Entscheidungsdatum
09.11.2017Norm
GewO 1994 §94Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch den Richter Mag. Gindl über die Beschwerde von AR, vertreten durch Dr. Hermann Kienast, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 24. April 2017, Zl. BNS2-V-16 53439/5, betreffend Bestrafung nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Das Verwaltungsstrafverfahren wird gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG eingestellt.
Die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden (in der Folge: belangte Behörde) vom 24. April 2017, Zl. BNS2-V-16 53439/5, wurde Herrn AR (in der Folge: Beschwerdeführer) Nachstehendes zur Last gelegt:
„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Zeit:
15.07.2016, 11:04 Uhr
Ort:
***. *** - Firmensitz
Tatbeschreibung:
Sie haben durch Überlassung von Arbeitskräften - Herr JM, SV *** wurde der Firma GA überlassen - dieser lenkte in ***, Gelände der ASFINAG einen LKW der Firma "GA" ***, *** mit dem Probekennzeichen "***" - das reglementierte Gewerbe „Überlassung von Arbeitskräften“ gemäß § 94 Z.72 GewO1994, ausgeübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 94 Z. 72, § 366 Abs.1 Z.1 Gewerbeordnung (GewO) 1994
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
Gemäß
€ 500,00
47 Stunden
§ 366 Abs.1 Einführungssatz GewO 1994
Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro
€ 50,00
Gesamtbetrag:
€ 550,00“
Dagegen hat der Beschwerdeführer fristgerecht, vertreten durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter, mit Fax vom 24. Mai 2017 Beschwerde erhoben. In dieser führte er im Wesentlichen aus, dass er am Standort ***, *** ein Handelsunternehmen mit Schwerpunkt LKW-Handel in Form des protokollierten Einzelunternehmens RT e.U. betreibe und Herr JM bei ihm seit Oktober 2015 mit 20 Wochenstunden vollversichert gemeldet sei. Als Dienstnehmer habe dieser die anfallenden Arbeiten zu verrichten, worunter auch das Reinigen von Fahrzeugen, der Austausch von Batterien, Reifen wechseln, Glühbirnen austauschen, kleinere Reparaturen sowie das Bewegen von LKW´s auf dem Firmengelände und das Überstellen der eigenen Fahrzeuge gehöre. Die belangte Behörde habe keinerlei Erhebungen vorgenommen. Hätte sie derartige Erhebungen vorgenommen, wäre sie zum Ergebnis gekommen, dass die Firma des Beschwerdeführers für ihre Mieter diverse Dienstleistungen wie Reifenwechsel, Batterietausch, Austasch von Glühbirnen und Kleinreparaturen, welche im Rahmen des Handelsgewerbes erbracht werden dürfen, erbringe und auch in sehr untergeordnetem Ausmaß die Überstellung von Fahrzeugen für ihre Mieter anbiete, wobei die Überstellungen ausschließlich vom Standort des LKW-Verkäufers zum Betriebsgelände erfolge. Die gelegentlichen Überstellungen für Dritte sei eine Nebentätigkeit gemäß
§ 32 GewO. Selbst wenn man nicht zu dieser Ansicht gelange, so seien im konkreten Fall die Voraussetzungen des § 135 GewO erfüllt, so dass aus diesem Grund das Verfahren einzustellen sei.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat in Entsprechung des § 44 Abs. 1 VwGVG am 10. Oktober 2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser wurden der Beschwerdeführer sowie die Zeugen AM und GA einvernommen. Weiters wurde in die Verfahrensakte, auf deren Verlesung verzichtet wurde, eingesehen.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sieht das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nachstehenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt als erwiesen an:
Am 15.07.2016 hat der Mitarbeiter des Beschwerdeführer – Herr JM – für die Firma „GA“ ein Fahrzeug von *** zu deren Abstellplatz nach ***, *** (ident mit dem Sitz der Einzelfirma des Beschwerdeführers) überstellt.
Herr GA ist seit Oktober 2015 beim Beschwerdeführer Untermieter. Herr GA ist – wie der Beschwerdeführer selbst auch – LKW- und Baumschinenhändler.
Dies ergibt sich aus der Aktenlage und den Angaben des Beschwerdeführers selbst.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:
Gemäß § 50 VwGVG hat das Verwaltungsgericht – sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist – über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden. Es hat den angefochtenen Bescheid dabei – sofern es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet – auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu prüfen.
Auf Grund einer vom Beschuldigten oder bloß zu seinen Gunsten erhobenen Beschwerde darf im Erkenntnis keine höhere Strafe verhängt werden als im angefochtenen Bescheid (§ 42 VwGVG).
Gemäß § 94 Z. 72 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) ist die Überlassung von Arbeitskräften ein reglementiertes Gewerbe.
Gemäß § 135 Abs. 1 GewO bedarf einer Gewerbeberechtigung die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte (Überlassung von Arbeitskräften; § 94 Z 72).
Gemäß § 135 Abs. 2 GewO ist kein reglementiertes Gewerbe gemäß § 94 Z 72
1. die vorübergehende Überlassung von Arbeitskräften an Beschäftiger, welche die gleiche Erwerbstätigkeit wie der Überlasser ausüben, unter der Voraussetzung, dass der Charakter des Betriebes des Überlassers gewahrt bleibt, bis zur Höchstdauer von sechs Monaten im Kalenderjahr, wobei auch die Zeiten nacheinander folgender Überlassungen verschiedener Arbeitskräfte zusammenzuzählen sind;
2. die Überlassung von Arbeitskräften durch Erzeuger, Verkäufer oder Vermieter von technischen Anlagen oder Maschinen, wenn
a) zur Inbetriebnahme, Wartung oder Reparatur von technischen Anlagen oder Maschinen oder
b) zur Einschulung von Arbeitnehmern des Beschäftigers die überlassenen Arbeitskräfte als Fachkräfte erforderlich sind und der Wert der Sachleistung überwiegt;
3. die Überlassung von Arbeitskräften innerhalb einer Arbeitsgemeinschaft oder bei der betrieblichen Zusammenarbeit
a) zur Erfüllung gemeinsam übernommener Aufträge oder
b) zum Zwecke des Erfahrungsaustausches, der Forschung und Entwicklung, der Ausbildung, der Betriebsberatung oder der Überwachung oder
c) in Form einer Kanzlei- oder Praxisgemeinschaft;
4. die Überlassung von Arbeitskräften zwischen Konzernunternehmen innerhalb eines Konzerns im Sinne des § 15 des Aktiengesetzes 1965, BGBl. Nr. 98, und des § 115 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, RGBl. Nr. 58/1906, sofern die Überlassung nicht zum Betriebszweck des überlassenden Unternehmens gehört;
5. die Überlassung von Arbeitskräften bei der Entwicklungshilfe nach dem Entwicklungshilfegesetz, BGBl. Nr. 474/1974.
Eine Überlassung von Arbeitskräften liegt vor, wenn Arbeitskräfte Dritten zur Erbringung von Arbeitsleistungen zur Verfügung gestellt werden. (vgl. Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 94 (Stand: 1.3.2016, rdb.at) – Anm. 482)
Für das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung ist nicht entscheidend, ob und welche Rechtsbeziehungen zwischen dem Beschäftiger (Auftraggeber) und der Arbeitskraft, aber auch zwischen dem Beschäftiger und dem Überlasser bestehen (vgl. VwGH 9. Februar 2017, Ra 2016/02/0179, 27. Juli 2015, Ra 2014/02/0148,
23. Mai 2012, 2009/11/0250).
Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine Arbeitskräfteüberlassung vorliegt oder nicht, ist – unabhängig von der zivilrechtlichen Form, in die das Arbeitsverhältnis gekleidet ist – die Beurteilung sämtlicher für und wider ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis im konkreten Fall sprechender Umstände, die nicht isoliert voneinander gesehen werden dürfen, sondern in einer Gesamtbetrachtung nach Zahl, Stärke und Gewicht zu bewerten sind (vgl. VwGH 9. Februar 2017, Ra 2016/02/0179; 22. Jänner 2002, 2000/09/0147).
In den Fällen einer Arbeitskräfteüberlassung sind die Tatbestandselemente aus dem Verhältnis zum Beschäftiger, die für ein Dienstverhältnis sprechen, auch dem Überlasser als eigentlichem Dienstgeber zuzurechnen (vgl. VwGH 27.07.2015, 2013/08/0108, 1. April 2009, 2006/08/0113, 16. März 2011, 2008/08/0153).
Im gegenständlichen Fall wurde dem Beschwerdeführer die Ausübung des reglementierten Gewerbes der Überlassung von Arbeitskräften im Sinne des
§ 94 Z 72 GewO zur Last gelegt. Dabei wurde in der Tatanlastung eine konkrete Fahrt (Tatzeit von einer Minute, nämlich15.07.2016, 11:04 Uhr) angeführt.
Auf Grund des Ermittlungsverfahrens, insbesondere der Angaben des Beschwerdeführers im Zuge der Verhandlung im Beschwerdeverfahren sowie des Zeugen GA und der GISA-Auszüge einerseits den Beschwerdeführer und andererseits den Zeugen GA betreffend, konnte als erwiesen angesehen werden, dass der Beschwerdeführer und der Zeuge GA die gleiche Erwerbstätigkeit ausüben.
Es lag daher im gegenständlichen Fall – bei Betrachtung der Tatanlastung – ein Fall des § 135 Abs. 2 Z. 1 GewO vor. Es handelte sich dabei um eine vorübergehende Überlassung von Arbeitskräften an einen Beschäftiger, welcher die gleiche Erwerbstätigkeit wie der Überlasser ausübt, ohne dass der Charakter des Betriebes des Überlassers nicht gewahrt gewesen wäre. Für eine nicht nur vorübergehende Überlassung ergibt sich aus der Aktenlage wie auch insbesondere der Tatanlastung kein Anhaltspunkt.
Es war daher gegenständlich spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Nichtzulassung der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG, welcher grundsätzliche Bedeutung zukommt, war gegenständlich nicht zu lösen, sodass eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.
Schlagworte
Gewerbe; Verwaltungsstrafe; Arbeitskräfteüberlassung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2017:LVwG.S.1270.001.2017Zuletzt aktualisiert am
15.02.2018