TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/17 99/09/0120

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Veröffentlicht am 17.05.2000
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3R E05204020;
E6J;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
59/04 EU - EWR;
67 Versorgungsrecht;

Norm

11997E234 EG Art234;
31971R1408 WanderarbeitnehmerV Art4 Abs4;
61978CJ0009 Gillard VORAB;
61978CJ0207 Even VORAB;
EURallg;
KOVG 1957 §3 Abs1;
KOVG 1957 §34;
KOVG 1957 §36;
VwGG §38a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der M in D-84359 Simbach/Inn, vertreten durch Mag. Gerald Hamminger, Rechtsanwalt in 5280 Braunau, Industriezeile 54, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen in Wien vom 25. März 1999, Zl. OB. 123-288763-008, betreffend Witwenversorgung nach dem KOVG 1957, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 25. Juli 1998 verstorbene Ehegatte der Beschwerdeführerin hatte wegen der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 70 Prozent eine Rente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) bezogen. Mit Eingabe vom 13. August 1998 stellte die Beschwerdeführerin, eine deutsche Staatsbürgerin, den Antrag auf Kriegsopferversorgung für Witwen.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen in Wien vom 25. März 1999 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen und dies damit begründet, dass gemäß § 3 Abs. 1 KOVG 1957 nur österreichische Staatsbürger versorgungsberechtigt seien.

Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil ihr nach den Vorschriften der §§ 35 und 36 KOVG 1957 grundsätzlich eine Witwenrente zustünde. Dem stehe auch § 3 Abs. 1 KOVG 1957 nicht entgegen, weil diese Vorschrift im Widerspruch zu den Vorschriften der Verordnung des Rates der Europäischen Gemeinschaften Nr. 1408/71 stehe, auch Staatsbürger der Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. deren Familienangehörige hätten daher Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente im Sinne der §§ 34 ff KOVG 1957. Die Beschwerdeführerin beantragte aus diesem Grund die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete einen als "Gegenschrift" bezeichneten Schriftsatz, und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152 in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung, lauten:

"§ 3. (1) Versorgungsberechtigt sind nur österreichische Staatsbürger.

...

§ 34. Ist der Tod die unmittelbare oder mittelbare Folge einer Dienstbeschädigung, so wird Hinterbliebenenrente (Witwenrente, Witwerrente, Waisenrente, Elternrente) gewährt. Der Tod gilt stets als Folge einer Dienstbeschädigung, wenn ein Beschädigter an einem Leiden stirbt, das als Dienstbeschädigung anerkannt war und für das er bis zum Tod Anspruch auf Beschädigtenrente hatte.

...

§ 36. (1) Witwen (Witwern) nach Schwerbeschädigten, die bis zum Tod Anspruch auf eine Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 60 v. H. oder auf eine Pflegezulage hatten, ist der Anspruch auf Witwen(Witwer)rente auch dann gewahrt, wenn der Tod nicht die Folge einer Dienstbeschädigung war.

..."

Bei Beziehern einer Hinterbliebenenrente im Sinn der §§ 34 und 36 KOVG 1957 handelt es sich um Versorgungsberechtigte gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. Eine Witwenrente steht daher nur österreichischen Staatsbürgern zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1986, Zl. 86/09/0107).

Die Art. 2 bis 4 der Verordnung des Rates Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der Fassung der Verordnung des Rates vom 29. Juni 1998, zur Änderung der genannten Verordnung haben folgenden Wortlaut:

"Artikel 2 Persönlicher Geltungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.

(2) Diese Verordnung gilt ferner für Hinterbliebene von Arbeitnehmern oder Selbständigen, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten galten, und zwar ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit dieser Arbeitnehmer oder Selbständigen, wenn die Hinterbliebenen Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen.

Artikel 3 Gleichbehandlung

(1) Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten auf Grund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.

(2) Absatz 1 gilt auch für das aktive Wahlrecht bei der Wahl der Mitglieder der Organe der Träger der sozialen Sicherheit und für das Recht, sich an ihrer Benennung zu beteiligen; die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wählbarkeit und die Art der Benennung der genannten Personen für diese Organe werden jedoch davon nicht berührt.

(3) Der Geltungsbereich der Abkommen über soziale Sicherheit, die auf Grund von Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe c) weiterhin anwendbar sind, sowie der Abkommen, die auf Grund von Artikel 8 Absatz 1 abgeschlossen werden, wird auf alle von dieser Verordnung erfassten Personen erstreckt, soweit Anhang III nichts anderes bestimmt.

Artikel 4 Sachlicher Geltungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen:

a)

Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft,

b)

Leistungen bei Invalidität einschließlich der Leistungen, die zur Erhaltung oder Besserung der Erwerbsfähigkeit bestimmt sind,

c)

Leistungen bei Alter,

d)

Leistungen an Hinterbliebene,

e)

Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten,

f)

Sterbegeld,

g)

Leistungen bei Arbeitslosigkeit,

h)

Familienleistungen.

(2) Diese Verordnung gilt für die allgemeinen und die besonderen, die auf Beiträgen beruhenden und die beitragsfreien Systeme der sozialen Sicherheit sowie für die Systeme, nach denen die Arbeitgeber, einschließlich der Reeder, zu Leistungen gemäß Absatz 1 verpflichtet sind.

(2a) Diese Verordnung gilt auch für beitragsunabhängige Sonderleistungen, die unter andere als die in Absatz 1 erfassten oder die nach Absatz 4 ausgeschlossenen Rechtsvorschriften oder Systeme fallen, sofern sie

a) entweder in Versicherungsfällen, die den in Absatz 1 Buchstaben a) bis h) aufgeführten Zweigen entsprechen, ersatzweise, ergänzend oder zusätzlich gewährt werden

b) oder allein zum besonderen Schutz der Behinderten bestimmt sind.

(2b) Diese Verordnung gilt nicht für die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats betreffend die in Anhang II Teil III genannten beitragsunabhängigen Sonderleistungen, deren Geltung auf einen Teil des Gebietes dieses Mitgliedstaats beschränkt ist.

(3) Titel III berührt jedoch nicht die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Verpflichtungen eines Reeders.

(4) Diese Verordnung ist weder auf die Sozialhilfe noch auf Leistungssysteme für Opfer des Krieges und seiner Folgen anzuwenden."

Art. 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung des Rates vom 15. Oktober 1968, Nr. 1612/68, lautet:

"Artikel 7

(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer."

Die Beschwerdeführerin beruft sich auf den in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 normierten Gleichbehandlungsgrundsatz und meint, sie dürfe hinsichtlich der Zuerkennung einer Witwenrente nach dem KOVG 1957 nicht ungünstiger behandelt werden, als eine österreichische Staatsbürgerin. Hiebei übersieht die Beschwerdeführerin jedoch, dass es sich bei Leistungen nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 um eine Versorgung wegen der bei Ableistung von militärischen Diensten erlittenen Gesundheitsschädigung handelt (§ 1 Abs. 1 KOVG 1957). Der Anspruch auf eine Witwenrente ist davon abhängig, dass der Tod die unmittelbare oder mittelbare Folge einer Dienstbeschädigung ist (§ 34 KOVG 1957), bloß im Fall des Todes eines Schwerbeschädigten im Ausmaß von mindestens 60 Prozent Minderung der Erwerbsfähigkeit muss diese Voraussetzung nicht erfüllt sein. In jedem Fall ist der Anspruch auf Witwenrente aber ein vom Anspruch des verstorbenen Versorgungsberechtigten abgeleiteter Anspruch.

Bei der von der Beschwerdeführerin begehrten Witwenrente handelt es sich somit um eine Leistung aus einem Leistungssystem für Opfer des Krieges und seiner Folgen im Sinn des Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1408/71, auf welche nach dieser Bestimmung die genannte Verordnung nicht anzuwenden ist (vgl. zur Ausnahme von derartigen Leistungen aus dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 die Urteile des Europäischen Gerichtshofes vom 6. Juli 1978 in der Rechtssache Gillard Nr. 9-78, Slg. 1978, S. 1661 ff, und vom 31. Mai 1979 in der Rechtssache Even Nr. 207-78, Slg. 1979, S. 2019 ff).

Der belangten Behörde ist daher kein Vorwurf zu machen, wenn sie dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung einer Witwenrente die Nichterfüllung des Erfordernisses der österreichischen Staatsbürgerschaft im Grund des § 3 Abs. 1 KOVG 1957 entgegenhielt.

Im vorliegenden Fall ist auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin aus dem Grund der Verordnung des Rates Nr. 1612/68 einen Anspruch auf Witwenrente nach dem KOVG 1957 geltend machen könnte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei mangels Zweifels zur Beantwortung der gemeinschaftsrechtlichen Fragen die Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 Abs. 3 EG nicht erforderlich war.

Ob der Beschwerdeführerin allenfalls ein Anspruch auf Härteausgleich gemäß § 76 KOVG 1957 zustünde, war im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Mai 2000

Gerichtsentscheidung

EuGH 61978J0009 Gillard VORAB;
EuGH 61978J0207 Even VORAB;

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999090120.X00

Im RIS seit

09.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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