkampfveranstaltungen, tätliche Übergriffe durch Anhänger anderer Parteien. Derartige Vorkommnisse werden von der Presse aufgegriffen und können von den politischen Parteien öffentlichkeitswirksam thematisiert werden. Sie ziehen in der Regel auch Sanktionsmaßnahmen der unabhängigen und angesehenen staatlichen Wahlkommission ("Election Commission of India") nach sich (AA 16.8.2016).

Wichtigste Oppositionspartei ist nach ihrer Niederlage bei der jüngsten Lok Sabha-Wahl die Kongresspartei (Indian National Congress - INC) unter Führung von Parteichefin Sonia Gandhi (Schwiegertochter Indira Gandhis und Witwe Rajiv Gandhis). Ihr Sohn Rahul Gandhi, der die Kongresspartei als eine Art unerklärter Spitzenkandidat in den Wahlkampf führte, konnte gegen Narendra Modi und die in Indien weit verbreitete Wechselstimmung wenig Wirkung entfalten. In den letzten Jahren haben eine Reihe von regionalen Parteien an Profil und Einfluss gewonnen (AA 9.2016a).

Indien verfügt über eine vielfältige Parteienlandschaft. Neben den großen nationalen Parteien Kongress (in ihren Wurzeln sozialistisch inspirierte nationale Sammlungsbewegung), Bharatiya Janata Party (BJP, hindu-nationalistisch) sowie überregional wirkenden kommunistischen Parteien gibt es eine Vielzahl von Regionalparteien, die in einzelnen Bundesstaaten allein oder in Koalitionen die Landesregierungen bilden, aber auch auf nationaler Ebene von politischer Bedeutung sind. (AA 16.8.2016).

Jede offiziell anerkannte Partei wird entweder als Bundes- oder als Regionalpartei eingestuft. Wenn eine Regionalpartei in mehr als vier Bundesstaaten offiziell anerkannt ist, erhält sie den Status einer Bundespartei. Zu den wichtigsten indischen Parteien gehören Indian National Congress, Bharatiya Janata Party, Bahujan Samaj Party (BSP), Communist Party of India und Communist Party of India (Marxist). Bekannte und einflussreiche regionale Parteien sind Telugu Desam in Andhra Pradesh, Muslim League in Kerala, Shiv Sena in Maharashtra, Dravida Munnetra Kazhagam in Tamil Nadu und Samajwadi Party in Uttar Pradesh (GIZ 12.2016).

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Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html; Zugriff 14.12.2016

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GIZ - Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2016): Indien Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 13.12.2016

Religionsfreiheit

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und bundesstaatliches Recht setzen die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 10.8.2016). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion (AA 16.8.2016). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 27.1.2016) und kaum eingeschränkt (AA 16.8.2016). Premierminister Modi hat sich im Februar 2015 zur Religionsfreiheit und der Gleichwertigkeit aller Religionen bekannt (AA 25.4.2015). Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet (AA 25.4.2015). Das friedliche Nebeneinanderleben im multi-ethnischen, multi-religiösen Indien ist zwar die Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker, oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 12.2016). Die existierenden Spannungen, haben in der Vergangenheit auch zu massiven Gewaltausbrüchen geführt (zuletzt 2013 in Muzzafarnagar/Uttar Pradesh mit mehr als 40 Toten) (AA 16.8.2016). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Morden, Überfällen, Unruhen, Zwangskonvertierungen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Änderung seiner religiösen Überzeugung zum Ziel haben sowie zu Diskriminierung und Vandalisumus. Es kommt auch zu Bedrohungen und Übergriffen von Hindu-Nationalisten auf Muslime und Christen sowie zur Zerstörung ihres Eigentums aufgrund ihres Glaubens und im Zuge von Streitereien über die örtliche Lage von Kirchen und Moscheen (USDOS 10.8.2016).

Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2001, sind Hindus (79,8%), Muslime (14,2%), Christen (2,3%) und Sikhs (1,7%) (CIA Factbook 12.12.2016). Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheitenkommission sitzen. Hinzu kommen eine schier unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher indigener Volksgruppen mit eigenen animistischen Riten ("Adivasis" genannt), und die zahlenmäßig kleinen jüdischen und Bahai-Gemeinschaften (AA 16.8.2016). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 10.8.2016).

Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder "Verlockung" erfolgt - was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 27.1.2016). In sechs der 29 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Gujarat, Himachal Pradesh, Chhattisgarh, Odisha, und Madhya Pradesh) bestehen Anti-Konvertierungsgesetze. Es gibt in diesem Zusammenhang Berichte über Verhaftungen, jedoch nicht über Verurteilungen nach diesem Gesetz In Arunachal Pradesh ist dieses Anti-Konvertierungsgesetz aufgrund fehlender Freigabe der Gesetzgebung nicht implementiert. Ausländische Missionare jeglicher Religionszugehörigkeit benötigen "Missionsvisa" ("missionary visa") (USDOS 10.8.2016).

Bundesorgane, einschließlich des Ministeriums für Minderheitenangelegenheiten (Ministry for Minority Affairs), die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) und die Nationale Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities - NCM) können Behauptungen über religiöse Diskriminierung untersuchen (USDOS 10.8.2016). Religiöse Minderheiten, vor allem Muslime und Christen, werfen den Behörden vor, nicht genug zum Schutz ihrer Rechte zu tun (HRW 27.1.2016).

Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamisches Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 10.8.2016). Im Familienrecht genießen Muslime wie auch Christen besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer Traditionen ermöglichen (AA 16.8.2016).

Der Wahlsieg der hindu-nationalen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; die Debatte zu religiös motivierter Gewalt wird lebhaft und kontrovers geführt (AA 16.8.2016). Im Vorfeld der Wahlen kam es 2013 zu Vorfällen von Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Regierungsquellen zufolge wurden dabei in 823 Vorfällen 133 Personen getötet und 2.269 verletzt (HRW 29.1.2015). Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Religionsgruppen im Jahr 2015 haben nach offiziellen Angaben zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr gab es rund 17% mehr Zwischenfälle (von 644 auf 751), mit insgesamt 97 Toten (95 in 2014). 2.264 Personen wurden bei derartigen Zwischenfällen verletzt (1.921 im Vorjahreszeitraum). Die Mehrzahl der Übergriffe dürfte hindu-fundamentalistisch motiviert sein; eine offizielle Aufschlüsselung gibt es nicht. Gewalttätige Übergriffe durch selbsternannte Retter der "gau mata" (Heilige Mutter Kuh im Hinduismus) haben an Intensität und Zahl zugenommen (AA 16.8.2016).

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Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (25.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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CIA - Central Intelligence Agency (12.12.2016): The World Factbook

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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