TE Vwgh Erkenntnis 2018/1/29 Ra 2017/04/0150

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Veröffentlicht am 29.01.2018
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L71069 Marktordnungen Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

BauO Wr §62a Abs1 Z8;
GewO 1994;
MO Wr 2006 §19 Z2;
MO Wr 2006 §23 Abs1 Z1;
MO Wr 2006 §6 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, Hofrat Dr. Kleiser, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie Hofrat Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision der N GmbH in W, vertreten durch die Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 20, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 20. Oktober 2017, VGW-101/073/9607/2016-29, betreffend marktbehördliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (belangte Behörde) vom 27. Juni 2016 wurde der Antrag der Revisionswerberin auf marktbehördliche Bewilligung für die Errichtung eines transparenten Windschutzvorhanges abgewiesen. Die belangte Behörde verwies u.a. auf die negativen Stellungnahmen der Magistratsabteilungen (MA) 36 (Gewerbetechnik), 37 (Baupolizei) und 59 (Marktservice), zu denen der Revisionswerberin Parteiengehör eingeräumt worden sei.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 20. Oktober 2017 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Antrag der Revisionswerberin gemäß § 23 Abs. 1 Z 1 der Wiener Marktordnung abgewiesen werde. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

Die Amtssachverständigen der MA 37 und der MA 59 hätten angegeben, dass durch die Errichtung der transparenten Windschutzvorhänge sinngemäß ein Raum entstehe bzw. der entstehende Raum einer bebauten Fläche entspreche. Das laut Wiener Marktordnung für die Zuweisung zur Gastronomie auf Marktplätzen zur Verfügung stehende Ausmaß (maximal ein Drittel der bebauten Fläche) sei - so der Amtssachverständige der MA 59 - am Naschmarkt bereits erreicht.

Das Verwaltungsgericht ging gestützt auf diese Gutachten davon aus, dass durch das eingereichte Projekt, das nach oben durch eine Markise und nach drei Seiten durch mit Betonklötzen beschwerte Planen begrenzt sei, ein Raum entstehe. Dem Vorbringen der Revisionswerberin, wonach die transparenten Windschutzvorhänge keine Wände seien, könne nicht gefolgt werden. Das Verlassen des Gebildes sei nur über eine Türe möglich. Durch die Errichtung des gegenständlichen Projektes würde die gemäß § 6 lit. a der Wiener Marktordnung begrenzte und bereits ausgeschöpfte Fläche der Gastronomie im Marktgebiet erweitert. Daher sei der Antrag auf Grund der üblichen Marktverhältnisse abzuweisen gewesen.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber erwogen:

4 Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der eine Marktordnung erlassen wird (Marktordnung 2006), ABl. der Stadt Wien Nr. 22/2006 in der Fassung ABl. Nr. 47/2014, lauten auszugsweise:

"Gastronomie

§ 6. Die Marktverwaltung kann die Verabreichung von Speisen und den Ausschank von Getränken gemäß § 111 Abs. 1 Z 2 oder Abs. 2 Z 3 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 15/2006, auf Marktplätzen zulassen, wenn

a) nicht mehr als ein Drittel der ständig zugewiesenen

verbauten Fläche auf dem jeweiligen ständigen Detailmarkt für die Verabreichung von Speisen und den Ausschank von Getränken überschritten wird, wobei in der Anlage II davon abweichende Bestimmungen getroffen werden können,

...

Übermaß

§ 19. Wenn es die örtlichen Marktverhältnisse gestatten, kann Marktparteien die Benützung von unverbauten Marktflächen zu folgenden Zwecken bewilligt werden:

...

2.        das Aufstellen von Tischen und Sitzgelegenheiten

(Schanigarten),

     ...

Bewilligungspflicht

     § 22. (1) Marktparteien bedürfen einer Bewilligung der

Marktverwaltung

1.        wenn die Marktstandseinrichtung oder ihre Ausstattung

geeignet ist, das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden

oder der Gewerbetreibenden, der mittätigen Familienangehörigen,

des mittätigen eingetragenen Partners oder der mittätigen

eingetragenen Partnerin oder der Kunden oder Kundinnen, die den

Marktstand der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, zu gefährden,

2.        für die Errichtung oder den Abbruch von standfesten Bauten,

3.        für die Aufstellung eines Verkaufswagens und von

Verkaufskojen, welche nicht nur tageweise vergeben sind,

4.        für jede Änderung des äußeren Erscheinungsbildes an

standfesten Bauten, von Verkaufswägen oder Verkaufskojen auf

Plätzen, welche nicht nur tageweise vergeben sind.

     ...

Bedingungen und Auflagen

     § 23. (1) Marktbehördliche Bewilligungen dürfen nur

erteilt werden, wenn

1.        die örtlichen Marktverhältnisse dies gestatten,

     ..."

5 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit vor, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob durch die Errichtung eines transparenten Windschutzvorhanges an drei Seiten eines Schanigartens eine verbaute Fläche im Sinn der Wiener Marktordnung 2006 entstehe.

6 Die Revision ist im Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig, aus den nachstehenden Gründen aber nicht berechtigt.

7 Die Revisionswerberin weist - insoweit zutreffend - darauf hin, dass die Wiener Marktordnung 2006 keine eigenständige Definition dessen enthalte, was unter einer verbauten Fläche im Sinn ihres § 6 lit. a zu verstehen sei. Weiters verweist sie in diesem Zusammenhang auf den in § 80 der Bauordnung für Wien (BO) enthaltenen Begriff der bebauten Fläche. Als bebaute Fläche gelte "die senkrechte Projektion des Gebäudes einschließlich aller raumbildenden oder raumergänzenden Vorbauten auf eine waagrechte Ebene; als raumbildend oder raumergänzend (seien) jene Bauteile anzusehen, die allseits baulich umschlossen (seien) oder bei denen die bauliche Umschließung nur an einer Seite (fehle)".

8 Zwar handelt es sich bei der Wiener Marktordnung um eine auf die Gewerbeordnung 1994 gestützte und somit eine gewerberechtliche Regelung und bedürfen Marktstände nach § 62a Abs. 1 Z 8 BO weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige (siehe diesbezüglich auch VwGH 16.10.2013, 2012/04/0086 und 0087). Dessen ungeachtet kann bei der Auslegung des Begriffes der verbauten Fläche, an den die Wiener Markordnung 2006 in ihrem § 6 lit. a bei der Regelung der Zulassung der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken auf Marktplätzen anknüpft, in Ermangelung einer eigenständigen Definition auf den in der Bauordnung für Wien vorzufindenden Begriff der bebauten Fläche bzw. damit in Zusammenhang stehende baurechtliche Begrifflichkeiten zurückgegriffen werden.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa bereits wiederholt ausgesprochen, dass durch die Umschließung einer Terrasse mittels einer Holz-Glas-Konstruktion (etwa in der Form eines Wintergartens) die Tatbestandsvoraussetzungen für einen (raumbildenden) Zubau erfüllt sind. Auch eine Konstruktion, bei der anstelle des Baustoffes Holz ein anderer, wie etwa Aluminium, verwendet wird, stellt einen Zubau dar. Der Umstand, dass eine Aluminium-Glas-Konstruktion nicht in Massivbauweise ausgeführt und an zwei Seiten nicht baulich fest umschlossen ist, weil dort verschiebbare Glaswände bestehen, führt ebenso zu keiner anderen Beurteilung. Daher stellt eine Aluminium-Glas-Konstruktion mit verschiebbaren Glaselementen, die nicht luftdicht abschließen und nicht fest im Boden verankert sind, einen Zubau dar (vgl. zu allem VwGH 30.1.2014, 2011/05/0099, mwN). In einem (zur Tiroler Bauordnung 1998 ergangenen) Erkenntnis wurde eine Schirmbar als bewilligungspflichtige bauliche Anlage angesehen, zumal das Aufliegen dieser baulichen Anlage auf dem Boden insbesondere auf Grund ihres Gewichtes als Verbindung mit dem Boden zu qualifizieren sei (siehe VwGH 23.12.1999, 99/06/0179).

10 Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Windschutzvorhänge mit Betonklötzen beschwert würden und dass das Verlassen des "Gebildes" nur über eine Tür möglich sei. Den von ihm zugrunde gelegten Gutachten lässt sich nach der nicht bestrittenen Darstellung im angefochtenen Erkenntnis zudem entnehmen, dass die horizontalen und vertikalen Planen miteinander kraftschlüssig verbunden sind.

11 Ausgehend davon ist es auch vor dem Hintergrund der dargestellten baurechtlichen Rechtsprechung nicht rechtswidrig, das durch das eingereichte Projekt entstehende Konstrukt als verbaute Fläche im Sinn des § 6 lit. a Wiener Marktordnung 2006 anzusehen. Dabei ist auch die Regelung des § 19 Z 2 Wiener Marktordnung 2006 zu berücksichtigen, der zufolge die Benützung von unverbauten Marktflächen zum Zweck des Aufstellens von Tischen und Sitzgelegenheiten (Schanigarten) bewilligt werden kann. Daraus kann zwar abgeleitet werden, dass das Aufstellen von Tischen und Stühlen für sich genommen an der Eigenschaft als unverbaute Fläche noch nichts ändert. Allerdings ist die Errichtung von Abgrenzungen gegenüber anderen Flächen in der hier vorliegenden Art von diesem Bewilligungstatbestand nicht erfasst, weshalb auch nach dem System der Wiener Marktordnung 2006 kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Umschließung eines Gastgartens mit (gleich aus welchem Material bestehenden) Planen und einer Markise mit der Qualifikation als unverbaute Fläche in Einklang steht.

12 Dass der von der Revisionswerberin ins Treffen geführte (vom Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Auslegung der Begriffe "Dachgeschoss" und "Galerie" in seinem Erkenntnis 15.5.2014, 2013/05/0046, bezogene) Wortsinn zu einem anderen Ergebnis führt, ist nicht ersichtlich. Auch aus den von ihr ins Treffen geführten Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff "Raum" in § 13a Tabakgesetz vermag die Revision im Hinblick auf die unterschiedlichen Regelungsgegenstände und - zwecke für den hier zu beurteilenden Fall nichts zu gewinnen.

13 Der Inhalt der vorliegenden Revision lässt somit erkennen, dass die von der Revisionswerberin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen. Die Revision war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017040150.L00

Im RIS seit

21.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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