TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/19 97/21/0089

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Veröffentlicht am 19.05.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1996/299 §1 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/21/0090

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des SS, geboren am 14. Juli 1954, und der NS, geboren am 25. Juni 1965, beide in Bregenz, beide vertreten durch Dr. Helmut A. Rainer und Mag. Egon Stöger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Museumstraße 5/II, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg je vom 16. Dezember 1996, Zl. Frb-4250b-33/96 und Zl. Frb-4250b-25/96, jeweils betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde die (miteinander verheirateten) Beschwerdeführer, Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.

Diese Maßnahme begründete sie in beiden Bescheiden nahezu gleich lautend wie folgt: Die Beschwerdeführer seien Ende Juli 1994 auf Grund eines deutschen Touristensichtvermerks in Österreich eingereist. Wenn sie auch wegen des bewaffneten Konfliktes in ihrer Heimat diese verlassen hätten, so hätten sie sich zumindest während dieser Zeit unter dem Schutz eines anderen Staates, nämlich unter dem Schutz Deutschlands befunden. Somit liege eine Voraussetzung der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 299/1996, nicht vor. Sie könnten sich daher auch nicht auf ein Aufenthaltsrecht nach § 12 Aufenthaltsgesetz berufen. Dass die Beschwerdeführer über eine andere Aufenthaltsbewilligung verfügt hätten, werde nicht geltend gemacht. Auf Grund des unrechtmäßigen Aufenthaltes seien sie gemäß § 17 Abs. 1 FrG auszuweisen. Dabei sei auf § 19 FrG Bedacht zu nehmen. Auf Grund des kurzen und zudem großteils unrechtmäßigen Aufenthalts in Österreich könne von keiner besonderen Integration ausgegangen werden. In Österreich befänden sich nicht näher bezeichnete Verwandte der Beschwerdeführer. Nach der gemeinsamen Einreise habe sich deren Sohn nach Deutschland begeben. Da beide Beschwerdeführer von derselben Maßnahme betroffen seien und sich deren Sohn bereits in einem anderen Staat aufhalte, stelle die Ausweisung keinen gravierenden Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführer dar.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, sie aufzuheben.

Die belangte Behörde legte beide Verwaltungsakten vor und erstattete jeweils eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass keinem der beiden angefochtenen Bescheide nach den wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen ein Bescheid zu Grunde liegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde. Die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt vorliegend daher nicht zum Tragen.

Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass sie lediglich mit einem für die Bundesrepublik Deutschland gültigen Sichtvermerk in Österreich eingereist seien. Sie meinen, dass ihnen ein Aufenthaltsrecht nach der zitierten Verordnung BGBl. Nr. 299/1996 zukomme.

Gemäß § 1 Abs. 1 dieser im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina haben Staatsangehörige dieses Staates und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die auf Grund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mussten und anderweitig keinen Schutz fanden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, wenn sie

1.

vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, oder

2.

nach dem 1. Juli 1993, aber vor dem 15. Dezember 1995 eingereist sind und sich aus allgemein begreiflichen Gründen nicht der Grenzkontrolle gestellt haben, sofern ihre Einreise danach ohne unnötigen Aufschub der Meldebehörde, der Fremdenpolizeibehörde oder der Behörde nach dem Aufenthaltsgesetz bekannt geworden ist, oder

              3.              in der Zeit zwischen dem 1. Juli 1993 und dem Inkrafttreten dieser Verordnung eingereist sind, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde, oder

              4.              ab dem Inkrafttreten dieser Verordnung einreisen, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgt, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellt und ihm die Einreise mit Zustimmung des Bundesministers für Inneres gestattet wird.

Die belangte Behörde sprach den Beschwerdeführern ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach der genannten Verordnung mit der Begründung ab, dass sie anderweitig Schutz gefunden hätten.

Zur Frage des Schutzes auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung für die Bundesrepublik Deutschland sprach der Gerichtshof im Erkenntnis vom 9. November 1995, Zlen. 95/19/0716 ff., aus, der Schutz solle nur solchen Personen zukommen, die sich noch im Fluchtstadium befänden, weil sie noch in keinem anderen Land zuvor Schutz gefunden hätten. Das vorübergehende Aufenthaltsrecht komme aber nicht jenen Personen zu, die in irgendeinem anderen Staat - diesfalls mittels eines Sichtvermerks in der Bundesrepublik Deutschland - bereits Schutz gefunden hätten, diesen Schutz aber aus eigenem nicht mehr in Anspruch nehmen wollten, um sich - aus welchen Gründen auch immer - nach Österreich zu begeben.

Auch vorliegend ist zu prüfen, ob die Beschwerdeführer anderweitig Schutz gefunden haben. Es stellt in Bezug auf das Merkmal des "Schutz-Findens" keinen Unterschied dar, ob der Fremde auf einen Schutz durch eine Aufenthaltsberechtigung in der Bundesrepublik Deutschland im Weg einer Ausreise aus diesem Staat verzichtet oder diesen - mit der Ausstellung eines Sichtvermerks gewährten - Schutz von vornherein nicht in Anspruch nimmt. Es ist kein Grund für die Annahme gegeben, dass ein Sichtvermerk für die Bundesrepublik Deutschland keinen ausreichenden Schutz begründen konnte, etwa indem den Beschwerdeführern eine Einreise nach Deutschland nicht möglich gewesen wäre oder ihnen in Deutschland kein Abschiebungsschutz zugekommen wäre. Es steht nicht im Belieben eines Fremden, sich durch Verzicht auf einen effektiven oder effektuierbaren Schutz in einem anderen Land ein Aufenthaltsrecht nach der genannten Verordnung in Österreich zu verschaffen.

Da es an dem Grundtatbestand für ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet mangelt, braucht nicht geprüft zu werden, ob einer der Tatbestände der Z. 1 bis 4 für ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gemäß § 1 Abs. 1 der genannten Verordnung erfüllt wurde.

Wegen des unrechtmäßigen Aufenthalts der Beschwerdeführer im Inland hatte die belangte Behörde - vorbehaltlich des Ergebnisses einer Prüfung nach § 19 FrG - deren Ausweisung zu verfügen. Gemäß dieser Bestimmung ist, würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 leg. cit. oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Es kann dahinstehen, ob die belangte Behörde zu Recht einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 19 FrG verneinen durfte. Es kann nämlich ihrer Ansicht, dass angesichts des kurzen Aufenthalts der Beschwerdeführer im Inland keine besondere Integration angenommen werden könne, nicht entgegengetreten werden. Da weiters die Beschwerdeführer gemeinsam ausgewiesen wurden und sich ihr Sohn nicht mehr in Österreich befindet, ist dem nicht besonders ausgeprägten Interesse der Beschwerdeführer an einem Weiterverbleib in Österreich in Anbetracht des hohen Stellenwerts, der den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukommt (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 26. November 1999, Zl. 96/21/0966), nicht mehr Gewicht zuzumessen als dem öffentlichen Interesse an deren Ausweisung.

Nach dem Gesagten haftet den angefochtenen Bescheiden die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Mai 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997210089.X00

Im RIS seit

17.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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