Norm
BDG 1979 §43 Abs2Schlagworte
Verd. AmtsmissbrauchText
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der Beschuldigte N.N. wurde vom Vorwurf,
er habe eine Verkehrskontrolle durchgeführt, im Zuge dessen der Kontrollierte aufgrund einer lediglichen Nachschau im PAD betreffend Vorführung zum Strafantritt ungerechtfertigt festgenommen wurde, weil es unterlassen wurde, den Sachverhalt gründlich zu prüfen.
er habe dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BGD, § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. mit der Dienstanweisung „PAD-Vorschriften“ Pkt. IV.2. Anwendungsbereich i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen,
gemäß § 126 Abs. 2 BDG i.V.m. § 118 Abs. 1 Zi 2, 2. Halbsatz BDG freigesprochen, nämlich dass das vorgeworfene Verhalten keine Dienstpflichtverletzung darstellt.
Der Beamte X.X. wurde vom Vorwurf,
er habe eine Verkehrskontrolle durchgeführt, im Zuge dessen den Kontrollieten aufgrund einer lediglichen Nachschau im PAD betreffend Vorführung zum Strafantritt ungerechtfertigt festgenommen wurde, weil es unterlassen wurde, den Sachverhalt gründlich zu prüfen.
er habe dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BGD, § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. mit der Dienstanweisung „PAD-Vorschriften“ Pkt. IV.2. Anwendungsbereich i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen,
gemäß § 126 Abs. 2 BDG i.V.m § 118 Abs. 1 Zi 2, 2. Halbsatz BDG, freigesprochen, nämlich dass das vorgeworfene Verhalten keine Dienstpflichtverletzung darstellt.
Beiden Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.
BEGRÜNDUNG
Der Verdacht eine Dienstpflichtverletzung begangen zu haben, ergibt sich aus der Disziplinarverfügung der Dienstbehörde und dem fristgerecht eingebrachten Einspruch des Beschuldigten, vertreten durch den Verteidiger.
Demnach führten die Beamten während ihres motorisierten Streifendienstes als Funkwagenbesatzung eine Amtshandlung betreffend eines vorschriftswidrig abgestellten Fahrzeuges mit abgelaufener Begutachtungsplakette. Beim Ausfüllen des BOM bzw. VZ. kam der Lenker zum Fahrzeug. Aufgrund Nachfrage am Stützpunkt konnte durch einen Kollegen nach einer Nachschau im PAD vermeintlich offene Verwaltungsakten mit einem ausstehenden Strafbetrag von über € 1.000,-- festgestellt werden. Da der offene Betrag vor Ort durch den N.N. nicht bezahlt werden konnte, wurde von den einschreitenden Beamten die Festnahme ausgesprochen. Es erfolgte die Überstellung in die PI.
Nach Eintreffen auf der PI eruierte der Beamte via PAD den vermeintlich genauen offenen Betrag von € 1.555,--. Der Fahrzeuglenker gab an, dass er diesen Betrag bereits bezahlt hatte und veranlasste die Übermittlung des Zahlungsbeleges via WhatsApp durch seine Freundin.
Bei einer daraufhin durchgeführten Anfrage bei der zuständigen PI bezüglich des eruierten offenen Strafbetrages, wurde in Erfahrung gebracht, dass keine offenen Strafakten gegen diesen aufliegen.
Nachdem sich die Festnahme als ungerechtfertigt herausstellte, wurde der Mann aus der Haft entlassen.
Seitens der Behörde wurde gegenständlicher Sachverhalt bei der StA zur Anzeige gebracht. Das Verfahren wegen § 303 StGB wurde von der StA gemäß § 190 Zi. 1 StPO eingestellt.
Die Dienstbehörde hat dazu ausgeführt, dass ein Beamter gemäß §§ 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 verpflichtet ist, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus Eigenem zu besorgen und in seinem gesamten Verhalt darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheut in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten, nämlich die ausgesprochen Festnahme ohne die nötige gesetzliche Voraussetzung , war zweifelsfrei geeignet, das durch § 43 Abs. 2 BDG zu schützendes Rechtsgut der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft in beträchtlichem Ausmaß zu schädigen, sondern auch das Ansehen der Dienststelle und der gesamten Dienstbehörde in erheblicher Weise zu beeinträchtigen.
Zur Frage des Verschuldens wird seitens der Dienstbehörde festgehalten, dass disziplinär nur strafbar ist, wer schuldhaft handelt. Schuldhaft verletzt ein Beamter seine Pflichten nur dann, wenn er ihnen vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt (VwGH 18.10.1990, 90/09/0076
Den Beamten ist zum Vorwurf zu machen, dass sie ohne von der zuständigen PI eine Bestätigung über den tatsächlich offenen Strafbetrag gehabt zu haben, die Festnahme ausgesprochen haben. Durch dieses Fehlverhalten haben sie eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 1 und Abs. 2 BDG 1979 begangen.
Seitens der Dienstbehörde wurde in weiterer Folge eine Disziplinarverfügung gegen alle drei involvierten Beamten erlassen. Seitens N.N. wurde die Disziplinarverfügung angenommen, seitens der anderen Beamten wurde diese beeinsprucht, sodass von der Disziplinarkommission das ordentliche Verfahren eingeleitet wurde.
Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:
Rechtsgrundlagen:
§ 44 (1) BDG: Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und deren Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt, zu befolgen.
Dienstanweisung „Kanzleiwesen und PAD“
Die Applikation “PAD“ ist lediglich zur Protokollierung, Bearbeitung und Erledigung von Geschäftsfällen vorgesehen. Für statistische Zwecke, für Erkenntnisanfragen und zur allgemeinen Informationsgewinnung sind aus datenschutzrechtlichen Gründen grundsätzlich die entsprechenden BMI-Webanwendungen (EKIS, Analyseplattform – Lagebericht .BK usw.) zu verwenden.
„Erkenntnisabfragen“: Dabei handelt es sich um ein anlassloses Priorieren bzw. um Anfragen die mit dem konkreten Anlassfall in keinem Konnex stehen. Es wird daher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Nachschau in Pad- Akten zu denen entgegen dem Auftragsprinzip kein Auftrag besteht, nicht gestattet ist! (Erlass d. BMI zur GZ.: BMI-OA 1000/0198-II/10/b/2012)
Zum Freispruch:
Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens zu dem Erkenntnis gelangt, dass die Beschuldigten die ihnen vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen nicht begangen haben.
Der Vorwurf lautet, dass die Beamten vorschriftswidrig bei der Festnahme vorgegangen wären, indem beide die PAD Vorschriften nicht beachtet hätten und Nachschau im PAD getätigt hätten, die auf diese Art nicht zulässig gewesen wäre.
Diesbezüglich wird folgendes ausgeführt:
Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Dies bedeutet, dass er sowohl die vom Bundesministerium für Inneres verlautbaren Erlässe, sowie die schriftlichen Befehle seiner zuständigen Dienstbehörde und Dienstanweisungen zu befolgen hat.
Unter „Weisung“ ist eine generelle oder individuelle, abstrakte oder konkrete Norm zu verstehen, die an einen oder an eine Gruppe von dem Weisungsgeber untergeordneten Verwaltungsorganwaltern ergeht. Sie ist ein interner Akt im Rahmen der Verwaltungsorganisation. Vorliegendenfalls liegt eine schriftliche Weisung in Form der Dienstanweisung „PAD-Vorschriften“ vor, welche allen Beamten via Veröffentlichung im Intranet nachweislich zur Kenntnis gebracht worden ist.
Daher handelt der Beamte pflichtwidrig, wenn er dienstliche Anordnungen nicht befolgt.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde im Beweisverfahren ausführlich und klar dargelegt, dass oben angeführte Beamte die dienstlichen Anordnungen sehr wohl befolgt haben und ordnungsgemäß vorgegangen sind.
Nach der gegenständlichen PAD-Vorschrift ist es zulässig, dass im PAD protokolliert, erledigt und bearbeitet wird. Auch ein Priorieren ist zulässig, dies ergibt sich zum einen aus der Dienstanweisung, in welcher nicht nur von einer Nachschau im PAD die Rede ist, sondern auch aus der Definition „Erkenntnisabfragen“. Dabei handelt es sich um ein anlassloses Priorieren bzw. um Anfragen die mit dem konkreten Anlassfall in keinem Konnex stehen. Aus diesem Wortlaut ist im Umkehrschluss ableitbar, dass ein anlassbezogenes Priorieren selbstverständlich zu den Aufgaben im PAD gehört.
Auch die informierte Vertreterin der Behörde N.N. führte explizit an, dass jeder Beamte im PAD nach einem Anlassfall darin Nachschau halten darf und er auch dazu verpflichtet ist zu priorieren, damit er weiß worum es geht.
Darüber hinaus ist es nach gegenständlicher Dienstanweisung in Pkt. IV.10.3.1 und Pkt. IV.10.3.9 vorgesehen, dass sobald ein Strafbetrag eingehoben wurde, im PAD eine diesbezügliche Notiz gemacht werden muss.
Dies ist keine KANN-Bestimmung, sondern eine MUSS-Bestimmung. Offenbar wurde genau dies aber vom SPK nicht gemacht, sodass der Fehler nicht bei den einschreitenden Beamten gelegen ist.
Der Beamte führte an, dass er keine Notiz im PAD-Akt hinsichtlich Einhebung des Strafbetrages gefunden hätte, weshalb er von der Nichtzahlung ausgehen musste.
Beide Beschuldigten führten an, dass es üblich ist, im PAD eine entsprechende Notiz zu erstellen, diese habe jedoch bei vorliegenden PAD-Akten gefehlt.
Beide Beamte wurden wegen fahrlässiger Verletzung der Freiheit einer Person bei der StA Wien zur Anzeige gebracht und wurde dieses Verfahren seitens der StA aufgrund § 190 Z 1 StPO mit der Begründung eingestellt, dass die dem Ermittlungsverfahren zugrunde gelegene Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist und die weitere Verfolgung aus rechtlichen Gründen unzulässig ist.
Zum einen ist die Disziplinarkommission zwar gemäß § 95 Abs. 2 BDG rechtlich an eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft gemäß § 190 Z 1 StPO nicht gebunden, hat jedoch in der Praxis faktisch diese jeweilige Entscheidung entsprechend zu werten bzw. zu berücksichtigen.
Zum anderen hat aber auch das Beweisverfahren im Zuge der mündlichen Verhandlung ergeben, dass beide Beamte völlig gesetzeskonform bzw. konform der Dienstanweisung gehandelt haben und sohin gar keine Dienstpflichtverletzung vorgelegen ist.
Gemäß § 118 Abs. 1 BDG ist das Disziplinarverfahren durch Bescheid einzustellen, wenn
1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen (Strafausschließungsgründe und Strafaufhebungsgründe) (Z 1)
2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt (Z 2)
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen (Verfolgungshindernisse) Z 3
4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies die Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken (Z 4).
Der Senat ist einstimmig zum dem Ergebnis gelangt, dass das vorgeworfene Verhalten keine Dienstpflichtverletzung darstellt und die Beamten anweisungskonform vorgegangen sind. Einzig der Beamte am Stützpunkt hat den Fehler begangen, dass er nicht unverzüglich mit der PI des Wohnsitzes in Verbindung getreten ist. Doch diese Vorgangsweise steht außerhalb des Einflusses der beiden Beamten Vorort und entzieht sich deren Überprüfbarkeit. Sie müssen sich grundsätzlich auf die Auskunft des Kollegen am Stützpunkt verlassen können, da polizeiliche Erhebungsarbeit im Teamworking bei Außendienstarbeit-und Streifentätigkeit zu erfolgen hat. Zudem war dies ein erfahrener Kollege, sodass für die Beamten Vorort klar gewesen ist, dass sie sich auf diesen verlassen können.
Der weitere Fehler passierte im SPK, da dieses seine Beamten offenbar nicht angewiesen hat, entsprechend der Dienstanweisung PAD-Vorschriften immer eine Notiz in den PAD-Akten betreffend Einhebung von Strafgeldern zu veranlassen, da diese Notiz nachweislich fehlte.
Zudem ist es nicht Aufgabe eingeteilter Beamte über den Versendungsmodus von PAD-Akten Bescheid zu wissen, da dies Aufgabe der Dienstführung ist.
Seitens der Frau Disziplinaranwältin und auch des Verteidigers wurde eine Einstellung des Verfahrens beantragt.
Der Senat hat sich somit den Argumenten der Disziplinaranwaltschaft und des Verteidigers vollinhaltlich angeschlossen.
Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:
Entfallen aufgrund des Freispruchs.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zuletzt aktualisiert am
15.02.2018