TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/6 L504 2184620-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.02.2018
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Entscheidungsdatum

06.02.2018

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AVG §6
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L504 2184620-1/7E

Teilerkenntnis

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias KOPF, LL.M. im Verfahren über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, 1090 Wien, Alser Straße 20, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2018, Zl. XXXX

A)

I. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und V. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. beschlossen:

1. Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wird gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei. Er stellte am 14.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2017 in vollem Umfang abgewiesen wurde.

2. Am 08.01.2018 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen gegen den Beschwerdeführer gerichteten und auf § 34 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG gestützten Festnahmeauftrag und der an diesem Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes betretene Beschwerdeführer in ein Polizeianhaltezentrum verbracht.

3. Am 09.01.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin in türkischer Sprache niederschriftlich vor der zur Entscheidung berufenen Organwalterin einvernommen.

Eingangs wurde dem Beschwerdeführer die Abschiebung in die Türkei in Aussicht gestellt und dieser im Anschluss näher zu diversen Anzeigen über die Begehung von Straftaten im Familienkreis einvernommen. Angesprochen auf eine Zustimmung zur freiwilligen Rückkehr im Jahr 2017 legte der Beschwerdeführer dar, seine Frau sei damals schwanger gewesen und habe ihn aufgefordert, im Bundesgebiet zu verbleiben, bis das Kind geboren sei. Die Beziehung zu seiner Frau sei jedoch gescheitert und er wolle seine Kinder wegbringen, da diese von seiner Frau nicht gut behandelt würden.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2018 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG 2005 wurde eine Frist für eine freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 18 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) sowie wieder den Beschwerdeführer ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach der Wiedergabe der Einvernahme des Beschwerdeführers und den Feststellungen zu dessen Person zu dessen Privat- und Familienleben im Bundesgebiet folgendes aus:

"Sie hatten in Österreich eine Beziehung mit der türkischen Staatsangehörigen XXXX geschiedene XXXX , geb. XXXX , die Sie über Internet kennengelernt hatten. Angeblich sind die Kinder XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX von Ihnen. Sie haben jedoch die Vaterschaft nicht anerkannt. Sie hatten vom 15.06. – 31.10.2016 und vom 13.12.2016 – 15.02.2017 einen gemeinsamen Wohnsitz mit Frau XXXX

."

Zur Erlassung des Einreiseverbots wurden seitens des belangten Bundesamtes folgende Feststellungen getroffen:

"Sie verfügen über keine Barmittel oder Vermögen in Österreich. Sie sind in Österreich noch nie einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Sie sind unsteten Aufenthalts und nicht sozialversichert.

Sie wurden vom Landesgericht Feldkirch wegen gefährlicher Drohung zu einer Geldstrafe verurteilt. Sie waren vom 26.04.2017 – 22.05.2017 aufgrund dieses Vorfalls in Untersuchungshaft in der JA Feldkirch. Sie wurden am 07.10.2017 erneut wegen gefährlicher Drohung im Familienkreis angezeigt.

Am 08.01.2018 wurden Sie festgenommen, nachdem Sie versucht hatten, sich gewaltsam Zutritt zur Wohnung von Fr. XXXX zu verschaffen. Es wurden seit 2016 mehrfach Betretungsverbote gegen Sie ausgesprochen.

Gegen Sie wurden auch zahlreiche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. Es sind bislang lediglich zwei Betretungsverbote in Rechtskraft erwachsen. Alle weiteren Verwaltungsstrafverfahren konnten nicht abgeschlossen werden, da Zustellungen aufgrund Ihres unsteten Aufenthalts und mangels Zustelladresse nicht möglich waren."

Ferner wurden – disloziert in der rechtlichen Beurteilung – folgende weitere Feststellungen getroffen:

"Sie sind mittellos. Sie wurden aus der Grundversorgung entlassen, weil Sie seit 12.04.2017 untergetaucht sind. Sie haben angegeben, dass Sie sich Geld aus der Türkei schicken lassen haben, um den Lebensunterhalt in Österreich zu bestreiten. Sie haben keinen Wohnsitz in Österreich und sind seit 12.04.2017 nicht mehr gemeldet. Sie sind in Österreich nie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen und sind nicht sozialversichert. Sie sind nicht Mitglied eines Vereins und haben keine Deutschkurse besucht. Hingegen bestehen gute Kontakte zu Ihrer Familie in der Türkei. Ihre Eltern und 10 Geschwister leben in Ihrem Heimatland. Ihre Familie ist finanziell gut gestellt. Der Kontakt zu Ihrer Familie ist aufrecht.

Sie sind strafrechtlich nicht unbescholten. Sie wurden vom Landesgericht Feldkirch wegen eines Vorfalls am 24.04.2017 wegen gefährlicher Drohung gem. § 107 Abs. 1 StGB mit Rechtskraft vom 31.07.2017 zu einer Geldstrafe verurteilt. Es liegen zahlreiche weitere Anzeigen vor.

Am 25.11.2016 haben Sie Ihre Freundin fälschlich des wiederholten Schlagens und der Misshandlung der 16-Monate alten Tochter bezichtigt. Am 09.12.2016 haben Sie eingeräumt, dass Sie die Freundin bewusst falsch bezichtigt hatten. Am 07.10.2017 mussten Sie neuerlich wegen gefährlicher Drohung gegenüber dem Lebensgefährten der Mutter von Frau XXXX angezeigt werden.

Es wurden zahlreiche Verstöße gegen die öffentliche Ordnung festgestellt: Mit Rechtskraft vom 13.05.2016 wurde von der BH Feldkirch ein Waffenverbot gegen Sie erlassen. Am 06.10.2016 wurde ein Betretungsverbot für die Wohnung von Frau XXXX gegen Sie ausgesprochen. Von der Verhängung einer Geldstrafe wurde abgesehen.

Bereits am 21.11.2016 musste ein weiteres Betretungsverbot gegen Sie ausgesprochen werden. Sie wurden deswegen gem. § 84 Abs. 1 Z 4 iVm § 36a Abs. 1 und Abs. 3 SPG in einem Verwaltungsstrafverfahren von der BH Feldkirch bestraft.

Sie halten sich seit 12.07.2017 illegal in Österreich auf und verstoßen damit gegen § 120 Abs. 1a FPG, seit 01.11.2017 auch gegen § 120 Abs. 1b FPG. Am 29.09.2017 wurde bei einem Verkehrsunfall mit Sachschaden festgestellt, dass Sie ohne Führerschein ein Fahrzeug gelenkt haben. Am 05.10.2017 wurden Sie neuerlich wegen Fahrens ohne Führerschein angezeigt. Mehrere Verwaltungsstrafverfahren mussten wegen fehlender Zustelladresse abgebrochen werden."

Der angefochtene Bescheid umfasst ferner auf dessen Seiten 10 – 71 ausführliche Feststellungen zur gegenwärtigen Lage in der Türkei.

Beweiswürdigend erwog das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen, die Feststellungen ergäben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers und "dem Akteninhalt zu IFA 1102018400 und behördlichen Abfragen".

In rechtlicher Hinsicht wird im angefochtenen Bescheid – soweit hier von Relevanz – dargelegt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG nicht gegeben wären.

In Ansehung des Beschwerdeführers sei bereits eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung ergangen und halte sich dieser seit 12.07.2017 unrechtmäßig in Österreich auf, sei unstet und gehe keiner Erwerbstätigkeit nach. Da der Beschwerdeführer durch wiederholte Gewaltdelikte in Erscheinung getreten sei, sei dessen sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG dringend geboten. Es stehe ferner fest, dass der Beschwerdeführer bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung zu gewärtigen habe und sei die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten.

5. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und der Beschwerdeführer ferner mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2018 gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

6. Am 22.01.2018 wurde der Beschwerdeführer auf dem Luftweg nach Istanbul abgeschoben.

7. Gegen den dem Beschwerdeführer am 10.01.2018 ausgefolgten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation fristgerecht am 25.01.2018 eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 57 AsylG zuzuerkennen, die Rückkehrentscheidung sowie das Einreiseverbot aufzuheben bzw. hilfsweise dieses herabzusetzen. Eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde begehrt.

In der Sache bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er sei in der Türkei aufgewachsen und deshalb nach den dort vorherrschenden traditionellen Regeln sozialisiert worden. Da seine Lebensgefährtin in Österreich geboren sei, hätten sich immer wieder "Spaltungen wegen unterschiedlicher Einstellungen" ergeben. Dem Beschwerdeführer sei bewusst, dass er durch sein Verhalten die seine Familie in Gefahr gebracht habe, jedoch wolle er weiterhin Kontakte zu seiner Familie unterhalten. Da seine Freundin nunmehr alleinerziehend sei, sei sie auf Unterstützung angewiesen. Dass der Beschwerdeführer über keine Barmittel im Bundesgebiet verfüge, sei zutreffend, jedoch treffe ihn daran kein Verschulden, da er als Asylwerber nicht habe arbeiten dürfen.

8. Die Beschwerdevorlage langte am 31.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein, wobei sich die Beschwerdevorlage insoweit als unvollständig darstellt, als nicht sämtliche Verwaltungsakten betreffend den Beschwerdeführer vorgelegt wurden, sondern nur Aktenteile betreffend den Verfahrensabschnitt am dem 08.01.2018. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge nach Erstattung von Unzuständigkeitseinreden mit Entscheidung des Leiters des Außenstelle Linz des Bundesverwaltungsgerichtes am 01.02.2018 der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und bekennt sich zum Islam. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in XXXX geboren. Er ist der türkischen und der kurdischen Sprache mächtig.

Der Beschwerdeführer besuchte in der Türkei die Schule und ging dort 15 Jahre einer Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt in der Türkei über seine Eltern, vier Brüder und sechs Schwestern.

Der Beschwerdeführer leidet an einer herabgesetzten Funktion der Nieren, befindet sich jedoch nicht in ärztlicher Behandlung und nimmt auch keine medikamentöse Therapie in Anspruch.

1.2. Der Beschwerdeführer stellte nach seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet, die an einem nicht feststellbaren Tag erfolgte, am 14.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2017 in vollem Umfang abgewiesen und unter einem wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei zulässig sei. Der Beschwerdeführer leistete der Verpflichtung zur Ausreise nicht Folge und hielt sich an wechselnden Orten auf. Über einen Wohnsitz im Sinn des Meldegesetzes verfügte der Beschwerdeführer überhaupt nur bis zum 12.04.2017.

Der Beschwerdeführer hielt sich seit seiner ersten Antragstellung bis zum 22.01.2018 in Österreich auf und verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens. Sein Aufenthalt war nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG geduldet.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 27.07.2017 wurde der Beschwerdeführer der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer teilbedingten Geldstrafe von 200 Tagessätzen verurteilt.

Mit Bescheid vom 13.05.2016 wurde seitens der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch ein Waffenverbot wider den Beschwerdeführer erlassen. Am 06.10.2016 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Betretungsverbot hinsichtlich der Wohnung der vormaligen Lebensgefährtin XXXX ausgesprochen. Von der Verhängung einer Geldstrafe wurde abgesehen. Am 21.11.2016 wurde ein weiteres Betretungsverbot wider den Beschwerdeführer ausgesprochen und dieser wurden deswegen gem. § 84 Abs. 1 Z 4 iVm § 36a Abs. 1 und Abs. 3 SPG in einem Verwaltungsstrafverfahren der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch bestraft.

Am 29.09.2017 wurde bei einem Verkehrsunfall mit Sachschaden festgestellt, dass der Beschwerdeführer ohne Führerschein ein Fahrzeug gelenkt hat. Am 05.10.2017 wurde der Beschwerdeführer neuerlich beim Fahren ohne Führerschein betreten.

Am 08.01.2018 suchte der Beschwerdeführer – nachdem er von Organen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter Androhung der Abschiebung neuerlich zum Verlassen des Bundesgebietes aufgefordert wurde – die Wohnung seiner der vormaligen Lebensgefährtin XXXX auf, um Geld für die Ausreise zu fordern. Dabei kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung, wobei der Beschwerdeführer, nachdem seine Lebensgefährtin die Wohnungstüre vor ihm verschloss, diese eintrat. Im Anschluss an den Vorfall wurde der Beschwerdeführer festgenommen und anschließend mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2018 die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Am 22.01.2018 wurde der wurde der Beschwerdeführer auf dem Luftweg nach Istanbul abgeschoben und dort den türkischen Behörden übergeben.

1.3. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

1.4. Der Beschwerdeführer unterhielt im Bundesgebiet eine zwischenzeitlich beendete Beziehung mit der türkischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX . Vom 15.06.2016 bis zum 31.10.2016 und vom 13.12.2016 bis zum 15.02.2017 unterhielten der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin einen gemeinsamen Wohnsitz. Der Beschwerdeführer bezeichnet die minderjährigen Kinder Selma XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. XXXX , als seine Kinder und wünscht einen weiteren Kontakt mit diesen.

1.5. Zur Lage in der Türkei werden folgende Feststellungen getroffen:

1. Neueste Ereignisse – Kurzinformationen

KI vom 26.4.2017, Aufnahme des Monitoring-Verfahrens durch den Europarat:

Die Türkei steht künftig unter der Beobachtung des Europarates, dessen Mitglied es ist. Der Europarat wird das umstrittene Verfassungsreferendum in der Türkei und das Vorgehen von Präsident Erdo?an gegen Oppositionelle genauer untersuchen. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) stimmte mit großer Mehrheit dafür, ein Verfahren gegen die Türkei zu eröffnen und das Land unter Beobachtung zu stellen. Die Wiederaufnahme des sogenannten Monitorings bedeutet, dass zwei Berichterstatter regelmäßig in die Türkei fahren, um die Einhaltung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in dem Land zu überprüfen. In der Resolution wird der Schritt vor allem mit Blick auf den anhaltenden Ausnahmezustand, kollektive Entlassungen von Staatsbediensteten wie Lehrer, Wissenschaftler und Richter, sowie Festnahmen von Parlamentariern und Journalisten begründet (Zeit 25.4.2017).

Die PACE verlangt u.a. den Ausnahmezustand aufzuheben, die Erlassung von Notstandsverordnungen, außer wenn absolut nötig, einzustellen, und alle inhaftierten Parlamentarier und Journalisten freizulassen. Die Versammlung beschloss das Monitoring solange durchzuführen, bis der ernsthaften Sorge um die Einhaltung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in einer zufriedenstellenden Art und Weise Rechnung getragen wird. Zudem warnte die PACE vor der Wiedereinführung der Todesstrafe, die mit der Mitgliedschaft der Türkei im Europarat unvereinbar ist. Die PACE bedauert auch den Gesetzesbruch beim Verfassungsreferendum vom 16.4.2017, bei dem Stimmzettel ohne Amtssiegel gezählt wurden, was ernsthafte Fragen hinsichtlich der Legitimität des Ausgangs des Referendums aufwirft (PACE 25.4.2017).

Das türkische Außenministerium bezeichnete die Entscheidung als Schande, hinter der böswillige Kreise innerhalb der PACE stünden, beeinflusst von Islamo- und Xenophobie (DS 25.4.2017). Das türkische Außenministerium kündigte an, die Mitgliedschaft in der Institution überdenken zu wollen (Zeit 25.4.2017).

Quellen:

-

Die Zeit (25.4.2017): Europarat eröffnet Verfahren gegen Türkei, http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-04/verfassungsreferendum-tuerkei-europarat-menschenrechte-beobachtung, Zugriff 26.4.2017

-

DS - Daily Sabah (25.4.2017): Turkey-EU relations hit historic low after controversial PACE decision, https://www.dailysabah.com/eu-affairs/2017/04/26/turkey-eu-relations-hit-historic-low-after-controversial-pace-decision, Zugriff 26.4.2017

-

PACE – Parliamentary Assembly of the Council of Europe (25.4.2017): PACE reopens monitoring procedure in respect of Turkey, http://assembly.coe.int/nw/xml/News/News-View-EN.asp?newsid=6603&lang=2&cat=8, Zugriff 26.4.2017

KI vom 19.4.2017, Verfassungsreferendum:

Am 16.4.2017 stimmten nach vorläufigen Ergebnissen bei einer Wahlbeteiligung von 84% 51,3% der türkischen Wählerschaft für die von der regierenden AKP initiierte und von der rechtsnationalistischen "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) unterstützte Verfassungsänderung, welche ein exekutives Präsidialsystem vorsieht (HDN 16.4.2017).

Die gemeinsame Beobachtungsmisson der OSZE und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) kritisierte in einer Stellungnahme am 17.4.2017 sowohl die Kampagne als auch die Mängel des Referendums. Das Referendum sei unter ungleichen Wettbewerbsbedingungen von statten gegangen. Der Staat habe nicht garantiert, dass die WählerInnen unparteiisch und ausgewogen informiert wurden. Zivilgesellschaftliche Organisationen konnten an der Beobachtung des Referendums nicht teilhaben. Einschränkungen von grundlegenden Freiheiten aufgrund des bestehenden Ausnahmezustands hätten negative Auswirkungen gehabt (OSCE/PACE 17.4.2017). Cezar Florin Preda, der Leiter der PACE-Delegation sagte, dass das Referendum nicht die Standards des Europarates erfüllte und die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht adäquat für die Durchführung eines genuinen demokratischen Prozesses waren (PACE 17.4.2017). Laut OSZE wurden im Vorfeld des Referendums Journalisten und Gegner der Verfassungsänderung behindert, verhaftet und fallweise physisch attackiert. Mehrere hochrangige Politiker und Beamte, darunter der Staatspräsident und der Regierungschef setzten die Unterstützer der Nein-Kampagne mit Terrorsympathisanten oder Unterstützer des Putschversuchens vom Juli 2016 gleich (OSCE/PACE 17.4.2017). Noch während des Referendums entschied die Oberste Wahlbehörde überraschend, auch von ihr nicht gekennzeichnete Stimmzettel und Umschläge gelten zu lassen. Die Beobachtungsmission der OSZE und des Europarates bezeichneten dies als Verstoß gegen das Wahlgesetz, wodurch Schutzvorkehrungen gegen Wahlbetrug beseitigt wurden (Zeit 17.4.2017; vgl. PACE 17.7.2017).

Die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) und die pro-kurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) legten bei der Obersten Wahlkommission Beschwerde ein, wonach 2,5 Millionen Wahlzettel ohne amtliches Siegel verwendet wurden. Die Kommission wies die Beschwerde zurück (AM 17.4.2017). Gegner der Verfassungsänderung demonstrierten in den größeren Städten des Landes gegen die vermeintlichen Manipulationen. Der Vize-Vorsitzende der CHP, Bülent Tezcan bezeichnete das Referendum als "organisierten Diebstahl" und kündigte an, den Fall vor das türkische Verfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bringen, so nötig (AM 18.7.2017). Die EU-Kommission hat die türkische Regierung aufgefordert, die mutmaßlichen Unregelmäßigkeiten zu untersuchen (Zeit 18.4.2017). Die OSZE kritisiert eine fehlende Bereitschaft der türkischen Regierung zur Klärung von Manipulationsvorwürfen, denn laut Michael Georg Link, Direktor des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte stand fest, dass die Entscheidung der Wahlkommission, falsch oder gar nicht gestempelte Wahlzettel als gültig zu werten, ein Verstoß gegen türkisches Recht darstellte (FAZ 19.4.2017). Daraufhin kündigte die Oberste Wahlkommission eine Prüfung der Vorwürfe an (Spiegel 19.4.2017).

Quellen:

? AM - Al Monitor (17.4.2017): Where does Erdogan's referendum win leave Turkey?

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/04/turkey-erdogan-referendum-victory-further-uncertainty.html, Zugriff 19.4.2017

? AM - Al Monitor (18.4.2017): Calls for referendum annulment rise in Turkey,

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/04/turkey-referendum-fraud.html, Zugriff 19.4.2017

? Die Zeit (17.4.2017): Beobachter bemängeln Unregelmäßigkeiten im Wahlablauf,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-04/osze-tuerkei-referendum-wahlbeobachter-kritik, Zugriff 19.4.2017

? Die Zeit (18.4.2017): EU fordert Untersuchung von Manipulationsvorwürfen,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-04/tuerkei-eu-kommission-untersuchung-referendum-wahlbeobachter, zugriff 19.4.2017

? FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (19.4.2017): OSZE kritisiert Erdogans Umgang mit Manipulationsvorwürfen, http://www.faz.net/aktuell/tuerkei-referendum-osze-kritisiert-erdogans-umgang-mit-manipulationsvorwuerfen-14977732.html, Zugriff 19.4.2017

? HDN – Hürriyet Daily News (16.4.2017): Turkey approves presidential system in tight referendum, http://www.hurriyetdailynews.com/live-turkey-votes-on-presidential-system-in-key-referendum.aspx?pageID=238&nID=112061&NewsCatID=338, Zugriff 19.4.2017

? OSCE/PACE - Organization for Security and Cooperation in Europe/ Parliamentary Assembly of the Council of Europe (17.4.2017):

INTERNATIONAL REFERENDUM OBSERVATION MISSION, Republic of Turkey – Constitutional Referendum, 16 April 2017 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions,

https://www.osce.org/odihr/elections/turkey/311721?download=true, Zugriff 19.4.2017.

? PACE – Parliamentary Assembly of the Council of Europe (17.4.2017): Turkey’s constitutional referendum: an unlevel playing field,

http://assembly.coe.int/nw/xml/News/News-View-EN.asp?newsid=6596&lang=2&cat=31, Zugriff 19.4.2017

? Spiegel Online (19.4.2017): Wahlkommission prüft Beschwerden über Manipulationen,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-referendum-wahlkommission-prueft-beschwerden-ueber-manipulationen-a-1143822.html, Zugriff 19.4.2017

KI vom 9.3.2017, Parlamentarische Versammlung des Europarates und UN-Hochkommissar für Menschenrechte zur Lage in der Türkei

Das Monitoring-Komitee der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) rief am 8.3.2017 zur Wiederaufnahme des Monitoring-Verfahrens in Bezug auf die Türkei auf. Das Monitoring-Komitee zeigte sich besorgt, dass es im Zuge des Ausnahmezustandes zu einer ernsthaften Verschlechterung der Funktionsfähigkeit der demokratischen Institutionen gekommen ist. Die türkische Regierung hätte überdies unverhältnismäßige Maßnahmen ergriffen, die jenseits dessen gehen, was die türkische Verfassung und das Völkerrecht erlauben. Das Komitee zeigte sich wegen des Ausmaßes der durchgeführten Säuberungen in der Verwaltung, der Armee, der Justiz und des Bildungswesens besorgt. Es zeigte sich angesichts der wiederholten Verletzungen der Medienfreiheit und der Anzahl der inhaftierten Journalisten alarmiert, und bezeichnete dies als "inakzeptabel in einer demokratischen Gesellschaft". Die Aufhebung der parlamentarischen Immunität, insbesondere der Abgeordneten der pro-kurdischen HDP, die mit 93% überproportional betroffen waren, führe laut Komitee zu ernsthaften Einschränkungen der demokratischen Debatte am Vorabend des Verfassungsreferendums, das für den 16. April 2017 vorgesehen ist. Das Komitee fordert die Aufhebung des Ausnahmezustandes, den Stopp der Notstandsverordnungen sowie die Freilassung aller Parlamentarier und Journalisten bis zu deren Prozessende (PACE 8.3.2017).

Am 8.3.2017 zeigte sich der Hochkommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Zeid Ra’ad Al Hussein, in seiner Rede vor dem UN-Menschenrechtsrat besorgt, dass die unter dem Ausnahmezustand ergriffenen Maßnahmen scheinbar die Kritik und nicht den Terrorismus im Visier haben. Die Tatsache, dass Zehntausende nach dem versuchten Putsch entlassen, verhaftet, inhaftiert oder verfolgt worden sind - darunter auch zahlreiche demokratisch gewählte Volksvertreter, Richter und Journalisten – wecken die ernsthafte Besorgnis, ob ordentliche Gerichtsverfahren garantiert werden können. Die Menschenrechtssituation in der Südosttürkei ist laut Hochkommissar nach wie vor zutiefst beunruhigend. Ohne Zugang zum Gebiet hat das Fernüberwachungsverfahren des Büros des Hochkommissars glaubwürdige Hinweise auf hunderte von Todesfällen erhalten, was auf unverhältnismäßige Sicherheitsmaßnahmen als Reaktion auf gewalttätige Angriffe hindeutet (UN-OHCHR 8.3.2017).

Quellen:

-

PACE – Parliamentary Assembly of the Council of Europe / Monitoring Committee (8.3.2017): The Monitoring Committee calls for the monitoring procedure in respect of Turkey to be re-opened, http://assembly.coe.int/nw/xml/News/News-View-EN.asp?newsid=6538&lang=2&cat=3, Zugriff 9.3.2017

-

UN-OHCHR – UN-Office of the High Commissioner for Human Rights (8.3.2017): High Commissioner for Human Rights presents Annual Report to the Human Rights Council, http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=21316&LangID=E, Zugriff 9.3.2017

KI vom 22.2.2017, Verurteilung von Parlamentariern der pro-kurdischen HDP

Am 20.2.2017 hat die Demokratische Partei der Völker (HDP) beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EMRK) eine Beschwerde wegen der andauernden Inhaftierung ihrer beiden Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirta? und Figen Yüksekda? eingereicht. Die HDP begründete dies u.a. mit dem Umstand, dass das Verfassungsgericht seit 95 Tagen keine Untersuchungen durchgeführt habe, und dadurch die beiden Parlamentarier ihren legislativen Aufgaben nicht nachkommen können (HDN 20.2.2017).

Die Staatsanwaltschaft in Diyarbakir fordert seit Jänner 2017 bis zu 142 Jahre Haft für Demirta?. Ihm werden unter anderem die Leitung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und Terrorpropaganda vorgeworfen (TS 17.1.2017). Ein Gericht im osttürkischen Do?ubeyaz?t befand inzwischen am 21.2.2017 Selahattin Demirta? der "Herabwürdigung der türkischen Nation, des türkischen Staates und seiner Institutionen " schuldig und verurteilte ihn zu fünf Monaten Haft. Zudem wurde am 21.2.2017 Figen Yüksekda? ihr Parlamentsmandat aberkannt. Grund ist das Urteil des obersten Verwaltungsgerichts, das eine vorherige Verurteilung der Politikerin zu einer zehnmonatigen Haftstrafe wegen Terrorpropaganda bestätigt hatte (AM 21.2.2017; vgl. Zeit 21.2.2017). Idris Baluken, ein weiterer HDP-Abgeordneter, der eng mit den damaligen Friedensgesprächen zwischen der Regierung und dem inhaftierten PKK-Führer, Abdullah Öcalan, engagiert war, wurde nach Beanstandungen eines Appellationsgerichts erneut verhaftet (AM 21.2.2017).

Quellen:

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AM – Al Monitor (21.2.2017): Pro-Kurdish HDP leader kicked out of Turkish parliament,

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/02/turkey-unseats-figen-yuksedag-kurdish-bloc-leader.html, Zugriff 22.2.2017

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Die Zeit (21.2.2017): Gericht verurteilt HDP-Chef zu fünf Monaten Gefängnis,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-02/tuerkei-selahattin-demirtas-haftstrafe-figen-yueksekdag-mandat, Zugriff 22.2.2017

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HDN (20.2.2017): Opposition HDP applies to Euro court over arrest of co-leaders,

http://www.hurriyetdailynews.com/opposition-hdp-applies-to-euro-court-over-arrest-of-co-leaders.aspx?pageID=238&nID=109967&NewsCatID=338, Zugriff 22.2.2017

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TS – tagesschau.de (17.1.2017): 142 Jahre Haft für Demirtas? http://www.tagesschau.de/ausland/haftstrafe-demirtas-101.html, Zugriff 22.2.2017

KI vom 16.2.2017, Menschenrechtskommissar des Europarates zur Presse- und Meinungsfreiheit

Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Nils Muižnieks bedauert, dass konkrete Fortschritte in Bezug auf die Medienfreiheit und die Meinungsfreiheit, die die Türkei in Zusammenarbeit mit dem Europarat sorgfältig verwirklicht hat, in den letzten Jahren gestoppt und rückgängig gemacht wurden. Insbesondere die übermäßige Anwendung des Konzepts der terroristischen Propaganda bzw. der Unterstützung einer terroristischen Organisation, einschließlich von Aussagen, die eindeutig nicht zu Gewaltanwendung führen, und die Kombination mit einer übermäßigen Interpretation des Begriffes der Verleumdung haben die Türkei auf einen gefährlichen Weg gebracht. Laut Muižnieks wird die legitime Ablehnung und Kritik der Regierungspolitik verunglimpft und unterdrückt, wodurch einerseits das Ausmaß der demokratischen öffentlichen Debatte schrumpft und andererseits die gesellschaftliche Polarisierung wächst. Diese Situation habe sich unter dem anhaltenden Ausnahmezustand deutlich verschlechtert. Die türkischen Exekutive verfügt laut Menschenrechtskommissar über nahezu grenzenlose Ermessensbefugnisse, auch was das Vorgehen gegen die Medien und NGOs betrifft, nämlich ohne über ausreichende Beweise zu verfügen, und ohne dass zuvor eine gerichtliche Entscheidung getroffen wurde. Es wird auf der Grundlage vager Kriterien der angeblichen Verbindung zu einer terroristischen Organisation vorgegangen. Insbesondere der Pluralismus der Medien und ihre Unabhängigkeit sind Opfer dieser Entwicklungen geworden. Dazu gehören die Verwendung staatlicher Mittel zur Förderung von Regierungsmedien, eine durchdringende Internetzensur, willkürliche Ausgrenzung von Medien und Journalisten, die Übernahme oder Schließung von für die Behörden kritischen Medien, die Gewalt und die Repressalien gegen Medienarbeiter und die Inhaftierung von über 150 Journalisten (CoE-CHR 15.2.2017).

In einem Interview mit der Tageszeitung "Der Standard" vom 15.2.2017 zeigte sich Muižnieks besorgt und allarmiert. Die Probleme habe es bereits vor dem Ausnahmezustand und dem Putschversuch gegeben. Doch jetzt, wo mehr als 150 Medienorganisationen geschlossen, mehr als 150 Journalisten im Gefängnis sind, sei es höchste Zeit für die Verantwortlichen in der Türkei, den Kurs zu korrigieren. Der Menschenrechtskommissar äußerte auch Zweifel, ob eine öffentliche Debatte über das am 2.4.2017 anstehende Verfassungsreferendum unter den Bedingungen des Ausnahmezustandes und der düsteren Situation für die Medien überhaupt geführt werden kann. Muižnieks sah es als inakzeptabel, Medienorganisationen ohne Gerichtsverfahren zu schließen. Diese Medienhäuser sollten wieder geöffnet und ihre Vermögenswerte zurückerstattet werden, solange noch ein Rechtsverfahren anhängig ist (Standard 15.2.2017).

Quellen:

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Der Standard (15.2.2017): "Höchste Zeit für Türkei, den Kurs zu korrigieren",

http://derstandard.at/2000052648774/Hoechste-Zeit-fuer-die-Tuerkei-den-Kurs-zu-korrigieren, Zugriff 16.2.2017

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CoE-CHR - Council of Europe / Commissioner for Human Rights (15.2.2017): Urgent measures are needed to restore freedom of expression in Turkey,

http://www.coe.int/en/web/commissioner/-/urgent-measures-are-needed-to-restore-freedom-of-expression-in-turkey, Zugriff 16.2.2017

2. Politische Lage

Die Türkei ist eine parlamentarische Republik, deren rechtliche Grundlage auf der Verfassung von 1982 basiert. In dieser durch das Militär initiierten und vom Volk angenommenen Verfassung wird das rechtsstaatliche Prinzip der Gewaltenteilung verankert. Die Türkei ist laut Verfassung eine demokratische, laizistische, soziale und rechtsstaatliche Republik, welche die Menschenrechte achtet und sich dem Nationalismus Atatürks verbunden fühlt (bpb 11.8.2014). Oberhaupt des Staates ist der Staatspräsident (IFES 2016a). Recep Tayyip Erdo?an, der zuvor zwölf Jahre lang Premierminister war, gewann am 10.8.2014 die erstmalige direkte Präsidentschaftswahl, bei der auch zum ersten Mal im Ausland lebende türkische Staatsbürger an nationalen Wahlen teilnahmen (bpb 11.8.2014; vgl. BBC 8.12.2015; vgl. Presse 10.8.2014).

Nach einer Unterredung mit Staatspräsident Erdo?an kündigte Ministerpräsident Ahmet Davuto?lu am 5.5.2016 seinen Rücktritt als Partei- und Regierungschef an. Davuto?lu galt zuletzt als Erdo?ans Widersacher auf dem Weg zu einem Umbau der Türkei zur Präsidialrepublik (WZ 5.5.2016; vgl. SD 5.5.2016). Die Spannungen zwischen Davuto?lu und seiner Partei erreichten am 29.4.2016 einen Höhepunkt, als das Zentrale Exekutivkomitee der AKP beschloss, Davuto?lu die Befugnis zur Ernennung der lokalen Parteiführer zu entziehen (HDN 5.5.2016). Neuer Ministerpräsident wurde Ende Mai Binali Y?ld?r?m, der sich durch eine besondere, selbstbekundete Loyalität zu Staatspräsident Erdo?an auszeichnet (NZZ 29.5.2016).

Der Ministerpräsident und die auf seinen Vorschlag hin vom Staatspräsidenten ernannten Minister bzw. Staatsminister bilden den Ministerrat, der die Regierungsgeschäfte führt. Überdies ernennt der Staatspräsident 14 von 17 Mitglieder des Verfassungsgerichtes für zwölf Jahre. In der Verfassung wird die Einheit des Staates festgeschrieben, wodurch die türkische Verwaltung zentralistisch aufgebaut ist. Es gibt mit den Provinzen, den Landkreisen und den Gemeinden (belediye/mahalle) drei Verwaltungsebenen. Die Gouverneure der 81 Provinzen werden vom Innenminister ernannt und vom Staatspräsidenten bestätigt. Den Landkreisen steht ein vom Innenminister ernannter Regierungsvertreter vor. Die Bürgermeister und Dorfvorsteher werden vom Volk direkt gewählt, doch ist die politische Autonomie auf der kommunalen Ebene stark eingeschränkt (bpb 11.8.2014).

Das türkische Parlament, die Große Türkische Nationalversammlung, wird für vier Jahre gewählt. Gewählt wird nach dem Verhältniswahlrecht in 85 Wahlkreisen. Im Unterschied zu unabhängigen KandidatInnen gilt für politische Parteien landesweit eine Zehn-Prozent-Hürde (OSCE 18.8.2015).

2015 fanden zweimal Parlamentswahlen statt. Die Wahlen vom 7.6.2015 veränderten die bisherigen Machtverhältnisse in der Legislative. Die seit 2002 alleinregierende AKP (Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei) verlor zehn Prozent der Wählerstimmen und ihre bisherige absolute Mehrheit. Dies war auch auf den Einzug der pro-kurdischen HDP (Demokratische Partei der Völker) zurückzuführen, die deutlich die nötige Zehn-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament schaffte (AM 8.6.2015; vgl. HDN 9.6.2015). Der Wahlkampf war überschattet von zahlreichen Attacken auf Parteilokale und physischen Übergriffen auch mit Todesopfern. Die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) kritisierte überdies den Druck auf regierungskritische Medien sowie die unausgewogene Berichterstattung, insbesondere des staatlichen Fernsehens zugunsten der regierenden AKP. Überdies hat Staatspräsident Erdo?an im Wahlkampf eine aktive Rolle zugunsten seiner eigenen Partei eingenommen, obwohl die Verfassung den Staatspräsidenten zur Neutralität verpflichtet (OSCE 8.6.2015).

Die Parlamentswahlen vom 1.11.2015, die als Folge der gescheiterten Regierungsbildung abgehalten wurden, endeten mit einem unerwartet deutlichen Wahlsieg der seit 2002 alleinregierenden AKP. Die AKP gewann fast die Hälfte der abgegebenen Stimmen, was einen Zuwachs von rund neun Prozent im Vergleich zu den Juni-Wahlen bedeutete. Da die pro-kurdische HDP, zwar unter Verlusten, die nötige Zehn-Prozenthürde für den Einzug ins Parlament schaffte, verfehlte die AKP die Verfassungsmehrheit, um das von ihrem Vorsitzenden und gegenwärtigen Staatspräsident, Recep Tayyip Erdo?an, angestrebte Präsidialsystem zu errichten (Guardian 2.11.2015; vgl. Standard 2.11.2015).

Im 550-köpfigen Parlament sind vier Parteien vertreten: die islamisch-konservative AKP mit 49,5 Prozent der Wählerstimmen und 317 Mandaten (Juni 2015: 258), die sozialdemokratische CHP (Republikanische Volkspartei) mit 25,3 Prozent und 134 Sitzen (bislang 132), die rechts-nationalistische MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung) mit 11,9 Prozent und 40 Sitzen (bislang 80) sowie die pro-kurdische HDP mit 10,8 Prozent und 59 (bislang 80) Mandaten (IFES 2016b).

Der polarisierte Wahlkampf war überschattet von einer Gewalteskalation, insbesondere durch das Attentat vom 10.10.2015 in Ankara, bei welchem über 100 Menschen starben. Nebst Attacken vor allem auf Mitglieder und Parteilokale der pro-kurdischen HDP wurden mehrere HDP-Mitglieder festgenommen. Überdies wurden Mitglieder aller drei parlamentarischen Oppositionsparteien wegen Verunglimpfung von Amtsvertretern und Beleidigung des Staatspräsidenten angezeigt. Insbesondere im Südosten des Landes war infolge der verschlechterten Sicherheitslage und der darauf folgenden Errichtung von speziellen Sicherheitszonen und der Verhängung von Ausgangssperren ein freier Wahlkampf nicht möglich. Die zunehmende Anwendung von Bestimmungen des Anti-Terrorismus- und des Strafgesetzbuches während des Wahlkampfes führte dazu, dass gegen eine große Anzahl von Journalisten, Benutzern Sozialer- und Informationsmedien Untersuchungen wegen Verleumdung oder Terrorismusverdacht eingeleitet wurden. Zudem gab es Fälle von Gewalt gegen Medienhäuser und Journalisten (OSCE/ODHIR 23.10.2015; vgl. OSCE/ODHIR 2.11.2015).

Laut dem Bericht der Europäischen Kommission vom November 2016 sind Fortschritte in der Anpassung des Gesetzesrahmens an die Europäischen Standards ausgeblieben. Weiterhin bedarf es einer umfassenden Reform des parlamentarischen Regelwerkes, um die Inklusion die Transparenz und die Qualität der Gesetzgebung sowie eine effektive Aufsicht der Exekutive zu verbessern. Die parlamentarische Aufsicht über die Exekutive blieb schwach. Wann immer das Parlament seine Instrumente der Befragung oder der Untersuchungsausschüsse anwandte, blieben weiterführende Maßnahmen der Regierung unzureichend. Die Fähigkeit des Parlaments seine Schlüsselfunktionen, nämlich die Gesetzgebung und Aufsicht der Exekutive, auszuüben, blieb bis zum 15.7.2016 von politischer Konfrontation überschattet. Die Gesetzgebung wurde oft ohne ausreichende Debatte im Parlament und ohne Konsultation der Beteiligten vorbereitet und verabschiedet. Nach der Erklärung des Ausnahmezustandes und seiner Ausweitung war die Rolle des Parlaments im Gesetzgebungsverfahren beschränkt. Es gab weder Fortschritte bei der Reform der parlamentarischen Regeln und Verfahren noch hinsichtlich der Wahl- und Parteiengesetzgebung nach Europäischen Standards. Der im Dezember 2013 zum Stillstand gekommene Verfassungsreformprozess wurde im Februar 2016 wiederbelebt. Allerdings brachen die Diskussionen im Vermittlungsausschuss des Parlaments bald zusammen, da es zur Blockade wegen des von der regierenden AKP vorgeschlagenen Präsidialsystems kam (EC 9.11.2016).

In der Nacht vom 15.7. auf den 16.7.2016 kam es zu einem versuchten Staatsstreich durch Teile der türkischen Armee. Insbesondere Istanbul und Ankara waren von bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen. In Ankara kam es u.a. zu Angriffen auf die Geheimdienstzentrale und das Parlamentsgebäude. In Istanbul wurde der internationale Flughafen vorrübergehend besetzt. Der Putsch scheiterte jedoch. Kurz vor Mittag des 16.7.16 erklärte der türkische Ministerpräsident Y?ld?r?m, die Lage sei vollständig unter Kontrolle (NZZ 17.7.2016). Mehr als 300 Menschen kamen ums Leben (Standard 18.7.2016). Sowohl die regierende islamisch-konservative Partei AKP als auch die drei im Parlament vertretenen Oppositionsparteien - CHP, MHP und die pro-kurdische HDP - hatten sich gegen den Putschversuch gestellt (SD 16.7.2016). Unmittelbar nach dem gescheiterten Putsch wurden 3.000 Militärangehörige festgenommen. Gegen 103 Generäle wurden Haftbefehle ausgestellt (WZ 19.7.2016a). Das Innenministerium suspendierte rund 8.800 Beamte, darunter 7.900 Polizisten, über 600 Gendarmen sowie 30 Provinz- und 47 Distriktgouverneure (HDN 18.7.2016). Über 150 Höchstrichter und zwei Verfassungsrichter wurden festgenommen (WZ 19.7.2016a; vgl. HDN 18.7.2016). Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter zeigte sich tief betroffenen über die aktuellen Entwicklungen in der Türkei. Laut Richtervereinigung dürfen in einem demokratischen Rechtsstaat Richterinnen und Richter nur in den in der Verfassung festgelegten Fällen und nach einem rechtsstaatlichen und fairen Verfahren versetzt oder abgesetzt werden (RIV 18.7.2016).

Staatspräsident Erdo?an und die Regierung sahen den im US-amerikanischen Exil lebenden Führer der Hizmet-Bewegung, Fethullah Gülen, als Drahtzieher der Verschwörung und forderten dessen Auslieferung (WZ 19.7.2016b). Präsident Erdo?an und Regierungschef Y?ld?r?m sprachen sich für die Wiedereinführung der 2004 abgeschafften Todesstrafe aus, so das Parlament zustimmt (TS 19.7.2016; vgl. HDN 19.7.2016). Neben zahlreichen europäischen Politikern machte daraufhin auch die EU-Außenbeauftragte, Federica Mogherini, klar, dass eine EU-Mitgliedschaft der Türkei unvereinbar mit Einführung der Todesstrafe ist. Zudem sei die Türkei Mitglied des Europarates und somit an die europäische Menschrechtskonvention gebunden (Spiegel 19.7.2016).

Die Erklärung des Ausnahmezustandes vom 20. Juli führte zu erheblichen Gesetzesänderungen, die durch Dekrete ohne vorherige Konsultation des Parlaments angenommen wurden, obwohl eine begrenzte Konsultation der Oppositionsparteien vorgenommen wurde. Im Einklang mit Artikel 120 der Verfassung werden die Erlasse im Rahmen des Ausnahmezustands innerhalb von 30 Tagen dem Parlament zur Genehmigung unterbreitet. Die Einrichtung einer parlamentarischen Kommission, die Vertreter aller vier Parteien einschließt und Stellungnahmen zu den Dekreten erhält, die während des Ausnahmezustands erlassen werden sollen, wird geprüft (EC 9.11.2016).

Gegen die Dekrete kann nicht vor dem Verfassungsgericht vorgegangen werden. Während des Ausnahmezustands können nach Artikel 15 Grundrechte eingeschränkt oder ausgesetzt werden. Auch dürfen Maßnahmen ergriffen werden, die von den Garantien in der Verfassung abweichen. Voraussetzung ist allerdings, dass Verpflichtungen nach internationalem Recht nicht verletzt werden. Unverletzlich bleibt das Recht auf Leben. Niemand darf zudem gezwungen werden, seine Religionszugehörigkeit, sein Gewissen, seine Gedanken oder seine Meinung zu offenbaren, oder deswegen bestraft werden. Strafen dürfen nicht rückwirkend verhängt werden. Auch im Ausnahmezustand gilt die Unschuldsvermutung (DTJ 21.7.2016). Der Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland, machte unter Zitierung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) klar, wonach jegliche Beeinträchtigung von Rechten der Situation angemessen sein muss, und dass unter keinen Umständen von Artikel 2 - das Recht auf Leben, Artikel 3 - das Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung und Artikel 7 - keine Bestrafung jenseits des Gesetzes, abgewichen werden darf. Opfer von Verletzungen der Menschenrechtskonvention durch die Türkei, infolge der verabschiedeten Maßnahmen unter dem Ausnahmezustand, hätten laut Jagland weiterhin das Recht, den EGMR anzurufen (CoE 25.7.2016).

Der nach dem Putschversuch verhängte Ausnahmezustand ist Anfang Jänner 2017 bis zum 19. April 2017 verlängert worden. Das Parlament in Ankara stimmte dem Antrag der Regierung auf Verlängerung um weitere drei Monate zu. Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmu? begründete dies unter anderem mit anhaltenden terroristischen Angriffen auf die Türkei (FAZ 3.1.2017).

Seit dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli wurden in der Türkei bereits mehr als 42.000 Menschen festgenommen und etwa 120.000 weitere entlassen oder vom Dienst suspendiert. Rund 600 Unternehmen von angeblich Gülen-nahen Geschäftsleuten wurden unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt. Das enteignete Firmenvermögen beläuft sich auf geschätzte zehn Mrd. US-Dollar (FNS 1/2017). Laut "TurkeyPurge.com", einer Internetplattform, die aktuelle Informationen zur staatlichen Verfolgung von vermeintlichen Unterstützern des gescheiterten Putschen oder militanter Organisationen sammelt, waren mit Stand 5.2.2017 rund 124.000 Personen entlassen worden, davon fast 7.000 Akademiker sowie über

3.800 Richter und Staatsanwälte. Fast 91.000 Personen waren festgenommen worden, wovon über 44.500 inhaftiert wurden (TP 17.1.2017).

Sowohl die türkische Regierung, Staatspräsident Erdo?an als auch die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) erklärten Ende Juli 2015 angesichts der bewaffneten Auseinandersetzungen den seit März 2013 bestehenden Waffenstillstand bzw. Friedensprozess für beendet (Spiegel 25.7.2015; vgl. DF 28.7.2015).

Hinsichtlich des innerstaatlichen Konfliktes forderte das EU-Parlament einen sofortigen Waffenstillstand im Südosten der Türkei und die Wiederaufnahme des Friedensprozesses, damit eine umfassende und tragfähige Lösung zur Kurdenfrage gefunden werden kann. Die kurdische Arbeiterpartei (PKK) sollte die Waffen niederlegen, terroristische Vorgehensweisen unterlassen und friedliche und legale Mittel nutzen, um ihren Erwartungen Ausdruck zu verleihen (EP 14.4.2016; vgl. Standard 14.4.2016).

Die Europäische Kommission bekräftigt das Recht der Türkei die Kurdische Arbeiterpartei (PKK), die weiterhin in der EU als Terrororganisation gilt, zu bekämpfen. Allerdings müssten die Anti-Terrormaßnahmen angemessen sein und die Menschenrechte geachtet werden. Die Lösung der Kurdenfrage durch einen politischen Prozess ist laut EK der einzige Weg, Versöhnung und Wiederaufbau müssten ebenfalls von der Regierung angegangen werden. Die Gesetzesänderung, welche die Aufhebung der Immunität einer großen Zahl von Parlamentariern bewirkte sowie die darauf folgende Festnahme und Inhaftierung mehrerer Abgeordneter der [pro-kurdischen] HDP Anfang November 2016, die beiden Ko-Vorsitzenden eingeschlossen, werden mit großer Sorge gesehen (EC 9.11.2016).

Die von Staatschef Erdo?an angestrebte Verfassungsreform für ein Präsidialsystem in der Türkei ist vom Parlament am 21.1.2017 verabschiedet worden. In Kraft treten können die Änderungen allerdings erst, wenn das Volk in einem Referendum zustimmt. Für das von der regierenden AKP vorgelegte Reformpaket aus 18 Artikeln stimmten 339 Abgeordneten, 142 waren dagegen. Die notwendige Drei-Fünftel-Mehrheit von mindestens 330 Stimmen wurde auch mit Hilfe von Abgeordneten aus der ultranationalistischen Oppositionspartei MHP erzielt. Die Umsetzung der Verfassungsreform soll schrittweise erfolgen und bis Ende 2019 vollständig abgeschlossen sein. Das Präsidialsystem würde Staatspräsident Erdo?an deutlich mehr Macht verleihen und das Parlament schwächen. Der Präsident würde zugleich als Staats- und Regierungschef amtieren und könnte weitgehend per Dekret regieren. Sein Einfluss auf die Justiz würde weiter zunehmen Die besagten Dekrete treten mit Veröffentlichung im Amtsanzeiger in Kraft. Eine nachträgliche Zustimmung durch das Parlament (wie im derzeit geltenden Ausnahmezustand) ist nicht vorgesehen. Die Dekrete werden nur dann unwirksam, falls das Parlament zum Thema des jeweiligen Erlasses ein Gesetz verabschiedet. Per Dekret kann der Präsident auch Ministerien errichten, abschaffen oder umorganisieren (DTJ 23.1.2017; vgl. FAZ 21.1.2017). Obwohl Präsidentschaftsdekrete einer Überprüfung durch das Verfassungsgericht unterliegen, dürfte das Gericht nicht mehr unabhängig und unparteiisch genug sein. Nach der Verfassungsänderung hätte das Verfassungsgericht 15 Mitglieder, die meisten direkt oder indirekt vom Präsidenten ernannt. Darüber hinaus wird der Präsident auch eine wichtige Rolle bei der Formierung des Obersten Rates der Richter und Staatsanwälte (HSYK) spielen (WP 24.1.2017). Laut Ministerpräsident Y?ld?r?m sollte das Referendum Anfang April 2017 stattfinden (TM 26.1.2017).

Quellen:

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AM – Al Monitor (8.6.2015): Turkey Pulse: What's next for Turkey? http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2015/06/turkey-elections-what-next-coalitions-akp-chp-hdp.html?utm_source=Al-Monitor+Newsletter+%5BEnglish%5D&utm_campaign=16d225108b-June_08_2015&utm_medium=email&utm_term=0_28264b27a0-16d225108b-102453981, Zugriff 24.1.2017

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BBC News (8.12.2015): T

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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