TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/14 W136 2172519-1

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Veröffentlicht am 14.02.2018
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Entscheidungsdatum

14.02.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W136 2172519-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde der minderjährigen XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2017, Zl. 1105692001-160252883, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die minderjährige Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsbürgerin, Araberin und Sunnitin, stellte nach illegaler Einreise am 16.02.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der am folgenden Tag durchgeführten Erstbefragung gab die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass sie in einem Bezirk von Aleppo, in einem Gebiet gewohnt habe, das ständig bombardiert worden sei. Sie hätten also mitten im Kriegsgebiet gelebt und hätten sich sehr gefürchtet. Ihre Stadt würde es nicht mehr geben und auch kein Wasser und keinen Strom. Es seien alle geflüchtet, weil dort alles in Trümmern liegen würde. Sie würde wegen der erlebten Ereignisse immer noch unter Schock stehen. Zu ihren Rückkehrbefürchtungen teilte sie mit, dass sie in Syrien nichts mehr und Angst hätte, im Krieg zu sterben. Sie hätten alles getan, um vor dem Tod zu flüchten, und würden alles tun, um nicht mehr dorthin zu müssen. Ergänzend berichtete sie, dass sich ihre Mutter in der Türkei, ihre beiden Brüder (22 und 17 Jahre) und vermutlich auch ihr Vater (50 Jahre) in Schweden und ihre beiden Schwestern (24 und 19 Jahre) in Deutschland aufhalten würden. Ihr ebenfalls im Bundesgebiet befindlicher Ehegatte sei auch Asylwerber. Sie habe kein Reisedokument gehabt und sei illegal aus Syrien ausgereist.

Am 09.08.2017 wurde die minderjährige Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Anwesenheit ihres gesetzlichen Vertreters und im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte sie zunächst, dass ihre bisher getätigten niederschriftlichen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Weiters gab sie an, dass ihre Mutter in der Türkei, ihr Vater und ihr Bruder XXXX (ca. 19 Jahre) in Schweden, und ihr Bruder XXXX (ca. 23 Jahre) sowie ihre Schwester XXXX in Deutschland aufhältig seien. Sie habe XXXX , geb. XXXX , am XXXX in Aleppo nach islamischem Recht geheiratet. Die Ehe sei aber nicht standesamtlich registriert und auch traditionell hätten sie keine Heiratsurkunde. Ihr Mann sei der leibliche Vater ihres im Bundesgebiet lebenden Sohnes XXXX , geb. am XXXX .

Nach vorheriger Manuduktion stellte die Beschwerdeführerin für sich und ihren Sohn Anträge auf ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG. Da weder sie noch ihr Sohn eigene Fluchtgründe hätten, würden sich die Anträge auf das Verfahren ihres Ehegatten, Herrn XXXX , geb. XXXX , auf dessen Verfolgung in Syrien beziehen. Auf Nachfrage teilte sie mit, dass sie aus ihrer Heimat nicht ausreisen hätte müssen, wenn ihr Mann nicht Probleme gehabt hätte.

Weiters führte sie aus, dass sie Syrien im XXXX illegal in Richtung Türkei verlassen habe. Zu ihren Ausreisegründen brachte sie zusammenfassend vor, dass sie ihre Heimat verlassen habe, weil in Syrien bzw. in Aleppo Bürgerkrieg herrschen würde und ihr Stadtteil ständig bombardiert worden sei. Sie habe die Schule abbrechen und zu Hause bleiben müssen. Außerdem seien sie vom IS (Islamischer Staat) überfallen worden, dessen Anhänger auch Leute umgebracht hätten. Nachdem sie ihren Wohnort geändert hätten, sei es wieder zu Bombardierungen und zur Zerstörung ihres Hauses gekommen. Danach seien sie nach Aleppo geflüchtet, sie habe geheiratet und sei mit ihrem Mann nach Österreich gekommen. Sie seien aus Syrien geflüchtet, weil ihr Mann seinen Militärdienst bei der syrischen Armee ableisten hätte müssen. Befragt, bestätigte sie, dass sie sich auf die Fluchtgründe ihres Mannes beziehen würde und keine eigenen Gründe hätte. Zu ihren Rückkehrbefürchtungen gab sie an, dass sie Angst um ihren Mann, ihr Kind und um sich hätte. Die Frage des gesetzlichen Vertreters, ob sie Syrien wegen der Wehrdienstpflicht ihres Mannes verlassen habe, bestätigte sie und erklärte, dass die Wehrpflicht ihres Mannes ein Grund, die Angst vor dem IS und die ständigen Bombardierungen ein weiterer Grund gewesen seien. Ferner bestätigte sie auf Frage des gesetzlichen Vertreters, dass ihr Mann als Wehrdienstverweigerer mit seiner sofortigen Einziehung und einem Einsatz an der Front rechnen müsste. Der IS würde sich aktuell in ihrer Heimatgemeinde befinden und gegenüber Kurden feindschaftlich eingestellt sein. In ihrem kurdischen Dorf seien viele Kurden umgebracht worden. Bei einer Rückkehr hätte sie in den von der Regierung kontrollierten Gebieten Angst vor weiteren Bombardierungen, in Gebieten des IS würde sie mitgenommen und sicher nicht am Leben gelassen werden.

Mit Schreiben vom 21.08.2017 wurde seitens des gesetzlichen Vertreters der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zur Ländersituation übermittelt. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die aktuellen Länderberichte der Staatendokumentation beweisen würden, dass die allgemeine Sicherheitslage in Syrien katastrophal sei. Das Regime habe über große Teile des Landes die Kontrolle verloren, sodass staatlicher Schutz vor Gewalt keineswegs gesichert sei. Die Zivilbevölkerung sei der Willkür aller Konfliktparteien ausgesetzt und die Lage für Frauen und Kinder sei besonders schlecht. Ferner würde es zur Einziehung bzw. Zwangsrekrutierung von Männern im wehrpflichtigen Alter kommen. Dazu wird auf eine auszugsweise angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (W214 2102877-1, vom 23.10.2015) verwiesen. Wehrdienstverweigerer müssten mit massiven Konsequenzen für sich und ihre Familie rechnen und Rückkehrer seien besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen oder Gewalt zu werden. Abgelehnte Asylwerber seien dabei besonders gefährdet. Aufgrund der absolut instabilen Situation und der völligen Willkür könnten sowohl Männer, Frauen und Kinder Opfer dieser Willkür und Gesetzlosigkeit werden. Dies würde auch die auszugsweise zitierte UNHCR-Richtlinie - Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik fliehen, 4. Aktualisierte Fassung vom November 2015, belegen. Vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen, der aktuellen Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts und des glaubhaften Vorbringens der Antragsteller, insbesondere der Ängste der Beschwerdeführerin vor allfälligen Konsequenzen bei einer Rückkehr bzw. ihres Ehegatten vor einer zwangsweisen Teilnahme an Kampfhandlungen, sei der gesamten Familie die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Sie hätten ihre Heimat XXXX wegen des Krieges, der möglichen Zwangsrekrutierung ihres Ehemannes und der massiven sowie andauernden Menschenrechtsverletzungen illegal verlassen. In ihrer Wohngegend sei es zu mehreren Überfällen und Bedrohungssituationen durch den IS gekommen und würden weiterhin schwere Kampfhandlungen stattfinden. Ferner sei ihr Mann aufgefordert worden, sich bei einem Rekrutierungsbüro zu melden und würde weiterhin die ständige Gefahr bestehen, dass er an Checkpoints rekrutiert wird. Abschließend wird mitgeteilt, dass die Vaterschaft des gemeinsamen Kindes von ihrem Ehegatten anerkannt worden sei und ein entsprechendes Dokument in der Folge nachgereicht wird.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2017, dem gesetzlichen Vertreter am 07.09.2017 zugestellt, wurde der Antrag der minderjährigen Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführerin der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.08.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identität der Beschwerdeführerin nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Ehe der Beschwerdeführerin nach österreichischem Recht nicht anerkannt und deshalb auch kein Familienverfahren geführt werden könnte, da sie zum Zeitpunkt der traditionellen Hochzeit ( XXXX ) noch minderjährig gewesen sei. Davon abgesehen habe sie keine sie persönlich betreffenden Verfolgungshandlungen in Syrien vorbringen können und seien Probleme hinsichtlich Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen gewesen. Vielmehr habe sie sämtliche Fragen nach allfälligen Ursachen für eine (asylrelevante) Verfolgung bzw. Probleme in ihrem Herkunftsstaat ausdrücklich verneint. Es werde ihr jedoch aufgrund der momentanen Lage in Syrien subsidiärer Schutz gewährt.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 30.08.2017 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 03.10.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde - nach einer teilweisen Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens bzw. ihrer Ausführungen im Rahmen der Stellungnahme vom 21.08.2017 - im Wesentlichen ausgeführt, dass ihr Ehegatte und ihr Sohn im Bundesgebiet bereits Asyl erhalten hätten. Der Beschwerdeführerin selbst sei dieser Status aber vorenthalten worden, weil die Behörde davon ausgeht, dass ihre Ehe in Österreich nicht gültig sei, womit von ihrem Ehemann auch kein Asyl abgeleitet werden könnte. Ferner würde ihr laut Behörde im Heimatland auch keine Verfolgung iSd. Genfer Flüchtlingskonvention drohen. Hinsichtlich ihrer Ehe wird darauf hingewiesen, dass sie am XXXX als Vierzehnjährige nach syrischem Recht und unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen in Syrien ihren Ehemann mit der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters (Ehevormund) und im Beisein eines Imams in Aleppo geheiratet habe. Die Ehe sei daher nach syrischem Personalstatut (insbesondere Art. 15 und 18 PSG) rechtsgültig zustande gekommen. Nach umfassender Erörterung der diesbezüglich anwendbaren nationalen und internationalen Bestimmungen wird zusammenfassend festgestellt, dass die Republik Österreich die Ehe als auch den Familienstatus der Beschwerdeführerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG anzuerkennen und ihr gemäß § 34 leg. cit. denselben Schutzstatus wie ihrem Ehemann zu verleihen hätte. Weiters würde die Beschwerdeführerin sämtliche bisherigen Vorbringen, auch die ihres Mannes und die Stellungnahme vom 21.08.2017 zum Bestandteil ihrer Beschwerde erheben. Die Asylrelevanz würde sich im gegenständlichen Vorbringen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen ergeben, nämlich zu den Zivilisten, die sich nicht dem IS unterwerfen wollen, zu Frauen von Kriegsdienstverweigerern, alleinstehenden Frauen und Personen, denen eine regierungsfeindliche politische Gesinnung unterstellt wird. Bei richtiger rechtlicher Würdigung und ausreichender Ermittlungstätigkeit der Behörde, hätte der Beschwerdeführerin daher der Status der Asylberechtigten zugesprochen werden müssen.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 05.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom 16.02.2016, der Einvernahmen der Beschwerdeführerin durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Syrien und Angehörige der arabischen Volksgruppe. Sie bekennt sich zum sunnitischen Islam.

Die Beschwerdeführerin hat Syrien vor zwei Wochen ( XXXX ) illegal von ihrem Heimatort aus in Richtung Türkei verlassen. Anschließend ist sie über Griechenland, Mazedonien, Serbien und Slowenien schließlich nach Österreich gelangt, wo sie nach einem eintägigen Abstecher nach Deutschland am 16.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Festgestellt wird zunächst, dass es den Länderberichten zufolge an der syrischen Grenze zu einer Befragung von erfolglosen Asylwerbern kommt, wobei die Rückkehrer im Rahmen dieser "Sicherheitsprüfung" über Gründe ihrer (illegalen) Ausreise, über den Aufenthaltszweck und u.U. auch nach politischen Aktivitäten im Ausland gefragt werden. Es wird überprüft, ob ein Rückkehrer Syrien gesetzeswidrig verlassen hat. Personen, deren Profil irgendeinen Verdacht erregt, sind dem Risiko einer längeren Haft und Folter ausgesetzt. Aufgrund der besonderen Situation in Syrien ist die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als "oppositionell" betrachtet zu werden, relativ niedrig.

Es ist daher schon aufgrund ihrer illegalen Ausreise und ihres langen Auslandsaufenthalts während eines staatlichen Ausnahmezustandes zusammen mit ihrer Asylantragstellung im Ausland davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin bei einer allfälligen Rückkehr in ihre Heimat das Interesse der syrischen Behörden auf sich ziehen und damit in deren Blickfeld geraten würde, wodurch ihr bereits aus diesem Grund von den syrischen Staatsorganen eine regimekritische Haltung unterstellt werden und eine entsprechende Verfolgung drohen könnte.

Festgestellt wird weiters, dass der bewaffnete Konflikt zunehmend konfessionell wird und sunnitische Zivilisten aktuell das Hauptziel der Regimetruppen und von Pro-Regime-Milizen sind. Die Beschwerdeführerin gehört der sunnitischen Religionsgemeinschaft an. Eine Verfolgung aus religiösen Gründen ist daher ebenfalls nicht völlig auszuschließen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Bürgerkriegssituation in Syrien ist auch nicht damit zu rechnen, dass der syrische Staat - sollte von ihm selbst keine Verfolgungshandlung ausgehen - seine Bürger vor Bedrohungen und Übergriffen seitens bewaffneter Milizen oder sonstiger Gruppierungen ausreichend schützen kann. Die Beschwerdeführerin wäre allfälligen Bedrohungs- oder Verfolgungshandlungen von den anderen Kriegsparteien somit schutzlos ausgeliefert.

Das Risiko der Beschwerdeführerin, in das Blickfeld der syrischen Behörden zu geraten bzw. entsprechend verfolgt zu werden, kann aber auch durch den Umstand, dass vor allem ihre wehrfähigen Brüder wegen ihrer bevorstehenden Einberufung zum Militärdienst ebenso ihre Heimat verlassen haben und auch ihr Ehegatte in Syrien asylrelevant verfolgt wurde, nochmals erhöht werden. Ihrem Ehegatten, XXXX , geb. XXXX (und dem gemeinsamen Sohn, XXXX , geb. XXXX ), wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl aus diesem Grund zwischenzeitig auch der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Festgestellt wird, dass auch Familienangehörige von (mutmaßlichen) Regimegegnern mit Verhaftungen bzw. Konsequenzen zu rechnen haben. Berichten zufolge gehen die syrischen Sicherheitskräfte bei einer erfolglosen Fahndung nach (möglichen) Regierungsgegnern nämlich dazu über, die Familienangehörigen der betreffenden Person festzunehmen oder zu misshandeln. Die tatsächlich oder vermeintlich oppositionellen Ansichten einer Person werden häufig auch Personen in ihrem Umfeld, wie Familienmitgliedern, Nachbarn und Kollegen zugeschrieben.

Es ist daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass die Familie der Beschwerdeführerin und damit auch sie selbst bereits dadurch in das Blickfeld der syrischen Behörden geraten ist und als regimefeindlich angesehen wird.

Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist nur über den Flughafen in Damaskus möglich, der sich in der Hand der Regierung befindet, wobei die Beschwerdeführerin schon wegen ihrer illegalen Ausreise und ihres langen Auslandsaufenthalts während eines staatlichen Ausnahmezustandes zusammen mit ihrer Asylantragstellung im Ausland Gefahr läuft, die Aufmerksamkeit der syrischen Behörden auf sich zu ziehen und damit in deren Blickfeld zu geraten. Dadurch besteht aber vor allem auch die Gefahr, dass sie wegen ihrer im wehrfähigen Alter befindlichen Brüder bzw. ihres Ehegatten vom Regime verhaftet werden könnte, um so Druck auf diese bzw. auf ihn auszuüben, sich zu stellen.

Da die Beschwerdeführerin eigene Fluchtgründe hat, konnte ein allfälliges Familienverfahren außer Betracht bleiben.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

"Folter und unmenschliche Behandlung

Die weit verbreitete Anwendung von Folter in Syrien zeigt die Straflosigkeit, mit der die Konfliktparteien agieren. Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren (UNHRC 11.8.2016).

Folter und andere Misshandlungen wurden durch das syrische Regime schon seit Jahrzehnten genutzt, um Widerstand zu unterdrücken (AI 17.8.2016). Das syrische Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch von Minderjährigen sind weitverbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt (USDOS 13.4.2016; vgl. HRW 27.1.2016). Viele der Opfer von Folter sind Männer zwischen 18 und 60 Jahren. Das Regime foltert jedoch auch Frauen und Kinder, welche sich in Gewahrsam befinden (UNHRC 11.8.2016). Manche Opfer von Folter werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind, oder als die Regierung nicht ausreichend unterstützend wahrgenommen werden. Opfer von Folter werden auch Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen (UNHRC 11.8.2016).

Die syrischen Sicherheitskräfte führen willkürliche Festnahmen durch und lassen häufig Festgenommene in dem weitreichenden Netzwerk an Haftanstalten in Syrien verschwinden. Viele der Häftlinge sind junge Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren, jedoch sind auch Kinder, Frauen und ältere Menschen unter den Inhaftierten (HRW 27.1.2016). Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen (HRW 27.1.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Schätzungen zufolge sind seit 2011 in Gefängnissen der syrischen Regierung 17.723 Menschen durch Folter, Misshandlungen und katastrophale Haftbedingungen ums Leben gekommen (AI 18.8.2016). Das syrische Regime stellt falsche Totenscheine aus, offenbar mit dem Ziel, die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern (USDOS 13.4.2016).

Rebellengruppierungen begehen ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen, wie Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen von (also solche wahrgenommenen) Andersdenkenden und Rivalen und konfessionell motivierte Tötungen von Zivilisten (FH 27.1.2016). Manche Gruppen fügen Gefangenen, von denen vermutet wird, sie wären Mitglieder von regierungstreuen Milizen, schweren körperlichen und psychischen Schmerz zu, um Informationen oder Geständnisse zu erlangen, oder als Bestrafung oder Zwangsmittel (USDOS 13.4.2016). Des Weiteren begehen sie Massaker, Morde, Folter, Geiselnahmen, Verschwindenlassen, Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt und setzen Kinder in Kampfhandlungen ein (UKFCO 8.2016).

Auch der IS begeht Misshandlungen, Folter, Bestrafungen von Individuen, und agiert mit Brutalität. Der IS bestraft regelmäßig Opfer in der Öffentlichkeit und zwingt Bewohner, inklusive Kindern, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (17.8.2016): "It breaks the human":

Torture, disease and death in Syria's prisons [MDE 24/4508/2016], http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471499119_mde2445082016english.PDF, Zugriff 2.12.2016

-

AI - Amnesty International (18.8.2016): Schwere Folter in syrischen Gefängnissen,

http://www.amnesty.de/2016/8/18/schwere-folter-syrischen-gefaengnissen, Zugriff 22.11.2016

-

FH-Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016-Syria, https://www.ecoi.net/local_link/327745/454885_en.html, Zugriff 22.11.2016

-

HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/318418/443598_en.html, Zugriff 18.11.2016

-

UKFCO - UK Foreign and Commonwealth Office (21.7.2016): Human Rights and Democracy Report 2015- Human Rights Priority Country update report: January to June 2016, http://www.ecoi.net/local_link/329304/470272_de.html, Zugriff 22.11.2016

-

UNHRC - United Nations Human Rights Council (11.8.2016): Report of the Independent International Commission of inquiry on the Syrian Arab Republic,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1474461066_g1617860.pdf, Zugriff 22.11.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015-Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 18.11.2016

Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Für männliche Syrer und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 19.10.2016; vgl. FIS 23.8.2016). Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Wehrdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen (FIS 23.8.2016).

Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht (FIS 23.8.2016).

In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).

Oppositionsgruppen haben ihre eigenen Vorgangsweisen bei der Rekrutierung, und die Situation kann von der jeweils verantwortlichen Person abhängen (FIS 23.8.2016).

Regierungseinheiten, Pro-Regime-Milizen, bewaffnete oppositionelle Gruppen und terroristische Organisationen rekrutieren Kinder und nutzen sie als Soldaten, menschliche Schutzschilde, Selbstmordattentäter, Henker und auch in unterstützenden Funktionen. Kinder werden als Zwangsarbeiter oder Informanten benutzt, wodurch sie dem Risiko von Vergeltungsakten oder extremen Bestrafungen ausgesetzt sind. Manche bewaffnete Gruppierungen, die auf der Seite der Regierung kämpfen, zwangsrekrutieren Kinder - manche nicht älter als 6 Jahre (USDOS 30.6.2016).

Der IS setzt aktiv Kinder - manche lediglich 8 Jahre alt - in Kampfhandlungen ein, teils auch bei der Enthauptung von Soldaten des syrischen Regimes. Der IS zielt bewusst auf Kinder ab, um diese zu indoktrinieren und nutzt Schulen für militärische Zwecke, wodurch Kinder gefährdet werden und ihr Zugang zu Bildung eingeschränkt wird (USDOS 30.6.2016).

Auch die Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) rekrutieren Burschen und Mädchen, indoktrinieren sie und bringen sie in Trainings-Camps (USDOS 30.6.2016).

Quellen:

-

CIA - Central Intelligence Agency (19.10.2016): The World

Factbook: Syria,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html, Zugriff 27.10.2016

-

FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,

https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016

-

USDOS - US Department of State (30.6.2016): Trafficking in Persons Report 2016 - Country Narratives - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 2.12.2016

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es werden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Männer, die sich außer Landes oder in Gebieten, die nicht von der Regierung kontrolliert werden, befinden, erhalten ihre Rekrutierungsschreiben häufig nicht (FIS 23.8.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, welche das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2016). Männer werden jedoch auch auf der Straße an Checkpoints oder an anderen Orten rekrutiert. Es gibt auch Massenverhaftungen und Tür-zu-Tür-Kampagnen, um Wehrdienstverweigerern habhaft zu werden (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016). Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 10.8.2016).

Bestechung als Mittel, um den Wehrdienst zu vermeiden, ist mittlerweile schwieriger geworden - zumindest wenn jemand keine großen Geldsummen zur Verfügung hat. Es gibt auch Männer im wehrpflichtigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).

Nach der Massenwanderung von Syrern im Jahr 2015 wurde das Wehrdienstalter erhöht, und mehr Männer wurden an Checkpoints rekrutiert, auch solche, die ihren Militärdienst bereits beendet hatten. Für junge Männer im Alter von 16 und 17 Jahren ist es schwer, einen Reisepass zu erhalten, oder sie erhalten nur einen Pass, der zwei Jahre gültig ist (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016).

Das Höchstalter für den Militärdienst betrug zuvor 42 Jahre, wurde jedoch inzwischen erhöht, wobei es hierzu keine offizielle Regelung und daher auch kein offizielles Höchstalter mehr gibt (FIS 23.8.2016).

Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert (FIS 23.8.2016). Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde (DIS 26.2.2016).

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit. Möglicherweise kommt es bei diesen Ausnahmen zum Wehrdienst derzeit jedoch auch zu Willkür (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015, UNHCR 30.11.2016). Durch den erhöhten Bedarf an Soldaten wird mittlerweile ebenso auf "geschützte" Gruppen wie Studierende, Beamte und Minderheiten zurückgegriffen (UNHCR 30.11.2016).

Entlassungen aus dem Militärdienst sind sehr selten geworden. Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Die Dauer des Militärdienstes hat sich verlängert, möglicherweise ist sie auch nicht mehr begrenzt. 2011 konnte der Wehrdienst noch um ein paar Monate verlängert werden, und danach wurde man entlassen. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016).

Quellen:

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DIS - Danish Immigration Service (26.2.2015): Syria: Military Service, mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1425637269_syriennotat26feb2015.pdf, Zugriff 25.11.2016

-

FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,

https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016

-

IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (19.1.2016): Syria:

Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014 - December 2015) [SYR105361.E],

https://www.ecoi.net/local_link/320204/459448_de.html, Zugriff 27.1.2016

-

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (30.11.2016): Ergänzende aktuelle Länderinformationenen; Syrien: Militärdienst, https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481012908_coi-military-recruitment-syria.pdf, Zugriff 5.12.2016

-

USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report in International Religious Freedom - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/328447/469225_de.html, Zugriff 27.10.2016

Wehrdienstverweigerung/Desertion

Es gab Amnestien der syrischen Regierung, um Deserteure und Wehrdienstverweigerer zu ermutigen, sich zum Dienst zu melden (FIS 23.8.2016; vgl. Reuters 20.7.2016). Es ist jedoch nicht bekannt, ob Männer, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, Konsequenzen erfahren oder nicht (FIS 23.8.2016). Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).

Auf Desertion steht die Todesstrafe. Es ist jedoch nicht bekannt, wieweit die Todesstrafe wirklich angewendet wird. Ein Deserteur würde jedoch zumindest inhaftiert werden. Wenn ein Deserteur an einem Checkpoint rekrutiert wird, kann er direkt zum Dienst - auch an die Front - oder ins Gefängnis geschickt werden. Die Konsequenzen für Desertion hängen vom Bedarf an der Front und von der Position und dem Rang des Deserteurs ab. Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie könnte von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016).

Wenn ein Wehrdienstverweigerer von den Behörden aufgegriffen würde, würde er verhaftet und überprüft werden. Anschließend könnte die Person zum Dienst in der Armee geschickt werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.02.2015).

Quellen:

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AI - Amnesty International (6.2012): Amnesty Journal Juni 2012 - Operation Freiheit,

http://www.amnesty.de/journal/2012/juni/operation-freiheit, Zugriff 5.1.2016

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DIS - Danish Immigration Service (26.2.2015): Syria: Military Service, mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1425637269_syriennotat26feb2015.pdf, Zugriff 25.11.2016

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FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,

https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016

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Reuters (20.7.2016): Seeing no future, deserters and draft-dodgers flee Syria,

http://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-army-idUSKCN1001PY, Zugriff 27.10.2016

Rückkehr

Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen (AA 22.11.2016).

Quellen des kanadischen IRB gaben an, dass Personen bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert werden. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar (IRB 19.1.2016). Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert (UK HOME 8.2016).

Bei Rückkehr nach einem abgelehnten Asylantrag würde eine Person inhaftiert und im Zuge von Befragungen gefoltert werden. Die Person könnte für die Verbreitung falscher Informationen über Syrien im Ausland verurteilt werden, oder die Behörden würden versuchen durch Folter Informationen über andere Asylwerber oder die Opposition zu bekommen (IRB 19.1.2016).

Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Asad-Regimes angesehen wird (UK Home Office 8.2016).

Das Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Zuflucht zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (22.11.2016): Syrien: Reisewarnung, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/SyrienSicherheit_node.html, Zugriff 22.11.2016

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IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (19.1.2016): Syria:

Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014 - December 2015),

https://www.ecoi.net/local_link/320204/459448_de.html, Zugriff 30.9.2016

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UK HOME - UK Home Office (8.2016): Country Information and Guidance Syria: the Syrian Civil War, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1472706544_cig-syria-security-and-humanitarian.pdf, Zugriff 22.11.2016

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USDOS - US Department of State (13.04.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 18.11.2016

Risikoprofile (Quelle: UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung aus November 2015)

Werden Asylanträge von Asylsuchenden aus Syrien auf Einzelfallbasis gemäß bestehenden Asylverfahren oder Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft geprüft, so ist UNHCR der Ansicht, dass Personen mit einem oder mehreren der unten beschriebenen Risikoprofile wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der GFK benötigen, sofern keine Ausschlussklauseln anwendbar sind. Bei Familienangehörigen und Personen, die auf sonstige Weise Menschen mit den nachfolgend aufgeführten Risikoprofilen nahestehen, ist es je nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls wahrscheinlich, dass sie internationalen Flüchtlingsschutz benötigen. Sofern relevant, sollte besonderes Augenmerk auf jegliche Verfolgung gelegt werden, der Asylsuchende in der Vergangenheit möglicherweise ausgesetzt waren.

Die nachstehend aufgeführten Risikoprofile sind nicht unbedingt abschließend und können sich überschneiden. Die Reihenfolge der aufgeführten Profile impliziert keine Hierarchie. Die Profile basieren auf Informationen, die UNHCR zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments vorlagen. Ein Antrag sollte daher nicht automatisch als unbegründet erachtet werden, weil er keinem hier aufgeführten Profil entspricht.

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Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Aufständische, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen bzw. Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte; Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Familienangehörige von tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern sowie Personen, die mit tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern in Verbindung gebracht werden; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben.

Risikogruppen

In seinen Richtlinien "zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen" vom Oktober 2014 geht UNHCR u.a. von folgenden "Risikoprofilen" aus:

• Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen - darunter fallen auch Wehrdienstverweigerer

• Angehörige ethnischer Minderheiten (u.a. Kurden)

• Mitglieder religiöser Gruppen (u.a. Sunniten)"

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Die Länderfeststellungen stützen sich auf das Länderinformationsblatt der BFA-Staatendokumentation vom 05.01.2017 sowie auf die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, vom November 2015 (4. Aktualisierte Fassung). All diese Dokumente sind dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl amtsbekannt.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin und zu ihrem Fluchtvorbringen:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin, ihrer Herkunft, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin. Ihre Identität konnte mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden; der im Spruch angeführte Name dient lediglich zur Identifizierung der Beschwerdeführerin als Verfahrenspartei. Die im Verfahren vorgelegten Dokumente (syrische Geburtsurkunde, Auszug aus syrischem Zivilregister) waren nämlich nicht geeignet, die Identität der Beschwerdeführerin zweifelsfrei nachzuweisen. Die Feststellungen zur Fluchtroute gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur persönlichen Situation der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren Angaben im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie aus Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem). Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführerin mit hoher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Rückkehr nach Syrien eine maßgebliche Bedrohungs- bzw. Verfolgungssituation bzw. eine Verhaftung durch das syrische Regime droht, stützen sich maßgeblich auf die Länderfeststellungen. Aus diesen geht klar hervor, dass die Ausreise oder Rückkehr ohne gültigen Pass oder ohne die erforderliche Genehmigung oder über einen nicht genehmigten Ausreisepunkt je nach Umständen des Einzelfalls Freiheits- und/oder Geldstrafen nach sich ziehen kann (Gesetz Nr. 18, 2014). Bei der Sicherheitsprüfung an den Grenzübergangsstellen wird überprüft, ob ein Rückkehrer Syrien gesetzeswidrig verlassen hat. Personen werden bei ihrer Einreise untersucht, ob sie im Zusammenhang mit sicherheitsbezogenen Vorfällen (wie Straftaten, tatsächliche oder vermeintliche regierungsfeindliche Aktivitäten oder Ansichten, Kontakte zu politischen Oppositionellen im Ausland, Einberufung etc.) gesucht werden. Personen, deren Profil irgendeinen Verdacht erregt, sind dem Risiko einer längeren Haft und Folter ausgesetzt. Aufgrund der besonderen Situation in Syrien ist die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als "oppositionell" betrachtet zu werden, relativ niedrig und werden vor allem Personen einer oppositionellen Gesinnung bzw. einer Regimegegnerschaft verdächtigt, die während des staatlichen Ausnahmezustandes ihre Heimat verlassen und im Ausland einen Asylantrag gestellt haben. Die Stellung eines Asylantrags gilt nämlich als illoyaler Akt und als Zeichen oppositioneller Gesinnung (Bericht des UK Home Office, Operational Guidance Note Syria vom 21.02.2014). Weiters reicht allein der Verdacht, dass eine Person regierungskritische Ansichten hat oder mit einer Person in Verbindung steht, die solche Ansichten hat, um eine begründete Furcht vor Verfolgung festzustellen. Das Risiko, die Aufmerksamkeit der syrischen Behörden zu erwecken bzw. in deren Blickfeld zu geraten und einer regimekritischen Gesinnung verdächtigt zu werden, wird im konkreten Fall auc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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