TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/6 L524 2134456-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.02.2018
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Entscheidungsdatum

06.02.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L524 2134456-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER, LL.B. über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch RA Mag. German BERTSCH, Saalbaugasse 2, 6800 Feldkirch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.08.2016, Zl. 1068084100/150484710, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.01.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3

und § 57 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 11.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.05.2015 brachte der Beschwerdeführer vor, er sei Araber und Moslem und habe bisher keine Ehe geschlossen. Im Irak würden noch seine Eltern, ein Bruder und drei Schwestern leben. Er habe von 1984 bis 2004 die Grundschule und von 2004 bis 2007 das Gymnasium in Mossul besucht. Am 04.04.2015 sei er aus dem Irak ausgereist. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass den Irak wegen der Kriegslage verlassen habe. Er sei Sunnit und werde vom IS als Ungläubiger beschuldigt und verfolgt. Er habe Angst, getötet zu werden.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 01.12.2015 legte der Beschwerdeführer einen Staatsbürgerschaftsnachweis, einen Personalausweis und eine Führerschein vor. Diese Dokumente seien ihm aus dem Irak von seinem Schwager per DHL geschickt worden. Sein Schwager sei Kurde und lebe in Dohuk. Alle in der Erstbefragung von ihm gemachten Angaben seien richtig. Er habe bis 2008 die Schule besucht. Als Buchhalter habe er gearbeitet und er kenne sich mit Computern aus. Seine Familie lebe derzeit in einem Flüchtlingslager. Alle drei Wochen habe er Kontakt mit seiner Familie. Die letzten 20 Tage vor seiner Ausreise aus dem Irak habe er sich in einem Flüchtlingslager an der Grenze zu Kurdistan aufgehalten. Er habe auch noch Onkeln und Tanten im Irak, die in Mossul oder in Flüchtlingslagern leben würden. Der Beschwerdeführer habe bei seinem Vater gearbeitet, der Ingenieur sei. Damit habe er seinen Lebensunterhalt bestritten. Pro Monat habe er durchschnittlich 150,- bis 200,- USD verdient. Sein Vater sei noch immer im Besitz einer Wohnung und eines Geschäfts. Bis August 2014 habe er gearbeitet, als Mossul in den Besitz des IS gefallen sei. Im August 2014 habe sich der Beschwerdeführer zur Ausreise aus dem Irak entschieden und am 04.04.2015 sei er tatsächlich ausgereist. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass er im Irak bei seiner Familie gewohnt habe. Nach dem Putsch von Mossul habe er den Irak verlassen. Er könne an keinem anderen Ort leben. Der IS habe ihn im November 2014 einmal festgenommen, weil er eine Zigarette geraucht habe. Daraufhin sei er 80 Mal mit dem Gürtel auf den Rücken geschlagen worden. Davor habe der IS veröffentlicht, dass Rauchen verboten sei. Er selbst habe davon aber noch nichts gewusst, als er beim Rauchen erwischt worden sei. Nach der Prügelstrafe sei er nach Hause gegangen und habe die Wohnung nicht mehr verlassen. Wenn er geblieben wäre, hätte er einrücken müssen. Das habe er nicht gewollt. Als er bei der Arbeit gewesen sei, sei er von den Milizen bedroht worden, weil er mit der Regierung oder der Behörde gearbeitet habe. Sie hätten gewollt, dass er diese Arbeit verlasse und mit der Regierung zusammenarbeite. Die Milizen würden sagen, dass jeder, der in der Behörde arbeite, ein Terrorist wäre. Er habe immer Geld zahlen müssen, damit sie ihn in Ruhe gelassen hätten. Es sei Anfang 2011 ein Drohbrief geschickt worden und sie hätten 5.000 USD bezahlen müssen, oder sie hätten den Vater getötet. Der Beschwerdeführer habe ihnen gesagt, dass sie das Geld nicht hätten. Daraufhin hätten sie weiter problemlos in Mossul gelebt. Mossul habe er im März 2015 verlassen. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass Mossul Ende Juli/Anfang August 2014 in Mossul einmarschiert sei.

3. Mit Bescheid des BFA vom 16.08.2016, Zl. 1068084100/150484710, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der vorgebrachte Sachverhalt bezüglich der behaupteten Verfolgung in seiner Gesamtheit als nicht glaubhaft zu beurteilen gewesen sei, weshalb ein asylrelevanter Sachverhalt als Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG nicht habe festgestellt werden können. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

5. Der Beschwerdeführer richtete am 31.10.2017 einen Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof. Mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.11.2017, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 21.11.2017, wurde dem Bundesverwaltungsgericht aufgetragen, binnen drei Monaten eine Entscheidung zu erlassen.

6. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 10.01.2018 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers nahm an der Verhandlung nicht teil. Der Beschwerdeführer gab dazu befragt an, dass sein Anwalt für eine Teilnahme mehr Geld hätte haben wollen, was der Beschwerdeführer aber nicht habe. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Dem Beschwerdeführer wurden im Rahmen der Verhandlung Berichte zur Lage im Irak ausgehändigt und ihm hierfür die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

7. Am 24.01.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den ihm in der mündlichen Verhandlung ausgehändigten Berichten ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist Moslem. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat in Mossul sechs Jahre die Volksschule, drei Jahre die Mittelschule und zwei Jahre eine höhere Schule besucht. Der Beschwerdeführer hat als Taxifahrer, als Buchhalter und als Schweißer gearbeitet.

Der Beschwerdeführer verließ ca. im April 2015 den Irak und reiste schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 11.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Beschwerdeführer lebte in XXXX in Mossul in einem Haus seines Großvaters. In diesem Haus leben derzeit seine Mutter und zwei Schwestern. Etwa einmal im Monat hat er Kontakt zu seiner Familie. Sie leben von ihren Ersparnissen und erhalten Unterstützung von Hilfsorganisationen.

Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich und er ist auch kein Mitglied in einem Verein oder sonstigen Organisation. Er hat im Jahr 2016 vier Deutschkurse (Lesen & Schreiben 2, Kurs A1.1, Kurs A1.2, Kurs A2.1) besucht. Der Beschwerdeführer legte eine undatierte Einstellungszusage vor, aus der hervorgeht, dass er "voraussichtlich" eingestellt werde. Die konkrete Stelle, wofür der Beschwerdeführer voraussichtlich eingestellt werden soll, geht daraus nicht hervor.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Er wurde im Jänner 2018 wegen einer akuten Appendizitis stationär in einem Krankenhaus behandelt. Dem Beschwerdeführer wurde körperliche Schonung für die folgenden 14 Tage empfohlen und bei Bedarf ein Schmerzmittel verschrieben. Ein Kontrolle beim Hausarzt eine Woche nach Operation war vorgesehen.

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, wonach er im Jahr 2011 einen Drohbrief von einer Miliz erhalten habe und sie von ihm Geld verlangt hätten, der Beschwerdeführer im Jahr 2014 vom IS wegen des Rauchens einer Zigarette ausgepeitscht worden sei und er befürchtet habe, beim IS mitmachen zu müssen, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seiner Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Nach neun Monaten heftigen Kämpfen um Mossul erklärte Premier Abadi am 9. Juli 2017 die Stadt für befreit. Es werden jedoch weiterhin Sprengkörper, Minen, Waffen und versteckte IS-Kämpfer beseitigt.

Nach einer Blitzkampagne von 10 Tagen erklärte Premier Abadi die vollständige Einnahme Tal Afars sowie der gesamten Provinz Ninewa durch die ISF. Tal Afar liegt 80 km westlich von Mossul und wurde von 2000 IS-Kämpfern verteidigt. Die einfache Eroberung wird als Beweis für die Schwäche der Gruppe sowie die Präferenz im Untergrund weiterzukämpfen, verstanden.

Der irakische Regierungschef Haider al-Abadi hat im Dezember 2017 den Krieg gegen die IS-Terrormiliz in seinem Land für beendet erklärt. Der Irak sei "vollständig befreit", sagte der Ministerpräsident. Die gesamte Grenze zum Nachbarland Syrien sei unter der Kontrolle irakischer Streitkräfte. Die Extremistenmiliz des sogenannten "Islamischen Staates" sei im Irak somit endgültig besiegt, die "Befreiung aller Landesteile" sei abgeschlossen, sagte Al-Abadi bei einer Konferenz in Bagdad. Dieser Sieg sei nicht nur ein Sieg für die Iraker, sondern für alle Araber und Muslime. Der Militärkommandeur Abdel Amir Raschid Jar Allah bestätigte, dass die Kampfeinsätze abgeschlossen seien. 2014 hatten Kämpfer der Terrormiliz ein Drittel des irakischen Gebiets besetzt und von der Stadt Mossul aus im Norden des Landes ein Kalifat ausgerufen, das sich über die Landesgrenze nach Syrien erstreckte. In den vergangenen Monaten drängten irakische Bodentruppen mit Unterstützung durch US-amerikanische Streitkräfte die Milizen immer weiter zurück. Mossul wurde im Sommer zurückerobert. Vor wenigen Tagen teilte das US-Militär bereits mit, in Syrien und im Irak hielten sich mittlerweile weniger als 3.000 IS-Kämpfer auf. Das russische Verteidigungsministerium erklärte am Donnerstag den Krieg gegen die Terrormiliz für beendet.

Nach der erfolgreichen Einnahme von Mossul und Tal Afar durch die ISF, befürchten IS-Kämpfer ihre letzten Hochburgen im Irak zu verlieren. Familien von IS-Kämpfern fliehen Berichten zufolge täglich aus der Stadt al-Sharbat, südlich von Mossul gelegen, in unbekannte Destinationen. Die Stadt Hawija, welche 55 km südwestlich der erdölreichen Stadt Kirkuk liegt, ist voraussichtlich das nächste Ziel der ISF und der US-geführten Anti-IS-Koalition. Die verbliebenen IS-Kämpfer bestehen vor allem aus lokalen Kämpfern, welche beharrlich um die letzten Gebiete im Irak kämpfen werden. Unterdessen bereiten sich die ISF und kurdische Kräfte auf eine mögliche Entstehung von Post-IS Milizen vor und konzentrieren sich auf Überwachungsmaßnahmen durch Grenzkontrollen, Checkpoints und geheimdienstliche Aufklärung, aber auch auf Aufstandsbekämpfungen.

Die International Organization for Migration (IOM) schreibt in ihrem Community Stabilization Handbook 2015-2016 vom Jänner 2017, dass die Provinz Sulaymaniya nicht von der Gruppe Islamischer Staat (IS) angegriffen worden sei, als diese große Teile des Nordwestens des Irak im Jahr 2014 überrannt habe. Die Sicherheitslage in Sulaymaniya wird als im Allgemeinen stabil bezeichnet. Es habe sehr wenige Sicherheitszwischenfälle gegeben, darunter eine Schießerei beim Führungsrat der Kurdistan Democratic Party (KDP) und ein Kampf im Chavy Land Amusement Park während der Newroz-Feierlichkeiten. Es habe auch einige Demonstrationen für die Bezahlung der Beamten und für bessere Wasserversorgung gegeben.

Es gab eine Reihe intensiver, hochgradig koordinierter Militäroffensiven, die von der Regierung gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) durchgeführt wurden, mit dem Ziel, den IS aus dem Land zu vertreiben. Diese Offensiven führten dazu, dass die territoriale Kontrolle des IS im Irak beendet wurde. Eine bemerkenswerte Entwicklung ist der sichtbare Rückgang der Sicherheitsvorfälle in Gebieten, die bisher als IS-Hotspots in nichtumkämpften Gebieten ausgewiesen wurden. Dies ist einerseits auf die grundsätzlich schweren Verluste des IS und andererseits darauf zurückzuführen, dass IS-Kämpfer in umkämpfte Gebiete verlegt wurden.

Die Offensiven in Mossul, Tal Afar, Hawija und im westlichen Anbar haben erfolgreich dazu beigetragen, den IS zurückzudrängen und ihrer territorialen Kontrolle im Irak ein Ende zu bereiten. Die Sicherheitsvorfälle im Irak sind sichtbar zurückgegangen, unter anderem auch in Bagdad. Dies ist hauptsächlich auf die Intensität der Militäroffensiven zurückzuführen, was den IS dazu zwang viele IS-Kämpfer an der Front einzusetzen. Der IS kann seine Angriffe im ganzen Land nicht mehr so aufrechterhalten, wie es einmal war.

Das Gouvernement Anbar ist nach der Fallujah-Offensive im Juni 2017 weiterhin volatil. Nach der Befreiung Falludschas haben irakische Truppen und sunnitische Stammeskämpfer weiterhin IS-Städte geräumt und Territorien im Nordwesten gesichert, etwa in Haditha. Die Lage änderte sich allmählich während der Hawija-Offensive im September 2017, als sich die irakische Regierung dazu entschloss, die militärischen Operationen zu verstärken, um den IS im Westen von Anbar zu stoppen, mit dem Ziel, die IS-Truppen vollständig aus dem Irak zu vertreiben und der Wiederherstellung der irakisch-syrischen Grenze. Die irakischen Sicherheitskräfte konnten al-Qaim am 03.11.2017 zurückerobern. Militärische Fortschritte gab es danach in der Nachbarstadt Rawa, wo das letzte verbliebene IS-Gebiet am 11.11.2017 erobert und 10.000 Zivilisten befreit wurden.

In Bagdad ereignete sich im Juli 2016 die tödlichste Attacke seit 2003. Es gab danach eine Serie von Selbstmordanschlägen. Die Sicherheitslage verbesserte sich mit dem Beginn der Mossul-Offensive und nach einer kurzzeitigen Verschlechterung zu Beginn des Jahres 2017 verringerten sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle wieder und nahmen mit der Niederlage des IS im Juli 2017 weiter ab. Im Juni 2017 wurden die wenigsten Angriffe verzeichnet. Irakweit betrachtet passieren in Bagdad die meisten Angriffe.

Diyala besteht aus einer einzigartigen und vielfältigen ethnischen und religiösen Bevölkerung. Es leben dort Araber, Kurden, Turkmenen und sowohl Schiiten als auch Sunniten. Das Gouvernement Diyala wurde im Jänner 2015 als erstes vom IS befreit. Vom IS ausgeführte Angriffe richten sich meist gegen schiitische Milizen, etwa an Checkpoints, die dann Gegenangriffe auslösen. Angriffe finden meist im Zentrum und im Norden des Gouvernements statt. Die meisten sicherheitsrelevanten Angriffe gab es im Juli 2014. Seither ist ein deutlicher Rückgang zu vermerken.

In Kirkuk leben Kurden, Turkmenen und Araber. Die Provinz ist für 40 % der Erdölproduktion verantwortlich. Die Sicherheitslage war zwischen Juli 2016 und November 2017 weitgehend stabil, mit Ausnahme des Distrikts Hawija. Dieser Distrikt stand seit Juni 2014 unter Kontrolle des IS. Vor dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum gab es in der Stadt Kirkuk nur wenige sicherheitsrelevante Vorfälle. Nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum verschlechterte sich die Situation im September/Oktober 2017. Der Konflikt zwischen der Zentralregierung in Bagdad und der KRG (KRI) in Erbil während des kurdischen Referendums im September 2017 verschärfte die Spannungen zwischen der ethnisch vielfältigen Bevölkerung in Kirkuk. Die irakischen Truppen haben im Oktober 2017 die Kontrolle über wichtige Regierungsgebäude in der Stadt Kirkuk, den Flughafen, die Militärbasis und ein Ölfeld übernommen. Am 20.09.2017 starteten die ISF eine Offensive in Hawija. Die Rückeroberung der Gebiete dauerte nur wenige Tage. Am 05.10.2017 verkündete der irakische Premier den Sieg. Nach dem Rückzug der Peshmerga aus dem Gouvernement ist die bewaffnete Konfrontation abgeklungen.

Im Gouvernement Ninewa begann im Oktober 2016 die Mossul-Offensive, die Anfang Juli 2017 endete. Nachdem Ost-Mossul im Jänner 2017 befreit wurde, folgte die Befreiung des bevölkerungsreicheren Westen Mossuls. Die Gewaltakte haben nachgelassen. Es gibt sporadische Selbstmordattentate gegen irakische Streitkräfte und Mitglieder der PMU/PMF. Die durchschnittliche Anzahl der täglichen Attacken in Ninewa bewegt sich zwischen zwei und fünf. Zwischen Jänner und April 2017 lag sie noch zwischen zehn und 15. Von April bis September 2017 sank die Zahl kontinuierlich auf ca. zwei. Nach der Mossul-Offensive erfolgte die Tal Afar-Offensive. Tal Afar liegt 80 km westlich von Mossul. In Tal Afar ist geteilt zwischen Sunniten und Schiiten und es leben dort hauptsächlich Turkmenen. Am 01.09.2017 erklärte Premier Abadi den Sieg über den IS in Tal Afar, der das Ende der Kontrolle des IS in Ninewa markierte.

Das Gouvernement Salah al-Din wurde in den frühen Stadien der Offensive der irakischen Streitkräfte gegen den IS befreit. Tikrit, Saddam Husseins Geburtsort, ist ein großes Symbol der sunnitischen Herrschaft im Zentralirak. In Salah al-Din befindet sich auch der schiitische al-Askari Schrein in Samarra, eine der heiligsten Stätten im schiitischen Islam. Der Angriff auf den Schrein im Jahr 2006 löste eine Gewaltwelle zwischen sunnitischen und schiitischen Gruppierungen aus, die sich auf andere Teile des Landes ausbreitete. Schiitische PMU-Milizen begannen im April 2015 die IS-Milizen aus der Stadt zu vertreiben. Die Sicherheitslage ist vergleichsweise stabil.

Die südlichen Gouvernements waren nicht direkt von den Konflikten in den nördlichen und zentralen Gouvernements betroffen. In relativ geringem Ausmaß gab es auch hier IS-Angriffe (durchschnittlich drei bis zehn pro Monat). Die Gouvernements Basra und Babil waren dabei in erster Linie betroffen. Bei den Vorfällen handelt es sich um IEDs, Autobomben oder Scheißereien. Im Nordwesten von Babil befindet sich die Stadt Jurf al-Sakhr, die die einzige mehrheitlich sunnitische Stadt im Gouvernement ist. Die Stadt wurde 2014 vom IS befreit, aber anders als andere befreite Städte bleibt sie wegen ihrer Lage entvölkert. Die Stadt liegt nämlich an der Straße, die zu den heiligen schiitischen Städten im Süden führt – Najaf und Karbala. Im ölreichen Gouvernement Basra gibt es Kämpfe zwischen rivalisierenden Stämmen und Ackerland und Landbesitz.

Die Sicherheitslage in den nördlichen Gouvernements in der Region Kurdistan (KRI/KRG) ist stabil und in der Hand der kurdischen Behörden. Auch diese Gouvernements waren nicht direkt von den Militäroffensiven betroffen. Die Sicherheitslage ist nach dem Abzug kurdischer Peshmerga-Gruppen aus Kirkuk und anderen zuvor kontrollierten Gebieten unverändert. Die Peschmerga-Streitkräfte behalten weiterhin die Kontrolle über das Territorium der KRI. Der Grenzübergang zum Iran ist wieder geöffnet. Internationale Flüge von und nach KRI sind nicht möglich. Inlandsflüge zwischen Bagdad und der KRI sind weiterhin möglich.

Im Zeitraum Jänner 2014 bis November 2017 gab es im Irak insgesamt ca. 2,9 Millionen Binnenvertriebenen (IDPs) sowie 2,8 Millionen Rückkehrer. Die Gesamtzahl der IDPs sank um 9 %. In 17 von 18 Gouvernements gab es Rückgänge und insbesondere 25 % in Erbil, 18 % in Salah al-Din und 5 % in Kirkuk. Nach einem Anstieg der Zahl der Rückkehr im Oktober 2017 um 15 % (342.060), blieb es bei einer Steigerung um 5 % (135.228) im November 2017. Die höchste Steigerung gab es in Ninewa (72.684), wo sie bei 14 % lag. Mit Stand 30.11.2017 leben 83 % der IDPs in sieben Gouvernements: 33 % in NInewa (941.166), 12 % in Dohuk (360.342), 10 % in Erbil (276.744), 9 % in Salah al-Din (264.642), 8 % in Kirkuk (221.088), 7 % in Bagdad (210.096) und 4 % in Anbar (124.182). Die IDPs stammen aus neun der 18 Gouvernements, mehr als die Hälfte jedoch aus Ninewa (57 %), danach folgen Anbar (16 %) und Salah al-Din (13 %).

Ost-Mossul ist seit Jänner 2017 wieder unter Kontrolle der Iraqi Security Forces (ISF). Zwischen Februar und Mai 2017 wurden 90 % von West-Mossul wieder unter Kontrolle gebracht und seit Juli 2017 ist Mossul vollständig vom IS befreit. Insgesamt 870.381 der binnenvertriebenen Personen (IDPs) stammen aus Mossul. In Mossul gibt es vier verschiedene Bevölkerungsgruppen: IDPs aus anderen Gegenden Mossuls, umliegenden Dörfern und Städten; Personen die in ihr Herkunftsgebiet zurückkehrten (Rückkehrer); Personen, die nicht vertrieben wurden und jene Personen aufgenommen haben, die vertrieben wurden; Personen, die nicht vertrieben wurden und die Binnenvertriebene nicht unterstützen. Assessement Working Group Iraq (AWG) untersuchte 14 Viertel in Ost-Mossul und 29 Viertel in West-Mossul. Rückkehrer gab es in allen 43 Vierteln. Dies bedeutet eine Steigerung gegenüber dem ersten Bericht von AWG, als es in 80 % der 45 untersuchten Viertel Rückkehrer gab. In fast jedem Viertel, in dem es IDPs gibt, gibt es auch Familien, die diese beherbergen (Gastfamilien). Das zeigt, dass die Unterbringung bei Gastfamilien in Mossul üblich ist. Über zwei Viertel (Al-Qudus und Al-Kuwait) liegen Informationen vor, dass es dort keine Gastfamilien gibt. Hier werden Unterkünfte überwiegend angemietet. Der hohe Anteil von Familien, die nicht vertrieben wurden und IDPs beherbergen, gründet sich auf Freundes- und Familiennetzwerke, die durch die gesamte Stadt bestehen. Die Hauptgründe für eine Rückkehr liegen in einem verbesserten Sicherheitsgefühl im Herkunftsgebiet (in allen Vierteln Ost-Mossuls und in 72 % der Viertel in West-Mossul) und hohen Lebenskosten an jenen Orten, wo Zuflucht gefunden wurde. Die Bewegungsfreiheit in und um Mossul ist gegeben. Sofern es Einschränkungen gibt, betrifft dies meistens IDPs. Die Wasserversorgung hat sich in Ost-Mossul verbessert, in West-Mossul wird sie durch LKW-Transporte, Brunnen und in Flaschen abgefülltem Wasser sichergestellt. In Ost-Mossul hat sich der Zugang zu Wasser und Nahrung verbessert.

Ein Projekt des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit der Bezeichnung "Verbesserung der Lebensgrundlage und Rahmenbedingungen für rückkehrende Flüchtlinge und die ortsansässige Bevölkerung in der Provinz Ninewa im Nord Irak" hat das Ziel, die sozialen und ökonomischen Grundlagen für Rückkehrer und die lokale Bevölkerung kontextsensibel zu verbessern. Ein weiteres Augenmerk liegt auf der Stärkung des sozialen Zusammenhaltes zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in den Gemeinden. Zur Förderung werden bei Entscheidungsprozessen Vertreter alle Bevölkerungsgruppen eingebunden. Darüber hinaus werden verschiedene soziale Aktivitäten angeboten. Das Projekt läuft von 2016 bis 2018.

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Rund 90% der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten zumindest außerhalb der Region Kurdistan-Irak schwierig. Es gibt Lebensmittelgutscheine für Bedürftige. Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich.

Es gibt inzwischen regelmäßige Linienflüge wichtiger Luftfahrtgesellschaften, u. a. aus Europa und Staaten des Nahen Ostens, nach Bagdad (Royal Jordanian, Middle East Airlines, Turkish Airlines). Es gibt Inlandsflüge zwischen Sulaymaniya und Basra sowie Bagdad (Iraqi Airways), weiters gibt es Inlandsflüge zwischen Erbil und Bagdad, Basra sowie Najaf (Iraqi Airways, Fly Baghdad). Mitunter kehren Iraker mit Hilfe der Internationalen Organisation für Migration (IOM) aus Deutschland über Amman freiwillig nach Irak zurück. Seit 01.01.2017 werden für Rückkehrer aus Österreich insgesamt drei Reintegrationsprojekte angeboten: RESTART II von der Internationalen Organisation für Migration (IOM), IRMA plus von der Caritas Österreich und ERIN vom Bundesministerium für Inneres (BM.I). Das Projekt ERIN betrifft Rückkehrer in den Irak. 2015 kehrten 754 Personen in den Irak zurück. Die meisten von IOM Österreich im Jahr 2016 unterstützten Personen kehrten in den Irak(1.396 Personen) zurück. Im ersten Halbjahr 2017 unterstützte IOM Österreich insgesamt 1.716 Menschen (1.286 Männer und 430 Frauen) bei der freiwilligen Rückkehr in ihre Herkunftsländer. Die mit Abstand größte Gruppe (356 Personen) kehrte in den Irak zurück, womit sich der Trend aus dem Vorjahr fortsetzt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit, zu seiner Schulbildung und seiner beruflichen Tätigkeit im Irak, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren, den Verwaltungsakten und dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Lebenslauf. Es ist kein Grund ersichtlich, daran zu zweifeln. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Moslem ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben. Dass der Beschwerdeführer sunnitischer Moslem ist, konnte jedoch nicht festgestellt werden, da der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, die konkrete Glaubensrichtung des sunnitischen Islam zu benennen, der er angehören würde.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug, jeweils vom 01.02.2018.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

Als der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls; um Schreibfehler bereinigt) vor dem Bundesverwaltungsgericht aufgefordert wurde, ausführlich seine Fluchtgründe zu schildern, erschöpften sich seine Angaben in wenigen Sätzen zur derzeitigen Lage in Mossul:

"R: Schildern Sie ausführlich Ihre Fluchtgründe, also die Gründe, aus denen Sie den Irak verlassen haben und nennen Sie dabei auch Details.

BF: Der IS ist der Hauptgrund. Ich habe gehört, dass Mosul vom IS befreit ist. Das sagen die Medien, aber die Tatsachen sind anders. Jene, die den Platz des IS eingenommen haben, sind auch nicht besser. Da sind die Milizen, die jetzt dort sind.".

Auf die Wiederholung der Frage nach seinem Fluchtgrund, konnte der Beschwerdeführer diesen erneut nicht präzisieren:

"R wiederholt die Frage.

BF: Ich bin Sunnite. Die jetzt dort herrschenden Gruppen werden mich rekrutieren. Diese sehen sich alle als Regierung an. Wenn ich etwa einen Reisepass oder eine Geburtsurkunde möchte dann weiß ich nicht wo ich hingehen soll. Die Infrastruktur funktioniert nicht, die Banken funktionieren nicht, die Gemeinden funktionieren nicht."

Dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers machte es in der gesamten Verhandlung erforderlich, mehrfach nachzufragen, um ein konkretes Vorbringen des Beschwerdeführers zu erhalten. Aber auch als der Beschwerdeführer gefragt wurde, was der konkrete Auslöser war, dass er am 04.04.2015 den Irak verlassen habe, machte er keine präzisen Angaben:

"R: Sie haben am 04.04.2015 den Irak verlassen, was war der Auslöser, dass Sie an diesem Tag ausgereist sind?

BF: "Ich und ein Freund haben uns entschieden, Mossul zu verlassen, wir hatten genug, ich konnte es nicht mehr aushalten dort."

Schon auf Grund dieser vagen und unkonkreten Angaben ist es nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer wegen einer Furcht vor einer Verfolgung den Irak verlassen hat. In diesem Zusammenhang wird auf die Einvernahme vor dem BFA verwiesen, wo der Beschwerdeführer ebenso wenig in der Lage war, ein konkretes Fluchtvorbringen zu schildern. Dort gab er im Wesentlichen an, dass er den Irak nach dem Putsch von Mossul verlassen habe und er einmal vom IS wegen des Rauchens einer Zigarette ausgepeitscht worden sei. Es zeigt sich damit, dass der Beschwerdeführer kein konkretes Verfolgungsszenario schildern konnte, welches ihn zur Ausreise veranlasst habe.

Auffallend in der Einvernahme vor dem BFA ist, dass der Beschwerdeführer zwar angibt, Mossul wegen der Einnahme durch den IS verlassen zu haben, aber er nicht einmal annähernd das richtige Datum nennen konnte, wann der IS Mossul erobert habe. So behauptete er mehrfach, dies sei im August 2014 bzw. Ende Juli/Anfang August 2014 gewesen. Auf den Vorhalt, dass dies im Juni 2014 gewesen sei, meinte der Beschwerdeführer, er könne sich nur erinnern, es sei am Anfang des Ramadan gewesen. An ein genaues Datum könne er sich nicht erinnern (AS 56, 58 und 59). Es verwundert daher umso mehr, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht dann plötzlich in der Lage war, ein genaues Datum und vor allem das richtige Datum der Einnahme Mossuls durch den IS zu nennen. Auf den Vorhalt, ob er dies nachrecherchiert habe, verneinte der Beschwerdeführer dies und meinte, er hätte bei der Einvernahme einen Fehler gemacht und Juli oder August gesagt (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Dieser Erklärungsversuch überzeugt jedoch nicht, zumal der Beschwerdeführer vor dem BFA ausdrücklich erklärte, er könne sich nicht an ein genaues Datum erinnern. Vielmehr ist durch dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers der Eindruck entstanden, dass er gewillt ist, die österreichischen Behörden und Gerichte zu täuschen. Auch diese Angaben vor dem BFA sprechen gegen eine Glaubhaftmachung des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung weiter an, dass er nach der Einnahme Mossuls am 09.06.2014 nicht mehr gearbeitet habe, da es ein totales Blackout gegeben habe (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Dazu widersprüchlich sind seine Angaben vor dem BFA, wo er zweimal erklärte, bis August 2014 gearbeitet zu haben (AS 56 und 58). Der Beschwerdeführer konnte in der mündlichen Verhandlung auch nicht plausibel beschreiben, wie er den Tag der Einnahme Mossuls durch den IS verbracht habe. Es blieb bei Schilderungen von Allgemeinplätzen, ohne auch nur mit einem Satz zu erwähnen, was er an diesem Tag gemacht habe (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls):

"R: Wie haben Sie den Tag oder die Tage nach der Übernahme, in Mosul, verbracht?

BF: Am Anfang spürten wir, dass noch ein bisschen Mobilität bzw. Freiheit herrscht. Nach der totalen Einnahme Mosuls haben wir viele Verbote gespürt. Es war verboten zu rauchen, Männer durften keine lange Haare haben, enge Hosen. Fünf Mal am Tag musste man beten, wer sich wiedersetzt wird bestraft. Wer nicht in die Moschee geht wird festgenommen. Was wir früher durften war nicht mehr erlaubt."

Diese allgemein gehaltenen Aussagen des Beschwerdeführers und die widersprüchlichen Angaben zum letzten Tag seiner beruflichen Tätigkeit lassen den Verdacht aufkommen, dass der Beschwerdeführer zur Zeit der Einnahme Mossuls gar nicht mehr dort gelebt hat. Dies würde auch erklären, weshalb der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, das konkrete Datum der Einnahme Mossuls in der Einvernahme vor dem BFA zu benennen und weshalb er auch nicht angeben konnte, was er am Tag der Einnahme Mossuls durch den IS gemacht habe.

Als im Laufe der Verhandlung erneut ein Versuch unternommen wurde, den Beschwerdeführer zu einer konkreten Schilderung seiner Ausreisemotivation zu bewegen, gab der Folgendes an (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls):

"R: Sie sind im März 2015 nach Dohuk gegangen, warum haben Sie sich im März 2015 dazu entschlossen?

BF: Ich hatte Angst dass ich beim IS mitmachen muss wenn ich dort weiterhin bleibe.

R: Sind Sie konkret vom IS dazu aufgefordert worden oder war das bis dorthin eine Befürchtung?

BF: Ich habe das gespürt. Von jeder Familie mussten einer oder zwei mit ihnen arbeiten.

R: Hatten Sie selbst Kontakt zum IS?

BF: Nein.

R: Warum haben Sie sich im April 2015 entschlossen den Irak zu verlassen?

BF: Aus Angst dass ich mit der IS arbeiten muss. Das hat mich zur Ausreise veranlasst.

R: In Dohuk waren Sie sicher?

BF: Ich lebte dort dahin, ich konnte nichts machen bzw. arbeiten, ich war wie ein Toter."

Damit stellte sich heraus, dass es sich bei dem Vorbringen, er habe Angst gehabt, beim IS mitmachen zu müssen, um eine bloße Vermutung des Beschwerdeführers handelte. Die konkret gestellte Frage, ob er selbst Kontakt zum IS gehabt habe, verneinte er. Der Beschwerdeführer konnte nicht überzeugend vorbringen, er hätte den Irak im April 2015 wegen des IS verlassen müssen, zumal er erklärte, er habe Dohuk deshalb verlassen, da er dort nichts habe machen bzw. nicht habe arbeiten können.

Sein Vorbringen, keinen Kontakt zum IS gehabt zu haben, widerspricht jenem Vorbringen vor dem BFA, wo er erklärte, dass er einmal vom IS wegen des Rauchens einer Zigarette ausgepeitscht worden sei (AS 58). Auf die Frage in der mündlichen Verhandlung, ob er jemals selbst auch vom IS aufgefordert worden sei, sich an das Rauchverbot zu halten, verneinte der Beschwerdeführer dies, was angesichts seines Vorbringens vor dem BFA, ausgepeitscht worden zu sein, doch verblüfft. Der Beschwerdeführer wurde dann auch gefragt, ob seine Behauptung vor dem BFA, beim Rauchen erwischt worden zu sein, nicht stimme. Dazu meinte der Beschwerdeführer lapidar, "doch" [das stimmt], aber er habe nicht mit dem Rauchen aufgehört. Es verwunderte sehr, dass der Beschwerdeführer nicht die Gelegenheit wahrnahm zu schildern, dass er deswegen sogar ausgepeitscht worden sei. Indem er dies nicht getan hat, entstand aber gerade der Eindruck, dass die Auspeitschung gar nicht passiert ist. Dieser Eindruck bestätigte sich dann auch durch die Antwort des Beschwerdeführers auf die Frage, was ihm konkret passiert sei, als ihn der IS beim Rauchen erwischt habe. Er gab nämlich nur an, dass er geschlagen worden sei. Nähere Angaben dazu machte der Beschwerdeführer jedoch nicht. Dies gestaltete sich in der mündlichen Verhandlung wie folgt (Seiten 9 und 10 des Verhandlungsprotokolls):

"R: Rauchen Sie?

BF: Ja.

R: Sind Sie selbst auch einmal von IS aufgefordert worden sich an das Rauchverbot zu halten?

BF: Nein.

R: Vor dem BFA sagten Sie, dass Sie einmal vom IS beim Rauchen erwischt worden seien, stimmt das nicht?

BF: Doch, aber ich hörte nicht damit auf.

R: Ist Ihnen etwas daraufhin durch den IS passiert?

BF: Ja, ich bin geschlagen worden. Jetzt ist alles wieder wie früher. Man kann wieder Rauchen. Mein Problem ist, dass ich jetzt in Mosul gesucht werde. Es gibt keine Regierung, eine Stabilität dort."

Da der Beschwerdeführer die noch vor dem BFA behauptete Auspeitschung von sich aus in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht erwähnte, sondern erst mühsam erfragt werden musste und der Beschwerdeführer erst auf die konkret gestellte Frage, ob er einmal vom IS beim Rauchen erwischt worden sei, dies behauptete, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass er jemals vom IS beim Rauchen erwischt und deswegen mit 80 Schlägen ausgepeitscht worden wäre.

Im Zusammenhang mit der knappen Schilderung, dass er vom IS geschlagen worden sei, meinte der Beschwerdeführer, dass jetzt alles wieder wie früher wäre und man wieder rauchen könne und brachte dann ein neues Problem ins Spiel. Nunmehr würde er in Mossul gesucht werden. Es gebe dort keine Regierung und keine Stabilität (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer sah sich offenbar gezwungen, einen neuen Fluchtgrund zu kreieren, da Mossul nunmehr vom IS befreit ist und seinem bisherigen Vorbringen die Grundlage entzogen ist. Der Beschwerdeführer war jedoch auch hinsichtlich des neuen Vorbringens nicht in der Lage, dieses auf Grund seiner Ausführungen glaubhaft zu machen. Es war wiederum mehrfaches Nachfragen notwendig, um überhaupt ein etwas konkreteres Vorbringen zu erhalten. Anhand des folgenden Auszugs aus dem Verhandlungsprotokoll zeigt sich, dass der Beschwerdeführer weder angeben kann, welche Miliz ihn suche noch konnte er plausibel darlegen, woher er überhaupt wisse, dass er gesucht werde. Die Antworten des Beschwerdeführers waren vielmehr ausweichend und vage (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls):

"R: Von wem werden Sie in Mossul gesucht?

BF: Die Milizen die dort herrschen suchen mich.

R: Alle Milizen?

BF: Es sind alle gleich.

R: Woher wissen Sie dass Sie gesucht werden?

BF: Mein Vater und mein Bruder sind verschwunden. Meine Verwandten wurden nach mir gefragt. Seit 2015 bin ich weg. Wenn meine Familie sich weigert Informationen über mich zu geben dann bekommen sie Schwierigkeiten.

R: Was würde passieren, wenn Sie wieder in den Herkunftsstaat zurück müssten?

BF: Die Gruppen die dort herrschen würden mir sehr wehtun. Wenn ich nicht in Gefahr wäre dann würde ich freiwillig zurückkehren."

Auf die Frage, woher er wisse, dass er gesucht werde, wich der Beschwerdeführer aus und meint ohne jeden Zusammenhang zur Frage, dass sein Vater und sein Bruder verschwunden seien. Seine Verwandten würden nach ihm befragt werden. Woher die Milizen wissen sollten, dass es den Beschwerdeführer gibt, wenn diese erst nach der Befreiung Mossuls durch den IS dort aktiv geworden seien, erschließt sich dem Bundesverwaltungsgericht nicht. Bei dem Vorbringen des Beschwerdeführers, nun von Milizen gesucht zu werden – ohne dass der Beschwerdeführer überhaupt angeben kann, um welche Milizen es sich handle –, und dass sein Vater und sein Bruder verschwunden seien, drängt sich geradezu der Verdacht auf, dass der Beschwerdeführer damit bloß versucht, sein Vorbringen aufzubauschen, um seine Chancen auf Asylgewährung zu erhöhen.

Das vom Beschwerdeführer noch vor dem BFA erstattete Vorbringen, dass er im Jahr 2011 einmal einen Drohbrief erhalten habe und die Miliz Geld verlangt habe, der Beschwerdeführer dieses aber nicht bezahlt habe und dennoch weiterhin problemlos in Mossul habe leben können (AS 59 und 60) wiederholte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht gleich gar nicht mehr. Es ist daher auch nicht glaubhaft, dass es einen Drohbrief im Jahr 2011 gegeben hat.

Aufgrund der aufgezeigten Unplausibilitäten und Widersprüchen in den Angaben des Beschwerdeführers, der unkonkreten Angaben, der Unfähigkeit des Beschwerdeführers von sich aus konkrete Angaben zu seinem Fluchtvorbringen zu machen sowie dem geschilderten Aussageverhalten des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung geht das Bundesverwaltungsgericht von der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und davon aus, dass das Fluchtvorbringen in Wahrheit nicht stattgefunden hat.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, wonach er sich wegen der hier gültigen Menschenrechte für Österreich als Zielland entschieden habe, legt nahe, dass die tatsächliche Ausreisemotivation darin liegt, zu arbeiten und krankenversichert zu sein, da der Beschwerdeführer erklärte, dies unter Menschenrechten zu verstehen. Es erscheint daher naheliegend, dass der Beschwerdeführer nicht wegen einer Furcht vor einer Verfolgung den Irak verlassen hat. Dafür spricht auch sein Vorbringen auf die Frage, weshalb er Dohuk verlassen habe, obwohl er dort sicher gewesen sei. Der Beschwerdeführer meinte nämlich, er hätte dort nicht arbeiten können.

Die getroffenen Feststellungen zum Irak beruhen auf folgenden Berichten:

* Assessment Working Group Iraq, Round 2, Juni 2017

* DTM, IDP Locations & Population, Jänner 2014 – 30.11.2017

* DTM, IDP Shelter Arrangement, Jänner 2014 – 30.11.2017

* DTM Returnees Variation between rounds, Jänner 2014 – 30.11.2017

* DTM IDPS Variation between rounds, Jänner 2014 – 30.11.2017

* Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement, Fact Sheet Irak Nr. 63 und Nr. 64

* Projekt Existenzgrundlage für Rückkehrer sichern, giz.de

* Deutsches Auswärtige Amt – Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Irak vom 07.02.2017

* Artikel Zeit.de, Irak verkündet Ende des Krieges gegen den IS, 25.12.2017

* UK Home Office, Irak: Return/internal relocation, September 2017

* UK Home Office, Irak Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017

* DTM Round 84, November 2017

* IOM AVRR Newsletter, Frühling und Sommer 2017

* GIGA Focus Nahost, Die Rückkehr von Vertrieben im Irak vom Dezember 2017

* UNHCR, Iraq: Mosul Weekly Protection Update, 29.09. – 05.10.2017

* OCHA, Iraq: Mosul Humanitarian Response, Situation Report Nr. 41

* Accord Anfragebeantwortung – Sicherheitslage in Kurdistan, 06.02.2017

* Lifos 18.12.2017, The Security Situation in Irak: Juli 2016 – Nov. 2017

Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Der Beschwerdeführer gab hierzu Stellungnahmen ab. Der Beschwerdeführer trat darin den Quellen und deren Kernaussagen nicht entgegen, sondern verwies auf einen nicht näher bezeichneten (weder dem Titel nach noch datiert) und der Stellungnahme auch nicht beigelegten Bericht von Amnesty International, wonach der IS Zivilpersonen als menschliche Schutzschilde verwendet und Kindersoldaten eingesetzt habe. Weiters wird ausgeführt, dass Milizen Kriegsverbrechen verübt hätten. Zudem hätten Milizen am 03.06.2016 Männer aus einem Ort in Falludscha entführt und seien gefoltert worden. Derartige Vorfälle gebe es "zuhauf". Durch die Zitierung aus diesem Bericht, der offensichtlich keine Aktualität aufweist (da er sich auf ein Ereignis am 03.06.2016 bezieht) wird nicht substantiiert dargetan, inwieweit sich daraus eine asylrelevante Verfolgung oder die Gewährung von subsidiärem Schutz konkret für den Beschwerdeführer ergeben soll. Darüber hinaus weist das Ereignis am 03.06.2016 auch keinen Bezug zum vorliegenden Fall auf, da der Beschwerdeführer nicht aus Falludscha stammt, sondern aus Mossul. Dass eine Rückkehr auf Grund der Lage im Irak nicht wie in der Stellungnahme ausgeführt per se mit einer Todesgefahr des Beschwerdeführers verbunden ist, wird insbesondere auch durch die zunehmende Tendenz der freiwilligen Rückkehr von in Europa asylwerbenden Irakern grundsätzlich bestätigt. Dies ergibt sich etwa aus den dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten AVRR Newslettern von IOM vom Frühling und Sommer 2017. Demnach kehrten im Jahr 2015 754 Iraker freiwillig zurück. Im Jahr 2016 waren es bereits 1.396 Iraker. Im ersten Halbjahr 2017 waren es 356 Personen. Laut IOM sind im ersten Halbjahr 2017 mehr Personen in den Irak zurückgekehrt als in die zweit- und drittgereihten Länder Serbien und Afghanistan zusammen (dort waren es 305 Personen). Unter den von IOM Österreich unterstützten freiwilligen Rückkehrern waren im Zeitraum von 1. Jänner bis 30. Juni 2017 auch sechs unbegleitete Minderjährige. Drei von ihnen kehrten in den Irak zurück.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 unter Hinweis auf VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 16.11.2016, Ra 2016/18/0233). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht – unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) –, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Da der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen ebenso wie allfällige persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar.

Es besteht im Übrigen keine Verpflichtung, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (VwGH 21.11.1995, 95/20/0329 mwN).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er im Jahr 2011 einen Drohbrief von einer Miliz erhalten habe und aufgefordert worden sei Geld zu bezahlen, ist – unabhängig von der Unglaubhaftigkeit dieses Vorbringens – schon deshalb im gegenständlichen Fall nicht als asylrelevant zu werten, da es an einem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Erhalt des Drohbriefs im Jahr 2011 und der Ausreise des Beschwerdeführers im April 2015 mangelt. Die Voraussetzung wohlbegründeter Furcht wird in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0430; 30.08.2007, 2006/19/0400; 17.03.2009, 2007/19/0459). Eine asylrelevante Verfolgungsgefahr ist nämlich nur dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 24.11.1999, 99/01/0280).

Bei der Beurteilung, ob die Furcht "wohlbegründet" ist, kommt es nicht auf den subjektiven Angstzustand des Asylwerbers an, sondern es ist vielmehr zu prüfen, ob die Furcht objektiv nachvollziehbar ist, ob also die normative Maßfigur in derselben Situation wie der Asylwerber ebenfalls Furcht empfinden würde. Das UNHCR-Handbuch spricht davon, dass nicht nur die seelische Verfassung der entsprechenden Person über ihre Flüchtlingseigenschaft entscheidet, sondern dass diese seelische Verfassung durch objektive Tatsachen begründet sein muss (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 3 AsylG, K11). Dies wird regelmäßig dann der Fall sein, wenn die Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht, wenn substantielle Gründe für das Vorliegen der Gefahr sprechen. Erst dann kann vom Bestehen einer "Verfolgungsgefahr" ausgegangen werden (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 3 AsylG, K12). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn die Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 24.11.1999, 99/01/0280).

Nach der Rechtsprechung ist in Bürgerkriegssituationen für die Gewährung von internationalem Schutz eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende Gruppenverfolgung erforderlich (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN). In dem Umstand, dass im Heimatland Bürgerkrieg herrscht, liegt für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Konvention. Der Asylwerber müsste in diesem Zusammenhang jedoch behaupten und glaubhaft machen, dass die Ereignisse in seiner Heimat, die zu seiner Flucht geführt haben, als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten wären und nicht als mehr oder weniger zufällige Folge im Zuge der Bürgerkriegshandlungen (VwGH 26.01.2006, 2005/01/0537 mwN).

Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).

Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. etwa VwGH 14.03.1995, 94/20/0798, 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlag

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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