Entscheidungsdatum
13.02.2018Norm
BFA-VG §22a Abs1 Z3Spruch
W250 2182644-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG stattgegeben, der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2018, Zl. XXXX, sowie die Anhaltung in Schubhaft von 09.01.2018 bis 17.01.2018 für rechtswidrig erklärt.
II. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV hat der Bund dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III. Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.
IV. Der Antrag auf Ersatz der Eingabegebühr wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 23.07.2016 nach schlepperunterstützter illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.07.2016 gab der BF an, dass er zwar über einen gültigen Reisepass verfügt habe, dass ihm dieser jedoch vom Schlepper abgenommen worden sei. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 06.09.2016 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Indien zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.11.2016 abgewiesen, welches am 06.12.2016 dem Bundesamt und am 09.12.2016 dem Rechtsvertreter des BF zugestellt worden ist.
2. Das Bundesamt hat am 26.06.2017 gemäß § 34 Abs. 2 Z. 2 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG einen Festnahmeauftrag erlassen, da der BF unbekannten Aufenthalts war.
3. Am 28.11.2017 stellte der BF einen Antrag auf Kostenübernahme im Rahmen der freiwilligen Rückkehr. In diesem Antrag gab er seine Wohnadresse bekannt. Der Kostenübernahme wurde mit Schreiben des Bundesamtes vom 05.12.2017 zugestimmt.
4. Am 04.01.2018 erstattete der BF bei der Polizeiinspektion Wien-Westbahnhof Anzeige darüber, dass ihm seine Aufenthaltsberechtigungskarte gestohlen worden sei. Am 05.01.2018 richtete jene Organisation, die den BF bei der freiwilligen Rückkehr unterstützte, ein Schreiben an das Bundesamt, mit dem Ersuchen, dem BF eine Aufenthaltsberechtigungskarte auszustellen, um den BF an der Adresse der Betreuungseinrichtung anmelden zu können.
5. Am 09.01.2018 erschien der BF beim Bundesamt, um eine neue Aufenthaltsberechtigungskarte zu beantragen. Dabei wurde er auf Grund eines vom Bundesamt am 09.01.2018 erlassenen Festnahmeauftrages festgenommen und am selben Tag unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi zur beabsichtigten Anordnung der Schubhaft einvernommen. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, dass er über keine Meldeadresse verfüge, jedoch an einer bestimmten Adresse, die er im Rahmen der Einvernahme bekannt gab, Unterkunft genommen habe. In Österreich habe er keine Familienangehörigen, seine Eltern und seine Geschwister befänden sich in Indien. Er verfüge auch über keine sonstigen Anknüpfungspunkte zu Österreich. Er verfüge über kein Vermögen und habe sich seinen Aufenthalt dadurch finanziert, dass er am Sonntag Zeitungsständer aufhänge. Seiner Ausreiseverpflichtung sei er nicht nachgekommen, da er der indischen Botschaft keine Identitätsdokumente habe vorlegen können. Diese Dokumente habe er nunmehr zugeschickt bekommen, habe Sie jedoch bei der Post nicht abholen können, da er über keine "weiße Karte" verfügt habe. Er sei gemeinsam mit einem Mitarbeiter jener Organisation, die ihn bei seiner freiwilligen Rückkehr unterstützt, zum Postamt gegangen, habe jedoch mangels "weißer Karte" die Post nicht beheben können. Der Mitarbeiter der Betreuungseinrichtung habe den BF daraufhin zum Bundesamt geschickt, um eine "weiße Karte" zu beantragen. Die beim Postamt hinterlegten Dokumente habe ihm ein Freund aus der Ukraine geschickt. Der BF habe diesem Freund nach seiner Einreise nach Österreich seine Geburtsurkunde, seinen Personalausweis, seinen indischen Reisepass und seine Wählerkarte übergeben. Im Asylverfahren habe er angegeben, dass er über keine Dokumente verfüge, da ihm das der Schlepper so gesagt habe. Der BF sei gesund und nehme keine Medikamente ein. Er wolle nicht nach Indien abgeschoben werden, sondern freiwillig zurückkehren.
6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 09.01.2018 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend führte das Bundesamt aus, dass auf Grund des bisherigen Verhaltens des BF im Sinne der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1 und 9 FPG Fluchtgefahr vorliege. Der BF sei der Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachgekommen und untergetaucht. Er verfüge nur über geringe Barmittel, gehe keiner legalen Arbeit in Österreich nach und sei nicht sozial integriert. Er habe noch nie einen Aufenthaltstitel in Österreich beantragt, habe keine Wohnung, sei nicht gemeldet und halte sich illegal in Österreich auf. Er wechsle regelmäßig die Unterkunft. Die Anordnung der Schubhaft sei verhältnismäßig und komme auf Grund des aufgezeigten Sachverhaltes die Anwendung von gelinderen Mitteln nicht in Betracht, da ein beträchtliches Risiko des Untertauchens bestehe.
Dieser Bescheid wurde dem BF am 09.01.2018 persönlich zugestellt.
7. Im Zuge der Überstellung des BF in das Polizeianhaltezentrum hat er mit den ihn begleitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes seine Identitätsdokumente - insbesondere seinen indischen Reisepass, der von 16.12.2014 bis 15.12.2024 gültig ist - beim Postamt behoben.
8. Gegen den Schubhaftbescheid hat der BF am 11.01.2018 durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin Beschwerde erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde den Sachverhalt insofern mangelhaft erhoben habe, als der BF im Zeitpunkt seiner Festnahme einen Reisepass bei sich getragen habe. Dieser Reisepass befinde sich nunmehr bei den Effekten des BF im Polizeianhaltezentrum. Die Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach der BF über kein Reisedokument verfüge, widerspreche somit den Tatsachen und zeige, wie mangelhaft die Behörde die sie treffende Ermittlungspflicht wahrgenommen habe.
Der BF versuche, seine Rückreise nach Indien zu organisieren und habe sich deshalb an die XXXX gewandt, bei welcher auch die Zustimmung der zuständigen Behörde aufliege, dass die Kosten für die freiwillige Rückkehr übernommen würden. Nachdem der BF nunmehr im Besitz eines Reisepasses sei, hätte für ihn ein Flugticket gebucht werden können. Der BF sei jedoch festgenommen worden, noch bevor er sich erneut an die Rückkehrhilfe habe wenden können. Bei einer ausführlichen Befragung des BF hätte er dies auch angeben können.
Darüber hinaus gelinge es der Behörde nicht darzulegen, aus welchen Gründen Fluchtgefahr vorliege. Dass der BF bisher nicht freiwillig ausgereist sei, sei für den Sicherungsbedarf nicht maßgeblich, da die Nicht-Befolgung des Ausreisebefehls für sich alleine genommen entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht geeignet sei, das Vorliegen einer Fluchtgefahr zu begründen. Zudem habe der BF zuletzt versucht, seine freiwillige Rückkehr nach Indien zu organisieren und voranzutreiben. Der BF sei äußerst rückkehrwillig und widerspreche dies dem Vorliegen einer Fluchtgefahr. Zuletzt sei es dem BF gelungen, sein Reisedokument zu besorgen. Auf Grund der vorliegenden Zustimmungserklärung zur Kostenübernahme sei die freiwillige Rückkehr des BF auch tatsächlich möglich.
Die Annahme der belangten Behörde, dass der BF untergetaucht sei, sei nicht korrekt. Der BF sei an einer bestimmten Adresse aufhältig gewesen und habe bis zuletzt versucht, sich meldebehördlich zu melden, was ihm jedoch wegen fehlender Ausweisdokumente nicht gelungen sei. Der BF sei festgenommen worden, als er versucht habe, ein Ausweisdokument für seine polizeiliche Meldung zu erlangen. Der BF habe zu keinem Zeitpunkt versucht, sich einer Abschiebung durch Untertauchen zu entziehen.
Entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stelle auch das Fehlen sozialer Integration sowie der Mangel an finanziellen Mitteln für sich genommen keinen Schubhaftgrund dar.
Der belangten Behörde gelinge es daher nicht, im Fall des BF Fluchtgefahr aufzuzeigen.
Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, warum gelindere Mittel nicht ausreichend seien, seien auf allgemeine textbausteinartige Formulierungen ohne Bezug zum konkreten Fall beschränkt. Da der BF an einer bestimmten Adresse aufhältig gewesen sei, hätte er einem gelinderen Mittel in Form der periodischen Meldeverpflichtung oder der angeordneten Unterkunftnahme Folge geleistet. Warum von diesen gelinderen Mitteln nicht Gebrauch gemacht worden sei, werde im angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar dargelegt, zumal der BF betont habe, dass er bereit sei, so bald als möglich aus dem Bundesgebiet auszureisen.
Der BF beantragte eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des BF durchzuführen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei, auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht vorliegen und der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen gemäß der Verwaltungsgerichts-Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, aufzuerlegen.
9. Das Bundesamt legte am 12.01.2018 den Verwaltungsakt vor und gab dazu eine Stellungnahme ab, aus der sich im Wesentlichen ergibt, dass der BF bei seiner Festnahme keinen indischen Reisepass bei sich gehabt habe, sondern angegeben habe, dass sich der Reisepass in einer bestimmten Postfiliale befinde, nachdem ihm ein Freund dieses Dokument aus der Ukraine zugeschickt habe. Bei der Erstbefragung in seinem Asylverfahren am 23.07.2016 habe der BF angegeben, dass ihm der Reisepass vom Schlepper abgenommen worden sei. Jener Dolmetscher, der der Einvernahme des BF am 09.01.2018 beigezogen worden sei, habe Zweifel darüber geäußert, dass der BF freiwillig das Bundesgebiet verlassen werde. Der Reisepass des BF sei im Zuge seiner Überstellung in das Polizeianhaltezentrum gemeinsam mit den überstellenden Polizeibeamten vom Postamt abgeholt worden.
Der BF sei nicht gewillt, sich an die gesetzlichen Bestimmungen zu halten, da er die Frist für seine freiwillige Ausreise habe verstreichen lassen und bisher nicht freiwillig ausgereist sei. Die Abschiebung des BF sei für den 17.01.2018 geplant, die entsprechende Buchungsanfrage sei mittlerweile bestätigt worden.
Das Bundesamt beantragte die Abweisung der Beschwerde und den BF zum Ersatz der Kosten für den Vorlage- und Schriftsatzaufwand der Behörde zu verpflichten.
10. Am 17.01.2018 wurde der BF nach Indien abgeschoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Zum Verfahrensgang
Der unter I.1. bis I. 10. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
2. Zur Person des BF
2.1. Der BF ist volljährig und indischer Staatsangehöriger. Er verfügt über einen von 16.12.2014 bis 15.12.2024 gültigen indischen Reisepass, seine Identität steht fest. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Er ist in Österreich unbescholten.
2.2. Der BF war gesund und nahm keine Medikamente ein.
2.3. Der BF befand sich von 09.01.2018 bis 17.01.2018 in Schubhaft und wurde am 17.01.2018 nach Indien abgeschoben.
3. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft, zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr
3.1. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz in Österreich vom 23.07.2016 wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.09.2016 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Indien zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.11.2016 abgewiesen, welches am 06.12.2016 dem Bundesamt und am 09.12.2016 dem Rechtsvertreter des BF zugestellt worden ist. Die Rückkehrentscheidung ist am 24.12.2016 in Rechtskraft erwachsen und durchsetzbar.
3.2. Der BF hat in seinem Asylverfahren verschwiegen, dass er über einen gültigen indischen Reisepass verfügt und stattdessen angegeben, dass ihm der Reisepass vom Schlepper abgenommen worden sei.
3.3. Der BF verfügt seit dem 12.07.2017 über keine Meldeadresse im Bundesgebiet. Dem Bundesamt hat er in seinem Antrag auf Rückkehrhilfe vom 28.11.2017 eine Adresse bekannt gegeben.
3.4. Der BF hat am 28.11.2017 einen Antrag auf Unterstützung der freiwilligen Rückkehr gestellt. Mit Schreiben des Bundesamtes vom 05.12.2017 wurde die Übernahme der Kosten dafür bewilligt.
3.5. Am 09.01.2018 suchte der BF freiwillig das Bundesamt auf, um Dokumente für den Nachweis seiner Identität zu beantragen, um seinen per Post aus der Ukraine übermittelten Reisepass beim Postamt beheben zu können.
3.6. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 09.01.2018 durch das Bundesamt gab der BF seinen derzeitigen Aufenthaltsort bekannt und teilte mit, dass er bereit sei, freiwillig aus Österreich auszureisen.
3.7. Der BF verfügte über eine Wohnmöglichkeit bei jener Einrichtung, die ihn bei der Organisation seiner freiwilligen Rückkehr unterstützt. Über eine behördliche Meldeadresse verfügte der BF zuletzt nicht.
3.8. In Österreich befanden sich keine Familienangehörigen des BF. Seine Eltern und Geschwister leben in Indien.
3.9. Der BF hat sich seinen Aufenthalt in Österreich durch das Aufstellen von Zeitungsständern finanziert.
3.10. Der BF verfügte über kein existenzsicherndes Vermögen.
3.11. Er hat im Stande der Schubhaft am 11.01.2018 neuerlich einen Antrag auf freiwillige Rückkehr gestellt.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres, in Auszüge aus dem Zentralen Melderegister und dem Fremdeninformationssystem, in einen Strafregisterauszug und einen Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem sowie durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. XXXX die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 06.09.2016 betreffend.
1. Zum Verfahrensgang sowie zur Person des BF
Die Feststellungen zum Verfahrensgang sowie zur Person des BF ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl XXXX. Diesen Feststellungen wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten.
Die Unbescholtenheit des BF steht auf Grund der Auskunft aus dem Strafregister fest.
Dass der BF gesund war und keine Medikamente einnahm, ergibt sich aus seiner diesbezüglichen Aussage in der Niederschrift vom 09.01.2018.
Der Zeitpunkt des Beginns der Schubhaft ergibt sich aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres, dass er am 17.01.2018 nach Indien abgeschoben wurde ergibt sich aus dem diesbezüglichen Abschiebebericht.
2. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft, zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr
Die Feststellungen zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens des BF sowie zur Rechtskraft und Durchsetzbarkeit der getroffenen Rückkehrentscheidung ergeben sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. XXXX.
Dass der BF in seinem Asylverfahren verschwiegen hat, dass er über einen gültigen indischen Reisepass verfügt, steht auf Grund des Protokolles seiner Aussage im Rahmen der Erstbefragung vom 23.07.2016 fest.
Die Feststellung, dass der BF untergetaucht ist, ergibt sich daraus, dass er ab dem 12.07.2017 über keine Meldeadresse verfügt hat und dem Bundesamt erst im Antrag auf Unterstützung der freiwilligen Rückkehr vom 28.11.2017 eine Adresse in Österreich bekannt gegeben hat.
Die Feststellungen, wonach der BF am 28.11.2017 einen Antrag auf Übernahme der Kosten für seine freiwillige Ausreise gestellt hat, und diese Kostenübernahme vom Bundesamt am 05.12.2017 bewilligt worden ist, ergeben sich aus den diesbezüglich im Akt des Bundesamtes befindlichen Schriftstücken.
Dass der BF am 09.01.2018 das Bundesamt freiwillig aufgesucht hat um ein Ausweisdokument zu beantragen, steht auf Grund seiner Aussage im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 09.01.2018 fest. Dabei gab der BF an, dass er in Absprache mit jener Organisation, die ihn bei seiner freiwilligen Rückreise unterstütze, zum Bundesamt gekommen sei um eine "weiße Karte" zu beantragen.
Der Niederschrift vom 09.01.2018 ist auch zu entnehmen, dass der BF dem Bundesamt im Zuge dieser Einvernahme sowohl seinen Aufenthaltsort als auch seine Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise mitgeteilt hat.
Die Feststellung, wonach der BF über eine Wohnmöglichkeit bei seiner Rückkehrberatungsorganisation verfügte, ergibt sich aus dem Schreiben der XXXX vom 05.01.2018, aus dem sich ergibt, dass beabsichtigt ist, den BF bei dieser Einrichtung nach den Bestimmungen des Meldegesetzes anzumelden.
Die Feststellungen zum Aufenthaltsort der Familienmitglieder des BF, seiner Tätigkeit zur Finanzierung seines Aufenthalts und seinem mangelnden Vermögen ergeben sich aus seinen Angaben im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 09.01.2018. Aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich, dass der BF seit 12.07.2017 über keine aufrechte Meldeadresse in Österreich verfügte.
Dass der BF in der Schubhaft am 11.01.2018 einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe gestellt hat, ergibt sich aus dem im Akt des Bundesamtes befindlichen ausgefüllten Antragsformular.
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft
3.1.1. Gesetzliche Grundlagen
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
§ 77 Gelinderes Mittel
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1
FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
3.1.2. Zur Judikatur:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft.
3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Das Bundesamt ist auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1 und 9 FPG vom Vorliegen der Fluchtgefahr ausgegangen.
Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG ist dann von Fluchtgefahr auszugehen, wenn der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Das Bundesamt ist vor allem deshalb von der Erfüllung dieses Tatbestandes ausgegangen, da der BF entsprechend den Feststellungen im angefochtenen Bescheid in Österreich seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und untergetaucht sei, da er unbekannten Aufenthalts sei und regelmäßig seine Unterkunft wechsle. Da der BF seit 12.07.2017 über keine Meldeadresse verfügte und dem Bundesamt erst im Antrag vom 28.11.2017 eine Adresse bekanntgegeben hat, ist das Bundesamt zu Recht von der Erfüllung dieses Tatbestandes ausgegangen.
Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG sind bei Beurteilung der Fluchtgefahr der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF verfügte in Österreich weder über familiäre noch über enge soziale Bindungen, er hatte kein existenzsicherndes Vermögen und verfügte über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz, sodass auch dieser Tatbestand erfüllt ist.
Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist jedoch das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Zu berücksichtigen ist dabei aber auch, dass der BF bereits am 28.11.2017 einen Antrag auf Übernahme der Kosten für seine freiwillige Rückkehr gestellt hat und im zeitlichen Zusammenhang mit diesem Antrag Anstrengungen unternommen hat, seinen gültigen indischen Reisepass wieder zu erhalten. Gegen das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes spricht auch, dass der BF persönlich Kontakt mit dem Bundesamt aufgenommen hat, um Dokumente für die Vornahme einer Meldung entsprechend den Bestimmungen des Meldegesetzes zu erlangen. Er ist hier - unter Berücksichtigung des Schreibens der Einrichtung zur Rückkehrberatung vom 05.01.2018 - offensichtlich den Empfehlungen der Rückkehrberatung gefolgt, was das ernsthafte Bemühen des BF, tatsächlich freiwillig auszureisen, zeigt. Untermauert wird diese Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise auch dadurch, dass der BF in der Schubhaft einen weiteren Antrag auf Übernahme der Kosten einer freiwilligen Ausreise gestellt hat.
Aus diesem vom BF unmittelbar vor Anordnung der Schubhaft gezeigten Verhalten ergibt sich, dass trotz der objektiven Erfüllung der Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z. 1 und 9 FPG kein Sicherungsbedarf gegeben war, da im Fall des BF unter Berücksichtigung seiner zuletzt unternommenen ernsthaften Bemühungen freiwillig aus Österreich auszureisen, keine Fluchtgefahr mehr vorgelegen ist.
Das durchgeführte Verfahren hat ergeben, dass im vorliegenden Fall kein ausreichender Sicherungsbedarf vorlag, weshalb der angefochtene Bescheid für rechtswidrig zu erklären war. Eine Prüfung der weiteren Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft sowie eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen konnte daher entfallen.
3.1.5. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH vom 11.06.2013, 2012/21/0114). Die Anhaltung des BF in Schubhaft von 09.01.2018 bis 17.01.2018 war daher rechtswidrig.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
3.3. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkte II., III. und IV. - Kostenersatz
3.3.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
3.3.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Sowohl der BF als auch das Bundesamt haben einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt. Da der Beschwerde stattgegeben und sowohl der angefochtene Bescheid als auch die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt werden, ist der BF die obsiegende Partei. Ihm gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 737,60. Dem Bundesamt gebührt kein Kostenersatz.
Gemäß § 35 Abs. 4 VwGVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1 die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Den Ersatz der Eingabegebühr sieht § 35 VwGVG nicht vor, weshalb der diesbezügliche Antrag des BF zurückzuweisen war.
3.4. Zu Spruchteil B. - Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Ausreisewilligkeit, Eingabengebühr, freiwillige Ausreise,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W250.2182644.1.00Zuletzt aktualisiert am
19.02.2018