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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §303;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der E L in W, vertreten durch Dr. Christian Boyer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Franzensbrückengasse 20/1/6b, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Jänner 2000, GZ AO 670/5-06/99, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren (Umsatzsteuer 1993, 1994), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdefall steht in Zusammenhang mit den unter dem Begriff "Mehrwertsteuerschwindel des Werner Rydl" durch zahlreiche Medienberichte und Publikationen in der Öffentlichkeit bekannten Vorgängen.
Mit dem hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1998, 97/15/0019, 97/15/0136, wurde die Beschwerde der Beschwerdeführerin betreffend Umsatzsteuer 1993 und 1994 als unbegründet abgewiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde, nachdem die Zuständigkeit auf Grund eines Devolutionsantrages auf sie übergegangen war, den auf § 303 Abs. 1 lit. b BAO gestützten Antrag der Beschwerdeführerin vom 18. Dezember 1998 auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer 1993 und 1994 ab. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, der Wiederaufnahmeantrag stütze sich auf Gutachten vom 3. Juli 1995 und vom 3. November 1995 über chemische Analysen von Proben von Pubis, Synus und Eternity for men. Weiters werde im Wiederaufnahmsantrag ausgeführt, hinsichtlich der Lieferung von Gelee Royal sei eine verloren geglaubte Warenprobe aus einer von der Beschwerdeführerin vorgenommenen Lieferung aufgetaucht; ein Untersuchungsbefund vom 9. November 1998 habe ergeben, dass die Warenprobe eine Leitsubstanz für Gelee Royal darstelle. Die Beschwerdeführerin habe vorgebracht, die Beweismittel hätten ohne ihr Verschulden im abgeschlossenen Verfahren nicht beigebracht werden können und seien geeignet, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeizuführen. Die Gutachten zu den einzelnen Proben seien nach Ansicht der Beschwerdeführerin auch Beweismittel für Lieferungen des Jahres 1994, zumal im abgeschlossenen Verwaltungsverfahren ebenfalls auf Grund eines Gutachtens und einer Probeziehung im Jahr 1995 ein Rückschluss auf das Jahr 1994 vorgenommen worden sei. Nach Ansicht der belangten Behörde handle es sich, wie sich dies aus den Daten der Rechnungen ergebe, bei den Probenziehungen nicht um solche, die Lieferungen der Streitjahre beträfen. Auch hinsichtlich der verloren geglaubten Probe des Gelee Royal werde von der Beschwerdeführerin nicht dargetan, aus welcher Lieferung diese Probeziehung stamme. Im Übrigen sei im Berufungsverfahren betreffend Umsatzsteuer 1993 und 1994 mit keinem Wort erwähnt worden, dass der Beschwerdeführer aus konkreten Lieferungen Proben gezogen habe. Die Beweisführung im Wiederaufnahmeantrag sei daher nicht geeignet, einen Wiederaufnahmegrund als gegeben erscheinen zu lassen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Verfahrensbestimmungen der BAO würden die Behörde nicht davon entbinden, Ermittlungen über die Voraussetzungen der Wiederaufnahme und die geltend gemachten Wiederaufnahmsgründe anzustellen, die Ergebnisse dieser Ermittlungen der Wiederaufnahmswerberin mitzuteilen und zur Grundlage der Entscheidung zu machen. Die belangte Behörde habe allerdings keine Ermittlungen oder Beweisaufnahmen hinsichtlich der geltend gemachten Wiederaufnahmsgründe durchgeführt. Zur Prüfung der Frage, ob das Verfahren wieder aufzunehmen sei, sei ein Ermittlungsverfahren insoweit abzuführen, als dies für die zuverlässige Beurteilung der Frage erforderlich sei, ob ein Wiederaufnahmsantrag die gesetzlichen Voraussetzungen erfülle. Die Begründung des angefochtenen Bescheides stützte sich lediglich auf die bloße Behauptung, dass die geltend gemachten Wiederaufnahmsgründe nicht vorlägen. Jedenfalls wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, im Wiederaufnahmeantrag dargestellte Beweise aufzunehmen, wenn die abstrakte Eignung gegeben sei, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeizuführen. Da den in den wiederaufzunehmenden Verfahren ergangenen Bescheiden als entscheidende Tatsache die Annahme zu Grunde gelegen sei, dass die gelieferten Waren nicht den fakturierten Waren entsprochen hätten, und die nunmehr vorliegenden Gutachten für das Gegenteil sprächen, sei die abstrakte Eignung, einen anderen Bescheid herbeizuführen, gegeben. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, die vorgelegten Gutachten inhaltlich zu würdigen, und sich nicht nur mit der Frage zu befassen, wann die Proben gezogen worden seien. Die belangte Behörden hätte die beantragten Zeugen vernehmen müssen. Der Zeuge GL sei zum Beweisthema angeboten worden, wann und aus welcher Lieferung die nunmehr wieder aufgefundene Warenprobe gezogen worden sei. Die belangte Behörde habe sich auch nicht mit dem weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend die Unmöglichkeit der von der Abgabenbehörde behaupteten Gutachtenserstattung, die Markenregulierung im Ausland und die Gebinde für Duftkonzentrate auseinander gesetzt. Die belangte Behörde habe zu Unrecht das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen verneint. Soweit sie vorbringt, die Probeziehung im Jahr 1995 lasse keine Rückschlüsse auf den relevanten Zeitraum 1994 zu, sei ihr entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin die weiterverkauften Waren immer vom gleichen Zulieferer bezogen habe. Die belangte Behörde hätte nicht davon ausgehen dürfen, dass der Beschwerdeführerin im Jahr 1994 vom selben Zulieferer andere, nämlich minderwertigere Waren geliefert worden seien als im Jahr 1995. Ebenso sie nicht nachvollziehbar, warum die beim selben Abnehmer, der Fa. M, im Jahr 1995 gezogenen Warenproben, keine Rückschlüsse auf die im Vorjahr gelieferten Waren zulassen sollten. Zudem basierten selbst die von der TUA für die Abgabenbehörden durchgeführten Untersuchungen auf 1995 gezogenen Proben. Die Waren, welche die Beschwerdeführerin von der F-GmbH bezogen habe und die sie u.a. an die Fa. M weiterverkauft habe, seien immer von derselben Qualität gewesen. Zu diesem Schluss hätte auch die belangte Behörde kommen müssen. Die Beschwerdeführerin habe bereits im Wiederaufnahmsantrag vorgebracht, dass die Warenprobe verloren geglaubt gewesen und erst nach Abschluss der Verfahren (betreffend Umsatzsteuer 1993 und 1994) wieder aufgefunden worden sei. Diese Probe habe aus diesem Grund im abgeschlossenen Verfahren keine Erwähnung finden können.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.
Hingewiesen sei zunächst darauf, dass die Beschwerde nicht vorträgt, wann die im Jahr 1995 erstellten Gutachten der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gelangt sind, ob sie ein Verschulden am Verlust der vom Gelee Royal gezogenen Probe trifft und wann sie vom Auffinden dieser Probe Kenntnis erlangt hat.
Entscheidend ist gegenständlich aber, dass ein Wiederaufnahmswerber - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - im Verwaltungsverfahren für das Vorliegen des Wiederaufnahmsgrundes behauptungs- und beweispflichtig ist (vgl. die bei Ritz, BAO-Kommentar2, § 303 Tz 32 zitierte hg. Rechtsprechung).
In der Beschwerde wird nicht vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe im Wiederaufnahmsverfahren aufgezeigt, wie von den vorgelegten Gutachten bzw. Untersuchungen zu konkreten einzelnen Proben auf die in den Jahren 1993 und 1994 gelieferten Waren geschlossen werden könne. In der Beschwerde wird zwar behauptet, die Waren, welche die Beschwerdeführerin bezogen bzw. geliefert habe, seien immer von derselben Qualität gewesen, es wird aber nicht behauptet, dass ein derartiges Vorbringen bereits im Verwaltungsverfahren erstattet worden wäre. Somit kann der belangten Behörde aber nicht entgegengetreten werden, wenn sie den Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren schon deshalb abgewiesen hat, weil der Zusammenhang zwischen den einzelnen untersuchten Proben und den in den Jahren 1993 und 1994 gelieferten Waren nicht konkret dargetan war.
Der Verwaltungsgerichtshof hält es nicht für ausgeschlossen, dass sich aus der Untersuchung später gelieferter Waren Indizien für die Qualität früher gelieferter Waren ergeben. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn Anhaltspunkte für das Gleichbleiben der Qualität oder dafür vorliegen, dass ein Zusammenhang zwischen den in verschiedenen Zeiträumen erfolgten Lieferungen besteht. Solches ist aber im Verwaltungsverfahren vom Wiederaufnahmswerber darzutun.
Lag aber eine entsprechende Behauptung über einen konkreten Zusammenhang zwischen den einzelnen Proben und den in die Jahre 1993 und 1994 fallenden Lieferungen nicht vor, stand dies einer Wiederaufnahme entgegen. Die Beschwerdeführerin wurde somit nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, dass sich die belangte Behörde nicht inhaltlich mit den Gutachten auseinander gesetzt hat. Solcherart hat die belangte Behörde auch nicht dadurch Verfahrensvorschriften verletzt, dass sie nicht durch amtswegige Ermittlungen festgestellt hat, zu welchem bestimmten Zeitpunkt die Proben gezogen worden sind.
In welchem Zusammenhang das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Wiederaufnahmsantrag betreffend die Unmöglichkeit der von der Abgabenbehörde behaupteten Gutachtenserstattung, die Markenregulierung im Ausland und die Gebinde für Duftkonzentrate mit einer Wiederaufnahme der Verfahren stehen sollte, wird in der Beschwerde nicht dargestellt.
Der Inhalt der Beschwerde lässt somit bereits erkennen, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt worden ist. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 17. Mai 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000150056.X00Im RIS seit
27.11.2000Zuletzt aktualisiert am
19.02.2009