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E000 EU- Recht allgemein;Norm
12010E288 AEUV Art288;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Krems gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 4. September 2017, LVwG-S-1129/001-2017, betreffend Übertretung kraftfahrrechtlicher Bestimmungen (mitbeteiligte Partei: V in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft vom 6. April 2017 wurde dem Mitbeteiligten Folgendes vorgeworfen (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Anhaltezeit:
26.7.2016, gegen 14.14 Uhr
Anhalteort:
Gemeindegebiet von G.
B37, nächst Strkm. 020.000
Fahrzeug:
LKW, MAN, mit Anhänger
behördl. Kennzeichen:
Z...(Z..., Anhänger)
Tatbeschreibung
Sie haben als Lenker (Fahrer) des angeführten Kraftfahrzeuges, welches zur Güterbeförderung im Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen:
Sie haben bei der Lenker- und Fahrzeugkontrolle, obwohl das Fahrzeug mit einem Kontroll-gerät gemäß Anhang I B oder VO(EWG) 3821/85 (digitales Kontrollgerät) ausgerüstet war, die handschriftlichen Aufzeichnungen und Ausdrucke für die Zeiträume
28.06.2016, von 00.00 Uhr bis 06.40 Uhr
28.06.2016, von 14.56 Uhr bis 30.06.2016, 09.56 Uhr 04.07.2016, von 12.40 Uhr bis 05.07.2016, 08.34 Uhr 06.07.2016, von 14.20 Uhr bis 07.07.2016, 07.30 Uhr 08.07.2016, von 16.40 Uhr bis 11.07.2016, 08.28 Uhr 13.07.2016, von 15.38 Uhr bis 14.07.2016, 09.24 Uhr 15.07.2016, von 15.00 Uhr bis 18.07.2016, 08.24 Uhr nicht mitgeführt und dem Kontrollorgan vorgelegt.
Fehlen auf der Fahrerkarte einzelne Arbeitstage und werden dafür auch keine Schaublätter mitgeführt, so sind für diese Tage entsprechende Bestätigungen des Arbeitgebers, die den Mindestanforderungen des von der Kommission gemäß Artikel 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22/EG erstellten Formblattes entsprechen müssen, mitzuführen und bei Kontrollen auszuhändigen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 134 Abs. 1 i.V.m. § 102a Abs. 4 KFG 1967 i.V.m. VO(EU) Nr. 165/2014 Art. 36, VO(EG) Nr. 561/2006, Richtlinie 2006/22/EG
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
Gemäß
EUR 600,00
96 Stunden
§ 134 Abs 1 iVm Abs 1b KFG 1967
Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro
EUR 60,00
Gesamtbetrag:
EUR 660,00"
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen dieses Straferkenntnis stattgegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof hat das Verwaltungsgericht für unzulässig erklärt.
3 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht folgenden Sachverhalt fest:
"Der (Mitbeteiligte) war am 26.7.2016, gegen 14.14 Uhr im
Gemeindegebiet von G. ... als Lenker des Kraftwagenzuges mit dem
Kennzeichen Z ... (Z ..., Anhänger) durch die Streife Krems/Land Schwerverkehr angehalten und einer Kontrolle u.a. auch des digitalen Kontrollgerätes unterzogen worden. Dabei wurden die angezeigten Übertretungen festgestellt."
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, die Behörde habe entgegen der Bestimmung des § 22 VStG für zwei verschiedene Delikte eine einheitliche Geldstrafe verhängt. Aus diesem Grund sei das Straferkenntnis zu beheben gewesen (Verweis auf VwGH 28.9.1988, 88/02/0078). Weiter sei festzuhalten, dass die angezeigten Tathandlungen in Anbetracht der Tatsache, dass das in Rede stehende Kfz mit einem digitalen Kontrollgerät ausgestattet gewesen sei, unter die Bestimmung des Art. 15 Abs. 7 EG-VO 3821/85 zu subsumieren seien. Die rechtliche Zuordnung zu VO (EU) Nr. 165/2014 Art. 36 sowie VO (EG) Nr. 561/2006, Richtlinie 2006/22/EG erscheine daher verfehlt.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde erkennbar wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
6 Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Als zulässig erachtet die beschwerdeführende Bezirkshauptmannschaft die Revision, weil das Verwaltungsgericht entgegen der Rechtsprechung nicht von einem der Tat zugrundeliegenden Gesamtkonzept und daher von einem fortgesetzten Delikt ausgegangen sei, weshalb zulässigerweise eine Gesamtstrafe zu verhängen gewesen sei. Zudem sei das Verwaltungsgericht verfehlt von der Anwendung einer unrichtigen Rechtslage durch die belangte Behörde ausgegangen; während des Tatzeitraumes sei die Verordnung (EU) Nr. 165/2014, die am 2. März 2016 in Kraft getreten sei, anzuwenden gewesen.
8 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
9 Gemäß § 22 Abs. 2 VStG sind die Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt.
10 § 102a Abs. 4 KFG in der hier anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 94/2009 lautet:
"Lenker von Kraftfahrzeugen, die mit einem digitalen Kontrollgerät im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 ausgerüstet sind, haben sich bei der Bedienung des Kontrollgerätes an die Bedienungsanleitung des Kontrollgerätes zu halten. Sie haben dafür zu sorgen, dass das Kontrollgerät auf Fahrten in Betrieb ist und dass ihre Fahrerkarte im Kontrollgerät verwendet wird. Die Lenker haben auf Verlangen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht die in der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 vorgesehenen Ausdrucke, die Fahrerkarte und die mitgeführten Schaublätter des laufenden Tages und der vorausgehenden 28 Tage, falls sie in dieser Zeit ein Fahrzeug gelenkt haben, das mit einem analogen Kontrollgerät ausgerüstet ist, auszuhändigen. Hierüber ist dem Lenker eine Bestätigung auszustellen. Fehlen auf der Fahrerkarte einzelne Arbeitstage und werden dafür auch keine Schaublätter mitgeführt, so sind für diese Tage entsprechende Bestätigungen des Arbeitgebers, die den Mindestanforderungen des von der Kommission gemäß Artikel 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22/EG erstellten Formblattes entsprechen müssen, mitzuführen und bei Kontrollen auszuhändigen."
11 § 134 Abs. 1 Satz 1 KFG in der hier anzuwenden Fassung BGBl. I Nr. 40/2016 lautet:
"Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1993, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen."
12 Hatte das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung der Frage, ob ein fortgesetztes Delikt vorliegt, die im Spruch angeführten Zeiträume im Auge, ist es darauf zu verweisen, dass nicht diese für die Deliktsform entscheidend sind, sondern dem Mitbeteiligten vorgeworfen wurde, für diese Zeiträume Ausdrucke und Aufzeichnungen nicht mitgeführt und dem Kontrollorgan nicht vorgelegt zu haben. Der Zeitpunkt der Kontrolle entspricht somit dem Tatzeitpunkt, ohne dass es auf die angeführten Zeiträume ankommt.
13 Hatte das Verwaltungsgericht - wie sich aus der Formulierung "... für zwei verschiedene Delikte eine einheitliche Geldstrafe ..." erschließt - weiter im Blick, dass der Mitbeteiligte nicht nur wegen des eben genannten Delikts (§ 102a Abs. 4 Satz 4 KFG), sondern auch wegen des Unterlassens des Mitführens und Aushändigens der Arbeitgeberbestätigungen gemäß § 102a Abs. 4 Satz 6 KFG bestraft worden sei, ist dies nicht zu sehen, zumal im Spruch zwar - in überflüssiger Weise - der Gesetzestext von Satz 6 leg. cit. wiedergegeben wird, ohne dass jedoch dem Mitbeteiligten daraus ein konkreter Tatvorwurf gemacht wurde. Eine Bestrafung auch wegen dieses Deliktes ist daher nicht erfolgt, weshalb keine Gesamtstrafe verhängt wurde.
14 Auch kann dem Verwaltungsgericht nicht gefolgt werden, wenn es von einer Anwendbarkeit der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 ausgeht. Die belangte Behörde hat zutreffend im Sinne der Rechtsprechung angenommen, dass im Tatzeitpunkt die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 bereits in Geltung war (VwGH 4.4.2017, Ra 2016/02/0255).
15 Da somit die vom Verwaltungsgericht angenommenen Einstellungsgründe nicht vorlagen, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 1. Februar 2018
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere Rechtsgebiete"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff TatzeitGemeinschaftsrecht Verordnung unmittelbare Anwendung EURallg5/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017020222.L00Im RIS seit
16.02.2018Zuletzt aktualisiert am
27.02.2018