TE Bvwg Beschluss 2018/2/12 W117 2108678-1

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Veröffentlicht am 12.02.2018
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Entscheidungsdatum

12.02.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W117 2108678-1/9E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Mongolei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2015, Zl. 602767610/150157930, zu Recht beschlossen:

I. In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

II. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Mongolei, reiste am 19.11.2002 legal mit einem für die Zeit vom 19.11.2012 bis 18.03.2013 gültigen Visum der ÖB in Peking ins Bundesgebiet ein und verblieb danach - zunächst mit einem von XXXX erteilten Aufenthaltstitel als Studierender - weiter im Bundesgebiet. Am 10.02.2015 stellte er unter Vorlage seines mongolischen Reisepasses einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Zuge seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 10.02.2015 machte der Beschwerdeführer als Fluchtgrund geltend, dass ihm in der Mongolei vorgeworfen werde, bei einer Versammlung am 01.07.2008 anwesend gewesen zu sein, wobei er sich aber nur in der Nähe aufgehalten habe. Er werde von ihm nicht persönlich bekannten Leuten unter Druck gesetzt, da diese herausfinden wollten, für wen er gearbeitet hätte. Weiters brachte er vor, seit dem Wintersemester 2014 kein Geld mehr gehabt zu haben. Seine namentlich genannte jüngere Schwester sei ebenfalls in Wien wohnhaft, näheres wisse er jedoch nicht. Sein Vater sei 1995 verstorben, seine Mutter lebe noch in der Mongolei in Ulanbator.

Am 20.05.2015 erstattete der Vertreter des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme zu den ihm anlässlich seiner Einvernahme beim Bundesamt am 06.05.2015 zur Kenntnis gebrachten Länderfeststellungen, worin ua. bemängelt wurde, dass keine Feststellungen zu den Ausschreitungen anlässlich einer Demonstration am 01.07.2008 enthalten gewesen seien. Aus weiters zitierten Quellen ergebe sich, dass der Beschwerdeführer infolge seiner unbeabsichtigten Teilnahme an der Demonstration am 01.07.2008 der realen Gefahr von Folter und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt sei, wie es auch vor seiner Flucht der Fall gewesen sei. Aus dem Datum der angegebenen Quellen werde deutlich, dass die 2009 offiziell erlassene Amnestie in der Praxis nicht vor Gewalt durch staatliche Organe schütze.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 29.05.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hinsichtlich Asyl (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 ABs.1 AsylG 2005 hinsichtlich subsidiären Schutz (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Mongolei zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.). In der Begründung dieser Entscheidung finden sich zu den behaupteten Vorfällen am 01.07.2008 im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers keine Länderfeststellungen.

In der von seinem Vertreter dagegen eingebrachten vollumfänglichen Beschwerde führte dieser im Wesentlichen aus, dass die Behörde im vorliegenden Fall nur sehr oberflächliche und allgemein gehaltene Länderfeststellungen zur Beurteilung des Sachverhaltes herangezogen habe. Gerade zu den relevanten Themenkomplexen des Umgangs der Sicherheitsbehörden mit Demonstranten oder der Vorfälle im Rahmen und nach der Demonstration im Juli 2008 lasse sich aus dem angefochtenen Bescheid nichts entnehmen. Auf Grund der allgemein gehaltenen Länderfeststellungen lasse sich nicht objektiv überprüfen, ob die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse im Zusammenhang mit der Demonstration sowie der daraufhin offensichtlich außerhalb eines gesetzlichen Rahmens erfolgten Verfolgung als plausibel erachtet werden könnten. Ferner sei der Stellungnahme vom 20.05.2015, womit Informationen zum Vorgehen von Sicherheitsbehörden in der Mongolei vorgelegt wurden, keine Beachtung geschenkt worden. Es seien keine erkennbaren Ermittlungen zu dieser Demonstration im Juli 2008 durchgeführt worden. Aber auch zum Argument der Behörde in der Beweiswürdigung, dass der Beschwerdeführer keinen Reisepass ausgestellt bekommen hätte, wenn er tatsächlich in der Mongolei verfolgt worden wäre, fänden sich keine konkreten und aktuellen Länderfeststellungen zu Fragen nach Behördenvernetzungen, Formen legaler und illegaler Verfolgung seitens staatlicher Behörden oder Ausstellungsmöglichkeiten von Reisedokumenten und etwaigen Schwierigkeiten dabei im angefochtenen Bescheid. Im Zweifel über das behauptete Zustandekommen seiner behaupteten Verletzungen werde eine Untersuchung durch einen gerichtsmedizinischen Sachverständigen beantragt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Entscheidungsgrundlage:

* gegenständliche Aktenlage.

Würdigung der Entscheidungsgrundlage:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich unzweifelhaft aus der Aktenlage.

Hervorzuheben ist, dass die gegenständliche Fallproblematik in den zur Gänze fehlenden Länderfeststellungen zur Demonstration am 01.07.2008 im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, zu allfälligen illegalen Übergriffen von Organen der Sicherheitsbehörden sowie zu den in der Beschwerde genannten Modalitäten betreffend die Ausstellung eines Reisepasses und der mangelhaften, bloß ansatzweise erfolgten Ermittlung zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers, insbesondere dazu, ob er eine Beschwerde gegen die Übergriffe der Organe der Sicherheitsbehörden erhoben hat, weiters in der gänzlich fehlenden Einvernahme seiner allenfalls noch in Österreich aufhältigen Schwester insbesondere zu seinen Fluchtgründen sowie zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG -insbesondere zur Dauer seines legalen Aufenthalts im Bundesgebiet -zu erblicken ist.

Rechtliche Beurteilung:

Mit 01.01.2014 sind das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl-Verfahrensgesetz (BFA-VG) und das Fremdenpolizeigesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012 in Kraft getreten.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht im Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 11 VwGVG sind, soweit in diesem und im vorangehenden Abschnitt nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren nach diesem Abschnitt jene Verfahrensvorschriften anzuwenden, die die Behörde in einem Verfahren anzuwenden hat, das der Beschwerde beim Verwaltungsgericht vorangeht.

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 idgF ist das AsylG 2005 am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG 2005 enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des FPG idgF samt jenen Normen, auf welche das FPG verweist, anzuwenden.

Zu Spruchpunkt I.:

Die für den gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§28 Abs. 2 VwGVG:

Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Nach der aktuellen Judikatur zu §28 Abs. 3 VwGVG (vgl. VwGH 2014/03/00634 vom 26.06.2014) "wird daher eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommen,

wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,

wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt

oder bloß ansatzweise ermittelt hat.

Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden."

Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG im gegenständlichen Fall:

In Bezug auf Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist anzumerken, dass die Entscheidung gemäß § 3 AsylG 2005 eine Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers erfordert, wofür im vorliegenden Fall Länderfeststellungen zur Demonstration am 01.07.2008 im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, solche zu allfälligen illegalen Übergriffen von Organen der Sicherheitsbehörden sowie zu den in der Beschwerde genannten Modalitäten betreffend die Ausstellung eines Reisepasses notwendig sind. Außerdem erscheint zu seinen Fluchtgründen auch die Einvernahme seiner allenfalls noch in Österreich aufhältigen jüngeren Schwester sowie die neuerliche Einvernahme des Beschwerdeführers selbst– insbesondere dazu, ob er wegen der behaupteten Übergriffe durch Organe der Sicherheitsbehörden eine Beschwerde erhoben hat - erforderlich.

Ferner ist auch in Bezug auf eine allenfalls zu erlassende Rückkehrentscheidung die Einvernahme seiner allenfalls noch im Bundesgebiet aufhältigen Schwester zu seinem Privat- und Familienleben vorzunehmen, die Dauer des legalen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich zu ermitteln sowie der Beschwerdeführer eingehend zu seinem Privat- und Familienleben zu befragen.

Sohin wurde der Sachverhalt bezüglich des genannten Spruchpunktes I. ungenügend erhoben, was den Bescheid der Verwaltungsbehörde insofern mit einem Mangel im Sinne obiger Judikatur – argum "bloß ansatzweise ermittelt" - gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG belastet.

Außerdem wird sich die Behörde im fortzusetzenden Verfahren durch die Einvernahme des Beschwerdeführers einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer zur abschließenden Beurteilung seine Fluchtvorbringens zu verschaffen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Länderfeststellungen zu geben haben.

Es wird

* die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wie ausgeführt näher zu ermitteln und festzustellen sowie

* eine allfällige Verfolgung oder Gefährdung iSv § 50 Abs. 1 bis 3 FPG oder ein allfälliger Behandlungsbedarf des Beschwerdeführers aktuell zu erheben sowie ebenfalls vor dem Hintergrund bezughabender Länderfeststellungen zu beurteilen sein.

Danach und nach Vorhalt aktueller Länderfeststellungen insbesondere auch zur Situation von Rückkehrern hat die Verwaltungsbehörde eine neuerliche Entscheidung zu treffen.

Von der in § 28 VwGVG eingeräumten Möglichkeit, die unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, war im vorliegenden Fall schon deshalb nicht Gebrauch zu machen, weil das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sich als Mehrparteienverfahren darstellt, so dass schon aufgrund der dadurch bedingten Erhöhung des administrativ - manipulativen Aufwandes bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Ladung mehrerer Parteien keine Kostenersparnis zu erzielen wäre.

Außerdem erführe das Verfahren durch eine Entscheidung durch das Verwaltungsgericht insofern keine Beschleunigung, als das Bundesverwaltungsgericht nicht mehr als asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde anzusehen ist und die Verwaltungsbehörde durch die bei ihr eingerichtete Staatendokumentation wesentlich rascher und effizienter notwendige Ermittlungen nachholen kann.

Aufgrund der Mangelhaftigkeit der Ermittlungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich unabhängig vom Vorbringen des Beschwerdeführers aus dieser Situation eine andere Beurteilung gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm § 55 AsylG 2005 ergibt.

Die Behebung hat sich daher schon auf Spruchpunkt I. zu beziehen, wobei wie bereits angeführt, von einer groben Mangelhaftigkeit der Ermittlungen auszugehen ist. Die Behebung von Spruchpunkt II. hat wiederum rechtslogisch die Behebung von Spruchpunkt III. zur Folge.

Zu Spruchpunkt II.:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig:

Die gegenständlich behebende Entscheidung erfolgte vor dem Hintergrund der eindeutigen (aktuellen) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 VwGVG. Diesbezüglich warf der gegenständliche Fall keine Rechtsfragen auf.

Schlagworte

aktuelle Länderfeststellungen, Behebung der Entscheidung,
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W117.2108678.1.00

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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