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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Antrags eines irakischen Staatsangehörigen auf internationalen Schutz mangels nachvollziehbarer Begründung der Entscheidung in Bezug auf die Sicherheitslage in der Provinz al-AnbarSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak, stammt aus Al Quaim in der Provinz al-Anbar, ist sunnitischen Glaubens und Angehöriger der arabischen Volksgruppe. Er stellte am 5. Mai 2015, nachdem er zuvor illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist war, einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung führte er im Wesentlichen aus, dass sein Wohnort vom Islamischen Staat (in der Folge: IS) erobert worden sei und er sich diesem hätte anschließen sollen. Zwei seiner Verwandten seien bereits getötet worden und nun habe auch der Beschwerdeführer Angst, ermordet zu werden. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, dass er im Jahr 2007 im Zuge eines Entführungsversuches angeschossen worden sei. Er habe mit der Hilfe eines Nachbarn fliehen können. Der Cousin des Beschwerdeführers sei im Jahr 2013 bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen und fünf Tage vor seiner Ausreise aus dem Irak seien zwei seiner Onkel entführt und in der Folge ermordet worden. Der Beschwerdeführer sei nie persönlich durch Mitglieder des IS bedroht worden.
2. Mit Bescheid des BFA wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und gemäß §8 Abs4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 16. Mai 2017 erteilt.
3. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, in der er im Wesentlichen die bereits geschilderten Ereignisse wiederholte und vorbrachte, dass das BFA diesbezüglich hätte prüfen müssen, ob der Beschwerdeführer auf Grund seiner Weigerung, sich dem IS anzuschließen und der damit unterstellten politischen Gesinnung Verfolgungshandlungen durch den IS ausgesetzt gewesen sei. Der Beschwerdeführer brachte ferner zu dem Entführungsversuch ergänzend vor, dass dieser mit einem von ihm bei Amerikanern absolvierten Training (Iraqi Civil Defense Corps) in Zusammenhang gestanden sei.
4. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 26. Juni 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die abweisende Asylentscheidung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Dem Beschwerdeführer wurden im Zuge der mündlichen Verhandlung Länderfeststellungen zum Irak ausgehändigt und es wurde ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführer erstattete fristgerecht eine Stellungnahme, in der er u.a. darauf hinwies, dass ihm keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Das Bundesverwaltungsgericht müsse die Lage in seiner Herkunftsstadt bzw. Herkunftsprovinz prüfen, weil dem Beschwerdeführer nach den – auszugsweise zitierten – Länderberichten dort eine asylrelevante Gefährdung drohe. Aus diesen Berichten gehe zudem hervor, dass sich der Beschwerdeführer nicht – wie sein Vater und sein Bruder – in ein Flüchtlingslager in al-Anbar begeben könne. In der Begründung der abweisenden Entscheidung wird insbesondere Folgendes ausgeführt:
"2.3. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:
[…]
[Es] kann insoweit allenfalls die vom Beschwerdeführer fortlaufend behauptete Eroberung seiner Heimatstadt durch den IS als konsistent und sohin glaubwürdig gewertet werden.
Der Beschwerdeführer selbst behauptete jedoch immer wieder, dass er selbst nie persönlich durch den IS bedroht worden sei und auch nie mit dem IS in Kontakt gekommen sei. Es sei für ihn jedoch klar gewesen, dass er aufgrund der Eroberung seiner Heimatstadt durch den IS den Irak verlassen werde.
Ausgehend davon kann dem BFA nicht entgegen getreten werden, wenn es keine über die damals in der Provinz Anbar vorherrschende prekäre Sicherheitslage hinausgehende individuelle Bedrohung des Beschwerdeführers vor seiner Ausreise erkennt, zumal der Beschwerdeführer vor dem BFA weder ihn betreffende Vorfälle in Bezug auf den IS darlegen, noch gegen ihn gerichtete Übergriffe oder Drohungen durch den IS da[r]zulegen vermochte.
Aus seinem Vorbringen ergibt sich vielmehr auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes, dass der Beschwerdeführer versuchte, einer persönlichen Konfrontation mit dem IS aus dem Weg zu gehen und Angst verspürte, vom IS — wie bereits Verwandte von ihm — getötet zu werden. Eine individuelle Gefährdungssituation wird damit jedoch nicht aufgezeigt, zumal das Schicksal des Beschwerdeführers zweifellos dem Schicksal zahlreicher Vertriebener in der Provinz Anbar entsprochen hat. Ein besonderes Interesse des IS, ausgerechnet den Beschwerdeführer zu rekrutieren, kann indes nicht erkannt werden, zumal der Beschwerdeführer selbst immer wieder bestätigte, dass er selbst nie mit dem IS in Kontakt gekommen sei.
[…]
Der Beschwerdeführer bringt in der Stellungnahme vom 09.05.2017 im Hinblick auf die Lage in der Stadt Al Quaim in der Provinz Anbar zudem vor, dass Al Quaim sich nach wie vor unter der Kontrolle des IS befinde. Dieses Vorbringen erweist sich zum Entscheidungszeitpunkt als überholt, vielmehr ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass sich das Gouvernement Anbar bis einschließlich der Stadt Hadtha (darunter insbesondere die Städte ar-Ramd, Hit und Falljah) bereits seit geraumer Zeit wieder unter der Kontrolle der irakischen Streitkräfte befinden und demgemäß dort keine Präsenz der Milizen des Islamischen Staates gegeben ist. Eine Gefährdung des Beschwerdeführers, der für die Iraq Civil Defens Corps tätig war, kann demgemäß nicht erkannt werden, zumal solche Übergriffe gegebenenfalls in den von den Milizen des Islamischen Staates kontrollierten Gebieten erfolgen. Feststellungen zu derartigen Maßnahmen sind demgemäß nicht zu treffen.
Im Hinblick auf die Frage nach der Wahrscheinlichkeit einer vom IS ausgehenden Bedrohung für den Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr war zudem zu berücksichtigen, dass er seit 2004 nicht mehr dem Iraq Civil Defens Corps angehört und sohin ein spezifisches Interesse des — im Übrigen grundsätzlich nicht innerhalb von Anbar präsenten — IS nicht naheliegt.
[…]
2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die allgemeinen Feststellungen resultieren aus den behördlicherseits erhobenen Fakten aufgrund vorliegender Länderdokumentationsunterlagen. Die Länderfeststellungen basieren auf mannigfaltigen Quellen, denen keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann. Den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen wurde nicht in qualifizierter Form entgegengetreten.
[…]"
5. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gerichtete Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, für den Fall der Ablehnung oder Abweisung der Beschwerde deren Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird. Begründend wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
5.1. Die vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak würden nicht die aktuelle Situation wiederspiegeln. Es finde sich insbesondere kein Hinweis dazu, welche aktuellen Länderberichte herangezogen worden seien, aus denen hervorgehe, dass sich die Provinz al-Anbar und die Stadt Haditha nicht mehr unter der Kontrolle des IS befinden würden. Dementsprechend sei nicht nachvollziehbar, wie das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt sei, dass sich diese Region wieder unter der Kontrolle der irakischen Streitkräfte befinden würde und dort keine Präsenz des IS mehr gegeben sei. Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang auf einen Bericht von BBC News vom 22. Juni 2017, wonach al-Anbar und insbesondere die Stadt Al Quaim nach wie vor durch den IS kontrolliert würden, sowie auf einen "Internetbericht" vom 28. Juli 2017, wonach Al Quaim die "bei weitem sicherste Stadt für den IS" sei.
5.2. Es gehe aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes selbst hervor, dass die Sunniten – wie etwa auch der Beschwerdeführer – mehrheitlich in den am stärksten umkämpften Provinzen al-Anbar und Ninawa leben würden. Das Bundesverwaltungsgericht habe eine konkrete Auseinandersetzung mit der aktuellen Lage im Irak, insbesondere mit der Lage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, unterlassen.
5.3. Das Bundesverwaltungsgericht sei ferner zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Beschwerdeführer im Irak keine asylrelevante oder sonstige Verfolgung drohen würde. Eine Verfolgungsgefahr – wie hier durch den IS – könne nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr könne eine solche auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt würden und zwar wegen einer Eigenschaft, die der betreffende mit dieser Person teilt, sodass die begründete Annahme bestehe, dass auch er unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein könne. Es sei allgemein bekannt, dass der IS in seinem Einzugsgebiet versucht habe, sämtliche Männer zu rekrutieren und dass Weigerungen meist mit dem Tode bestraft worden seien. Der Beschwerdeführer habe angesichts dessen keine Alternative zur Flucht gehabt. Das Bundesverwaltungsgericht hätte sich daher mit der aktuellen Bedrohung des Beschwerdeführers durch den IS in der Heimatregion des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen.
II. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre reicht, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechts-lage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
3. Solche Fehler sind dem Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall unterlaufen:
3.1. Das Bundesverwaltungsgericht wertet das Vorbringen des Beschwerdeführers nur insoweit als zutreffend, als er die Eroberung seiner Heimatstadt (in der Provinz al-Anbar) durch den IS behauptet, und geht in seiner Entscheidung auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers mit dem BFA davon aus, dass es "keine über die damals in der Provinz Anbar vorherrschende prekäre Sicherheitslage hinausgehende individuelle Bedrohung des Beschwerdeführers vor seiner Ausreise" gegeben habe. Der Beschwerdeführer habe vielmehr versucht, durch seine Flucht einer persönlichen Konfrontation mit dem IS aus dem Weg zu gehen. Damit werde jedoch keine individuelle Gefährdungssituation aufgezeigt, zumal das Schicksal des Beschwerdeführers zweifellos dem Schicksal zahlreicher Vertriebener in der Provinz al-Anbar entsprochen habe.
3.2. Der Beschwerdeführer habe in seiner Stellungnahme zu den Länderfeststellungen im Hinblick auf die Lage in der Stadt Al Quaim in der Provinz al-Anbar vorgebracht, dass diese sich nach wie vor unter der Kontrolle des IS befinde. Dieses Vorbringen erweise sich zum Entscheidungszeitpunkt als überholt, vielmehr ergebe sich aus den Länderfeststellungen, dass sich das Gouvernement al-Anbar bis einschließlich der Stadt Haditha (darunter insbesondere die Städte ar-Ramadi, Hit und Fallujah) bereits seit geraumer Zeit wieder unter der Kontrolle der irakischen Streitkräfte befinden würden und demgemäß dort keine Präsenz der Milizen des IS gegeben sei. Eine Gefährdung des Beschwerdeführers, der für die Iraqi Civil Defense Corps tätig gewesen sei, könne demgemäß nicht erkannt werden, zumal solche Übergriffe gegebenenfalls in den von den Milizen des IS kontrollierten Gebieten erfolgen würden. Ferner sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigten, dass der Beschwerdeführer seit 2004 nicht mehr dem Iraqi Civil Defense Corps angehöre und sohin ein spezifisches Interesse des – im Übrigen nicht innerhalb von al-Anbar präsenten – IS nicht naheliege.
3.3. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ist zu einem großen Teil formelhaft begründet. Selbst wenn man diesen Begründungselementen das unter Pkt. II.3.2. wiedergegebene Verständnis des Bundesverwaltungsgerichtes zu Grunde legt, führt dies zu einem Widerspruch zu den im Erkenntnis wiedergegebenen Länderfeststellungen (Quelle: Deutsches Auswärtiges Amt – Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 7. Februar 2017): Diesen zufolge werde der IS seit 2014 von verschiedenen irakischen wie internationalen Akteuren bekämpft, was bewaffnete Auseinandersetzungen in den Provinzen al-Anbar (aus der der Beschwerdeführer stammt), Babil, Bagdad, Diyala, Ninawa, Salah al-Din und Kirkuk sowie auch an den Rändern der Region Kurdistan-Irak zur Folge habe. Die territoriale Zurückdrängung des IS im Laufe des Jahres 2016 habe die Zahl der terroristischen Anschläge in den genannten Provinzen nicht wesentlich verringert, in manchen Fällen sogar eine asymmetrische Kriegsführung des IS mit verstärkten terroristischen Aktivitäten provoziert. Die Terrormiliz IS sei die größte militante Gruppe, die sowohl im Irak als auch in Syrien große Gebiete kontrolliere und schwere Menschenrechtsverletzungen gegen alle verübe, die sich ihrer Ideologie nicht unterwerfen würden. Teilweise werde sie von den sunnitischen Stammesmilizen in al-Anbar unterstützt (vgl. S 12 des Erkenntnisses). An anderer Stelle des angefochtenen Erkenntnisses (vgl. S 13) heißt es wörtlich: "Die Sunniten leben mehrheitlich in den am stärksten umkämpften Gebieten der Provinzen Anbar und Ninawa." Zu den Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Irak wird ausgeführt, dass "Rückkehrer aus dem Ausland, die derzeit nicht in ihre noch vom IS kontrollierte Heimat zurückkehren können, […] daher kaum eine Möglichkeit [haben], einen sicheren Aufnahmeplatz i[m] Irak zu finden" (vgl. S 15 f. des Erkenntnisses). In dem Erkenntnis finden sich keine Länderfeststellungen, aus denen sich ableiten lässt, dass sich das Gouvernement al-Anbar bis einschließlich der Stadt Haditha (darunter insbesondere die Städte ar-Ramadi, Hit und Fallujah) bereits seit geraumer Zeit wieder unter der Kontrolle der irakischen Streitkräfte befinden würden und dass demgemäß dort keine Präsenz der Milizen des IS gegeben sei.
3.4. Vor dem Hintergrund der im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Länderberichte geht das Bundesverwaltungsgericht in nicht nachvollziehbarer Weise davon aus, dass in der Provinz al-Anbar keine Präsenz von Milizen des IS mehr gegeben sei und die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung daher nicht (mehr) gegeben sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Entscheidung daher dadurch mit Willkür belastet, dass es Schlüsse aus den Länderfeststellungen gezogen hat, die mit den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens weder vereinbar noch nachvollziehbar sind.
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
2. Das angefochtene Erkenntnis ist daher aufzuheben.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,-- enthalten.
Schlagworte
Asylrecht, EntscheidungsbegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E2611.2017Zuletzt aktualisiert am
21.02.2018