Kopf
Das Landesgericht Wiener Neustadt als Rekursgericht hat durch die Präsidentin Mag. Jutta Burianek als Vorsitzende sowie die Richter Dr. Andreas Pscheidl und MMag. Dr. Andreas Sengstschmid in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, *****, vertreten durch Mag. Hans-Peter Pflügl, Rechtsanwalt in Herzogenburg, gegen die beklagten Parteien 1. D*****, 2. W*****, *****, Deutschland, 3. V*****, *****, wegen € 1.244,67, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 12.01.2017, 18 C 1090/16i-4, in nicht öffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben und dem Erstgericht die Einleitung des ordentlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund auch hinsichtlich der drittbeklagten Partei aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Mit der am 05.12.2016 beim Erstgericht eingelangten (Schriftsatz-)Klage begehrt die Klägerin aus einem Verkehrsunfall Schadenersatz in Höhe von € 1.244,67, wobei Erst- und Zweitbeklagter als Lenker bzw. Halter in Anspruch genommen würden und die Drittbeklagte gemäß § 62 KFG, weil das Beklagtenfahrzeug im Ausland versichert und mit einem deutschen Kennzeichen versehen gewesen sei. Die örtliche Zuständigkeit wurde auf den Gerichtsstand der Schadenszufügung gemäß § 92a JN gestützt.
Mit Verfügung vom 06.12.2016 stellte das Erstgericht die Klage hinsichtlich der Drittbeklagten unter Hinweis auf § 244 Abs 1 ZPO zur Einbringung im Mahnverfahren zurück. Mit Bekanntgabe vom 07.12.2016 erklärte die Klägerin, diesem Verbesserungsauftrag nicht entsprechen zu können. Zumindest die zweit- und drittbeklagte Partei wären eine einheitliche Streitpartei, sodass es sich um einen einheitlichen Prozess handle, jedenfalls liege eine formelle Streitgenossenschaft vor. Die Beklagten könnten im Hinblick auf die Zuständigkeit nach § 92a JN gemeinsam geklagt werden. Das Mahnverfahren finde keine Anwendung wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Ausland habe, gegenständlich scheide daher das Mahnverfahren aus.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Klage hinsichtlich des Drittbeklagten zurück und schrieb in weiterer Folge für erst- und zweitbeklagte Partei für 23.03.2017 eine vorbereitende Tagsatzung aus. Rechtlich folgerte es, dass die Drittbeklagte ihren Sitz in Wien habe. In Rechtsstreitigkeiten über Klagen, mit denen ausschließlich die Zahlung eines € 75.000,-- nicht übersteigenden Geldbetrages begehrt werde, sei die Klage im Mahnverfahren als Mahnklage einzubringen. Die Klägerin sei dem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen. Die von ihr angeführten Gründe seien nicht plausibel, die zitierte Judikatur gehe von anderen Gegebenheiten aus, die auf den gegenständlichen Fall nicht umlegbar seien.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, ihn aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Im Wesentlichen wiederholt die Rekurswerberin ihr bereits in erster Instanz erstattetes Vorbringen, auf das somit verwiesen werden kann.
Diese Argumente sind berechtigt.
In Rechtsstreitigkeiten über Klagen, mit denen ausschließlich die Zahlung eines 75.000 Euro nicht übersteigenden Geldbetrags begehrt wird, hat das Gericht ohne vorhergehende mündliche Verhandlung und ohne Vernehmung des Beklagten einen durch die Unterlassung des Einspruchs bedingten Zahlungsbefehl zu erlassen, sofern nicht ein Zahlungsauftrag zu erlassen ist (§§ 555 bis 559). Ein Zahlungsbefehl darf (unter anderem dann) nicht erlassen werden, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Ausland hat (§ 244 Abs. 1, 2 Z 3 ZPO).
Daraus folgt zunächst einmal, dass grundsätzlich - bei isolierter Betrachtung – das obligatorische Mahnverfahren bei den Erst- und Zweitbeklagten nicht, beim drittbeklagten Verband aber sehr wohl anwendbar wäre, weswegen der Kläger zur Einbringung als Mahnklage nach § 1 Abs. 1 AFV 2002 verpflichtet wäre. Zur Frage der Anwendbarkeit des § 244 (bzw. früher: § 448) ZPO in Fällen, in denen nur einer von mehreren Beklagten in Österreich, der oder die übrigen Beklagte(n) aber im Ausland ihren Sitz haben, gibt es keine höchstgerichtliche Judikatur. In den Erläuternden Bemerkungen zu den Regierungsvorlagen findet sich weder bei der erstmaligen Regelung des (bezirksgerichtlichen) Mahnverfahrens innerhalb der ZPO durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 (BGBl. Nr. 135/1983; GP XX 898 d.B.), noch bei der Einführung des Ausnahmetatbestandes für im Ausland ansässige Beklagte durch die Erweiterte Wertgrenznovelle 1997 (BGBl. I Nr. 140/1997; GP XXI 962 d.B.) oder bei der Neuregelung des Mahnverfahrens durch die Zivilverfahrensnovelle 2002 (BGBl. I Nr. 76/2002; GP XXI 962 d.B.) eine Stellungnahme zu den Fällen, in denen die Voraussetzungen des Mahnverfahrens nur für einzelne von mehreren Beklagten vorliegen.
In der Literatur vertritt Kodek zu den Fällen, dass nur einer von mehreren Beklagten unbekannten Aufenthalts ist oder den Sitz im Ausland hat, die Ansicht, dass gegen die anderen ein Zahlungsbefehl erlassen werden kann. Die (grundsätzlich) „gegen die Zulässigkeit eines Teilzahlungsbefehls geäußerten Bedenken können auf diese Konstellation nicht übertragen werden, weil dadurch die Möglichkeit besteht, dass das Verfahren gegen einzelne Beklagte auf diese Weise zur Gänze beendet wird und der Kläger zumindest gegen einzelne Beklagte rasch und kostengünstig einen Titel erlangt“ (
Kodek in Fasching/Konecny2 § 244 ZPO Rz 64, 69). An anderer Stelle (aaO Rz 77) argumentiert Kodek, dass sich aus „§ 244 Abs 1 ZPO (zumindest für den Fall der gleichzeitigen Geltendmachung von Geld- und anderen Ansprüchen, zur Verallgemeinerungsfähigkeit dieser Bestimmung aaO Rz 20) die Wertung entnehmen [lässt], dass ein Zahlungsbefehl nur erlassen werden soll, wenn damit eine endgültige Erledigung des gesamten Verfahrens möglich ist. Auch § 244 Abs 2 Z 2 letzter Fall ZPO stellt eine Ausprägung des Gedankens der Prozessökonomie dar und zeigt, dass die Erlassung eines Zahlungsbefehls dann nicht erfolgen soll, wenn diese (im Fall des § 244 Abs 2 Z 2 ZPO: wegen des ohnehin zu erwartenden Einspruchs des Kurators) von vornherein nicht sinnvoll erscheint.“
Letzteres Argument scheint auch gegenständlich überzeugender: Im Hinblick darauf, dass die Beklagten solidarisch in Anspruch genommen werden und der einzige im Inland ansässige Beklagte der Versicherer ist, der im Falle eines Klagserfolges den Schaden letztendlich zu tragen hätte, wäre die Durchführung eines Mahnverfahrens unökonomisch und würde auf einen reinen Formalismus hinauslaufen.
Gegenständlich kommt es nicht einmal darauf an, in wie weit die Beklagten eine einheitliche Streitpartei bilden (siehe dazu Fucik in Rechberger, § 14 ZPO Zt 4). Schon aus dem Umstand, dass sie auf Grund einer solidarischen Haftung gemäß § 11 Z 1 ZPO als materielle Streitgenossen in Anspruch genommen werden, ergibt sich, dass dies in einer Klage erfolgen kann. Folglich gibt es für eine Aufteilung dahingehend, dass ein Teil der Beklagten mit Schriftsatz und ein anderer mit Mahnklage zu belangen ist keine Grundlage. Sobald die Voraussetzungen für das obligatorische Mahnverfahren nach § 244 ZPO nur für eine beklagte Partei nicht vorliegen, ist dieses nicht anzuwenden. Der Beschluss ist daher aufzuheben und hinsichtlich aller Beklagter im ordentlichen Verfahren fortzufahren.
Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.
Da der Wert des Entscheidungsgegenstandes € 5.000,-- nicht übersteigt, ist der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig.
Textnummer
EWN0000029European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LG00239:2017:01800R00006.17M.0314.000Im RIS seit
19.02.2018Zuletzt aktualisiert am
19.02.2018