Entscheidungsdatum
15.02.2018Norm
AWG 2002 §62 Abs1Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Herzog über die Beschwerde 1.) des DI T H, D, und 2.) der H GmbH, L, beide vertreten durch Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft D vom 09.05.2017, Zl X-9-2016/28074, zu Recht erkannt:
Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
Begründung
1. Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Erstbeschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:
„Sie haben nachstehende Verwaltungsübertretung(en) begangen:
Sie haben als gemäß § 9 VStG verantwortliches, zur Vertretung nach außen berufendes Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der H GmbH, K, L, folgende Übertretungen des Abfallwirtschaftsgesetzes zu verantworten:
Mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 12.03.2012 wurde der H GmbH, L, die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung für die Änderung der bestehenden Bioabfallvergärungsanlage durch die Errichtung und den Betrieb einer Nassvergärungsstufe und die damit verbundene Adaptierung der bestehenden Kompogasanlage erteilt. Im Rahmen dieses Bescheides wurde die Verwertung des beim Vergärungsprozess gewonnenen Biogases durch Verstromung mittels zweier BHKW's (inklusive Fackel) genehmigt.
Mit Bescheid vom 03.06.2013 wurde der H GmbH die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung für die Neusituierung von Anlagenteilen und die Optimierung der Verfahrenstechnik bei der Bioabfallvergärungsanlage genehmigt. Von der Genehmigung mitumfasst ist - als alternative Verwertungsmaßnahme zur Verstromung über die BHKW - eine Gasaufbereitungsanlage nach dem Druck-Wechsel-Adsorptionsprinzip. Das so aufbereitete Gas wird in das Erdgasleitungsnetz eingespeist. Das anfallende geruchsbehaftete Schwachgas sollte über zwei Mikrogasturbinen energetisch verwertet werden, die aber in der Folge nicht ausgeführt wurden. Diese Änderung ist nicht genehmigt.
Im Rahmen des Betriebs der Bioabfallvergärungsanlage kam es in der Folge wiederholt zur Meldung von Geruchsbelästigungen aus dem Gemeindegebiet F. Als eine der Hauptquellen der Geruchsbelästigungen wurde die Gasaufbereitung der Bioabfallvergärungsanlage lokalisiert. Zwischenzeitlich wurde der H GmbH, L, mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 15.02.2016 gemäß § 62 Abs 3 AWG 2002 abfallwirtschaftsrechtlich vorgeschrieben, ein Sanierungskonzept dahingehend zu erstellen, dass ein geordneter Stofffluss im Zusammenhang mit der Bioabfallvergärungsanlage (Trocken- und Nassvergärungsstufe) auf dem AWIZ K dauerhaft gewährleistet ist.
Die H GmbH, L, wurde in der Folge mit Verfahrensanordnung vom 27.04.2016 gemäß § 62 Abs 2 AWG 2002, unter der Androhung von Zwangsmaßnahmen angewiesen, bis zur Genehmigung und Inbetriebnahme der gemäß Sanierungskonzept geänderten Gasaufbereitung bzw. Abgasbehandlung unverzüglich den konsenswidrigen Betrieb der Gasaufbereitung einzustellen und das Biogas über die bestehende, mit Bescheid vom 12.03.2012 genehmigte Verwertungsschiene (BHKW und Fackel) zu führen.
Auf Grund zweier Lokalaugenscheine durch den lufthygienischen Amtssachverständigen vom 29.04.2016 und 01.05.2016 steht fest, dass die H GmbH dieser Verfahrensanordnung nicht Folge geleistet hat.
Tatort:
L, K
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
§ 79 Abs. 1 Z. 17 i.V.m. § 62 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 BGBl. I Nr. 193/2013 idgF.
Wegen dieser/diesen Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Zu
Geldstrafe
falls diese uneinbringlich
Gemäß
Euro
ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
6.000,00
48 Stunden
§ 79 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 BGBl. I Nr. 193/2013 i.d.g.F.
Ferner haben Sie zu bezahlen:
Betrag
Für
Euro
600,00
Strafverfahrenskosten gemäß § 64 Abs.1+2 VStG
Zu zahlender Gesamtbetrag (Strafe/Barauslagen):
Euro 6.600,00“
Weiters wurde im angefochtenen Straferkenntnis die Haftung der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 9 Abs 7 VStG für den Gesamtbetrag von 6.600 Euro ausgesprochen.
2. Gegen dieses Straferkenntnis haben die Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser wenden sie ein, dass der objektive Tatbestand nicht erfüllt sei. Dazu wird im Wesentlichen vorgebracht, dass seitens des Landeshauptmannes von Vorarlberg mit Verfahrensanordnung vom 27.04.2016 gemäß § 62 Abs 2 AWG 2002 angeordnet worden sei, dass bis zur Genehmigung und Inbetriebnahme der gemäß Sanierungskonzept geänderten Gasaufbereitung bzw Abgasbehandlung unverzüglich der konsenswidrige Betrieb der Gasaufbereitung einzustellen und das Biogas über die bestehende, mit Bescheid vom 12.03.2012 genehmigte Verwertungsschiene (BHKW und Fackel) zu führen seien. Diese Verfahrensanordnung sei den Beschwerdeführern nachweislich erst am 29.04.2016 zugestellt worden. Daraufhin hätten zwei Lokalaugenscheine durch den lufthygienischen Amtssachverständigen am 29.04.2016 sowie am 01.05.2016 stattgefunden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien die Regelungen des AWG 2002 vielfach den Regelungen der GewO 1994 nachgebildet, was insbesondere auf die Bestimmungen des § 62 Abs 2 AWG 2002 und des § 360 Abs 1 GewO zutreffe. Insofern könne aufgrund der Vergleichbarkeit der beiden Bestimmungen zur Interpretation des § 62 Abs 2 AWG 2002 auf die zu § 360 Abs 1 GewO ergangene Judikatur zurückgegriffen werden. Sowohl § 62 Abs 2 AWG 2002 als auch § 360 Abs 1 GewO sähen die Möglichkeit der Behörde zur Aufforderung zur Herstellung eines der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes einer Anlage innerhalb einer angemessenen Frist vor. Die Angemessenheit der Frist gemäß § 360 Abs 1 GewO und somit auch jener nach § 62 Abs 2 AWG 2002 bestimme sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes danach, ob innerhalb dieser Frist die Herstellung eines der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes der Anlage möglich sei oder nicht. Die Angemessenheit der Frist sei jeweils nach den Voraussetzungen im konkreten Einzelfall zu beurteilen und ihre Laufzeit in diesem Sinne zu bemessen. Im vorliegenden Fall sei mit Verfahrensanordnung vom 27.04.2016 die unverzügliche Herstellung des rechtsordnungsgemäßen Zustandes der Anlage angeordnet worden. Diese Verfahrensanordnung sei den Beschwerdeführern am Freitag, 29.04.2016, zugestellt worden. Am selben Tag habe jedoch bereits der erste Lokalaugenschein durch den lufthygienischen Amtssachverständigen stattgefunden. Der zweite Lokalaugenschein sei letztlich zwei Tage später, am Sonntag, 01.05.2016, und somit an einem Staatsfeiertag durchgeführt worden. Somit habe keinesfalls eine angemessene Frist vorgelegen. Am 29.04.2016, am Tag der Zustellung der Verfahrensanordnung, sei den Beschwerdeführern nicht ansatzweise Zeit gelassen worden, auf die Verfahrensanordnung zu reagieren. Auch der zweite Lokalaugenschein vom 01.05.2016 müsse im Lichte der VwGH-Rechtsprechung als eindeutig zu früh angesetzt beurteilt werden. Die Herstellung eines rechtsordnungskonformen Zustandes der BAV wäre frühestens an dem auf die Zustellung nächstfolgenden Werktag, somit frühestens am 02.05.2016, möglich gewesen. Beziehe man zusätzlich den umfangreichen technischen Aufwand der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes mit ein, so wäre die gegenständliche Frist mit mindestens einer Woche zu bemessen gewesen. Da die Lokalaugenscheine des lufthygienischen Sachverständigen jedenfalls nicht nach Ablauf einer gemäß § 62 Abs 2 AWG 2002 angemessenen Frist stattgefunden hätten, könne der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs 1 Z 17 AWG 2002 in keinem Fall erfüllt sein. Auch bei Anordnung einer unverzüglichen Herstellung des rechtsordnungskonformen Zustandes der BAV hätte den Beschwerdeführern jedenfalls eine angemessene Frist beigemessen werden müssen, innerhalb derer eine Umsetzung der gegenständlichen Verfahrensanordnung möglich gewesen wäre. Da somit in den im Straferkenntnis angegebenen Tatzeitpunkten kein strafbares Verhalten vorgelegen habe, seien die Angaben zum Tatzeitpunkt als unrichtig zu qualifizieren.
Des Weiteren enthält die Beschwerde ein Vorbringen betreffend einen Entfall der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Erstbeschwerdeführers als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Zweitbeschwerdeführerin, das Fehlen jeglichen Verschuldens des Erstbeschwerdeführers, das Vorliegen von Milderungsgründen und eine Verwirklichung der Einstellungstatbestände gemäß § 45 Abs 1 Z 4 und 6 VStG.
3. Das Landesverwaltungsgericht hat in dieser Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender Sachverhalt steht fest:
3.1. Der Erstbeschwerdeführer ist seit 14.12.2015 handelsrechtlicher Geschäftsführer der H GmbH. Diese ist gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig und betreibt am Unternehmensstandort in L, K, ein Abfallwirtschaftszentrum („AWIZ K“), zu dem auch eine abfallwirtschaftsrechtlich genehmigte Bioabfallvergärungsanlage gehört.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 12.03.2012 wurde eine Änderung dieser Anlage abfallwirtschaftsrechtlich genehmigt, welche mit beinhaltet, dass die Verwertung des beim Vergärungsprozess gewonnenen Biogases durch Verstromung mittels zwei BHKWs und als Redundanz durch Verbrennung über eine Fackel erfolgt.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 03.06.2013 wurde eine weitere Änderung dieser Anlage abfallwirtschaftsrechtlich genehmigt. Diese umfasst als alternative Verwertungsmaßnahme zur Verstromung über die BHKWs eine Biogasaufbereitung nach dem Druck-Wechsel-Adsorptionsprinzip und Einspeisung des aufbereiteten Gases in das Erdgasleitungsnetz. Das geruchsbehaftete Schwachgas sollte über zwei Mikrogasturbinen energetisch verwertet werden.
In weiterer Folge kam es beim Betrieb der Bioabfallvergärungsanlage wiederholt zu Geruchsbelästigungen in der Nachbarschaft, die auf die Gasaufbereitung zurückzuführen waren. Dies führte dazu, dass der H GmbH abfallwirtschaftsrechtlich vorgeschrieben wurde, ein Sanierungskonzept für die Bioabfallvergärungsanlage zu erstellen. Das in weiterer Folge von der H GmbH vorgelegte und dann mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 01.07.2016 abfallwirtschaftsrechtlich genehmigte Sanierungskonzept sieht für die Behandlung des Abgases aus der Gasaufbereitung vor, den Abgasstrom direkt in die Verbrennungsluftansaugung des bestehenden BHKWs zu leiten.
3.2. Da die H GmbH nach Einreichung des Sanierungskonzeptes den Abgasstrom weiterhin über einen nicht genehmigten Aktivkohlefilter leitete und die klar deponierte Absicht bestand, diese Betriebsweise bis zur Genehmigung und Umsetzung des Sanierungskonzeptes (Inbetriebnahme der geänderten Abgasbehandlung) fortzuführen, wurde die H GmbH mit Schreiben des Landeshauptmannes vom 27.04.2016, zugestellt am 29.04.2016, gemäß § 62 Abs 2 AWG 2002 aufgefordert, bis zur Genehmigung der geänderten Gasaufbereitung bzw der Abgasbehandlung gemäß Ergänzungsprojekt unverzüglich den derzeitig konsenswidrigen Betrieb der Gasaufbereitung einzustellen und das Biogas über die bestehende, mit Bescheid vom 12.03.2012 genehmigte Verwertungsschiene (Verstromung über das BHKW) zu führen. Widrigenfalls werde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes erforderlichen, geeigneten Maßnahmen verfügt.
Ein lufthygienischer Amtssachverständiger führte im Auftrag der Abfallwirtschaftsbehörde am 29.04.2016 und am 01.05.2016 eine Nachschau durch, welche ergab, dass der Verfahrensanordnung vom 27.04.2016 nicht Folge geleistet wurde.
Daraufhin wurde der H GmbH mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 03.05.2016 gemäß § 62 Abs 2 (iVm § 37 Abs 1) AWG 2002 vorgeschrieben, bis zur Genehmigung und konsensgemäßen Inbetriebnahme der geänderten Gasaufbereitung bzw Abgasbehandlung sofort den konsenswidrigen Betrieb der Gasaufbereitung der Bioabfallvergärungsanlage einzustellen und das Biogas entsprechend dem Bescheid des Landeshauptmannes vom 12.03.2012 (BHKW und Fackel) zu behandeln.
4. Dieser Sachverhalt wird auf Grund der Aktenlage und der vom Landesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung als erwiesen angenommen. Er ist im Übrigen unstrittig.
5. Im angefochtenen Straferkenntnis wird das strafbare, dem Erstbeschwerdeführer als Geschäftsführer angelastete Verhalten nach § 79 Abs 1 Z 17 AWG 2002 darin gesehen, dass die H GmbH der Verfahrensanordnung gemäß § 62 Abs 2 AWG 2002 vom 27.04.2016 nicht Folge geleistet hat. Dazu ist Folgendes auszuführen:
5.1. Nach § 79 Abs 1 Z 17 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, wer den Anordnungen oder Aufträgen gemäß § 62 Abs 2, 2a, 2b, 3, 6, 7, 8, 9 oder 10 nicht nachkommt.
Nach § 62 Abs 2 AWG 2002 hat die Behörde, wenn der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs einer Behandlungsanlage besteht, die gemäß den §§ 37, 52 oder 54 genehmigungspflichtig ist, – unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens – den Inhaber einer Behandlungsanlage zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands innerhalb einer angemessenen Frist aufzufordern. Kommt der Inhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands erforderlichen, geeigneten Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung, zu verfügen.
5.2. Im AWG 2002 sind vielfach Regelungen den ihnen korrespondierenden Bestimmungen der GewO 1994 nachgebildet, weshalb in diesen Fällen auf die Rechtsprechung zur GewO 1994 zurückgegriffen werden kann. Entscheidend für die Heranziehung der Rechtsprechung der GewO 1994 zum Verständnis von Regelungen des AWG 2002 ist die Vergleichbarkeit der Regelungen. Eine Vergleichbarkeit liegt zwischen den Bestimmungen des § 360 Abs 1 GewO 1994 und des § 62 Abs 2 AWG 2002 vor, sodass die zu § 360 Abs 1 GewO 1994 ergangene Judikatur auf § 62 Abs 2 AWG 2002 übertragbar erscheint (VwGH 17.12.2015, 2013/07/0174).
Gemäß § 360 Abs 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs 1 Z 1, 2 oder 3 besteht, unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens den Gewerbeausübenden bzw den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessenen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern; eine solche Aufforderung hat auch dann zu ergehen, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 367 Z 25 besteht und nicht bereits ein einschlägiges Verfahren gemäß § 79c oder § 82 Abs 3 anhängig ist. Kommt der Gewerbeausübende bzw der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes zu verfügen.
Die Aufforderung gemäß § 62 Abs 2 erster Satz AWG 2002 im abfallwirtschaftsrechtlichen Verfahren zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands ist ein Verfahrensschritt, der der Aufforderung gemäß § 360 Abs 1 erster Satz GewO 1994 im betriebsanlagenrechtlichen Verfahren zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands entspricht, auch wenn ausdrücklich nur in der letztgenannten Bestimmung der Begriff der Verfahrensanordnung verwendet wird.
Zur Verfahrensanordnung iS des § 360 Abs 1 erster Satz GewO 1994 hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt:
VwGH 27.07.1993, AW 93/04/0034: Eine nach § 360 Abs 1 GewO ergangene Verfahrensanordnung ist ihrem Wesen nach als nicht weiter sanktionierte Aufforderung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes einem Vollzug nicht zugänglich.
VwGH 21.09.1993, 93/04/0140: Der auf § 360 Abs 1 erster Satz GewO fußenden Verfahrensanordnung kommt schon im Hinblick darauf kein Bescheidcharakter zu, dass nach Ablauf der gesetzten Frist durch Bescheid erst die im Gesetz vorgesehenen vollstreckbaren Maßnahmen zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes anzuordnen sind.
VwGH 24.05.2006, 2006/04/0033: Bei einer Aufforderung nach § 360 Abs 1 erster Satz GewO 1994 handelt es sich um eine - nicht gesondert anfechtbare - Verfahrensanordnung, die nur den Gang des Verfahrens regelt und von der Rechtskraft des die Sache erledigenden Bescheides erfasst wird.
Im Lichte dieser Rechtsprechung ist auch in Bezug auf die Verfahrensanordnung gemäß § 62 Abs 2 erster Satz AWG 2002 davon auszugehen, dass diese eine nicht weiter sanktionierte Aufforderung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands darstellt, ihr kein Bescheidcharakter zukommt und sie nur den Gang des Verfahrens zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands regelt.
Eine Verfahrensanordnung gemäß § 62 Abs 2 erster Satz AWG 2002 ist daher vom Verweis in § 79 Abs 1 Z 17 AWG 2002 auf „Anordnungen oder Aufträge gemäß § 62 Abs 2, 2a, 2b, 3, 6, 7, 8, 9 oder 10“ nicht erfasst. Erst ein Bescheid gemäß § 62 Abs 2 zweiter Satz AWG 2002, der als zweiter Verfahrensschritt einer Verfahrensanordnung nachfolgt, enthält eine verbindliche Verpflichtung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands, weshalb nur eine Zuwiderhandlung gegen einen solchen Bescheid nach § 79 Abs 1 Z 17 AWG 2002 sanktioniert werden kann.
Wenn also die H GmbH der Verfahrensanordnung des Landeshauptmannes gemäß § 62 Abs 2 AWG 2002 vom 27.04.2016 nicht Folge geleistet hat, liegt darin jedenfalls kein strafbares Verhalten iS § 79 Abs 1 Z 17 AWG 2002. Dies ungeachtet der Frage, ob der H GmbH bis zu den Kontrollen am 29.04.2016 und 01.05.2016 eine angemessene Frist zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands zur Verfügung stand.
Somit war der Beschwerde, ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen eingehen zu müssen, Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren aus dem Grunde des § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.
6. Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abfallwirtschaftsgesetz, Verfahrensanordnung, Verstoß, keine StrafbarkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2018:LVwG.1.426.2017.R5Zuletzt aktualisiert am
20.02.2018