TE Dok 2017/6/30 42018-DK/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.06.2017
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §44 Abs1

Schlagworte

Weisung, soziale Netzwerke

Text

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Beschuldigte ist schuldig,

 

er habe privat und außerhalb seines Dienstes auf seinem Facebook-Account, für die Öffentlichkeit sichtbar, im Zusammenhang mit einem syrischen Flüchtling der auf eine Straßenbahngarnitur geklettert war, gepostet: „Net amal auf die Scheiß Stromleitung is verlass“, wobei als Arbeitgeber die LPD Wien angeführt war,

er habe dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BGD, § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. der Dienstanweisung „Rechtliche Verbindlichkeiten für Bedienstete der LPD Wien bei der privaten Nutzung von sozialen Netzwerken „Social Media“ Verhalten in „Social Media“ vom 06.11.2013, GZ: P4/340758/5/2013 sowie gegen § 2 der Dienstordnung der LPD Wien vom 23.01.2013, GZ: P4/444849/1/2012 i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen.

Über den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi. 2 BDG die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von € 800,- (in Worten: achthundert) verhängt.

Dem Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.

 

BEGRÜNDUNG

Der Verdacht, eine Dienstpflichtverletzung begangen zu haben, ergibt sich aus der Disziplinarverfügung der Dienstbehörde.

Der Beamte steht als Exekutivbeamter der Landespolizeidirektion Wien in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Ein syrischer Staatsbürger kletterte auf das Dach einer Straßenbahn-Garnitur und versuchte mit beiden Händen die Oberleitung der Straßenbahn zu umfassen. Eine Notabschaltung durch den Straßenbahnfahrer verhinderte erhebliche Verletzungen.

Dieser Vorfall wurde in zahlreichen Medien berichtet, wobei der Beamte auf seinem Facebook-Account (in seinem Profil scheint als Arbeitgeber die „LPD Wien“ auf) folgender Wortlaut gepostet haben:

„Net amal auf die Scheiß Stromleitung is verlass.“

Die Berührung einer Straßenbahnoberleitung durch einen Menschen führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu dessen Tod. Die Aussage: „Net amal auf die Scheiß Stromleitung is verlass“ vermag klar zum Ausdruck zu bringen, dass ebendiese tödliche Verletzungsfolge des Betroffenen herbeigesehnt wird.

Dieses Verhalten ist jedenfalls geeignet, die Würde der betroffenen Person als Mensch zu verletzen sowie darüber hinaus das Recht auf Leben im Allgemeinen herabzusetzen.

Als Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gilt es gerade diese höchsten Rechtsgüter zu achten und sogar zu schützen.

Ein Beamter hat gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Das bedeutet nichts anderes als die allgemeine Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt bzw. nach dem Willen des Gesetzgebers genießen soll. Bei einem Exekutivbediensteten muss diese Vertrauenswahrung der Allgemeinheit auch außerdienstlich erhalten bleiben (VwGH 16.10.2001, 2000/09/0012).

Das zur Last gelegte außerdienstliche Verhalten (unangebrachtes Posting im Facebook) war zweifelsfrei geeignet, das durch § 43 Abs. 2 BDG zu schützende Rechtsgut der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft in beträchtlichem Ausmaß zu schädigen. Dieses Verhalten war somit nicht nur geeignet das Vertrauen der Bevölkerung in Ihre persönliche und dienstliche Integrität als Exekutivbeamter zu erschüttern und das eigene Ansehen zu schädigen, sondern auch das Ansehen der Dienststelle und der gesamten Dienstbehörde in erheblicher Weise zu beeinträchtigen.

Seitens der Behörde wurde eine Disziplinarverfügung erlassen und der Beamte zu einer Geldbuße im Ausmaß von € 1.000,- verurteilt.

Fristgerecht wurde vom Beschuldigten Einspruch gegen die Strafhöhe erhoben und seitens der Disziplinarkommission beim BM.I. Senat 2, das ordentliche Verfahren eingeleitet.

Die Disziplinarkommission hat erwogen:

Rechtsgrundlagen:

§ 44 (1) BDG: Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und deren Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt, zu befolgen.

Dienstanweisung „Social Media“ zu GZ P4/340758/5/2013

Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens einstimmig zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen schuldhaft begangen hat.

Der Vorwurf lautet dahingehend, dass sich der Beamte weisungswidrig verhalten hätte, indem er durch einen Facebook Eintrag gegen die Dienstanweisung „Social Media“ verstoßen hat.

Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Dies bedeutet, dass er sowohl die vom Bundesministerium für Inneres verlautbaren Erlässe, sowie die schriftlichen Befehle seiner zuständigen Dienstbehörde und mündliche Befehle seiner Vorgesetzten zu befolgen hat.

Gerade die Befolgung von Weisungen ist in einer Sicherheitsbehörde Voraussetzung dafür, eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Erfüllung der sicherheits- und kriminalpolizeiliche Aufgaben zu garantieren.

Unter „Weisung“ ist eine generelle oder individuelle, abstrakte oder konkrete Norm zu verstehen, die an einen oder an eine Gruppe von dem Weisungsgeber untergeordneten Verwaltungsorganwaltern ergeht. Sie ist ein interner Akt im Rahmen der Verwaltungsorganisation.

Der Aufbau und die Struktur einer polizeilichen Organisationseinheit erfordern für ein reibungsloses Funktionieren ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft zwischen Bediensteten auf verschiedenen Hierarchieebenen, welches durch das Instrument der Weisung abgesichert ist.

 

Die gegenständliche Dienstanweisung dient der Sensibilisierung der Mitarbeiter und einer Bewusstseinsschaffung, um sich bei der Verwendung von sozialen Netzwerken durch die Allgemeinüblichkeit jeglicher Äußerungen und Inhalte nicht zu unüberlegten und gesetzeswidrigen Beiträgen hinreißen zu lassen, wobei insbesondere auf die § 43 Abs. 1 und 2 BDG, § 46 BDG Amtsverschwiegenheit und § 5 RLV hingewiesen werden.

Bei der Nutzung dieser Medien ist jedenfalls zu bedenken, dass die darin jeweils verbreiteten Inhalte einer gewissen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, und – je nach Einstellung des Nutzerprofils (Privatsphäre-Einstellungen, zugänglich machen für „Friends“-Freunde oder „Friends-of-Friends“ – Freunde von Freunden)- sogar einem großen unbestimmten Personenkreis.

Dazu sei angemerkt, dass zu bedenken ist, dass bei einer Einstellung zur Offenlegung von Inhalten an „Freunde-von-Freunden“ bei etwa 100-200 sogenannten Freunden oder Abonnenten eines Nutzers sich die Anzahl jener, die die Inhalte wahrnehmen oder ebenfalls verbreiten könnten potenziert (200x200x200 etc. Nutzer)

Die Verantwortung für diese Einstellungen trägt jeder Nutzer eines Netzwerkes selbst.

Die Bediensteten der LPD sind dazu angehalten, derartige Einstellungsmöglichkeiten entsprechend zu überdenken, und müssen sich bei der Nutzung von Netzwerken dieser Umstände bewusst sein.

In diesem Zusammenhang wurde auch die Definition der Meinungsfreiheit geprüft:

Die Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht und wird in der österreichischen Verfassung als ein gegen die Staatsgewalt gerichtetes Grundrecht garantiert, um zu verhindern, dass die öffentliche Meinungsbildung und die damit verbundene Auseinandersetzung mit Regierung und Gesetzgebung beeinträchtigt oder gar verboten wird. In engem Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit sichert die Informationsfreiheit den Zugang zu wichtigen Informationen, ohne die eine kritische Meinungsbildung gar nicht möglich wäre. Das Verbot der Zensur verhindert die Meinungs- und Informationskontrolle durch staatliche Stellen

Judikatur des VwGH zur Meinungsfreiheit:

Auch dem Beamten sind in seinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis alle Grundrechte-soweit sie in Betracht kommen- gewährleistet. Sachliche Kritik ist durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt, und findet dort seine Grenze, wo das zulässige Maß an sachlicher Kritik überschritten wird und auf unangemessene, beleidigende oder auf verletzende Art und Weise erfolgt.

Auszuführen ist, dass in gegenständlichem Fall definitiv keine sachliche Kritik stattgefunden hat, sondern sich der Beamte unangemessen und diskriminierend geäußert hat. Genau diese Art von Äußerung und Kritik steht einem Beamten der österreichischen Polizei nicht zu.

Der Beamte hat nach außen hin unpolitisch, unvoreingenommen und unparteiisch zu agieren, seine persönliche Meinung hat als Mitarbeiter eines militärisch ausgerichteten hierarischen Betriebes keinen Platz und ist auch entbehrlich.

Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von weiteren Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind außerdem die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistungen.

Nach der jüngsten Judikatur des VwGH hat sich der Senat zudem ein umfassendes Bild des Beschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaß eine Bestrafung notwendig erscheint.

Eine Bestrafung muss grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlungen stehen und muss spezial-und generalpräventiv erforderlich sein.

Der Beamte hat insofern gegen schriftliche Weisungen verstoßen, indem er eine Facebook-Eintragung vorgenommen hat, die gegen die Dienstanweisung „Social Media“ verstoßen hat.

 

Als mildernd konnte die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit, die Dienstbeschreibung und das Geständnis herangezogen werden.

Erschwerend war kein Umstand zu werten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2018
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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