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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ABGB §1332;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ra 2018/02/0020 B 2. Februar 2018Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des K L in G, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in 2225 Zistersdorf, Hauptstraße 25, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 7. November 2017, Zl. LVwG-AV-986/001-2017, LVwG-AV-1125/001-2017, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit (Vorstellungs-)Bescheid der belangten Behörde vom 23. Juni 2017 wurde die Lenkberechtigung des Revisionswerbers betreffend näher umschriebene Klassen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entzogen und begleitende Maßnahmen nach dem FSG angeordnet.
2 Mit Schriftsatz vom 2. August 2017 erhob der Revisionswerber Beschwerde gegen den genannten Bescheid und stellte unter einem den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist. Zur Begründung führte er aus, dass ihm der Entziehungsbescheid vom 23. Juni 2017 am 28. Juni 2017 zugestellt worden sei, den er (gemeinsam mit einem Bezug habenden Straferkenntnis; vgl. dazu die zur Zl. Ra 2018/02/0020 protokollierte Revision) am 30. Juni 2017 mittels E-Mail an seinen Rechtsanwalt gesendet habe. In der Folge habe er in der Kanzlei des Rechtsvertreters telefonisch angerufen und den Auftrag zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Entziehungsbescheid erteilt. Die E-Mail-Übertragung habe jedoch aus nicht mehr nachvollziehbaren Umständen nicht funktioniert und der anzufechtende Bescheid sei daher in der Kanzlei des Rechtsvertreters nicht eingelangt.
3 Der Revisionswerber habe vom Tätigwerden des Rechtsanwaltes, der ihn bereits seit Jahren vertrete, ausgehen können. Grundsätzlich frage er während des Laufes der Rechtsmittelfrist nach, ob und inwieweit die notwendigen Schritte zur Anfechtung eingehalten worden seien, doch im konkreten Fall habe diese Rückfrage nicht erfolgen können, weil der Revisionswerber während eines berufsbedingten Aufenthalts in Tirol unvorhergesehen vom 15. bis 19. Juli 2017 stationär im Krankenhaus habe aufgenommen werden müssen und "in der Folge rekonvaleszent" gewesen sei. Erst als der Revisionswerber nach seiner Genesung am 27. Juli 2017 in der Kanzlei seines Rechtsvertreters angerufen habe, sei festgestellt worden, dass die Übertragung des Bescheides über die Entziehung der Lenkberechtigung nicht stattgefunden habe.
4 Die Versäumung der Beschwerdefrist sei daher nach Ansicht des Revisionswerbers nicht auf sein Verschulden zurückzuführen, sondern auf einen nicht mehr nachvollziehbaren E-Mail-Übertragungsfehler in Verbindung mit dem ungeplanten Krankenhausaufenthalt.
5 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. August 2017 wurde dem Wiedereinsetzungsantrag keine Folge gegeben.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht, soweit hier relevant (vgl. betreffend das Strafverfahren die zur Zl. Ra 2018/02/0020 protokollierte Revision), einerseits die gegen den Bescheid vom 8. August 2017 erhobene Beschwerde auf der Rechtsgrundlage des § 33 Abs. 1 und 4 VwGVG ab (Spruchpunkt I.). Andererseits wurde die Beschwerde gegen den Entziehungsbescheid vom 23. Juni 2017 als verspätet zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Zu beiden Spruchpunkten wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision gegen die Entscheidungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
7 In der Begründung legte das Verwaltungsgericht das Vorbringen betreffend die misslungene Übermittlung des Entziehungsbescheides mittels E-Mail als auch den stationären Krankenhausaufenthalt des Revisionswerbers vom 15. bis 19. Juli 2017 zugrunde und stellte fest, dass der Revisionswerber während des Krankenhausaufenthaltes grundsätzlich in der Lage gewesen sei, Telefongespräche zu führen.
8 Rechtlich verwies das Verwaltungsgericht auf den Beschluss VwGH 21.2.2017, Ra 2016/12/0026, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausführte, dass sich derjenige, der sich für fristgebundene Eingaben des E-Mails bedient, zu vergewissern hat, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde. Wird eine solche Kontrolle nicht vorgenommen, so kann im Rahmen eines Wiedereinsetzungsverfahrens nicht mehr von einem minderen Grad des Versehens die Rede sein. Diese Sorgfalt und die Pflicht, sich zu vergewissern, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde, besteht nicht nur im Verkehr zwischen der Partei und der Behörde, sondern auch im Verkehr der Partei mit ihrem Rechtsvertreter.
9 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung übersteige das Verhalten des Revisionswerbers, der sich in der Führerscheinsache erst nach dem Ablauf der Beschwerdefrist bei seinem Rechtsvertreter erkundigt habe, den minderen Grad des Versehens iSd § 33 Abs. 1 VwGVG, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung abzuweisen gewesen sei.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. VwGH 25.3.2014, Ra 2014/04/0001 und 18.2.2015, Ra 2015/08/0008).
13 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, dass mit dem zitierten Beschluss Ra 2016/12/0026 ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden des Revisionswerbers nicht begründet werden könne, weil dieser zusätzlich zur misslungenen E-Mail-Übertragung als weiteres die Wahrung der Beschwerdefrist hinderndes Ereignis den unvorhergesehenen Krankenhausaufenthalt bis 19. Juli 2017 und die "nachfolgende Rekonvaleszenz" bis zumindest 27. Juli 2017 geltend gemacht habe. Während des unvorhergesehenen und unabwendbaren Krankenhausaufenthaltes und der anschließenden Rekonvaleszenz habe der Revisionswerber die ihm obliegende Nachfrage beim Rechtsanwalt über den Fortgang in seiner Beschwerdesache nicht vornehmen können. Rechtsprechung dazu fehle.
14 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
Die Beurteilung, ob ein im Sinn des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG bzw. des § 33 Abs. 1 VwGVG unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden zur Versäumnis geführt hat, also die Qualifikation des Verschuldensgrades, unterliegt - als Ergebnis einer alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Abwägung - grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 26.2.2016, Ra 2016/03/0026, mwN). Eine derartige Fehlbeurteilung wird von der Revision nicht aufgezeigt, vielmehr hat sich das Verwaltungsgericht an den vom Verwaltungsgerichtshof zu § 71 AVG entwickelten Grundsätzen orientiert. So ist das Verwaltungsgericht - im Einklang mit der hg. Rechtsprechung - nicht nur von der Kontrollpflicht hinsichtlich des tatsächlichen Einlangens von mit E-Mail übermittelten Unterlagen bei fristgebundenen Eingaben ausgegangen (vgl. den bereits zitierten Beschluss VwGH 21.2.2017, Ra 2016/12/0026), sondern im Ergebnis auch davon, dass eine krankheitsbedingte Säumnis die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann erfüllt, wenn die Krankheit zu einer Dispositionsunfähigkeit des Betroffenen geführt oder die Dispositionsfähigkeit so stark beeinträchtigt hat, dass das Unterbleiben der fristwahrenden Handlung in einem milderen Licht - nämlich als bloß minderer Grad des Versehens - zu beurteilen ist (vgl. VwGH 23.6.2015, Ra 2014/05/0005, mwN). Ungeachtet der Frage, ob dem Revisionswerber während des fünftägigen Krankenhausaufenthaltes die Dispositionsfähigkeit zur Führung eines Telefonates mit seinem Rechtsvertreter zukam (der Wiedereinsetzungsantrag enthielt dazu kein spezifisches gegenteiliges Vorbringen, das Verwaltungsgericht bejahte die Frage daher), enthält der Wiedereinsetzungsantrag auch keinerlei substanziierten Hinweis darauf, dass der Revisionswerber auch nach dem Ende des Krankenhausaufenthaltes am 19. Juli 2017 in seiner Dispositionsfähigkeit so stark beeinträchtigt war, dass er die in Rede stehende Nachfrage beim Rechtsvertreter in seiner Beschwerdesache (die Beschwerdefrist endete erst am 26. Juli 2017) nicht vornehmen konnte.
Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 29. Jänner 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110013.L00Im RIS seit
20.02.2018Zuletzt aktualisiert am
23.03.2018