TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/17 97/09/0221

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Veröffentlicht am 17.05.2000
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §68 Abs1;
KOVG 1957 §34;
KOVG 1957 §36;
KOVG 1957 §4 Abs1;
KOVG 1957 §90;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der A in St. Peter am Kammersberg, vertreten durch Dr. Edmund Thurn, Rechtsanwalt in 8850 Murau, Anna Neumannstraße 22, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Steiermark vom 22. November 1996, ZL. 85/95 OB: 621-053229-007, betreffend Witwenversorgung nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 14. Juni 1979 verstorbene Ehegatte der Beschwerdeführerin, Andreas Baier (geboren 21. Oktober 1907), bezog bis zu seinem Tod eine Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 v.H.

Als Dienstbeschädigung waren - wie einer vom Landesinvalidenamt für Steiermark gegenüber dem Gemeindeamt Winklern bei Oberwölz erteilten schriftlichen Auskunft vom 29. Oktober 1975 betreffend die Versorgungsansprüche des Andreas Baier entnehmbar ist - zuletzt folgende Gesundheitsschädigungen anerkannt:

"1. Muskelatrophie mit Schwäche und Beugungseinschränkung bei der Zeigefingerbeugung und Daumenopposition nach Handgelenksdurchschuss links

2. Narben an der linken Hand, dem linken Oberschenkel, dem linken Gesäß und dem rechten Fußrücken

3. Funktionelle Darmstörungen ohne nachweisbare Schleimhautveränderungen"

Die Beschwerdeführerin stellte am 23. August 1994 an das Bundessozialamt Steiermark den Antrag "auf Zuerkennung der Witwenrente nach dem KOVG". In der diesem Antrag angeschlossenen Sterbeurkunde betreffend Andreas Baier ist als Todesursache "Nierenkarzinom re" angegeben.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. November 1996 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Steiermark vom 18. Juli 1995 keine Folge gegeben und damit die Abweisung des Antrages "auf Witwenversorgung gemäß §§ 34 und 36 KOVG 1957" bestätigt.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde Folgendes aus:

"Wenn auch die seinerzeitigen Versorgungsakten über den Gatten der BW leider in Verlust geraten sind, ist auf Grund der zur Rekonstruktion dieser Akten beschafften Unterlagen gesichert, dass Andreas Baier im Zeitpunkt seines Todes im Jahre 1979 Anspruch auf eine Beschädigtenrente nach einer MdE vom 40 v.H. hatte und folgende Gesundheitsschädigungen (GS) als DB anerkannt waren:

1. Muskelatrophie mit Schwäche und Beugungseinschränkung bei Zeigefingerbeugung und Daumenopposition nach Handgelenksdurchschuss links

2. Narben an der linken Hand, dem linken Oberschenkel, dem linken Gesäß und dem rechten Fußrücken

3. Funktionelle Darmstörungen ohne nachweisbare Schleimhautveränderungen.

Weiters ist erwiesen, dass im Zeitpunkt seines Todes kein Verfahren betreffen Anerkennung weiterer GS als DB und Neubemessung seiner Beschädigtenrente offen war. Damit steht fest, dass alle in der Berufung vorgebrachten Einwendungen, die auch eine nachträgliche Anerkennung weiterer DB oder auf eine andere richtsatzmäßige Einschätzung der anerkannten DB bzw. auf eine höhere Einschätzung der Gesamt-MdE abzielen, ins Leere gehen.

Es steht also zweifelsfrei fest, dass Andreas Baier im Zeitpunkt seines Todes am 14. Juni 1979 nicht Schwerbeschädigter (MdE mindestens 50 v.H.) war, weshalb die mit dem angefochtenen Bescheid angesprochene Abweisung des Anspruches auf Witwenbeihilfe völlig zu Recht erfolgt ist.

Bezüglich des Anspruches auf Witwenrente wird zunächst festgehalten, dass eine Befundbeschreibung über die anerkannte DB wegen der in Verlust geratenen Akten nicht vorhanden ist. Die Schiedskommission nimmt jedenfalls auf Grund der vom Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung ausgeforschten Kriegsgefangenenakten über Andreas Baier als glaubhaft an, dass dieser während des zweijährigen Aufenthaltes in einem Sonderlazarett schwer krank bzw. verwundet war. Dabei hat jedoch auch das damalige Landesinvalidenamt eine Ruhrerkrankung während der russischen Gefangenschaft als glaubhaft angenommen, zumal Darmstörungen, vermutlich als Folge dieser Ruhrerkrankung, bei Andreas Baier als DB anerkannt wurden. Aus dem ermittelten Sachverhalt ist aber ebenfalls zu schließen, dass die gesundheitlichen Folgen der langen Kriegsgefangenschaft nach der Heimkehr beim Gatten der BW nicht mehr sehr schwer wiegend waren, weil die Gesamt-MdE für die Darmstörungen und die Folgen der Schussverletzung an der linken Hand nur mit 40 v.H. eingeschätzt wurde und dieser Einschätzung mit Sicherheit ein ärztliches Sachverständigengutachten zu Grunde lag. Ein weiteres Indiz dafür sieht die Schiedskommission auch darin, dass von der Innung die Nachsicht von der Ablegung der Meisterprüfung im November 1949 unter anderem deshalb nicht erteilt wurde, weil damals bei Andreas Baier vom Landesinvalidenamt keine Versehrtenstufe bestätigt wurde.

Alle diese Erwägungen sind nach Ansicht der Schiedskommission im konkreten Fall aber gar nicht von Bedeutung, da es hier nur um eine entscheidungswesentliche Frage geht, nämlich, ob die bei Andreas Baier durch die Folgen der Kriegsgefangenschaft bewirkte DB also insbesondere die Darmstörungen nach Ruhr, die Ursache für die Entstehung des zum Tode führenden Niederkrebsleidens war. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dieser ursächliche Zusammenhang entsprechend der anzuwendenden Judikatur wahrscheinlich sein muss, das heißt, dass mehr Faktoren für die Ursächlichkeit sprechen müssen, als dagegen. Eine bloße Möglichkeit bzw. die Feststellung, dass sich ein Zusammenhang nicht mit Sicherheit ausschließen lässt, genügt demnach noch nicht, um einen Anspruch auf Witwenrente im Sinne des § 34 KOVG zu begründen.

Unter diesem Blickwinkel stellt die Schiedskommission fest, dass sie die von Chefarzt Dr. Grond in seinen Gutachten vom 19. Oktober 1995, 6. März 1996, 18. April 1996 und 6. August 1996 getroffenen Ausführungen für schlüssig und voll beweiskräftig ansieht. Chefarzt Dr. Grond hat zunächst im Gutachten vom 19. Oktober 1995 festgestellt, dass man den Zusammenhang zwar nicht apriori ablehnen kann, dass aber nie eine Wahrscheinlichkeit zwischen Kriegsfolge und Todesleiden gegeben sein kann. Dies vor allem deshalb, weil - wie im Gutachten vom 6. März 1996 ausgeführt - im Gegensatz zu wenigen anderen Krebsarten gerade beim Nierenkarzinom nach dem derzeitigen medizinischen Wissenstand noch keine gesicherten Ursachen bekannt sind und daher davon ausgegangen werden muss, dass diese Erkrankung schicksalhaft ist. In dem von der Schiedskommission nach Einlagen der Krankengeschichte und der Studie des Univ. Prof. Dr. Birkmayer eingeholten Gutachten vom 18. April 1996 stellt Chefarzt Dr. Grond fest, dass die als Beweismittel vorgelegte Studie des Prof. DDr. Birkmayer nur ganz allgemeine Ausführungen über eine mögliche Schädigung von Zellen, Gewebe und Organen, die durch eine bei schweren Darmfunktionsstörungen vorhandene verminderte Aufnahme von lebenswichtigen Vitaminen und Spurenelementen bewirkt werden kann, enthält. Außerdem werde in dieser Studie auch verschiedene Umweltgifte für eine gestörte Aufnahme dieser Substanzen verantwortlich gemacht. Alle diese Ausführungen sind daher im konkreten Fall kein geeignetes Mittel, um einen Zusammenhang zwischen der anerkannten DB und dem tödlichen Nierenkrebs wahrscheinlich zu machen. Über einen möglichen Zusammenhang könnte man höchstens dann diskutieren, wenn beim verstorbenen Kriegsbeschädigten über viele Jahre vor dem Auftreten der Niederkrebserkrankung ausgeprägte und schwer wiegende Darmstörungen vorhanden gewesen bzw. nachgewiesen wären. Dies lässt sich aber aus der Aktenlage in keiner Weise nachvollziehen, da in der Krankengeschichte vom November 1977 der Appetit als gut und der Stuhl als normal angegeben wurde und auch anamnestisch keinerlei Angaben über langjährige schwere Verdauungsbeschwerden aufscheinen. Nach den anamnestischen Angaben ist es erst ca. ein halbes Jahr vor der stationären Aufnahme zu einem merkbaren Krankheitsgefühl gekommen und schließlich zu den für die Krebserkrankung typischen Symptomen. Hätten also bei Andreas Baier schon seit der Heimkehr aus Russland ständige schwere Verdauungsstörungen bestanden, hätte er sich wohl schon früher in ärztliche bzw. stationäre Behandlung begeben müssen. Ein wahrscheinlicher Zusammenhang, wie ihn das Gesetz fordert, lässt sich daher durch die vorgelegten Beweismittel nicht begründen und würde auch dann nicht anzunehmen sein, wenn tatsächlich schwere Darmstörungen nachgewiesen werden könnten, weil auch dann ein Zusammenhang nur im Bereiche der Möglichkeit liegen würde.

Zu den dazu im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwendungen, nämlich, dass die Ausführungen des Prof. DDr. Birkmayer nicht allgemein gehalten seien, sondern auf die Person ihres Gatten Bezug genommen worden sei und dass ihr Gatte seinen Beruf fernab von jeglicher Industrie im ländlichen Raum ausgeübt hätte und daher sein Tod nicht mit Umweltgiften in Zusammenhang gebracht werden könnte, muss festgestellt werden, dass diese Einwendungen an der Sache selbst vorbeigehen. Die Studie des Univ. Prof. DDr. Birkmayer bezieht sich nämlich keineswegs auf irgendwelche gesicherten Befundunterlagen betreffend den Fall Andreas Baier und Chefarzt Dr. Grond hat in seinem Gutachten in keiner Weise behauptet, dass schädliche Umwelteinflüsse den Nierenkrebs ausgelöst haben. Auch dem Einwand, dass die anamnestischen Angaben in der Krankengeschichte durch psychisch bedingte Angstgefühle infolge der Krankheit zustandegekommen sein können und dass der Gatte der BW - wie aus der Krankengeschichte hervorgeht - im Jahre 1977 unter Herzschwäche, Kreuzschmerzen, Übelkeit, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust gelitten hätte, kann keine Bedeutung zugemessen werden. in seiner abschließenden Stellungnahme vom 6. August 1996 hat Chefarzt Dr. Grond zunächst festgestellt, dass es sich bei den angegebenen Beschwerden um die typischen Krebssymptome handelt. Über die Ursache für die Entstehung verschiedener Krebsarten gibt es nämlich die verschiedensten Theorien. Es ist aber eine Tatsache, dass Menschen aus scheinbar vollster Gesundheit heraus an Krebs erkranken. Im konkreten Fall muss daher mangels einer medizinisch gesicherten Ursache für die Entstehung eines Nierenkrebsleidens angenommen werden, dass das Leiden schicksalhaft aufgetreten ist und jedenfalls ein ursächlicher Zusammenhang mit der anerkannten DB bzw. den Folgen der russischen Gefangenschaft nicht mit Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Im Übrigen ist noch festzuhalten, dass die vorgelegte Studie des Univ. Prof. DDr. Birkmayer auch nie von einer wahrscheinlichen Auslösung von Nierenkrebs durch Darmstörungen spricht.

Da somit nach Ansicht der Schiedskommission durch die vorliegenden für schlüssig befundenen Ausführungen von Chefarzt Dr. Grond erwiesen ist, dass der Gatte der BW nicht an den unmittelbaren oder mittelbaren Folgen einer DB verstorben ist, sieht die Schiedskommission leider keine Möglichkeit, der Berufung Folge zu geben, weshalb wie eingangs zu entscheiden war."

Gegen diesen Bescheid richtete sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtete sich durch den angefochtenen Bescheid nach ihrem gesamten Beschwerdevorbringen in dem Recht auf Gewährung einer Witwenrente nach dem KOVG 1957 verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten über das mit der Beschwerdeführerin (betreffend Witwenversorgung nach dem KOVG 1957) geführte Verwaltungsverfahren vor und erstatte eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 34 KOVG 1957 (zuletzt geändert mit Novelle BGBl. Nr. 549/1981) regelt die "Hinterbliebenenrente". Ist der Tod die unmittelbare oder mittelbare Folge einer Dienstbeschädigung, so wird nach dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle Hinterbliebenenrente (Witwenrente, Witwerrente, Waisenrente, Elternrente) gewährt. Der Tod gilt nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle stets als Folge einer Dienstbeschädigung, wenn ein Beschädigter an einem Leiden stirbt, das als Dienstbeschädigung anerkannt war und für das er bis zum Tod Anspruch auf Beschädigtenrente hatte.

Gemäß 36 Abs. 1 KOVG 1957 ist Witwen (Witwern) nach Schwerbeschädigten, die bis zum Tod Anspruch auf eine Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 60 v.H. oder auf eine Pflegezulage hatten, der Anspruch auf Witwen(Witwer)rente auch dann gewahrt, wenn der Tod nicht die Folge einer Dienstbeschädigung war.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin an einem Nierenkrebsleiden (Nierenkarzinom re) gestorben ist, und dass Andreas Baier bis zu seinem Tod keinen bescheidmäßig anerkannten Anspruch auf Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 60 v.H. oder auf eine Pflegezulage hatte. Dass das Nierenkrebsleiden, an dem Andreas Baier verstarb, als Dienstbeschädigung bescheidmäßig anerkannt war, behauptet die Beschwerdeführerin nicht. Solcherart liegen die Voraussetzungen einer Gewährung der Witwenrente entsprechend der unwiderleglichen Rechtsvermutung des § 34 zweiter Satz KOVG 1957 im Beschwerdefall jedenfalls nicht vor.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 36 KOVG 1957 dargetan hat, ist in dessen Anwendungsbereich nicht nur der Anspruch des verstorbenen Beschädigten aus einem bereits erlassenen Bescheid, sondern auch der Anspruch aus dem Gesetz zu beachten. Soweit in diesem Sinn unmittelbar auf das Gesetz zurückzugreifen ist, kann der für die Schwerbeschädigteneigenschaft oder für den gesetzlichen Anspruch auf Beschädigtenrente für Erwerbsunfähige oder auf Pflegezulage maßgeblichen Frage, ob eine Gesundheitsschädigung ursächlich im Sinne des § 4 Abs. 1 KOVG 1957 auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse zurückzuführen, ob also Kausalität tatsächlich anzunehmen ist, noch im Verfahren auf Gewährung der Witwenrente (oder des Sterbegeldes) Bedeutung zukommen. Den Rückgriff auf den aus dem Gesetz unmittelbar entspringenden abstrakten Anspruch macht indes ein rechtskräftiger Bescheid unmöglich, der den abstrakten Anspruch bereits konkretisiert hat. Liegt ein solcher Bescheid vor, mit dem über Ansprüche des unmittelbaren Kriegsopfers bereits abgesprochen ist, so sind dessen rechtserhebliche Ergebnisse auch dem Bescheid zu Grunde zu legen, mit dem im Rahmen des § 36 Abs. 1 KOVG 1957 über den Anspruch auf Witwenrente entschieden wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. November 1975, Slg. NF Nr. 8929/A, und die dort angegebene Judikatur).

Im Beschwerdefall wird (auch wenn die Versorgungsakten betreffend Andreas Baier nicht mehr vorliegen) von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen, dass der Anspruch ihres verstorbenen Ehegatten auf den Bezug einer Beschädigtenrente nach dem KOVG 1957 mit rechtskräftigen Bescheiden dahingehend konkretisiert wurde, dass Andreas Baier bis zu seinem Tod jedenfalls keine Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 60 v.H. (und auch keine Pflegezulage) zuerkannt wurde. Ausgehend von diesem rechtserheblichem Ergebnis der zuerkannten Versorgung des verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin ist im vorliegenden Verfahren betreffend Witwenversorgung demnach zu Grunde zu legen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Begünstigung für Witwen nach Schwerbeschädigten im Sinn des § 36 Abs. 1 KOVG 1957 nicht vorliegen.

Demnach wird der Beschwerdeführerin Witwenrente nach dem KOVG 1957 aber nur gewährt, wenn der Tod ihres Ehegatten im Sinn des § 34 Abs. 1 erster Satz leg. cit. die unmittelbare oder mittelbare Folge einer Dienstbeschädigung ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Ansprüchen aus der Kriegsopferversorgung die so genannte Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung anzuwenden. Danach ist als Ursache der eingetretenen Wirkung die Gesamtheit derjenigen Bedingungen zu werten, die an dem Erfolg wesentlich mitgewirkt haben. Wirken mehrere Bedingungen für einen Erfolg zusammen, kann nur jene Bedingung als wesentlich gewertet werden, die in ihrer Wirkung den anderen Bedingungen nach Bedeutung und Tragweite annähernd gleichwertig ist. Die Wahrscheinlichkeitsurteile nach § 4 Abs. 1 KOVG 1957 sind auch bei Prüfung von Ansprüchen nach § 34 leg. cit. zulässig. Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Während der ursächliche Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit dem schädigenden Vorgang nur wahrscheinlich zu sein braucht, müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen (schädigender Vorgang, gesundheitliche Schädigung) selbst bewiesen werden, das heißt, es muss einen so hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass darauf die Überzeugung von der Wahrheit und nicht der bloßen Wahrscheinlichkeit gegründet werden kann. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht auf ihrer Richtigkeit, sondern nur auf ihrer Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder die Unmöglichkeit, entscheidungsrelevante Tatsachen festzustellen, sind - auch bei amtswegiger Ermittlungspflicht - von dem zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (vgl. in dieser Hinsicht das hg. Erkenntnis vom 15. März 2000, Zl. 97/09/0315, und die darin angegebene Judikatur).

Insoweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides vom 18. Juli 1995 als mangelhaft rügt, zeigt sie damit keine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen angefochtenen Bescheides auf.

Das Beschwerdevorbringen, mit dem die Beschwerdeführerin eine Anerkennung von Gesundheitsschädigungen ihres verstorbenen Ehegatten als Dienstbeschädigungen oder eine Neubemessung seiner bis zum Tod bezogenen Beschädigtenrente verfolgt, geht insoweit ins Leere, als damit nicht dargetan wird, inwieweit diese ins Treffen geführten Gesundheitsstörungen mit dem Tod bzw. dem letalen Nierenkrebsleiden des Andreas Baier in ursächlichem Zusammenhang stehen. Dass bei Andreas Baier durch eine Ruhrerkrankung bzw. derart verursachte "Giftentwicklung" eine Schädigung des Nervensystems bestanden habe, und es zu einer Herabsetzung seiner Merkfähigkeit gekommen sei, die ihn an der Ablegung der Meisterprüfung hinderte, vermag nicht hinreichend zu erklären, in welchem ursächlichen Zusammenhang diese Gesundheitsstörungen mit dem letalen Nierenkrebsleiden stehen bzw. aus welchen Grund ein solcher Zusammenhang als wenigstens wahrscheinlich angenommen werden müsste. Dem von der belangten Behörde im Berufungsverfahren eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten Dris. Grond ist vielmehr schlüssig zu entnehmen, dass die von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Gesundheitsstörungen nach geltender ärztlicher-wissenschaftlicher Lehrmeinung nicht als wahrscheinliche Ursachen für die Entstehung eines Nierenkrebsleidens anzusehen sind. Der genannte Sachverständige hat sich mit allen von der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs vorgebrachten Argumenten und beigebrachten Befunden ausführlich und nachvollziehbar auseinander gesetzt. Der im Berufungsverfahren der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebrachten Äußerung des Sachverständigen Dr. Grond vom 6. August 1996, wonach aus das Studie von Prof. Birkmayer keine wahrscheinliche Auslösung von Nierenkrebs durch Darmstörungen abzuleiten sei, ist die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht entgegen getreten. Auch in ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdeführerin in dieser Hinsicht lediglich behauptet, sie habe "auf Grund der eindrucksvollen gutachterlichen Ausführungen des Prof. DDr. Birkmayer den Nachweis erbringen können, dass ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen den schweren Darmstörungen und dem Tod des Andreas Baier bestünde". Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht als unschlüssig zu erweisen. Die von der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren beigebrachten "gutachterlichen Ausführungen des Prof. DDr. Birkmayer" vom 29. Februar 1996 enthalten darüber, wodurch Nierenkrebs (im allgemeinen, noch viel weniger jener des Andreas Baier) ausgelöst wird, keine Aussage, sondern sind eine schriftliche Beantwortung folgender an Prof. Birkmayer gerichteter Fragen:

"1. Können Darmerkrankungen die Aktivierungen der Vitamine und deren Aufnahme behindern? 2. Welche Bedeutung haben Darmfunktionsstörungen bei der Bildung von Giften und sind diese im Stand, Nierenfunktionsgewebe zu schädigen? 3. Welche Auswirkungen haben die mit einer Darmfunktionsstörung einhergehenden anemischen Zustandsbilder?"

Dass Andreas Baier nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft arbeitsunfähig und in einem körperlich äußerst schlechten Zustand gewesen sei, bzw. dass wegen seines körperlichen Allgemeinzustandes und des als unverhältnismäßig eingestuften Risikos im Jahr 1977 (sohin zwei Jahr vor seinem Tod) von einer Operation Abstand genommen worden sei, vermag die Entstehung des letalen Nierenkrebsleidens nicht nachvollziehbar zu erklären. Mit diesem Beschwerdevorbringen vermag die Beschwerdeführerin diese Gesundheitsschädigungen nicht als eine wahrscheinliche Ursache für den Tod ihres Ehegatten darzustellen.

Die Beschwerdeführerin hat somit nicht hinreichend die Wahrscheinlichkeit dargetan, dass der Tod ihres Ehegatten Andreas Baier unmittelbare oder mittelbare Folge einer - anerkannten, bisher nicht festgestellten oder ehemals anerkannten aber nicht mehr aufscheinenden - Dienstbeschädigung gewesen sei (vgl. in dieser Hinsicht auch das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1971, Slg. NF Nr. 7968/A).

Wenn die belangte Behörde ihrer Entscheidung in freier Beweiswürdigung das im Berufungsverfahren eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten Dris. Grond zu Grunde gelegt hat, ist dies im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof in dieser Hinsicht zustehenden nachprüfenden Kontrolle und auch vor dem Hintergrund der Beschwerdeausführungen nicht als unschlüssig zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Mai 2000

Schlagworte

Sachverhalt Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997090221.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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