TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/13 L526 2185300-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.02.2018
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Entscheidungsdatum

13.02.2018

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §18 Abs1 Z3
BFA-VG §18 Abs1 Z4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L526 2185300-1/3Z

L526 2185301-1/3Z

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von

XXXX , geb. XXXX oder, XXXX StA. der Republik Armenien, vertreten durch den Migrantenverein St. Marx gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 2.1.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 5 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von

XXXX , geb. XXXX , StA. der Republik Armenien, vertreten durch XXXX , diese vertreten durch den Migrantenverein St. Marx gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 2.1.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 5 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "BF1" und "BF2" bezeichnet) sind Staatsangehörige der Republik Armenien. BF1 brachten nach Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 28.4.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

BF1 ist die Mutter von BF2

BF2 wurde in Österreich geboren. Durch BF1 als ihre gesetzliche Vertreterin wurde am 6.4.2017 ebenfalls ein Antrag auf internationalen Schutz in Österreich eingebracht. Es wurden keine eigenen Fluchtgründe für BF2 vorgebracht.

Zusammengefasst brachte BF1 anlässlich ihrer Einvernahme vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes vor, sie hätte ihr Land verlassen, da sie von ihrem Stiefvater immer wieder geschlagen worden wäre. Ihr sei nicht erlaubt worden, in die Schule zu gehen und sie hätte zwangsverheiratet werden sollen. Ihre Mutter habe die Reise organisiert. Ihren Reisepass habe sie dem Mann gegeben, der sie mit einem Kleinbus nach Österreich gebracht habe. Bei ihrer Rückkehr drohe ihr Misshandlung und Zwangsverheiratung. Im Einvernahmeprotokoll wurde der XXXX als Geburtsdatum der BF1 festgehalten. Anlässlich ihrer Einvernahme durch die bB brachte BF1 zu ihren Fluchgründen zusammengefasst vor, dass sie von ihrem Vater immer wieder geschlagen worden sei und dieser ihre Verehelichung gewollt habe. Sie kenne den, den sie heiraten sollte, aber nicht. Es seien keine konkreten Absprachen getroffen worden. Der Vater habe gesagt, dass sie in der Schule nicht lernen würde und dass es daher besser wäre, sie würde heiraten. Hier in Österreich habe sie eine Cousine, die teilweise für sie aufkomme und sie daher dem Österreichischen Staat nicht zur Last falle. Hier in Österreich habe sie auch den Vater ihres Kindes kennengelernt und mittlerweile ein gesundes Mädchen geboren. Zuhause würde sie weiterhin drangsaliert werden und zudem wisse sie nicht, wohin sie in Armenien solle.

Mit Schreiben vom 6.12.2017 der LPD Oberösterreich wurden der bB u. a. Kopien eines armenischen Reisepasses und der Geburtsurkunde der BF1 übermittelt, welche BF1 Anfang November 2017 anlässlich der Bestellung ihres Aufgebotes im Marktgemeindeamt XXXX vorgelegt hatte. In diesen Dokumenten scheint das Geburtsdatum XXXX auf. Eine Befragung der BF1 zur Abweichung in Bezug auf die von ihr im Verfahren angegebenen Daten ist der Aktenlage zufolge nicht erfolgt.

I.2. Die Anträge der BF auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Der Beschwerde wurde gem. § 18

(1) Z 3 und 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG ergab sich ebenfalls kein anderslautender Bescheid.

I.2.1. Die bB stellte zur Person der BF1 Folgendes fest:

"Ihre Identität steht fest. Es handelt sich bei Ihnen um XXXX , geboren am XXXX (auch XXXX )."

I.2.2 Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftslandes führte die bB beweiswürdigend aus, dass BF1 ihre Heimat verlassen hätte, weil ihr Vater sie aufgefordert habe, zu heiraten. Ihr Vater habe jedoch keinen konkreten Ehemann für BF1 vorgesehen. Die in Österreich lebende Cousine habe BF1 mitgeteilt, dass es in Österreich schön sei und sie wäre dann gekommen und hätte ihren jetzigen Verlobten kennengelernt. Im Ergebnis sei festzustellen, "dass Ihre (gemeint ist BF1) Angaben zu den behaupteten Ausreisegründen den weiteren Feststellungen und Erwägungen zugrunde gelegt werden können."

I.2.4. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

Hinsichtlich Spruchpunkt IV wurde ausgeführt, dass die BF keine Verfolgungsgründe vorgebracht habe. Sie habe sich mit der Asylbegründung lediglich auf private Probleme mit dem Vater und dem Wunsch nach Verehelichung in Österreich gestützt. Sie habe die Behörde hinsichtlich ihrer Identität zu täuschen versucht und im Zuge der Asylantragstellung ein falsches Geburtsdatum angegeben.

I.3. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass nicht nachvollziehbar sei, wie die bB zu der im Bescheid dargelegten Ansicht gelangte, dass BF1 keine Verfolgung drohe. Die Vorwürfe der bB hätten keinen erkennbaren Begründungswert. Es scheine, als sei ein großer Teil der Aussagen einfach nicht zur Kenntnis genommen, sondern Aussagen selektiv und in tendenziöser Weise "herausgeklaubt" worden, die der Argumentation des Bundesamtes zuträglich wären. Weder die Einvernahme noch die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides erweckten den Eindruck, dass die bB ein Interesse daran gehabt hätte, den relevanten Sachverhalt aufzuklären, insbesondere im Hinblick auf die Drohungen, denen die BF ausgesetzt war und den Gefahren, denen sie im Falle einer Abschiebung nach Armenien als alleinstehende Frau ausgesetzt wäre. Die bB habe auf jede Würdigung verzichtet und dem Bescheid seien nicht einmal rudimentäre Erwägungen zu den Befürchtungen der BF zu entnehmen. Die bB verwende Textbausteine und bediene sich unverifizierbarer Spekulationen und behaupte Widersprüche, die sich als nicht nachvollziehbar erweisen bzw. welche von BF1 auch aufgeklärt worden seien. Zur Asylrelevanz des Vorbringens sei festzuhalten, dass nach ständiger Judikatur auch einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppen ausgehenden Verfolgung Asylrelevanz zukommen kann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese zu unterbinden. Das treffe auf BF1 zu. In diesem Zusammenhang wurde auf die von der bB herangezogenen Länderberichte zur diesbezüglichen Lage in Armenien verwiesen. Auch hinsichtlich eines allfällig zu gewährenden subsidiären Schutzes könnten dem angefochtenen Bescheid nur rudimentäre Erklärungen entnommen werden. Die bB habe sich nicht mit der Situation der BF im Falle ihrer Rückkehr nach Armenien auseinandergesetzt. Hinsichtlich des Privat- und Familienlebens sei lediglich auf die Aufenthaltsdauer verwiesen worden. Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde noch angemerkt, dass nicht ersichtlich sei, worin die Notwendigkeit, die BF abzuschieben, bevor eine Entscheidung über die Beschwerde ergeht, besteht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die beschwerdeführende Partei

Bei den BF handelt es sich um der Volksgruppe der Jesiden zugehörige Armenier. BF1 reiste mit einem für den Schengenraum ausgestellten Visum ein.

BF2 ist in Österreich geboren. BF1 und BF2 leben zusammen mit dem Vater der BF2, welcher über einen aufrechten Aufenthaltstitel verfügt, und der Familie der Cousine der BF2.

Die Identität der BF steht bis auf das Geburtsdatum der BF1 fest.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

3. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

II.3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

II.3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesver-waltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.

II.3.1.3 Gründet ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) auf Eingriffe in seine sexuelle Selbstbestimmung, ist er von einem Organwalter desselben Geschlechts einzuvernehmen, es sei denn, dass er anderes verlangt. Von dem Bestehen dieser Möglichkeit ist der Asylwerber nachweislich in Kenntnis zu setzen.

(2) Für Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt Abs. 1 nur, wenn der Asylwerber den Eingriff in seine sexuelle Selbstbestimmung bereits vor dem Bundesamt oder in der Beschwerde behauptet hat. Diesfalls ist eine Verhandlung von einem Einzelrichter desselben Geschlechts oder einem aus Richtern desselben Geschlechts bestehenden Senat durchzuführen. Ein Verlangen nach Abs. 1 ist spätestens gleichzeitig mit der Beschwerde zu stellen.

(Anm.: Abs. 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(4) Wenn der betroffene Asylwerber dies wünscht, ist die Öffentlichkeit von der Verhandlung eines Senates oder Kammersenates auszuschließen. Von dieser Möglichkeit ist er nachweislich in Kenntnis zu setzen. Im Übrigen gilt § 25 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013.

II.3.1.4. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft und hat das ho. Gericht im gegenständlichen Fall gem. § 17 leg. cit das AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

II.3.1.5. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu A)

II.3.1.5. § 18 BFA-VG lautet:

"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3. Fluchtgefahr besteht.

(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar."

Liegt einer der Gründe des § 18 Abs. 1 Z 1 – 7 BFA-VG vor, wäre im Rahmen der vorzunehmenden Prüfungsschritte festzustellen, ob mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der BF in den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen und keine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würde. Kann diese Prognoseentscheidung nicht getroffen werden, ist gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG vorzugehen.

Gem. § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG ist das ho. Gericht berechtigt, die Entscheidung der belangten Behörde durch Erkenntnis zu beheben (vgl. Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 17 zu § 28 VwGVG). Die Behörden sind in diesem Fall verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Aus den genannten Rechtsvorschriften ergibt sich, dass das BFA-VG iVm VwGVG grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung stellen, um zu erreichen, dass einer Beschwerde, der das Bundesamt die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG aberkannt hat, dennoch aufschiebende Wirkung zukommt:

Das kann einerseits gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuerkennen; es kann aber andererseits auch auf Grund einer Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung - im vorliegenden Verfahren also gegen Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides - diesen Teil des Bescheides aufheben.

Die Voraussetzungen für die amtswegige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sind in § 18 Abs. 5 BFA-VG umschrieben. Die Voraussetzungen dafür hingegen, einen Ausspruch über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG aufgrund der Beschwerde gegen diese Aberkennung gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG- aufzuheben, liegen dann vor, wenn die Voraussetzungen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach Ansicht des ho. Gerichts per se schon nicht vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn keiner der in § 18 Abs. 1 BFA-VG aufgezählten Tatbestände erfüllt ist

Es ist somit zunächst zu prüfen, ob überhaupt ein Tatbestand des § 18 Abs. 1 BFA-VG erfüllt ist:

Die BF berief sich zum einen auf § 18 Abs. 1 Z 3 und 4 BFA-VG.

In Bezug auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 3 leg cit. ist festzuhalten, dass dieser Tatbestand nur dann erfüllt ist, wenn der oder die Betroffene über die Folgen der Täuschung belehrt wurde. Eine Belehrung, dass den Beschwerden die aufschiebende Wirkung aberkannt wird, wenn die BF über ihr Geburtsdatum täuscht, kann dem Akteninhalt nicht entnommen werden. Ob BF1 tatsächlich die Absicht hatte, die bB zu täuschen oder ob es sich um ein Missverständnis handelt (denkbar wäre immerhin, dass ein Fehler bei der Protokollierung anlässlich der Erstbefragung unbemerkt von der bB übernommen wurde), ist nicht feststellbar. Um BF1 tatsächlich Täuschungsabsicht im oa. Sinne nachweisen zu können, hätte es einer Befragung mit entsprechender Belehrung bedurft.

Zudem scheint sich die bB selbst nicht im Klaren zu sein, welche Täuschungshandlung sie der BF1 konkret zur Last legen will, da die bB feststellt, die BF wäre "am XXXX (auch XXXX )" geboren worden. Wenn man – was die Feststellung der bB nahelegt – die Möglichkeit in Betracht zieht, dass BF1 vor den armenischen Behörden, nicht aber vor der bB falsche Angaben über ihr Geburtsdatum machte, so wäre das Heranziehen der obzitierten Gesetzesstelle für eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auch aus diesem Grund unzulässig.

Aufgrund der oa. Ausführungen liegen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Z 3 BFA-VG nicht vor.

Die bB berief sich zum anderen auf Z 4 leg cit.

Dieser Tatbestand ist dann gegeben, wenn seitens der BF Verfolgungsgründe nicht vorgebracht wurden. Hier kommt es auf das bloße Vorbringen der BF, unabhängig vom tatsächlichen Tatsachensubstrat, an. BF1 brachte vor, wegen Misshandlungen und einer drohenden Zwangsverheiratung geflüchtet zu sein.

Dazu ist zunächst zu bemerken, dass sich die bB mit den Fluchtgründen der BF1 nicht hinreichend auseinandersetzte. Dem Einvernahmeprotokoll ist zu entnehmen, dass mit BF1 zwar ein eineinhalb stündiges Gespräch geführt wurde, die Befragung zur Flucht und den Rückkehrbefürchtungen der BF1 nahm dem Protokoll nach zu schließen aber offensichtlich nur wenig Zeit in Anspruch. Die bB beließ es auch bei offenen Fragen und versuchte erkennbar nicht, die angesprochenen Themenbereiche durch konkrete Fragestellungen zu erhellen (etwa dahingehend, wie sich die Übergriffe auf die BF konkret dargestellt haben, ob sie den Schutz der Behörden gesucht hat, wie das familiäre und soziale Umfeld der BF1 auf die angeblichen Misshandlungen und die Zwangsverehelichung reagierten, wo die BF allenfalls Schutz suchen könnten oder welche bzw. wessen Bedrohungen die BF konkret bei ihrer Rückkehr zu befürchten hätte etc.) und die Glaubwürdigkeit der Aussagen zu überprüfen.

Ferner ist auszuführen, dass die von der bB gezogenen Schlussfolgerungen aus der Aussage der BF1 nicht nachvollziehbar sind. BF1 berichtete von Misshandlungen und einer drohenden Zwangsverheiratung. Wenn die Behörde die Aussagen der BF dahingehend zusammenfasst, dass der Vater sie aufgefordert habe, zu heiraten und noch keinen konkreten Ehemann für BF1 vorgesehen hätte, so ist das eine Darstellung der Fluchtgeschichte der BF, die mit der im Einvernahmeprotokoll ersichtlichen Aussage nicht in Einklang zu bringen ist. Die bB begründet nicht, warum sie die Geschichte der BF1 nicht glaubt, sondern lässt die von der BF angesprochenen Themen der Gewalt gegen sie und der drohenden Zwangsverheiratung völlig außer Acht. Den BF ist auch beizupflichten, dass den Ausführungen der bB generell kein Begründungswert zu entnehmen ist. So erschöpft sich die Begründung zu den Feststellungen bezüglich der Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates in der Zusammenfassung der Aussagen der BF und der schlussfolgernden Feststellung, dass die Angaben der BF1 zu den behaupteten Ausreisegründen den weiteren Feststellungen und Erwägungen zugrunde zu legen sind.

Insgesamt ist festzustellen, dass auch Z 4 leg cit nicht erfüllt ist.

Da auch die übrigen Tatbestandsmerkmale des §18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG nicht vorliegen, scheidet dessen Anwendbarkeit durch die bB im gegenständlichen Verfahren aus.

Wie bereits erwähnt wurde, ist gem. § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG das ho. Gericht berechtigt, die Entscheidung der belangten Behörde durch Erkenntnis zu beheben. Die Behörden sind in diesem Fall verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Bei einer Aufhebung gem. § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheids in Form eines Erkenntnisses. Die Behebungsgründe werden gesetzlich nicht genannt. Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 66 Abs. 4 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Rz 17ff zu § 28); Hengstschläger/Leeb, AVG, Manz Kommentar, Rz 97 zu § 66 [Abs. 4], führen mwN auf die höchstgerichtliche Judikatur aus:

"Hätte der angefochtene Bescheid nicht ergehen dürfen, weil nach den maßgeblichen Verwaltungsvorschriften in der anhängigen Rechtssache die Erlassung eines Bescheides entweder im unterinstanzlichen Verfahren überhaupt unzulässig war oder während des Berufungsverfahren unzulässig geworden ist, oder hätte ihn die betroffene Behörde (mangels Zuständigkeit) nicht erlassen dürfen und kann der dem materiellen Recht entsprechende Zustand nur durch die Kassation des zu Unrecht ergangenen Bescheides hergestellt werden, hat die Rechtsmittelbehörde den Bescheid gem. § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos, dh ohne eine darüber hinausgehende Sachentscheidung, zu beheben".)

Da im gegenständlichen Fall keiner der im § 18 Abs. 1 Z 1 – 7 genannten Tatbestände per se vorlag, war Spruchpunkt IV der angefochtenen Bescheide ersatzlos zu beheben.

Ergänzend dazu ist festzustellen, dass – wie die BF zutreffend monieren – auch im Hinblick auf die Lage im Herkunftsland (etwa bezüglich Gewalt gegen Frauen, Zwangsverheiratung oder soziale Unterstützung für alleinstehende Frauen) und die möglichen Gefährdungen der BF im Falle ihrer Rückkehr keine hinreichenden Feststellungen bzw. keine entsprechende Würdigung der von der bB herangezogenen Länderfeststellungen vorgenommen wurden. Die Begründung der bB betreffend die Lage im Herkunftsland erschöpft sich im Wesentlichen in der Feststellung, dass BF1 im Rahmen der Einvernahme nicht an den Länderfeststellungen des BFA interessiert gewesen sei. Aus diesem Grunde kann zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die BF im Falle ihrer Abschiebung in eine existenzbedrohende Lage geraten oder menschenrechtswidrige Behandlung erfahren würden.

Die bB hat somit mit Erlassung des gegenständlichen Erkenntnisses für die BF jenen Rechtsbestand herzustellen, wie er bestanden hätte, wenn der Spruchpunkt IV nie erlassen worden wäre.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Hinblick auf die Anwendung des § 18 BFA-VG orientiert sich das ho. Gericht einerseits an der jüngsten, im ho. Erk. zitierten Judikatur des VwGH und auch an der Vorgängerbestimmung des § 38 AsylG aF, im Hinblick auf die Vorgansweise der ersatzlosen Behebung an der hierzu bereits bestehenden einheitlichen Judikatur des VwGH, sowie an der Vorgängerjudikatur zu § 66 Abs. 4 AVG, soweit diese anwendbar erscheint.

Aus dem Umstand, dass sich mit 1.1.2014 die Behördenzuständigkeiten, sowie die asyl- und fremdenrechtliche Diktion änderte und das ho. Gericht seine Arbeit aufnahm, kann im gegenständlichen Fall noch kein unter Art. 133 Abs. 4 B-VG zu subsumierender Sachverhalt abgeleitet werden, weil sich im materiellen Kernbereich der hier anzuwendenden Bestimmungen keine substantielle Änderung ergab.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall,
Einzelfallprüfung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L526.2185300.1.00

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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