TE Bvwg Beschluss 2018/2/6 W154 1410551-2

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Veröffentlicht am 06.02.2018
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Entscheidungsdatum

06.02.2018

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W154 1410551-2/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. VR China, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.12.2009, Zl.: 09 02.499-BAT, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 26.02.2009 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen ihrer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag sowie ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 26.08.2009 begründete sie diesen Antrag im Wesentlichen damit, dass sie von 2006 bis 2008 in der Volksrepublik China als Tierzüchterin und Geschäftsführerin für ein Unternehmen tätig gewesen sei, welches Ameisen gezüchtet und aus diesen traditionelle chinesische Medizinprodukte hergestellt habe. Zahlreiche Anleger seien – auch von der Beschwerdeführerin – motiviert worden, in diese Firma zu investieren. Das Geschäftsmodell habe so ausgesehen, dass die Anleger dem Konzern Ameisen abgekauft, diese zu Hause gezüchtet und danach die vermehrte Menge mit Gewinn an den Konzern zurück verkauft hätten. Der Konzern habe hohe Gewinne gemacht und sei danach in den Konkurs getrieben worden, so dass die Anleger ihren Absatzmarkt für die Ameisen verloren hätten. Zahlreiche Investoren hätten ihr Geld zurückverlangt. Besonders hartnäckig sei ein bestimmter Anleger gewesen, der die Beschwerdeführerin mehrmals aufgesucht und sogar Gewalt gegen sie angewandt habe. In Notwehr habe sie ihn mit einem Messer in den Bauch gestochen und sei daraufhin aus der Volksrepublik China geflüchtet.

Mit dem gegenständlichen Bescheid wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat nicht zu (Spruchpunkt II.) und wies sie gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Volksrepublik China aus (Spruchpunkt III.). Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die von der Beschwerdeführerin angegebenen Gründe für das Verlassen des Heimatlandes unglaubwürdig seien. Ihre gesamte Familie (Eltern und Geschwister) befinde sich noch im Heimatland und sie verfüge daher über Anknüpfungspunkte. Die Beschwerdeführerin sei geschieden und habe keine Verwandten in Österreich.

Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof erhoben.

In weiterer Folge langte beim Asylgerichtshof eine Heiratsurkunde aus dem Jahr 1998 samt Übersetzung aus dem Chinesischen ein.

Mit Erkenntnis vom 10.04.2013, Zl. C3 410.551-1/2009/13E, wies der Asylgerichtshof die Bescheidbeschwerde gemäß §§ 3, 8,10 AsylG 2005 ab.

Gegen dieses Erkenntnis erhob die Beschwerdeführerin gemäß Art. 144 a Abs. 1 B-VG (in der damals geltenden Fassung) Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. In dieser wurde im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt sowie angeführt, dass sie im Zuge des Asylverfahrens vorgebracht habe, mit einem schwer herzkranken und in intensiver medizinischer Behandlung stehenden chinesischen Staatsbürger verheiratet zu sein. Sie lebe mit ihm gemeinsam als Ehepaar in einem näher genannten Grundversorgungsheim.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26.02.2014, Zl. U 1198/2013-17, wurde das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 10.04.2013 wegen Verletzung des durch das Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander aufgehoben. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin durch die Nachreichung ihrer Heiratsurkunde offenbar bezweckt habe zu belegen, mit einem chinesischen Staatsangehörigen verheiratet zu sein, der sich ebenso als Asylwerber im Bundesgebiet aufhalte. Dadurch dass zur Gänze unterlassen worden sei, sich mit diesen Angaben auseinanderzusetzen, sei Willkür geübt worden. Zwar sei zuzugestehen, dass die Beschwerdeführerin ihren Familienstand zuvor mit geschieden angegeben habe, es sei dennoch zur Klärung ihres Familienstandes geboten gewesen, diesbezügliche Ermittlungen anzustellen.

Laut Auskunft des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 11.01.2018 befindet sich der Ehemann der Beschwerdeführerin noch im laufenden Asylverfahren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG Anm. 11).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinander-gesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zugrunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungs-gerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlange das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der angefochtene Bescheid ist aus folgenden Gründen zu beheben:

Bei der belangten Behörde ist nach wie vor ein Asylverfahren des Ehemannes der Beschwerdeführerin anhängig. Dieser hatte - wie dem Zentralen Fremdenregister zu entnehmen ist – bereits 2004 einen ersten (mittlerweile negativ entschiedenen) Asylantrag in Österreich gestellt und ist somit auch bei der belangten Behörde seitdem aktenkundig. Wie sich dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes entnehmen lässt, wären das Verfahren der Beschwerdeführerin und das aktuelle Verfahren ihres Gatten gemeinsam nach § 34 AsylG 2005 als Familienverfahren zu führen und somit der die Beschwerdeführerin betreffende Sachverhalt dementsprechend neu zu ermitteln.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Familienverfahren,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W154.1410551.2.00

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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