TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/8 L524 2133858-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.02.2018
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Entscheidungsdatum

08.02.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L524 2133858-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER, LL.B. über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.08.2016, Zl. 1066731901-150446125, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.01.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3

und § 57 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 30.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 01.05.2015 brachte der Beschwerdeführer vor, er sei ledig und habe vier Brüder und fünf Schwestern. Seine Mutter lebe noch; sein Vater sei bereits verstorben. Er habe sechs Jahre die Grundschule in Mossul besucht. Am 22.09.2014 sei er legal mit dem Flugzeug aus dem Irak ausgereist. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass er von IS-Anhängern terrorisiert worden sei und seine Arbeit nicht mehr verrichten habe können. Ihm sei gedroht worden und er habe Angst um sein Leben gehabt.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 20.08.2015 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er sunnitischer Moslem und Araber sei. Er habe keine Kinder. Er habe in Mossul mit seiner Mutter und seinen beiden jüngeren Schwestern in einem zweistöckigen zusammen gelebt. Seine Mutter und seine Schwester würden noch immer dort leben. Weitere drei Schwestern und vier Brüder würden auch in Mossul leben. Alle seien verheiratet und würden mit ihren Familien in eigenen Häusern leben. Am 22.09.2014 sei er von Mossul nach Kirkuk gegangen und am 26.09.2014 in die Türkei geflogen. Seinen Militärdienst habe er von 1998 bis 2001 geleistet. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass er in Mossul ein Kommunikationsbüro betrieben und dort auch Handys verkauft habe. An die Polizei habe er Handys, Karten und Laptops verkauft. Die Bezahlung sei entweder zu Beginn des nächsten Monats erfolgt oder es sei eine Ratenzahlung vereinbart worden. Nachdem der Daesh einmarschiert sei, seien die Polizisten geflüchtet oder umgebracht worden und seine Einnahmen seien damit gestoppt worden. Nach gewisser Zeit habe er von mehreren Polizeioffizieren Anrufe bekommen, denen er die Handykarten weiter aufladen hätte sollen. Er habe ihnen gesagt, dass noch Geldbeträge offen seien und er kein Geld vorstrecken könne. Dann sei er von der Polizei bedroht worden und sie hätten gesagt, er könne etwas erleben, wenn sie in Mossul zurück wären. Diesen telefonischen Streit hätten alle im Geschäft anwesenden Kunden mitbekommen und dem Daesh gemeldet. Die Leute von Daesh seien vor seinem Geschäft gestanden und hätten gesagt, sein Blut sei frei, weil er in Kontakt mit der irakischen Polizei stünde. Das habe er von seinen Geschäftsnachbarn erfahren. Daraufhin sei er am 22.09.2014 nach Kirkuk geflüchtet.

3. Mit Bescheid des BFA vom 10.08.2016, Zl. 1066731901-150446125, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der vorgebrachte Sachverhalt bezüglich der behaupteten Verfolgung in seiner Gesamtheit als nicht glaubhaft zu beurteilen gewesen sei, weshalb ein asylrelevanter Sachverhalt als Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG nicht habe festgestellt werden können. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

5. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 18.01.2018 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm, die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Dem Beschwerdeführer wurden im Rahmen der Verhandlung Berichte zur Lage im Irak ausgehändigt und die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführer machte davon keinen Gebrauch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat sechs Jahre die Volksschule, drei Jahre die Mittelschule und drei Jahre das Gymnasium besucht. Von 1998 bis 2001 war er beim Militär. Der Beschwerdeführer hat in Mossul einen Internetshop betrieben und dort Mobiltelefone gekauft, verkauft und repariert.

Der Beschwerdeführer verließ ca. im September 2014 den Irak und reiste schlepperunterstützt über Ungarn nach Österreich, wo er am 30.04.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Die Mutter und die neun Geschwister des Beschwerdeführers leben in Mossul. Die Mutter und die beiden jüngeren Schwestern des Beschwerdeführers leben bei einem Bruder des Beschwerdeführers in Mossul. Dieser Bruder ist selbst verheiratet und hat zwei Kinder. Er ist Tischler und versorgt damit seine Familienangehörigen. Der Beschwerdeführer steht seit Juli 2017 in Kontakt mit seiner Familie, der letzte Kontakt fand ca. Anfang Jänner 2018 statt.

Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich und er ist auch kein Mitglied in einem Verein oder sonstigen Organisation. Er hat an einem Werte- und Orientierungskurs und an einem vierstündigen Workshop "Integration II – Was ist das?" teilgenommen. Er besuchte ein Deutschtraining in seiner Asylwerberunterkunft und seit 07.09.2017 den Kurs "Deutsch für Asylwerbende – A2/1". Der Beschwerdeführer hat das ÖSD Zertifikat A1 "sehr gut" bestanden. Der Beschwerdeführer legte ein Empfehlungsschreiben vor.

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, wonach er von zwei Offizieren bedroht worden sei, weil er ihnen kein Guthaben für Mobiltelefone und Internet aufgeladen habe, es deswegen zu einem telefonischen Streit gekommen sei, davon Mitgliedern des Daesh berichtet worden sei, weshalb diese ihn töten wollten, weil sie ihn verdächtigen würden, er arbeite mit der Polizei zusammen, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seiner Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Nach einer Blitzkampagne von 10 Tagen erklärte Premier Abadi die vollständige Einnahme Tal Afars sowie der gesamten Provinz Ninewa durch die ISF. Tal Afar liegt 80 km westlich von Mossul und wurde von 2000 IS-Kämpfern verteidigt. Die einfache Eroberung wird als Beweis für die Schwäche der Gruppe sowie die Präferenz im Untergrund weiterzukämpfen, verstanden.

Der irakische Regierungschef Haider al-Abadi hat im Dezember 2017 den Krieg gegen die IS-Terrormiliz in seinem Land für beendet erklärt. Der Irak sei "vollständig befreit", sagte der Ministerpräsident. Die gesamte Grenze zum Nachbarland Syrien sei unter der Kontrolle irakischer Streitkräfte. Die Extremistenmiliz des sogenannten "Islamischen Staates" sei im Irak somit endgültig besiegt, die "Befreiung aller Landesteile" sei abgeschlossen, sagte Al-Abadi bei einer Konferenz in Bagdad. Dieser Sieg sei nicht nur ein Sieg für die Iraker, sondern für alle Araber und Muslime. Der Militärkommandeur Abdel Amir Raschid Jar Allah bestätigte, dass die Kampfeinsätze abgeschlossen seien. 2014 hatten Kämpfer der Terrormiliz ein Drittel des irakischen Gebiets besetzt und von der Stadt Mossul aus im Norden des Landes ein Kalifat ausgerufen, das sich über die Landesgrenze nach Syrien erstreckte. In den vergangenen Monaten drängten irakische Bodentruppen mit Unterstützung durch US-amerikanische Streitkräfte die Milizen immer weiter zurück. Mossul wurde im Sommer zurückerobert. Vor wenigen Tagen teilte das US-Militär bereits mit, in Syrien und im Irak hielten sich mittlerweile weniger als 3.000 IS-Kämpfer auf. Das russische Verteidigungsministerium erklärte am Donnerstag den Krieg gegen die Terrormiliz für beendet.

Nach der erfolgreichen Einnahme von Mossul und Tal Afar durch die ISF, befürchten IS-Kämpfer ihre letzten Hochburgen im Irak zu verlieren. Familien von IS-Kämpfern fliehen Berichten zufolge täglich aus der Stadt al-Sharbat, südlich von Mossul gelegen, in unbekannte Destinationen. Die Stadt Hawija, welche 55 km südwestlich der erdölreichen Stadt Kirkuk liegt, ist voraussichtlich das nächste Ziel der ISF und der US-geführten Anti-IS-Koalition. Die verbliebenen IS-Kämpfer bestehen vor allem aus lokalen Kämpfern, welche beharrlich um die letzten Gebiete im Irak kämpfen werden. Unterdessen bereiten sich die ISF und kurdische Kräfte auf eine mögliche Entstehung von Post-IS Milizen vor und konzentrieren sich auf Überwachungsmaßnahmen durch Grenzkontrollen, Checkpoints und geheimdienstliche Aufklärung, aber auch auf Aufstandsbekämpfungen.

Deutschland wird den Wiederaufbau in vom IS verwüsteten Teilen des Iraks mit zusätzlichen 150 Millionen Euro unterstützen. Die Hilfsgelder sollen insbesondere den Menschen in Mossul zu Gute kommen. Die Stadt im Norden des Iraks ist nach der Befreiung von der Terrorherrschaft des IS in weiten Teilen zerstört. Um den Menschen in Mossul wieder die Hoffnung auf ein friedliches Leben zu ermöglichen, stellt das Auswärtige Amt nun kurzfristig weitere 150 Millionen Euro bereit. "Die Menschen müssen die Aussicht auf eine gute Zukunft für sich und ihre Familien haben", sagt Außenminister Gabriel. Vor dem Wintereinbruch sind die Menschen in der Region besonders auf Hilfe angewiesen. 100 Millionen Euro der Gelder werden darum in humanitäre Hilfe vor Ort investiert. Mit den Geldern wird Deutschland vor Ort die Arbeit von UN (Vereinte Nationen)-Hilfsorganisationen wie dem Welternährungsprogramm WFP (Welternährungsprogramm), der Weltgesundheitsorganisation WHO (Weltgesundheitsorganisation) oder dem UN (Vereinte Nationen)-Flüchtlingswerk UNHCR (Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen) finanzieren. Weitere 50 Millionen Euro werden in die Stabilisierung der Region investiert. "Nur wenn Infrastruktur und Verwaltung wieder hergestellt werden, lässt sich der Terror nachhaltig besiegen", so Gabriel. Damit der Wiederaufbau vorankommt und sich die befreiten Regionen stabil entwickeln, sind gut funktionierende Behörden und verlässliche Strukturen unverzichtbar. Mit den Hilfsgeldern finanziert Deutschland darum beispielsweise Projekte zur Ausbildung von Polizisten und Fortbildungen in Verwaltung und Regierungsführung. Ein wichtiger Partner dabei ist das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen). Deutschland ist der zweitgrößte humanitäre Geber für den Irak. In den letzten drei Jahren hat das Auswärtige Amt die Menschen in Irak mit mehr als 500 Millionen Euro unterstützt.

Die International Organization for Migration (IOM) schreibt in ihrem Community Stabilization Handbook 2015-2016 vom Jänner 2017, dass die Provinz Sulaymaniya nicht von der Gruppe Islamischer Staat (IS) angegriffen worden sei, als diese große Teile des Nordwestens des Irak im Jahr 2014 überrannt habe. Die Sicherheitslage in Sulaymaniya wird als im Allgemeinen stabil bezeichnet. Es habe sehr wenige Sicherheitszwischenfälle gegeben, darunter eine Schießerei beim Führungsrat der Kurdistan Democratic Party (KDP) und ein Kampf im Chavy Land Amusement Park während der Newroz-Feierlichkeiten. Es habe auch einige Demonstrationen für die Bezahlung der Beamten und für bessere Wasserversorgung gegeben.

Es gab eine Reihe intensiver, hochgradig koordinierter Militäroffensiven, die von der Regierung gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) durchgeführt wurden, mit dem Ziel, den IS aus dem Land zu vertreiben. Diese Offensiven führten dazu, dass die territoriale Kontrolle des IS im Irak beendet wurde. Eine bemerkenswerte Entwicklung ist der sichtbare Rückgang der Sicherheitsvorfälle in Gebieten, die bisher als IS-Hotspots in nichtumkämpften Gebieten ausgewiesen wurden. Dies ist einerseits auf die grundsätzlich schweren Verluste des IS und andererseits darauf zurückzuführen, dass IS-Kämpfer in umkämpfte Gebiete verlegt wurden.

Die Offensiven in Mossul, Tal Afar, Hawija und im westlichen Anbar haben erfolgreich dazu beigetragen, den IS zurückzudrängen und ihrer territorialen Kontrolle im Irak ein Ende zu bereiten. Die Sicherheitsvorfälle im Irak sind sichtbar zurückgegangen, unter anderem auch in Bagdad. Dies ist hauptsächlich auf die Intensität der Militäroffensiven zurückzuführen, was den IS dazu zwang viele IS-Kämpfer an der Front einzusetzen. Der IS kann seine Angriffe im ganzen Land nicht mehr so aufrechterhalten, wie es einmal war.

Das Gouvernement Anbar ist nach der Fallujah-Offensive im Juni 2017 weiterhin volatil. Nach der Befreiung Falludschas haben irakische Truppen und sunnitische Stammeskämpfer weiterhin IS-Städte geräumt und Territorien im Nordwesten gesichert, etwa in Haditha. Die Lage änderte sich allmählich während der Hawija-Offensive im September 2017, als sich die irakische Regierung dazu entschloss, die militärischen Operationen zu verstärken, um den IS im Westen von Anbar zu stoppen, mit dem Ziel, die IS-Truppen vollständig aus dem Irak zu vertreiben und der Wiederherstellung der irakisch-syrischen Grenze. Die irakischen Sicherheitskräfte konnten al-Qaim am 03.11.2017 zurückerobern. Militärische Fortschritte gab es danach in der Nachbarstadt Rawa, wo das letzte verbliebene IS-Gebiet am 11.11.2017 erobert und 10.000 Zivilisten befreit wurden.

In Bagdad ereignete sich im Juli 2016 die tödlichste Attacke seit 2003. Es gab danach eine Serie von Selbstmordanschlägen. Die Sicherheitslage verbesserte sich mit dem Beginn der Mossul-Offensive und nach einer kurzzeitigen Verschlechterung zu Beginn des Jahres 2017 verringerten sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle wieder und nahmen mit der Niederlage des IS im Juli 2017 weiter ab. Im Juni 2017 wurden die wenigsten Angriffe verzeichnet. Irakweit betrachtet passieren in Bagdad die meisten Angriffe.

Diyala besteht aus einer einzigartigen und vielfältigen ethnischen und religiösen Bevölkerung. Es leben dort Araber, Kurden, Turkmenen und sowohl Schiiten als auch Sunniten. Das Gouvernement Diyala wurde im Jänner 2015 als erstes vom IS befreit. Vom IS ausgeführte Angriffe richten sich meist gegen schiitische Milizen, etwa an Checkpoints, die dann Gegenangriffe auslösen. Angriffe finden meist im Zentrum und im Norden des Gouvernements statt. Die meisten sicherheitsrelevanten Angriffe gab es im Juli 2014. Seither ist ein deutlicher Rückgang zu vermerken.

In Kirkuk leben Kurden, Turkmenen und Araber. Die Provinz ist für 40 % der Erdölproduktion verantwortlich. Die Sicherheitslage war zwischen Juli 2016 und November 2017 weitgehend stabil, mit Ausnahme des Distrikts Hawija. Dieser Distrikt stand seit Juni 2014 unter Kontrolle des IS. Vor dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum gab es in der Stadt Kirkuk nur wenige sicherheitsrelevante Vorfälle. Nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum verschlechterte sich die Situation im September/Oktober 2017. Der Konflikt zwischen der Zentralregierung in Bagdad und der KRG (KRI) in Erbil während des kurdischen Referendums im September 2017 verschärfte die Spannungen zwischen der ethnisch vielfältigen Bevölkerung in Kirkuk. Die irakischen Truppen haben im Oktober 2017 die Kontrolle über wichtige Regierungsgebäude in der Stadt Kirkuk, den Flughafen, die Militärbasis und ein Ölfeld übernommen. Am 20.09.2017 starteten die ISF eine Offensive in Hawija. Die Rückeroberung der Gebiete dauerte nur wenige Tage. Am 05.10.2017 verkündete der irakische Premier den Sieg. Nach dem Rückzug der Peshmerga aus dem Gouvernement ist die bewaffnete Konfrontation abgeklungen.

Im Gouvernement Ninewa begann im Oktober 2016 die Mossul-Offensive, die Anfang Juli 2017 endete. Nachdem Ost-Mossul im Jänner 2017 befreit wurde, folgte die Befreiung des bevölkerungsreicheren Westen Mossuls. Die Gewaltakte haben nachgelassen. Es gibt sporadische Selbstmordattentate gegen irakische Streitkräfte und Mitglieder der PMU/PMF. Die durchschnittliche Anzahl der täglichen Attacken in Ninewa bewegt sich zwischen zwei und fünf. Zwischen Jänner und April 2017 lag sie noch zwischen zehn und 15. Von April bis September 2017 sank die Zahl kontinuierlich auf ca. zwei. Nach der Mossul-Offensive erfolgte die Tal Afar-Offensive. Tal Afar liegt 80 km westlich von Mossul. In Tal Afar ist geteilt zwischen Sunniten und Schiiten und es leben dort hauptsächlich Turkmenen. Am 01.09.2017 erklärte Premier Abadi den Sieg über den IS in Tal Afar, der das Ende der Kontrolle des IS in Ninewa markierte.

Das Gouvernement Salah al-Din wurde in den frühen Stadien der Offensive der irakischen Streitkräfte gegen den IS befreit. Tikrit, Saddam Husseins Geburtsort, ist ein großes Symbol der sunnitischen Herrschaft im Zentralirak. In Salah al-Din befindet sich auch der schiitische al-Askari Schrein in Samarra, eine der heiligsten Stätten im schiitischen Islam. Der Angriff auf den Schrein im Jahr 2006 löste eine Gewaltwelle zwischen sunnitischen und schiitischen Gruppierungen aus, die sich auf andere Teile des Landes ausbreitete. Schiitische PMU-Milizen begannen im April 2015 die IS-Milizen aus der Stadt zu vertreiben. Die Sicherheitslage ist vergleichsweise stabil.

Die südlichen Gouvernements waren nicht direkt von den Konflikten in den nördlichen und zentralen Gouvernements betroffen. In relativ geringem Ausmaß gab es auch hier IS-Angriffe (durchschnittlich drei bis zehn pro Monat). Die Gouvernements Basra und Babil waren dabei in erster Linie betroffen. Bei den Vorfällen handelt es sich um IEDs, Autobomben oder Scheißereien. Im Nordwesten von Babil befindet sich die Stadt Jurf al-Sakhr, die die einzige mehrheitlich sunnitische Stadt im Gouvernement ist. Die Stadt wurde 2014 vom IS befreit, aber anders als andere befreite Städte bleibt sie wegen ihrer Lage entvölkert. Die Stadt liegt nämlich an der Straße, die zu den heiligen schiitischen Städten im Süden führt – Najaf und Karbala. Im ölreichen Gouvernement Basra gibt es Kämpfe zwischen rivalisierenden Stämmen und Ackerland und Landbesitz.

Die Sicherheitslage in den nördlichen Gouvernements in der Region Kurdistan (KRI/KRG) ist stabil und in der Hand der kurdischen Behörden. Auch diese Gouvernements waren nicht direkt von den Militäroffensiven betroffen. Die Sicherheitslage ist nach dem Abzug kurdischer Peshmerga-Gruppen aus Kirkuk und anderen zuvor kontrollierten Gebieten unverändert. Die Peschmerga-Streitkräfte behalten weiterhin die Kontrolle über das Territorium der KRI. Der Grenzübergang zum Iran ist wieder geöffnet. Internationale Flüge von und nach KRI sind nicht möglich. Inlandsflüge zwischen Bagdad und der KRI sind weiterhin möglich.

Bis Dezember 2017 gab es ca. 2,6 Millionen Binnenvertriebene (IDPs). Die Gesamtzahl der IDPs sank um 9 %. Dieser Rückgang wurde in 17 von 18 Gouvernements verzeichnet. Die Zahl der Rückkehrer stieg im Dezember 2017 um 17 %. DTM hat seit Beginn der Krise im Dezember 2013 erstmal mehr Rückkehrer (3,2 Millionen) als Binnenvertriebene (2,6 Millionen) verzeichnet. Ende 2015 gab es 468.780 Rückkehrer, Ende 2016 waren es 1,370.862 und Ende 2017 3,220.362. Die Rückkehr erfolgte in die Gouvernements Anbar (38 %), Ninewa (30 %) und Salah al-Din (14 %). Eine Rückkehr erfolgt in 82 % der Fälle in diese 3 Gouvernements. Es sind gleichzeitigt die Herkunftsregionen von 86 % der IDPs. Die meisten IDPs kommen aus Ninewa (57 %), Anbar (15 %) und Salah al-Din (14 %).

Ost-Mossul ist seit Jänner 2017 wieder unter Kontrolle der Iraqi Security Forces (ISF). Zwischen Februar und Mai 2017 wurden 90 % von West-Mossul wieder unter Kontrolle gebracht und seit Juli 2017 ist Mossul vollständig vom IS befreit. Insgesamt 870.381 der binnenvertriebenen Personen (IDPs) stammen aus Mossul. In Mossul gibt es vier verschiedene Bevölkerungsgruppen: IDPs aus anderen Gegenden Mossuls, umliegenden Dörfern und Städten; Personen die in ihr Herkunftsgebiet zurückkehrten (Rückkehrer); Personen, die nicht vertrieben wurden und jene Personen aufgenommen haben, die vertrieben wurden; Personen, die nicht vertrieben wurden und die Binnenvertriebene nicht unterstützen. Assessement Working Group Iraq (AWG) untersuchte 14 Viertel in Ost-Mossul und 29 Viertel in West-Mossul. Rückkehrer gab es in allen 43 Vierteln. Dies bedeutet eine Steigerung gegenüber dem ersten Bericht von AWG, als es in 80 % der 45 untersuchten Viertel Rückkehrer gab. In fast jedem Viertel, in dem es IDPs gibt, gibt es auch Familien, die diese beherbergen (Gastfamilien). Das zeigt, dass die Unterbringung bei Gastfamilien in Mossul üblich ist. Über zwei Viertel (Al-Qudus und Al-Kuwait) liegen Informationen vor, dass es dort keine Gastfamilien gibt. Hier werden Unterkünfte überwiegend angemietet. Der hohe Anteil von Familien, die nicht vertrieben wurden und IDPs beherbergen, gründet sich auf Freundes- und Familiennetzwerke, die durch die gesamte Stadt bestehen. Die Hauptgründe für eine Rückkehr liegen in einem verbesserten Sicherheitsgefühl im Herkunftsgebiet (in allen Vierteln Ost-Mossuls und in 72 % der Viertel in West-Mossul) und hohen Lebenskosten an jenen Orten, wo Zuflucht gefunden wurde. Die Bewegungsfreiheit in und um Mossul ist gegeben. Sofern es Einschränkungen gibt, betrifft dies meistens IDPs. Die Wasserversorgung hat sich in Ost-Mossul verbessert, in West-Mossul wird sie durch LKW-Transporte, Brunnen und in Flaschen abgefülltem Wasser sichergestellt. In Ost-Mossul hat sich der Zugang zu Wasser und Nahrung verbessert.

Ein Projekt des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit der Bezeichnung "Verbesserung der Lebensgrundlage und Rahmenbedingungen für rückkehrende Flüchtlinge und die ortsansässige Bevölkerung in der Provinz Ninewa im Nord Irak" hat das Ziel, die sozialen und ökonomischen Grundlagen für Rückkehrer und die lokale Bevölkerung kontextsensibel zu verbessern. Ein weiteres Augenmerk liegt auf der Stärkung des sozialen Zusammenhaltes zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in den Gemeinden. Zur Förderung werden bei Entscheidungsprozessen Vertreter alle Bevölkerungsgruppen eingebunden. Darüber hinaus werden verschiedene soziale Aktivitäten angeboten. Das Projekt läuft von 2016 bis 2018.

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Rund 90% der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten zumindest außerhalb der Region Kurdistan-Irak schwierig. Es gibt Lebensmittelgutscheine für Bedürftige. Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich.

Es gibt inzwischen regelmäßige Linienflüge wichtiger Luftfahrtgesellschaften, u. a. aus Europa und Staaten des Nahen Ostens, nach Bagdad (Royal Jordanian, Middle East Airlines, Turkish Airlines). Es gibt Inlandsflüge zwischen Sulaymaniya und Basra sowie Bagdad (Iraqi Airways), weiters gibt es Inlandsflüge zwischen Erbil und Bagdad, Basra sowie Najaf (Iraqi Airways, Fly Baghdad).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit, zu seiner Schulbildung und seiner beruflichen Tätigkeit im Irak, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren sowie aus den Verwaltungsakten. Es ist kein Grund ersichtlich, daran zu zweifeln.

Die Feststellungen betreffend den Besuch von Kursen in Österreich ergeben sich aus entsprechenden Bestätigungen.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug, jeweils vom 19.01.2018.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

Der Beschwerdeführer gab an, dass er Offizieren Guthaben für ihre Mobiltelefone und für Internet aufgeladen habe. Während er aber vor dem BFA angab, dass die Bezahlung dafür entweder am Beginn des nächsten Monats erfolgt sei, oder eine Ratenzahlung vereinbart worden sei und er ihnen einmal gesagt habe, dass noch Geldbeträge offen wären und er ihnen daher kein Geld vorstrecken könne (AS 39), behauptete er vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass die Aufladung von Guthaben immer kostenlos erfolgt sei (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Schon dieser eklatante Widerspruch legt nahe, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht stimmen kann.

Am 21.09.2014 sei schließlich jener Vorfall passiert, der ihn zur Ausreise veranlasst habe. Er habe einen Anruf der beiden Offiziere erhalten, die wieder eine Aufladung verlangt hätten. Nachdem er dies verweigert habe, hätten sie ihm gedroht, dass sie seine Mutter und seine Schwestern vor seinen Augen vergewaltigen würden und er selbst würde keine Sonne mehr sehen (AS 39). Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer dies vor. Allerdings war der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auf Aufforderung nicht in der Lage, den genauen Ablauf des Telefonats zu schildern. Er gab folgende Antwort:

"Es war ca. 14.00 Uhr. Ich habe mit ihnen geredet und es war wie ich geschildert habe. Dann habe ich das Geschäft zugesperrt und bin nach Hause gegangen. Gegen 16.00 Uhr riefen mich die Nachbarn vom Geschäft an. Sie haben mir das erzählt. Sie sagten, die IS hat das Geschäft geplündert.". Anhand dieser Antwort, die keinerlei Bezug zum Inhalt des Telefonats nimmt und den nachfolgenden ausweichenden Angaben ist der Eindruck entstanden, dass der Beschwerdeführer keinesfalls tatsächlich Erlebtes geschildert haben kann. Er belässt es bei seinen Angaben bei allgemeinen Schilderungen, was es erforderlich machte, mehrmals nachzufragen, um eine konkrete Antwort zu bekommen. Wenn der Beschwerdeführer behauptet, er sei von zwei Offizieren angerufen worden, wäre etwa zu erwarten gewesen, dass er von sich aus schilderte, wie ein Telefonat mit zwei Personen gleichzeitig abläuft. So jedoch musste erfragt werden, ob der Beschwerdeführer mit den beiden Offizieren abwechselnd gesprochen hat, woraufhin er schließlich meinte, er habe mit einem gesprochen und im Hintergrund die Stimme des anderen gehört (Seiten 8 und 9 des Verhandlungsprotokolls). Anhand dieses Aussageverhaltens zeigt sich, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, von sich aus konkrete Angaben zu machen, sondern vielmehr konkretere Angaben erst auf entsprechende Frage erfolgten. Dies lässt das Vorbringen des Beschwerdeführers jedoch nicht glaubhaft erscheinen, sondern spricht dafür, dass der Beschwerdeführer das Behauptete nicht erlebt hat.

Der Beschwerdeführer gab vor dem BFA an, dass die Kunden in seinem Geschäft jenes Gespräch mit den Offizieren am 21.09.2014 mitbekommen hätten und die Kunden dann diesen telefonischen Streit dem Daesh mitgeteilt hätten (AS 39). Auch vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer an, dass die Kunden das Telefonat mitbekommen hätten, jedoch konnte er hier plötzlich von sich aus genauere Angaben machen und meinte, es wären neun Kunden im Geschäft gewesen. Dies ist insofern auch erstaunlich, als der Beschwerdeführer noch in seiner Beschwerde schrieb, "einige" Kunden hätten das Gespräch gehört (AS 229). Auch diese divergierenden Angaben sprechen gegen eine Glaubhaftmachung.

Während der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA meint, die Kunden hätten den Streit dem Daesh mitgeteilt (AS 39), mutmaßt er in der Beschwerde und schreibt, "offensichtlich" sei der Daesh informiert worden, dass der Beschwerdeführer mit der Polizei zusammenarbeite (AS 229) und in der mündlichen Verhandlung behauptete er schließlich, ein Kunde habe dem Daesh von seinem Telefonat und dem dabei erfolgten Streit mit den Offizieren berichtet (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Auf Nachfrage konnte der Beschwerdeführer jedoch weder angeben, wer dieser eine Kunde gewesen sei ("Das weiß ich nicht."), noch erklären, woher er wisse, dass diese Person überhaupt Kontakt zum Daesh hat, wenn er nicht einmal weiß, wer diese Person ist. Der Beschwerdeführer wich auf diese zweimal gestellte Frage aus bzw. antwortete mit einer Gegenfrage (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese voneinander abweichenden Angaben hinsichtlich der Informationsweitergabe an den Daesh und das Aussagverhalten des Beschwerdeführers, nämlich ausweichende Antworten zu geben bzw. Gegenfragen zu stellen, sprechen nicht dafür, dass der Beschwerdeführer wahre Erlebnisse geschildert hat.

Schließlich ist nicht im Geringsten nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer alleine den Irak verlässt und seine Mutter und seine beiden Schwestern zurücklässt, wenn er doch von den Offizieren gerade mit der Vergewaltigung seiner Mutter und seiner beiden Schwestern bedroht worden sei. Auch hier musste der Beschwerdeführer zweimal gefragt werden, doch konnte der Beschwerdeführer sein Verhalten nicht plausibel erklären, wie der folgende Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll verdeutlicht (um Schreibfehler bereinigt, Seite 9 des Verhandlungsprotokolls):

"R: Sie haben auch gesagt, dass die Offiziere gedroht haben, ihre Familienmitglieder zu vergewaltigen und zu töten? Warum lassen Sie Ihre Familienmitglieder im Stich und flüchten?

BF: Mit meiner Mutter und mit meinen zwei Schwestern habe ich zusammengelebt. Der IS hatte die Kontrolle über die Stadt. Wie brutal der IS ist, weiß jeder. Ich war der Versorger der Familie. Wenn ich nicht mit dem Tod bedroht wäre, hätte ich nicht meine Familie verlassen, dass hätte ich sonst nicht getan.

Frage wird wiederholt

BF: Hätte ich das Land nicht verlassen, hätten sie mich vor meiner Mutter getötet."

Auf die Frage, ob es sonst noch Vorfällte gegeben habe, meinte der Beschwerdeführer, dass er von Angehörigen des Daesh telefonisch kontaktiert worden sei, als er sich bereits in Kirkuk aufgehalten habe. Er habe aber nicht abgehoben, woraufhin er per SMS bedroht worden sei. Die Frage, ob er sonst noch Drohanrufe bekommen habe, verneinte der Beschwerdeführer (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Als ihm jedoch vorgehalten wurde, dass er vor dem BFA angegeben habe, er habe während seines Aufenthalts in der Türkei Drohanrufe von Daesh bekommen (AS 40), behauptete der Beschwerdeführer nun, er sei per SMS bedroht worden (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Auch dieses Verhalten des Beschwerdeführers, erst nach entsprechendem Vorhalt zu behaupten, dass es so gewesen sei, überzeugt nicht vom Wahrheitsgehalt der Angaben des Beschwerdeführers. Darüber hinaus ist das Vorbringen auch widersprüchlich, wenn der Beschwerdeführer einerseits vor dem BFA angibt, Anrufe erhalten zu haben, dagegen aber in der mündlichen Verhandlung – und hier erst nach Vorhalt – meint, es seien SMS gewesen.

Der Beschwerdeführer hat auch in seiner Beschwerde erwähnt, dass der Daesh – nachdem sie von seinem telefonischen Streit mit den Offizieren erfahren hätten – in das Geschäft des Beschwerdeführers eingebrochen wäre, alles gestohlen hätte und einen Drohbrief an der Türe hinterlassen hätte (AS 229). Einen solchen Drohbrief hat der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA noch nicht erwähnt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er nicht an, einen Drohbrief erhalten zu haben. Auch als er ausdrücklich danach gefragt wurde, ob er einen Drohbrief erhalten habe, machte er zunächst – wie schon mehrfach in der Verhandlung – ausweichende Angaben, was wiederum ein Nachfragen erforderte. Schließlich verneinte er die Frage, ob er einen Drohbrief erhalten habe. Als dem Beschwerdeführer seine Ausführungen in der Beschwerde vorgehalten wurden, meinte er nun, er habe doch einen Drohbrief bekommen. Die Frage, warum er dies vor dem BFA noch nicht erwähnt habe, beantwortete er lapidar damit, er habe das erwähnt (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Dieser Behauptung steht jedoch der eindeutige Wortlaut des Protokolls der Einvernahme vor dem BFA entgegen, aus dem sich der Erhalt eines Drohbriefs nicht ergibt.

Vor dem BFA behauptete der Beschwerdeführer nur, dass er von Daesh weiterhin bedroht worden sei. Dass er auch von den Offizieren weiterhin bedroht worden wäre, brachte er dagegen nicht vor (AS 40). Erstmals in der Beschwerde behauptete der Beschwerdeführer, auch die Offiziere hätten ihn weiter bedroht und da er das Telefon nicht mehr abgehoben habe, hätten sie ihn per SMS bedroht (AS 231). In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht musste der Beschwerdeführer ausdrücklich danach gefragt werden, ob ihn die Offiziere weiterhin bedroht hätten, da er von sich aus dies nicht vorgebracht hat (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Auch dies spricht nicht dafür, dass diese Angaben des Beschwerdeführers richtig sind.

Schließlich konnte der Beschwerdeführer seine Angaben bezüglich des Erhalts von Drohungen per SMS auch nicht belegen, zumal er angab, sein Handy sei ihm in Traiskirchen gestohlen worden (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls).

Es ist auch nicht glaubhaft, dass der Bruder des Beschwerdeführers von den zwei Offizieren nach der Befreiung Mossuls aufgesucht worden sei. Dies zum einen schon deshalb nicht, da der Beschwerdeführer den behaupteten Fluchtgrund in Bezug auf die Offiziere nicht hat glaubhaft machen können. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer damit bloß versucht, sein Vorbringen aufzubauschen, um seine Chancen auf Asylgewährung zu erhöhen. Schließlich können auch die in der Verhandlung vorgelegten Fotos dieses neue Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft erscheinen lassen, zumal auf diesem bloß Füße zu sehen sind, die Verletzungen aufweisen. Diese Bilder können weder belegen, dass es die Füße des Bruders sind, noch dass die darauf ersichtlichen Verletzungen auf jene Weise entstanden sind, wie es der Beschwerdeführer behauptet.

Der Beschwerdeführer brachte auch vor, dass seine Mutter und seine Schwestern bei einem Bruder leben würden. In diesem Zusammenhang gab der Beschwerdeführer auch an, dass sein Bruder als Tischler arbeite und für die gesamte Familie sorge. Er sorge alleine für seine Mutter, seine Schwestern, seine Ehefrau und seine zwei Kinder (Seiten 5 und 6 des Verhandlungsprotokolls). Wenn dann der Beschwerdeführer auf die Suggestivfrage seines Vertreters, ob es nach diesen Verletzungen seinem Bruder noch möglich sei, als Tischler zu arbeiten, vorbringt, dass er sich nur schwer bewegen könne und sein Sohn ihm daher bei der Arbeit helfe und nicht mehr zur Schule gehe, so sind diese Angaben nicht glaubhaft (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Den unbefangenen ersten Angaben des Beschwerdeführers, wo der Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt hätte, auf etwaige Verletzungen des Bruders hinzuweisen, dies aber nicht getan hat, und sogar angab, der Bruder sorge alleine für seine Mutter, seine Schwestern, seine Ehefrau und seine zwei Kinder, wird daher mehr Glaubhaftigkeit zugestanden als jenen Angaben, die auf die suggestive Frage seines Vertreters erfolgten.

Wenn der Beschwerdeführer Fotos und ein Video vorlegt, das das zerstörte Haus in Mossul zeige, in dem er vor seiner Ausreise mit seiner Mutter und den beiden Schwestern gelebt habe, so ist diesbezüglich festzuhalten, dass diese Bilder nicht belegen, dass das darauf ersichtliche Haus tatsächlich jenes des Beschwerdeführers ist, weshalb diesen Bildern insofern kein Beweiswert zukommt.

Auch wenn der Beschwerdeführer behauptet, im Falle einer Rückkehr werde er von Milizen bedroht, ist dies nicht glaubhaft, zumal der Beschwerdeführer nur pauschal angibt, überall im Irak gebe es Milizen, woraus aber eine individuelle Bedrohung des Beschwerdeführers nicht abgeleitet werden kann.

Aufgrund der aufgezeigten Unplausibilitäten und Widersprüchen in den Angaben des Beschwerdeführers sowie dem geschilderten Aussageverhalten des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung geht das Bundesverwaltungsgericht von der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und davon aus, dass der angeblich fluchtauslösende Vorfall in Wahrheit nicht stattgefunden hat. Dem Beschwerdeführer ist es somit insgesamt nicht gelungen, eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung glaubhaft zu machen.

Die getroffenen Feststellungen zum Irak beruhen auf folgenden Berichten:

* Assessment Working Group Iraq, Round 2, Juni 2017

* DTM, IDP Locations & Population, Jänner 2014 – 30.11.2017

* DTM, IDP Shelter Arrangement, Jänner 2014 – 30.11.2017

* DTM Returnees Variation between rounds, Jänner 2014 – 30.11.2017

* Fact Sheet Irak Nr. 64 und Nr. 65

* Projekt Existenzgrundlage für Rückkehrer sichern, giz

* Deutsches Auswärtige Amt – Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Irak vom 07.02.2017

* UK Home Office, Irak: Return/internal relocation, September 2017

* UK Home Office, Irak Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017

* DTM Round 86, December 2017

* UNHCR, Irak: Mosul Weekly Protection Update vom 29.09. – 05.10.2017

* OCHA, Irak: Mosul Humanitarian Response, Report Nr. 41

* Accord Anfragebeantwortung- Sicherheitslage in Kurdistan, 06.02.2017

* Lifos, The Security Situation in Irak: Juli 2016 – Nov. 2017

* Mossul: Auswärtiges Amt stockt Hilfe auf, 21.11.2017

* UNHCR Iraq Flash Update, 27.12.2017

* Irak verkündet Ende des Krieges gegen den IS, Zeit.de, 09.12.2017

Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Der Beschwerdeführer gab hierzu keine Stellungnahmen ab.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 unter Hinweis auf VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 16.11.2016, Ra 2016/18/0233). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht – unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) –, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Da der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen ebenso wie allfällige persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar.

Es besteht im Übrigen keine Verpflichtung, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (VwGH 21.11.1995, 95/20/0329 mwN).

Nach der Rechtsprechung ist in Bürgerkriegssituationen für die Gewährung von internationalem Schutz eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende Gruppenverfolgung erforderlich (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN). In dem Umstand, dass im Heimatland Bürgerkrieg herrscht, liegt für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Konvention. Der Asylwerber müsste in diesem Zusammenhang jedoch behaupten und glaubhaft machen, dass die Ereignisse in seiner Heimat, die zu seiner Flucht geführt haben, als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten wären und nicht als mehr oder weniger zufällige Folge im Zuge der Bürgerkriegshandlungen (VwGH 26.01.2006, 2005/01/0537 mwN).

Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer eine über die allgemeinen Gefahren der im Irak gebietsweise herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation hinausgehende Gruppenverfolgung droht. Aus den Feststellungen zur Lage im Irak geht hervor, dass im Irak zahlreiche Sunniten leben. Eine Verfolgung sämtlicher Angehöriger des sunnitischen Religionsbekenntnisses im Irak kann angesichts der Quellenlage nicht nachvollzogen werden. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass Bagdad und die umgebenden Gebiete in zunehmendem Maße religiös gespalten sind und es in den schiitisch dominierten Gebieten zu Beschimpfungen und Diskriminierungen von Sunniten durch Schiiten kommen kann. Eine Verfolgung sämtlicher Angehöriger des sunnitischen Religionsbekenntnisses im Irak besteht jedoch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht und es gelang dem Beschwerdeführer auch nicht, eine konkrete Bedrohungssituation zu vermitteln und wurde eine solche auch gar nicht konkret behauptet. Er brachte vielmehr selbst vor, dass 99 % der Einwohner Mossuls Sunniten wären. Der Beschwerdeführer hat demnach nicht bereits aufgrund seiner sunnitischen Glaubensrichtung eine individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten.

Auch das deutsche Verwaltungsgericht München geht nicht von einer Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak aus (vgl. VG München, Urteil vom 22.05.2017, M 4 K 16.35780, Rz 18 und Urteil vom 28.03.2017, M 4 K 16.32031: Die für die Annahme einer Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak erforderliche Gefahrendichte liegt nicht vor. Es findet keine systematische Diskriminierung oder Verfolgung von religiösen und ethnischen Minderheiten durch Behörden statt. Auch wenn die Situation im Irak unübersichtlich und in einigen Gebieten durch Kampfhandlungen der ISIS gefährlich ist, reicht die abstrakte Gefahr, Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen zu werden, zur Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht aus).

Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).

Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. etwa VwGH 14.03.1995, 94/20/0798, 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529, 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt – nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – zusammenhängt, was im vorliegenden Fall mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zu verneinen wäre.

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

2. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt somit voraus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak mit sich bringen würde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mit weiteren Nachweisen). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236 mwN).

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 26.04.2017, Ra 2017/19/0016, mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR vom 28. November 2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi gg. Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR vom 17. Juli 2008, Nr. 25904/07, NA gg. Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR Sufi und Elmi, RNr. 217).

Thurin (Der Schutz des Fremden vor rechtswidriger Abschiebung² (2012), 203) fasst die bezughabenden Aussagen in der Rechtsprechung des EGMR dahingehend zusammen, dass der maßgebliche Unterschied zwischen einem "realen Risiko" und einer "bloßen Möglichkeit" prinzipiell im Vorliegen oder Nichtvorliegen von "special distinguishing features" zu erblicken ist, die auf ein "persönliches" ("personal") und "vorhersehbares" ("foreseeable") Risiko schließen lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe nur in sehr extremen Fällen ("most extreme cases") wenn die allgemeine Lage im Herkunftsstaat so ernst sei, dass praktisch jeder, der dorthin abgeschoben wird, einem realen und unmittelbar drohenden ("real and imminent") Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sei. Diesfalls sei das reale Risiko bereits durch die extreme allgemeine Gefahrenlage im Zielstaat indiziert.

Auch im jüngst ergangenen Urteil der Großen Kammer vom 23. August 2016, Nr. 59166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, beschäftigte sich der EGMR mit seiner einschlä

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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