TE Lvwg Erkenntnis 2017/6/22 VGW-141/021/7538/2017

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Veröffentlicht am 22.06.2017
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Entscheidungsdatum

22.06.2017

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien
41/02 Passrecht Fremdenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

WMG §5 Abs2
NAG §51 Abs2
NAG §53a
VwGVG §28 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Hollinger über die Beschwerde der Frau M. K., Wien, P.-straße, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- u. Gesundheitsrecht, Region …, Sozialzentrum ..., vom 05.04.2017, Zl. MA 40 - SH/2017/01473620-001,

I.

zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde für den Zeitraum 4.4.2017 bis 9.4.2017 als unbegründet abgewiesen.

II.

den

BESCHLUSS

gefasst:

Für den Zeitraum ab 10.4.2017 wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

III.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom 5.4.2017, MA 40 – Sozialzentrum ... – SH/2017/01473620-001, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (Bf.) vom 4.4.2017 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs (Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs und Mietbeihilfe) gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 2 WMG abgewiesen. Begründet wurde dieser Bescheid wie folgt:

„Das Ermittlungsverfahren hat Folgendes ergeben (Einkommen, Ausgaben, etc.):

V. K., 2005

Alimente für minderjährige Kinder

€ 40,00 mtl.

01.04.2008

 

Wohnung

Miete

€ 350,00

01.01.2016

 

Kein Anspruch WBH ohne MMB

€ 0,00

01.01.2016

 

Sie und Ihre Tochter sind slowakische Staatsbürger und sind seit 11.03.2015 mit Unterbrechungen in Österreich gemeldet.

Sie waren von 09.04.2015 bis 21.05.2015 bei der Firma C. KG geringfügig beschäftigt. Von 26.02.2016 bis 15.06.2016 waren Sie bei der Firma G. Ges.m.b.FI. und weiters von 01.07.2016 bis 09.09.2016 bei der Firma S. tätig.

Ihr letztes Dienstverhältnis mit der Firma S. wurde aufgrund Kündigung durch den Dienstgeber geendet, daher wurde Ihnen von Oktober 2016 bis März 2017 die bedarfsorientierte Mindestsicherung zuerkannt. Ein weiterer Anspruch besteht nicht.

Sie sind EWR-Bürgerln und verfügen seit 11.03.2015 über eine aufrechte Meldung im Bundesgebiet. Eine Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts wurde vorgelegt.

Sie sind weder erwerbstätig noch wurden Nachweise darüber erbracht, dass die Erwerbstätigeneigenschaft nach § 51 Abs. 2 NAG erhalten bleibt oder dass Sie das Recht auf Daueraufenthalt erworben haben. Sie sind auch nicht Familienangehörige/r einer gemäß § 5 Abs. 2 Zi. 2 WMG den österreichischen Staatsbürgerinnen gleichgestellten Person.

Somit sind die Voraussetzungen für eine Gleichstellung gemäß § 5 Abs. 2 WMG nicht erfüllt.“

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde der Bf., in welcher diese im Wesentlichen vorbringt, dass die Entscheidung nicht zutreffe, da sie seit Anfang April 2017 als Reinigungskraft geringfügig beschäftigt sei. Mit der Aufnahme einer Beschäftigung hätten sich ihre Verhältnisse geändert. Aus den oben angeführten Gründen ersuche sie, den belangten Bescheid zu beheben, den Sachverhalt erneut zu überprüfen und ihr und ihrem Kind eine zustehende Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts zu gewähren.

Sachverhalt:

Die Bf. und ihre Tochter sind slowakische Staatsbürger und sind seit 11.3.2015 mit Unterbrechungen in Österreich gemeldet. Zuletzt war die Bf. vom 1.7.2016 bis 9.9.2016 bei der Firma S. tätig. Dieses letzte Dienstverhältnis wurde aufgrund einer Kündigung durch den Dienstgeber beendet. Der Bf. wurden daher aufgrund ihres Antrages vom 13.10.2016 Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung für sechs Monate ab dem Ende dieses Dienstverhältnisses (13.10.2016 – Datum der Antragstellung bis März 2017) zuerkannt. Seit 10.4.2017 ist die Bf. bei der P. GmbH als geringfügige Arbeiterin beschäftigt.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und dem Vorbringen der Bf. sowie einer Abfrage im AJ-WEB Auskunftsverfahren.

Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) lauten:

§ 5. (1) Leistungen nach diesem Gesetz stehen grundsätzlich nur österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu.

(2) Den österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern sind folgende Personen gleichgestellt, wenn sie sich rechtmäßig im Inland aufhalten und die Einreise nicht zum Zweck des Sozialhilfebezuges erfolgt ist:

1. Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte, denen dieser Status nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) zuerkannt wurde;

2. Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz, wenn sie erwerbstätig sind oder die Erwerbstätigeneigenschaft nach § 51 Abs. 2 Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG) erhalten bleibt oder sie das Recht auf Daueraufenthalt nach § 53a NAG erworben haben und deren Familienangehörige;

3. Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EG“ oder „Daueraufenthalt – Familienangehöriger“, denen dieser Aufenthaltstitel nach § 45 oder § 48 NAG erteilt wurde oder deren vor In-Kraft-Treten des NAG erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigung als solche gemäß § 81 Abs. 2 NAG in Verbindung mit der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung – NAG-DV) weiter gilt;

4. Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EG“ eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, denen eine Niederlassungsbewilligung nach § 49 NAG erteilt wurde.

(3) Personen, die nach den Bestimmungen des AsylG 2005 einen Asylantrag gestellt haben, steht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens kein Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu.

§ 39 (2) Personen, die nicht den österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern gleichgestellt sind und die sich für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten rechtmäßig in Österreich aufhalten, können Leistungen der Bedarfs-orientierten Mindestsicherung als Förderung zugesagt werden, wenn dies auf Grund ihrer persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten erscheint

Die maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) lauten:

§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder......

§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

Zu I.

Die Bf. ist slowakische Staatsangehörige. Es war daher zu prüfen, ob sie als EU-Bürgerin österreichischen Staatsangehörigen gleichgestellt und damit betreffend Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung anspruchsberechtigt ist. Im Zeitraum ab 1.4.2017 (die Bf. bezog bis 31.3.2017 Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung) liegt bis 9.4.2017 keine Erwerbstätigeneigenschaft vor. Die Bf. wurde nach Beendigung des letzten Dienstverhältnisses bei der S. unfreiwillig arbeitslos, da sie vom Dienstgeber gekündigt wurde. Die Erwerbstätigeneigenschaft ist ihr somit nur für sechs Monate erhalten geblieben (§ 51 Abs. 2 Z 3 NAG). Im hier maßgeblichen Entscheidungszeitraum (4.4.2017 – neuerliche Antragstellung bis zum 9.4.2017 ist der Bf. die Erwerbstätigeneigenschaft sohin nicht erhalten geblieben, zumal das Dienstverhältnis mit der Firma S. weniger als ein Jahr angedauert hat. Angemerkt sei, dass auch die übrigen Beschäftigungszeiten der Bf.: vom 9.4.2015 bis 21.5.2015 bei der Firma C. KG und vom 26.2.2016 bis 15.6.2016 bei der Firma G. Ges.m.b.H. weniger als ein Jahr dauerten. Der in Frage kommende Gleichstellungstatbestand gemäß § 5 Abs. 2 Z 2 WMG war somit nicht verwirklicht und der Antrag der Bf. auf bedarfsorientierte Mindestsicherung wurde daher von der belangten Behörde zu Recht abgewiesen.

Zu II.

Ab 10.4.2017 ist die Bf. wieder erwerbstätig und bei der Wiener Gebietskrankenkasse versichert. Ab diesem Zeitpunkt ist sie gemäß § 5 Abs. 2
Z 2 WMG österreichischen Staatsangehörigen gleichgestellt und betreffend Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung anspruchsberechtigt.

§ 28 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lautet (auszugsweise):

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Infolge Gleichstellung mit österreichischen Staatsangehörigen ab 10.4.2017 sind nunmehr ab diesem Zeitpunkt die weiteren Voraussetzungen für die Zuerkennung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu prüfen. Der diesbezügliche Sachverhalt wurde noch nicht ermittelt, insbesondere hinsichtlich des anrechenbaren Einkommens. Die Feststellung des diesbezüglich maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst ist nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, da die erforderlichen Nachweise allenfalls im Wege einer Aufforderung gemäß § 16 WMG beizuschaffen sind. Ab 10.4.2017 liegen somit die Voraussetzungen für eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides und eine Zurückverweisung zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG vor.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Mindestsicherung; Gleichstellung; Erwerbstätigkeit; Erwerbstätigeneigenschaft; Recht auf Daueraufenthalt; Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.141.021.7538.2017

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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