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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Februar 2017, Zlen. W237 2127749- 1/8E, W237 2127757-1/9E, W237 2127755-1/6E, W237 2127752-1/3E, W237 2127751-1/3E, W237 2127746-1/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Parteien: 1. S A A,
2. K I, 3. L A, 4. B A, 5. A A und 6. M A, alle vertreten durch Michael Genner, alle in 1090 Wien, p.A. Asyl in Not, Währinger Straße 59/2), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die Erst- bis Fünftmitbeteiligten stellten am 15. Dezember 2013 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Für den in Österreich nachgeborenen Sechstmitbeteiligten wurde am 7. August 2015 ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Alle sind Staatsangehörige der Russischen Föderation.
2 Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) jeweils vom 22. April 2016 wurden die Anträge der Erst- bis Sechstmitbeteiligten sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Russland (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Mitbeteiligten gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt und es wurden gegen sie Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen. Überdies wurde festgestellt, dass eine Abschiebung der Mitbeteiligten gemäß § 46 FPG nach Russland zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
3 Gegen diese Bescheide erhoben die Mitbeteiligten Beschwerde. 4 Am 6. Februar 2017 stellten der Erst- und die Zweitmitbeteiligte einen - schriftlich beim BFA eingebrachten - Antrag auf internationalen Schutz für ihre am 26. Jänner 2017 in Österreich nachgeborene Tochter.
5 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 17. Februar 2017 wurden die angefochtenen Bescheide der Erst- bis Sechstmitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 34 Abs. 4 AsylG 2005 aufgehoben. Weiters sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Begründend führte das BVwG aus, dass die Bescheide zu beheben gewesen seien, damit die Asylverfahren der Mitbeteiligten gemäß § 34 AsylG 2005 "unter einem" mit dem beim BFA anhängigen Verfahren hinsichtlich des am 26. Jänner 2017 geborenen Familienmitgliedes geführt werden könnten. Gestützt sei diese Ansicht durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 18. September 2015, E 1174/2014.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Revision nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten durch das BVwG und nach Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:
8 In der außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, dass die Auffassung des BVwG unzutreffend sei. Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.
9 Aus den Verfahrensakten ist zu entnehmen, dass der Bescheid des BFA der am 26. Jänner 2017 in Österreich nachgeborenen Tochter der Erst- und Zweitmitbeteiligten am 16. Februar 2017 zugestellt wurde. Das Erkenntnis des BVwG hinsichtlich der Erst- bis Sechstmitbeteiligten wurde hingegen am 17. Februar 2017 erlassen. Das BVwG stützt sich in seiner aufhebenden Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass das BFA nunmehr "neuerlich (die) als unerledigt aushaftenden Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz "unter einem" mit dem Antrag der jüngsten Tochter des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin zu führen und die Rechtssachen sämtlicher Familienmitglieder gemeinsam zu erledigen" hätte. Damit verkennt das BVwG, dass im Zeitpunkt seiner Entscheidung das Verfahren vor dem BFA hinsichtlich der "jüngsten Tochter" bereits abgeschlossen war. Aufgrund dieser aktenwidrigen Annahme des BVwG ist die Rechtsansicht, wonach die Verfahren der Mitbeteiligten als Familienverfahren gemeinsam mit dem der "jüngsten Tochter" vor dem BFA zu führen seien, rechtswidrig.
10 Das angefochtene Erkenntnis war daher bereits aus diesem Grund - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 23. Jänner 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017200120.L00Im RIS seit
20.02.2018Zuletzt aktualisiert am
28.02.2018