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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über den Fristsetzungsantrag der Marktgemeinde D, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10, zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Landesverwaltungsgericht Steiermark wird aufgetragen, das Erkenntnis oder den Beschluss innerhalb von drei Monaten, gerechnet vom Tag der Zustellung dieses Erkenntnisses, nachzuholen.
Der Bund hat der antragstellenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Nach dem Vorbringen im Fristsetzungsantrag, dem das Verwaltungsgericht nicht entgegengetreten ist, hat die antragstellende Partei mit Eingabe vom 13. August 2015 einen Antrag auf Kostenentscheidung gemäß § 48 Abs. 3 EisbG gestellt. Am 29. Februar 2016 erhob die antragstellende Partei Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht.
2 Aufgrund des Fristsetzungsantrags der antragstellenden Partei wurde dem Verwaltungsgericht mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. November 2017, Fr 2017/03/0009-3, gemäß § 38 Abs. 4 VwGG aufgetragen, das Erkenntnis oder den Beschluss innerhalb von drei Monaten zu erlassen.
3 Das Verwaltungsgericht nahm dazu mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2017 Stellung. Es führte aus, dass mit Schreiben des Verwaltungsgerichtes vom 5. Dezember 2017 der Sachverständigenkommission der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsges.m.b.H zwei im Verfahren erstattete Schriftsätze mit dem Ersuchen übermittelt worden seien, dazu im Einzelnen, nach Durchführung einer Befundaufnahme und Ermittlung und Beschreibung der relevanten Tatsachen, Stellung zu nehmen, auf eine näher bezeichnete gutachterliche Stellungnahme einzugehen, für die vorliegende Eisenbahnkreuzung den konkret für die Parteien anfallenden Aufwand zu erheben, darzulegen und gutachterlich zu beurteilen und dabei auf die von der Antragstellerin und von den Sbahnen geltend gemachten Umstände einzugehen.
Da weder im Gutachten vom 10. November 2016, noch in der ergänzenden Stellungnahme vom 24. April 2017 eine nachvollziehbare Begründung für die Gewichtung und das Verhältnis der einzelnen Aufteilungskriterien zueinander enthalten gewesen sei, sei die Sachverständigenkommission weiters ersucht worden, diesbezüglich anhand sachlicher Kriterien und des Standes der Technik schlüssig und nachvollziehbar die Verteilung der Kriterien und deren Gewichtung darzulegen und auch zu den Aufteilungsvarianten der Antragstellerin und der Sbahnen im einzelnen Stellung zu nehmen. Der von der Antragstellerin aufgezeigte Rechenfehler im Gutachten wäre zu berichtigen oder aber darzulegen, weshalb ein solcher nicht vorliege. Für die Stellungnahme bzw. Gutachtensergänzung sei eine Frist von drei Wochen in Vormerk genommen worden.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 sei von der Geschäftsführung der Sachverständigenkommission nach § 48 EisbG mitgeteilt worden, dass dem Ersuchen des Verwaltungsgerichtes vom 5. Dezember 2017 derzeit nicht entsprochen werden könne, da der Vorsitzende der Sachverständigenkommission mit Ende November 2017 seinen Vorsitz zurückgelegt habe und die Sachverständigenkommission derzeit nicht in der vom Gesetz vorgesehenen Form zusammentreten könne. Gemäß Mitteilung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie als der gemäß § 48 Abs. 4 EisbG für die Bestellung der Mitglieder der Sachverständigenkommission zuständigen Stelle seien entsprechende Bemühungen für eine möglichst rasche Nachbesetzung des Vorsitzenden der Sachverständigenkommission bereits im Gange. Das Ersuchen des Verwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2017 werde von Seiten der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsges.m.b.H unmittelbar nach Konstituierung der Sachverständigenkommission gemäß § 48 Abs. 4 EisbG an deren Vorsitzenden zur vordringlichen Behandlung weitergeleitet.
Da sich gemäß § 48 Abs. 4 EisbG die Behörde bei der Kostenfestsetzung des Gutachtens einer Sachverständigenkommission zu bedienen habe, wobei die Geschäftsführung der Sachverständigenkommission der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsges.m.b.H obliege und weder das von der Sachverständigenkommission vom 10. November 2016 erstellte Gutachten, noch die ergänzende Stellungnahme vom 24. April 2017 eine nachvollziehbare Begründung für die Gewichtung des Verhältnisses der einzelnen Aufzählungskriterien zueinander enthalte und daraus auch nicht nachvollziehbar sei, welcher Aufwand für die vorliegende Eisenbahnkreuzung konkret für die Parteien anfalle, sei ohne eine entsprechende Ergänzung des Gutachtens durch die Sachverständigenkommission derzeit eine Entscheidung im Sinne des § 48 Abs. 3 EisbG nicht möglich. Im Hinblick darauf, dass aufgrund des Rücktritts des Vorsitzenden der Sachverständigenkommission gemäß § 48 Abs. 4 EisbG mit Ende November 2017 die Sachverständigenkommission derzeit nicht in der vom Gesetz vorgesehenen Form zusammentreten könne und der Vorsitzende der Sachverständigenkommission erst nachzubesetzen sei, sei davon auszugehen, dass der verfahrensleitenden Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. November 2017 nicht entsprochen werden könne, diesbezüglich aber eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht nicht vorliege.
4 Unstrittig ist, dass die Entscheidungsfrist des Verwaltungsgerichtes, die mit Vorlage der Säumnisbeschwerde zu laufen begonnen hat, abgelaufen ist, ohne dass das Verwaltungsgericht in der von ihm zu erledigenden Sache - Kostenentscheidung gemäß § 48 Abs. 3 EisbG betreffend eine Eisenbahnkreuzung auf Antrag der antragstellenden Partei als Trägerin der Straßenbaulast - eine Entscheidung erlassen hat.
5 Gemäß § 38 Abs. 4 VwGG ist - wenn nicht in sinngemäßer Anwendung der §§ 33 Abs. 1 und 34 Abs. 1, 2 und 3 vorzugehen ist - dem Verwaltungsgericht aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten das Erkenntnis oder den Beschluss zu erlassen und eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie desselben dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn das Verwaltungsgericht das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Erlassung des Erkenntnisses oder Beschlusses unmöglich machen.
6 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht nach Erhalt des nach § 38 Abs. 4 VwGG erteilten Auftrags mitgeteilt, dass seines Erachtens keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliege. Bei den zur Begründung dieser Auffassung angeführten - oben dargelegten - Gründen handelt es sich jedoch ausschließlich um Umstände, die aufgrund von nicht ordnungsgemäß erstatteten Gutachten und einer Verhinderung der beizuziehenden Sachverständigenkommission auf tatsächlicher Ebene einer raschen und fristgerechten Entscheidung entgegenstehen konnten; sie ändern aber nichts daran, dass das Verwaltungsgericht zur Entscheidung verpflichtet ist und die Entscheidungsfrist abgelaufen ist. Für die Setzung einer Frist gemäß § 38 Abs. 4 bzw. § 42a VwGG kommt es auf ein Verschulden an der eingetretenen Verletzung der Entscheidungspflicht nicht an (vgl. aber zu den Kostenfolgen § 56 Abs. 2 VwGG, siehe dazu VwGH 18.12.2015, Fr 2015/12/0023).
7 Die in der Stellungnahme geschilderten Umstände hätten allenfalls zur Begründung eines Antrags auf Verlängerung der im Auftrag nach § 38 Abs. 4 VwGG gesetzten Frist herangezogen werden können; da ein derartiger Fristverlängerungsantrag nicht gestellt wurde, kann dahingestellt bleiben, ob mit dem Vorbringen des Verwaltungsgerichtes in der Sache gelegene Gründe im Sinne des § 38 Abs. 4 VwGG, die eine fristgerechte Erlassung des Erkenntnisses oder Beschlusses unmöglich machen, nachgewiesen wurden.
8 Das Verwaltungsgericht ist diesem Auftrag nicht nachgekommen. Gemäß § 42a VwGG war ihm daher der Auftrag zur Nachholung des Erkenntnisses oder Beschlusses aufzutragen.
9 Der Umstand, dass die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. November 2017, Fr 2017/03/0009-3, gemäß § 38 Abs. 4 VwGG gesetzte Frist noch nicht abgelaufen ist, hindert die Erlassung des Erkenntnisses zur Setzung einer angemessenen Frist gemäß § 42a VwGG nicht. Der Auftrag gemäß § 38 Abs. 4 VwGG verpflichtet das Verwaltungsgericht, innerhalb der darin bestimmten Frist das Erkenntnis oder den Beschluss zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt. Im vorliegenden Fall hat sich das Verwaltungsgericht mit seiner Stellungnahme vom 21. Dezember 2017 dafür entschieden, anzugeben, warum seiner Auffassung nach eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt; die mit dem Auftrag nach § 38 Abs. 4 VwGG gesetzte Frist ist damit gegenstandslos und steht einer mit Erkenntnis nach § 42a VwGG zu verfügenden Fristsetzung nicht entgegen.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis nach § 42a VwGG eine zur Nachholung des Erkenntnisses oder Beschlusses angemessene Frist festzusetzen. Im Hinblick auf das Vorbringen des Verwaltungsgerichtes, wonach im Ergebnis die Einholung eines (weiteren) Gutachtens erforderlich sei, war dabei eine Frist festzulegen, die es grundsätzlich ermöglicht, ein derartiges Gutachten einzuholen, mit den Parteien zu erörtern und das Erkenntnis oder den Beschluss zu erlassen. Zur Vermeidung von Missverständnissen ist in diesem Zusammenhang jedoch darauf hinzuweisen, dass aus der Setzung einer Frist nach § 42a VwGG grundsätzlich keine Aussage über Art (Beschluss oder Erkenntnis) und Inhalt der vom Verwaltungsgericht zu treffenden Entscheidung oder der weiteren vom Verwaltungsgericht zu setzenden Verfahrenshandlungen abzuleiten ist.
11 Soweit das Verwaltungsgericht darauf aufmerksam macht, dass nach der Mitteilung der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsges.m.b.H vom 18. Dezember 2017 die gesetzlich zwingend heranzuziehende Sachverständigenkommission nach § 48 Abs. 4 EisbG wegen einer bereits mit Ende November 2017 wirksam gewordenen Zurücklegung der Funktion des Vorsitzenden dieser Sachverständigenkommission nicht zusammentreten könne, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie gemäß § 48 Abs. 4 EisbG die Verpflichtung trifft, die Mitglieder dieser Kommission zu bestellen und davon auszugehen ist, dass der Bundesminister dieser gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, sodass diese Sachverständigenkommission ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen kann.
12 Im Übrigen ist festzuhalten, dass sich die Behörde - oder im vorliegenden Fall das aufgrund der Säumnisbeschwerde an die Stelle der Behörde tretende Verwaltungsgericht - nach § 48 Abs. 4 EisbG des Gutachtens der nach dieser Bestimmung eingerichteten Sachverständigenkommission zu bedienen hat. Im Hinblick auf den hier zu beurteilenden Fall, in dem nach dem Vorbringen des Verwaltungsgerichtes bereits ein (mangelhaftes) Gutachten der Sachverständigenkommission eingeholt worden war, ist hier nicht zu entscheiden, ob diese Verpflichtung auch dann Bestand haben kann, wenn die Sachverständigenkommission nicht in angemessener Frist in der gesetzlich vorgesehenen Form tätig werden kann und damit die Erstellung eines Gutachtens durch diese Sachverständigenkommission offenkundig nicht in der zur Wahrung der Entscheidungsfrist des Verwaltungsgerichtes nötigen Zeit möglich ist (vgl. zur Säumnis im Fall einer notwendigen, aber nicht bzw. nicht rechtzeitig erteilten Zustimmung anderer Behörden etwa VwGH 9.1.1981, 2882/80, m.w.N.). Wurde ein Gutachten dieser Sachverständigenkommission nämlich eingeholt, ist dieses Gutachten jedoch - wie das Verwaltungsgericht in seiner Stellungnahme vorbringt - nicht nachvollziehbar oder sonst mangelhaft und wird es auch nicht in angemessener Frist ergänzt, sodass es bei der Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht berücksichtigt werden könnte, so hindert § 48 Abs. 4 EisbG das Verwaltungsgericht jedenfalls nicht daran, andere geeignete Beweismittel wie etwa ein Gutachten geeigneter Sachverständiger einzuholen und der Feststellung des Sachverhalts zugrunde zu legen.
13 § 48 Abs. 4 EisbG sieht auch für die Behörde lediglich die Verpflichtung vor, sich des Gutachtens der nach dieser Bestimmung eingerichteten Sachverständigenkommission "zu bedienen", nicht jedoch eine Bindung an das Ergebnis dieses Gutachtens oder eine sonstige Einschränkung der zulässigen Beweismittel im Verfahren über die Kostenfestsetzung. Damit stellt sich vorliegend auch nicht die Frage, ob im Säumnisfall das Verwaltungsgericht durch eine Bestimmung, die im Ergebnis eine Bindung der Verwaltungsbehörde an das Gutachten bewirken sollte, gebunden werden könnte.
14 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47ff, insbesondere auf § 56 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 VwGG wurden vom Verwaltungsgericht nicht vorgebracht und sind auch nach der Aktenlage nicht erkennbar.
Wien, am 24. Jänner 2018
Schlagworte
Sachverständiger KollegialorganBeweismittel SachverständigenbeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:FR2017030009.F00Im RIS seit
16.02.2018Zuletzt aktualisiert am
27.03.2019