TE Vfgh Beschluss 2017/12/13 G186/2017

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Veröffentlicht am 13.12.2017
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Index

78/01 Sport

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
Anti-Doping-BundesG 2007 §22a

Leitsatz

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einzelner Wortfolgen der gerichtlichen Strafbestimmungen im Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 iZm verbotenen Wirkstoffen als zu eng gefasst

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG begehrt der Antragsteller aus Anlass einer von der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit und Strafe erhobenen Berufung gegen das ihn u.a. wegen der Vergehen nach §22a Abs1 Z1, Abs3 und 4 sowie nach §22a Abs2 Anti-Doping-Bundesgesetz (ADBG) 2007 (wiederholtes, teils gewerbsmäßiges Inverkehrsetzen verbotener Wirkstoffe gemäß der Anti-Doping-Konvention sowie Besitz einer die Grenzmenge übersteigenden Menge mit dem Vorsatz des Inverkehrbringens zu Zwecken des Dopings iZm jeglicher sportlicher Aktivität) zu einer Geldstrafe (samt Ersatzfreiheitsstrafe) kondemnierende Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 24. Oktober 2016, Z 39 Hv 70/16i, der Verfassungsgerichtshof möge die Wortfolgen

– "im Zusammenhang mit jeglicher sportlicher Aktivität" in §22a Abs1 ADBG 2007,

– "gemäß Referenzliste der Anti-Doping-Konvention (Verbotsliste)" und "oder anderen" in §22a Abs1 Z1 ADBG 2007,

– "oder anderen" in §22a Abs1 Z2 ADBG 2007,

– "in der Verbotsliste genannte" und "im Zusammenhang mit jeglicher sportlicher Aktivität" und "oder anderen" in §22a Abs2 ADBG 2007 sowie

– "in der Verbotsliste genannte" in §22a Abs3 ADBG und in §22a Abs5 ADBG 2007,

jeweils idF BGBl I 93/2014, als verfassungswidrig aufheben.

2. §22a Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 – ADBG 2007, BGBl I 30, idF BGBl I 93/2014 hat folgenden Wortlaut (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Gerichtliche Strafbestimmungen

§22a. (1) Wer zu Zwecken des Dopings im Zusammenhang mit jeglicher sportlicher Aktivität

    1. für alle Sportarten verbotene Wirkstoffe gemäß Referenzliste der Anti-Doping-Konvention (Verbotsliste), soweit diese nicht Suchtmittel im Sinne des Suchtmittelgesetzes sind, in Verkehr setzt, bei Sportlern (§1a Z21) oder anderen anwendet oder

    2. in der Verbotsliste genannte verbotene Methoden zur künstlichen Erhöhung des Sauerstofftransfers (Blutdoping) oder Gendoping (die nicht therapeutische Anwendung von Zellen, Genen, Genelementen oder der Regulierung der Genexpression zur Erhöhung der sportlichen Leistungsfähigkeit) bei Sportlern (§1a Z21) oder anderen anwendet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer in der Verbotsliste genannte anabole Substanzen, Peptidhormone, Wachstumsfaktoren, verwandte Substanzen und Mimetika, Hormone und Stoffwechsel-Modulatoren vorschriftswidrig in einer die Grenzmenge (Abs7) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besitzt, dass sie zu Zwecken des Dopings im Zusammenhang mit jeglicher sportlicher Aktivität in Verkehr gesetzt oder bei Sportlern (§1a Z21) oder anderen angewendet werden.

(3) Wer eine Straftat nach Abs1 Z1 in Bezug auf in der Verbotsliste genannte anabole Substanzen, Peptidhormone, Wachstumsfaktoren, verwandte Substanzen und Mimetika, Hormone und Stoffwechsel-Modulatoren begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.

(4) Wer

    1. eine Straftat nach Abs1 in Bezug auf Minderjährige begeht und selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als der Minderjährige ist, oder

    2. eine Straftat nach Abs1 begeht, innerhalb der letzten zwölf Monate vor der Tat zumindest drei solche Taten begangen und in der Absicht gehandelt hat, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,

ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

(5) Wer eine Straftat nach Abs4 in Bezug auf in der Verbotsliste genannte anabole Substanzen, Peptidhormone, Wachstumsfaktoren, verwandte Substanzen und Mimetika, Hormone und Stoffwechsel-Modulatoren begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, handelt es sich jedoch um eine die Grenzmenge (Abs7) übersteigende Menge, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(6) Nach Abs1 bis 5 ist der Täter nur zu bestrafen, wenn die Tat nicht nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.

(7) Der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport hat im Einvernehmen mit der Bundesministerin oder dem Bundesminister für Gesundheit und der Bundesministerin oder dem Bundesminister für Justiz mit Verordnung für die einzelnen in der Verbotsliste genannten anabole Substanzen, Peptidhormone, Wachstumsfaktoren, verwandte Substanzen und Mimetika, Hormone und Stoffwechsel-Modulatoren, bezogen auf die Reinsubstanz des Wirkstoffes, die Untergrenze jener Menge festzusetzen, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (Grenzmenge)."

3. Der Antragsteller hält es für gleichheitswidrig, dass §22a ADBG 2007 zum einen nicht nur Profisportler, sondern auch Freizeitsportler bzw. Sportler erfasst, die an keinen organisierten Wettkämpfen teilnehmen. Zum anderen stelle es eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung dar, dass Doping lediglich im Zusammenhang mit Sport, nicht aber bei anderen Aktivitäten, wie etwa im Berufsleben, verboten sei. Einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot erblickt der Antragsteller darin, dass die (in der angefochtenen Bestimmung verwiesene) Verbotsliste der Anti-Doping-Konvention auch Generalklauseln enthalte, die "für das Strafrecht viel zu unbestimmt" seien.

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung; sie hält den Antrag aus verschiedenen Gründen für unzulässig und tritt den Bedenken in der Sache entgegen.

5. Der Antrag erweist sich als unzulässig:

5.1. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

5.2. Eine allfällige Aufhebung des §22a ADBG im beantragten Umfang würde einen derart veränderten Norminhalt bewirken, der dem Gesetzgeber nicht zusinnbar ist (VfSlg 12.412/1990; VfGH 25.9.2015, G312/2015). Eine solche teilweise Aufhebung des §22a leg.cit käme vielmehr einem positiven Akt der Gesetzgebung gleich, der dem Verfassungsgerichtshof nicht zukommt (VfSlg 12.465/1990, 13.140/1992).

Wenn die Norm aber im Falle ihrer bloß teilweisen Aufhebung einen Inhalt erhielte, der dem Gesetzgeber nicht mehr zusinnbar ist, müsste sie für den Fall ihrer Verfassungswidrigkeit zur Gänze aufgehoben und daher – wegen der Bindung des Verfassungsgerichtshofes an den gestellten Antrag – auch zur Gänze angefochten werden.

Der nach dem Gesagten zu eng gefasste Antrag ist daher schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Parteiantrag, VfGH / Prüfungsumfang, Sport, Doping

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:G186.2017

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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