TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/7 W111 2134519-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.02.2018
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Entscheidungsdatum

07.02.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W111 2134519-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., über die Beschwerde des XXXX , geb. unbekannt alias XXXX , StA. Somalia, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX in XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.08.2016, Zl. 1028793007-14886807, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.03.2017, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 24/2016 (im Folgenden: AsylG 2005) als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.

IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte infolge illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 17.08.2014 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am darauffolgenden Tag vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Dabei gab er hinsichtlich seiner Person an, aus XXXX zu stammen, der Volksgruppe der Murusade und dem islamischen Glauben anzugehören. In Bezug auf seinen Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, von Al Shabaab-Milizen bedroht worden zu sein, zumal er eine Mitarbeit in der Milz verweigert hätte. Mithilfe seines Onkels habe er daher versucht, sein Land zu verlassen.

Aufgrund von Zweifeln an der seitens des Beschwerdeführers behaupteten Minderjährigkeit wurde durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Sachverständigen-Gutachten zur Volljährigkeitsbeurteilung in Auftrag gegeben. Aus dem diesbezüglichen Gutachten vom 11.10.2014 ergibt sich ein Mindestalter zum Datum der Antragstellung von 17,4 Jahren.

Am 20.07.2016 wurde der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Kurz zusammengefasst brachte der Beschwerdeführer vor (zum detaillierten Verlauf der Einvernahme vgl. die Seiten 45 bis 49 des Verwaltungsakts), gesund zu sein und bisher wahrheitsgemäße Angaben erstattet zu haben; er stamme aus XXXX , wo er, nachdem seine Eltern verstorben wären, bei seinem Onkel aufgewachsen sei und zwei Jahre lang die Schule besucht hätte. Er gehöre dem Hauptclan der Murusade, Subclan Tumal, an; hinsichtlich der Gründe seiner Flucht führte der Beschwerdeführer aus, Al Shabaab habe ihn rekrutieren wollen, was dieser abgelehnt hätte. Der Beschwerdeführer sei daraufhin mit dem Tod bedroht worden, weshalb er beschlossen hätte, das Land zu verlassen. Vorgelegt wurden Unterlagen hinsichtlich in Österreich gesetzter Integrationsschritte.

2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.08.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers in Spruchteil I. bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. der Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchteile III. und IV.). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte seiner Entscheidung einen allgemeinen Ländervorhalt zur Situation in Somalia zugrunde und ging im Rahmen seiner Entscheidungsbegründung davon aus, dass die beschwerdeführende Partei keine individuelle Gefährdungs- oder Verfolgungssituation hätte glaubhaft machen können. Selbst im Falle einer Wahrunterstellung stelle eine unspezifisch gegen alle Personen in einem bestimmten Gebiet gerichtete Erpressung oder auch Zwangsrekrutierung noch keine individuelle Verfolgung dar, sofern nicht weitere Elemente einer individualisierten Bedrohung hinzuträten. Dies sei im Falle des Beschwerdeführers gerade nicht der Fall gewesen und sei ein pro futuro bestehendes Interesse gerade an der Person des Beschwerdeführers – insofern, als dass Al Shabaab auch in Gebieten, welche nicht unter ihrer Kontrolle stünden, nach diesem suchen würde – nicht anzunehmen. Im Verfahren hätten sich auch darüber hinaus keine Hinweise auf das Vorliegen exzeptioneller Umstände ergeben, welche eine Abschiebung des Beschwerdeführers im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung seiner Rechte nach Artikel 3 EMRK als unzulässig erscheinen ließen und sei mangels Vorhandenseins eines schützenswerten Familien- und Privatlebens in Österreich mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen die beschwerdeführende Partei vorzugehen gewesen.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer mitsamt einer Verfahrensanordnung über die amtswegige Beigebung einer Rechtsberatungsorganisation am 30.08.2016 rechtswirksam zugestellt.

3. Mit Eingabe vom 31.08.2016 wurde fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht, in welcher der oben angeführte Bescheid im vollen Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens angefochten wurde. Begründend wurde im Wesentlichen geltend gemacht, der Behörde sei ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorzuwerfen, zumal die Behörde es unterlassen habe, sich mit dem gesamten individuellen Vorbringen sachgerecht auseinanderzusetzen und erweise sich die behördliche Befragung im Hinblick auf die Ermittlung des wesentlichen Sachverhalts als völlig unzureichend. Im Rahmen eines handschriftlichen Schreibens führte der Beschwerdeführer aus, Angst vor der Al Shabaab zu haben, welche ihn im Falle einer Rückkehr umbringen würde, da er eine Abmachung mit dieser, derzufolge er einen Selbstmordattentäter bei sich hätte aufnehmen und zum Anschlagsort bringen sollen, nicht eingehalten hätte.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 09.09.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Eingabe vom 24.02.2017 wurde das im Spruch bezeichnete Vollmachtsverhältnis bekannt gegeben

5. Am 30.03.2017 fand in der gegenständlichen Beschwerdesache eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an welcher der Beschwerdeführer, dessen rechtsfreundlicher Vertreter sowie ein Dolmetscher für die somalische Sprache teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war ordnungsgemäß geladen worden, hatte aber bereits im Vorfeld schriftlich mitgeteilt, keinen Vertreter zu entsenden.

Vorgelegt wurden die folgenden Unterlagen hinsichtlich erfolgter Integrationsbemühungen:

? Tätigkeitsnachweis der XXXX vom 22.03.2017

? Bestätigung Pflichtschulabschluss XXXX vom 22.06.2016 sowie vom 23.11.2016

? Unterstützungsschreiben vom 16.03.2017

? Bestätigung über die ehrenamtliche Unterstützung durch die XXXX vom 08.01.2017

? Bestätigung über die Mitgliedschaft in einem Fußballverein vom 11.06.2016

? Lebenslauf des Beschwerdeführers

? Zeugnis über die Abschlussprüfung XXXX vom 22.06.2016

? Bestätigung des Besuchs eines Berufsvorbereitungslehrgangs für junge Flüchtlinge vom 16.12.2016

? Zeugnis über die Abschlussprüfung XXXX vom 23.03.2016

? Zeugnis über die Abschlussprüfung in XXXX vom 06.07.2016

? Zeugnis über die Abschlussprüfung in Mathematik vom 04.07.2016

? Zeugnis über die Abschlussprüfung in Berufsorientierung vom 29.06.2016

? Zeugnis über die Pflichtabschlussprüfung

? Sprachzertifikat A1 vom 17.07.2015

? ?XXXX -Teilnahmebestätigungen an Berufsvorbereitungslehrgängen für minderjährige/unbegleitete Flüchtlinge

Die Befragung des Beschwerdeführers vernahm in ihren gegenständlich relevanten Teilen den folgenden Verlauf:

"( )

R: Können Sie Ihren Lebenslauf in kurzen Worten schildern, bis zum fluchtauslösenden Ereignis.

BF: Mein Name ist XXXX und ich bin am XXXX in XXXX geboren. Ich habe von 2008 bis 2010 die Schule besucht. Meine Eltern sind gestorben als ich ein Kind war und ich habe mit einem Onkel väterlicherseits gelebt. Mein Onkel war selbstständig und hat eine Garage besessen in der er Autos repariert hat. Unser Leben war sehr schlecht, weil mein Onkel ein sehr geringes Einkommen hatte. Wegen einem Problem habe ich Somalia im Juli 2014 verlassen. Ich habe noch nie in Somalia gearbeitet. Nachgefragt gebe ich an, dass sich XXXX am Rand von XXXX in nördlicher Richtung befindet. Mit dem Auto brauchte man von XXXX nach XXXX (Zentrum) sicherlich 40 Minuten, wenn nicht mehr. In Somalia habe ich nur zwei Jahre die Schule besucht. Den Rest der Zeit habe ich Fußball gespielt und meinem Onkel in seiner Garage geholfen, wenn er Hilfe gebraucht hat.

R: Bitte schildern Sie mir detailliert und chronologisch richtig, aus welchen Gründen Sie Ihre Heimat verlassen haben. Beginnen Sie mit dem Moment, wo Ihre ersten Probleme begonnen haben.

R erteilt eine rechtliche Belehrung über die Voraussetzungen eines glaubwürdigen Vorbringens.

BF: Ich bin in XXXX geboren. Meine Eltern starben als ich ein Kind war. Ich habe einen Onkel gehabt und mit ihm habe ich zusammen gelebt. Der Onkel hatte auch eine Familie. Es gab auch zwei Tanten väterlicherseits aber sie haben nicht in XXXX gelebt, sondern sie haben als Nomaden weiter draußen gelebt. Als ich ein Kind war, hatte ich immer Probleme in Somalia. Die Leute haben uns immer diskriminiert, weil wir die Hawiye (Hauptclan), Mursade (Subclan) weitere Untergruppe Tumal sind die Sklaven der Mursade. Zur Erklärung gebe ich an, dass jeder Clan eine Sklavengruppe hat, die er zugeordnet ist. Die Tumal sind den Mursade als Sklaven zugeordnet. In XXXX gab es nur drei Familien der Tumal. Jeder große Stamm hat einen Tumal. Wir arbeiten immer für den Stamm Mursade. Wenn sie in den Krieg gehen, müssen wir helfen. Wir müssen machen was sie wollen. Sie behandeln uns wie ein Tier. An einem Tag kam ein Mann des Stamms Mursade. Sein Name ist XXXX . Er hat eine Apotheke und arbeitet mit den Al Shabaab zusammen. Er ist zu mir in die Moschee gekommen und war alleine. Er hat zu mir gesagt, dass ich für ihn etwas machen soll. Er hat mir erzählt, dass zu mir ein Mann kommen soll. Dieser Mann soll ein Selbstmordattentat machen. Ich muss diesen Mann im Haus meines Onkels verstecken bis dieser das Selbstmordattentat ausgeführt hat. Zum Schluss sagte er mir, dass ich diesen Mann mitnehmen soll und ihm in die Zentrale der Polizei zeigen soll, wo er dann das Selbstmordattentat durchführen soll. Ich konnte nicht nein sagen, weil wir eben Sklaven sind. Er sagte mir, dass ich keine Arbeit habe und dafür Geld bekommen würde.

Nachgefragt gebe ich an: "Dies war Anfang Juli 2014 am Abend in der Moschee. Er hat mit mir schon öfters gesprochen. Das erste Mal war 2012." Ich habe einen ganzen Abend mit ihm beim Eingang von XXXX an militärischen Stellungen gearbeitet. Wir haben Sandsäcke aufgetürmt. Ein anderes Mal haben wir auch Sandsäcke in einem anderen Bezirk geschlichtet und er teilte mir sein Anliegen mit. Nachgefragt gebe ich an: "Ich habe nicht nein gesagt, weil ich nicht konnte." Im Jahr 2014 hat er mir zum ersten Mal über den geplanten Anschlag erzählt.

R: Wie haben Sie reagiert?

BF: Im Zuge dieses Gespräches konnte ich nicht ablehnen. Ich hatte große Angst, daher konnte ich nichts machen.

R: Um wieviel Uhr waren Sie in der Moschee?

BF: Es war um 19.45 Uhr nach dem Abendgebet.

R: Fahren Sie fort.

BF: Der Mann ist mit mir mitgekommen. Wir sind zu einem Restaurant gegangen und haben dort Abend gegessen. Dann sind wir zu meinem Zimmer gegangen und wir haben dort beide geschlafen. Nachgefragt gebe ich an: Ich habe bei meinem Onkel gewohnt. In Somalia sind die Häuser nicht sowie hier in Österreich. Mein Zimmer hatte zwei Türen. Eine Türe ins Haus hinein und eine andere als Ausgang.

R: Warum ging der Mann mit Ihnen mit?

BF: In meinem Heimatland haben öfters Freunde mit mir geschlafen. Dieser Mann hat mir gesagt ich soll nicht mit meinem Onkel sprechen.

R: Sie beschreiben das Verhältnis zwischen Ihnen und jenem XXXX als das Verhältnis zwischen Herrn und Sklaven. Ist das nicht außergewöhnlich, dass Herrn und Sklaven in einem Zimmer schlafen?

BF: Ich habe nicht mit XXXX geschlafen, sondern mit einem anderen Mann.

R: Warum haben Sie das nicht erwähnt, dass es sich um einen anderen Mann handelt?

BF: Ich habe kurz vorher gesagt, dass XXXX in die Moschee gekommen ist und sagte mir, ich soll diesen Mann im Zimmer verstecken. Von diesem Mann habe ich gesprochen.

R: Sie haben aber auch nicht erwähnt, dass dieser Mann mit in der Moschee war.

BF: Nach dem Gespräch mit XXXX hat mir XXXX diesen Mann gebracht und ich habe mit diesen Mann alleine Abend gegessen und dann sind wir zu zweit nach Hause gegangen.

R: Fahren Sie fort.

BF: Den ganzen Abend konnte ich nicht schlafen. Ich hatte Angst und wusste nicht was ich machen soll. Am nächsten Tag in der Früh bin ich zu meinem Onkel gegangen. Er war in der Garage. Ich habe ihm erzählt, was mir XXXX gesagt hat und was ich machen muss. Danach hat mir mein Onkel gesagt, dass ich dies nicht machen soll. Ich kann sterben oder getötet werden. Ich habe ihm gesagt, was ich machen soll, da ich niemanden kenne. Mein Onkel sagte mir, dass ich zuerst diesen Mann aus meinem Zimmer entfernen soll und ihn weg bringen und dann verschwinden. Am nächsten Abend bin ich zu diesem Mann hingegangen und sagte ihm, dass wir Abendessen gehen sollten. Ich habe diesen Mann mitgenommen und ihm zu einem Restaurant (weit weg von unserem Haus) gebracht. Als der Mann zu Essen begann, bin ich weggelaufen. Ich habe mich an einem Ort versteckt, wo mein Onkel mir gesagt hat, dass ich hingehen soll. Dieser Mann( XXXX war sein Name) war sicher 80 Jahre alt. Er hatte keine Kinder und keine Familie. Er hatte sehr viele Tiere. Dieser Mann war aus dem Stamm Mursade. Ich habe ihm mein Problem erzählt. Er erlaubte mir bei ihm zu essen und zu schlafen. Dieser Mann ging jeden Tag in der Früh vom Haus weg und kam erst am Abend zurück. An einem Tag kam er zu mir und sagte mir, dass er mit einen Al Shabaab Anhänger gesprochen hätte und sie haben nach mir gefragt. Er sagte mir, dass ich nicht mehr bei ihm bleiben könne und er rief meinen Onkel hat und erzählte ihm das Problem. Der Onkel sagte, dass Al Shabaab auch zu ihm gekommen sind und ihn bedroht haben. Mein Onkel sagte mir, dass ich von diesem Haus in einem anderen Bezirk hingehen soll. An einer ausgemachten Bushaltestelle sollte mich ein Mann abholen. Bei diesem Mann war ich sieben Tage. Nachher sagte man mir, dass ich auch dort nicht bleiben könne. Mein Onkel hat seine Garage verkauft. Ich habe mit diesem Geld das Land verlassen. Nachgefragt gebe ich an: Der Onkel sagte mir nicht, wieviel Geld er für die Garage bekommen habe. Er hat mit einem Schlepper gesprochen. Nachgefragt gebe ich an: Ich weiß nicht, wieviel Geld der Schlepper bekommen hat.

R: Wieviel Geld hatten Sie bei sich?

BF: Ich hatte 600 US Dollar bei mir. Diese 600 US Dollar habe ich von dem Mann bekommen, bei dem ich sieben Tage war.

R: Wovon lebte Ihr Onkel nach dem Verkauf seiner Garage?

BF: Der letzte Kontakt mit meinem Onkel war 2014. Er war nicht mehr in Somalia und ist nach Kenia geflüchtet.

R: Wurden Sie von den Al Shabaab auch noch an anderen Plätzen kontaktiert?

BF: Ich bin in XXXX geboren. Dort waren immer die AL Shabaab

R: Sie haben geschildert, wie sie von Mitgliedern oder Sympathisanten von Al Shabaab angesprochen wurden. Wurden Sie noch an anderen Orten angesprochen?

BF: Ja.

R: Wo genau?

BF: In XXXX . Sie haben mehr als einmal mit mir geredet. Dies war dort, wo wir Fußball spielen oder Tee trinken gehen.

R: Habe ich Sie richtig verstanden. Ihre Aufgabe war es einen Selbstmordattentäter zu beherbergen. Hat man Ihnen auch andere Aufgaben nahe gelegt?

BF: Ja, früher schon.

R: Was für Aufgaben waren das?

BF: Im Jahr 2012 habe ich in der Baustelle gearbeitet. Am Abend hat man uns beauftragt festzustellen, wie man aus XXXX raus und rein kommt.

R: Hätten Sie noch weitere Aufgaben erfüllen sollen?

BF: Nein.

R: Im ersten instanzlichen Verfahren haben sie angegeben, dass Sie Geiseln beherbergen sollen. Warum haben Sie das jetzt nicht angegeben?

BF: Das stimmt. Das habe ich früher gesagt.

R: Warum haben Sie dies jetzt nicht gesagt?

BF: Da war ich nicht alleine sondern mit einem anderen Jungen. Jeder hat eine andere Aufgabe gehabt.

R: Sie haben in Ihrer freien Schilderung zu Beginn der Einvernahme geschildert, dass Sie erst 2014 mit terroristischen Aktivitäten konfrontiert wurden. Ihre Kontakte mit dem Mann von früher wären lediglich im Zuge der Arbeit gewesen. Warum geben Sie nun mehr an, dass sie schon früher mit anderen Aufgaben betraut hätten werden sollen?

BF: Sie haben mich vorher gefragt, warum exakt ich mein Heimatland verlassen habe. Das BFA hat nur oberflächlich gefragt.

R: Dann verstehe ich umso weniger, warum Sie beim BFA die Geiseln erwähnt haben und jetzt nicht.

BF: Weil es nicht meine Handlung war, sondern jemand anders.

R: Sie haben vorher erwähnt, dass sie lediglich 600 US Dollar gehabt haben. Im Aktenvermerk vom 17. August 2014 ist vermerkt, dass Sie vor dem Stadtpolizeikommando XXXX angegeben haben, 7000,- Euro an den Schlepper bezahlt zu haben.

BF: Das stimmt nicht. Die Einvernahme wurde nicht rückübersetzt.

R übergibt der beschwerdeführenden Partei ein Exemplar des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation betreffend Somalia (25.04.2016, letzte Kurzinformation eingefügt am 13.02.2017).

R an alle: Möchten Sie dazu Stellungnehmen insbesondere weise ich Sie darauf hin, dass der Stamm der Tumal erwähnt ist, von sklavenartigen Lebensbedingungen der Tumal allerdings nicht die Rede ist. Vielmehr ist ausdrücklich erwähnt, dass es kein Risiko mehr gibt aufgrund der Clanzugehörigkeit verfolgt zu werden.

Die Verhandlung wird für 5 Minuten unterbrochen.

Der BFV ersucht um eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen.

R: Leiden Sie unter schweren oder chronischen Krankheiten?

BF: Nein.

R: Bitte schildern Sie mir Ihr Privat- und Familienleben in Österreich.

BF: Ich wohne alleine in einem XXXX haus. Ich habe hier keine Familie. Außerdem habe ich einen Deutschkurs besucht.

R: Sprechen Sie Deutsch?

BF auf Deutsch: Ja, ich kann schon.

R ohne Dolmetscher: Was haben Sie gestern zu Mittag gegessen?

BF: Ich habe Reis mit Fleisch gegessen.

R: Wie sind Sie heute in das Gericht gekommen?

BF: Mit dem Zug von dort wo ich gestern geschlafen habe.

R jetzt wieder mit Dolmetscher: Haben Sie eine Arbeitsplatzzusage?

BF: Nein, ich habe nur mit der XXXX gearbeitet. Ich habe eine Lehrstelle in Aussicht und habe eine Bestätigung darüber mitgebracht.

R: Möchten Sie dem Verfahren etwas hinzufügen?

BF: Nein, ich habe alles gesagt.

BFV ersucht abermals um eine zweiwöchige Stellungnahmefrist, die vom R gewährt wird. Ansonsten keine Stellungnahme durch den BFV.

( )"

Mit Eingabe vom 13.04.2017 erstattete der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme, in welcher zusammenfassend ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer zähle als Angehöriger der Tumaal im somalischen Clansystem zur untersten Klasse. In XXXX habe er niemanden, der ihm beim Überleben helfen könnte und seien in XXXX , wie auch in anderen Landesteilen, Al Shabaab sehr stark. Der Beschwerdeführer sei auch selbst Verfolgung durch Al Shabaab ausgesetzt, da diese ihn im Falle einer Rückkehr der Spionage verdächtigen würde. Jedenfalls sei dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zu gewähren, zumal aus den aktuellen Länderberichten eine massive Dürrekatastrophe in ganz Somalia hervorginge.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom 17.08.2014, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.08.2016, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 30.03.2017 sowie der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremden- und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger von Somalia, er gehört dem Clan der Tumaal an und bekennt sich zum muslimischen Glauben.

Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX , einem Randbezirk XXXX , wo er zuletzt gemeinsam mit seinem Onkel gelebt hat. Die Eltern des Beschwerdeführers sind bereits verstorben. Der Onkel des Beschwerdeführers ist zwischenzeitlich nach Kenia geflüchtet, in Somalia leben im Raum Süd-Shabelle zwei Tanten des Beschwerdeführers als Nomaden, darüber hinaus hat er keine Angehörigen mehr im Herkunftsstaat. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen.

1.1.2. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte.

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen betreffend eine Gefährdung seiner Person durch Angehörige der Al Shabaab, aufgrund seiner Weigerung einen Selbstmordattentäter zu beherbergen und zum potentiellen Anschlagsort zu begleiten, wird der Entscheidung mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde gelegt.

1.1.3. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 13.2.2017: Farmaajo neuer Präsident (betrifft: Abschnitt 2 / politische Lage)

Der frühere Regierungschef Mohamed Abdullahi Mohamed Farmaajo hat die Präsidentenwahl in Somalia gewonnen. Im zweiten Durchgang der Wahl am Mittwoch ließ der 54-jährige somalisch-amerikanische Doppelstaatsbürger Farmaajo den bisherigen Amtsinhaber Hassan Sheikh Mohamud hinter sich (NZZ 8.2.2017). Tausende Menschen feierten am Mittwochabend (8.2.2017) den Sieg von Farmaajo auf den Straßen von Mogadischu. Es gab Hupkonzerte, und Menschen umarmten Soldaten (FR 10.2.2017; vgl. VOA 9.2.2017). Auch in anderen somalischen Städten sowie in Kenia – in Garissa und Eastleigh – kam es zu spontanen Freudenfeiern, die als Ausdruck aufrichtiger Unterstützung für den neuen Präsidenten durch die Bevölkerung gewertet werden können (VOA 9.2.2017).

Die Wahl von Mohamed Farmaajo kam überraschend, galt doch der Amtsinhaber Hassan Sheikh Mohamud als Favorit (FR 10.2.2017). Letzterer hat jedenfalls seine Niederlage eingestanden (NZZ 8.2.2017; vgl. VOA 9.2.2017), und er forderte alle Somalis dazu auf, den neuen Präsidenten zu unterstützen. Farmaajo wurde unmittelbar angelobt (VOA 9.2.2017).

Die Durchführung einer allgemeinen und freien Wahl war in Somalia zwar nicht möglich gewesen; doch die Zahl von 14.024 Wahlmännern ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber früheren Wahlen, als der Sieger unter gerade einmal 135 Clanchefs ausgekungelt wurde. Die Medien konnten hinsichtlich der Wahl relativ frei agieren und Korruption und Wahlverschiebung anprangern – ein gutes Zeichen (DW 10.2.2017).

2010/2011 war Farmaajo acht Monate lang Premierminister von Somalia gewesen. Damals hatte er sich einen Namen als Anti-Korruptionskämpfer erworben (FR 10.2.2017; vgl. VOA 9.2.2017). Seine Entlassung durch den damaligen Präsidenten Ahmed Sheikh Sharif führte zu heftigen Protesten der Bevölkerung (FR 10.2.2017).

Quellen:

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DW – Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 13.2.2017

-

FR – Frankfurter Rundschau (10.2.2017): Hoffnung für Somalia, http://www.fr-online.de/politik/wahl-hoffnung-fuer-somalia,1472596,35147632.html, Zugriff 13.2.2017

-

NZZ – Neue Zürcher Zeitung (8.2.2017): Präsidentenwahl zwischen Sandsäcken und Ruinen,

https://www.nzz.ch/international/nahost-und-afrika/mohamud-in-somalia-abgewaehlt-praesidentenwahl-zwischen-sandsaecken-und-ruinen-ld.144287, Zugriff 13.2.2017

-

VOA – Voice of America (9.2.2017): Somalis Optimistic About New President,

http://www.voanews.com/a/hopes-high-somalia-s-new-president-will-improve-security/3716301.html, Zugriff 13.2.2017

KI vom 19.1.2017: Dürre (betrifft: Abschnitt 23 / Grundversorgung)

Nach einer schwachen Gu-Regenzeit im Jahr 2016 blieben auch die Regenfälle der Deyr-Regenzeit Ende 2016 aus. Von der Nahrungsversorgungsunsicherheit am schlimmsten betroffen sind landwirtschaftlich genutzte Gebiete im Süden und nomadisch genutzte Gebiete im Nordosten des Landes (FEWSNET 16.1.2017). Alleine im sogenannten South-West-State sind 820.000 Menschen dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Viele suchen in größeren Städten nach Hilfe. Der Gouverneur der Region Bay schätzt, dass bereits rund 3.000 Familien aus ländlichen Gebieten nach Baidoa geflohen sind (UNSOM 16.1.2017). Dabei ziehen Nahrungsmittelpreise an: Der Preis für Mais liegt in Qoryooley 51% über dem Fünfjahresmittel; für Sorghum in Baidoa um 88% darüber (FEWSNET 16.1.2017).

Die humanitäre Situation in Somalia ist zunehmend fragil. Fünf Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen (UNOCHA 12.1.2017; vgl. UNSOM 16.1.2017) und leiden unter Nahrungsversorgungsunsicherheit (FAO 20.12.2016). 3,9 Millionen davon gelten als "stressed", 1,1 Millionen Menschen leiden unter akuter Nahrungsversorgungsunsicherheit (acutely food insecure) (UNOCHA 12.1.2017) und befinden sich auf den IPC-Stufen drei (Krise) und 4 (Not/Emergency). Alleine im zweiten Halbjahr 2016 hat die Zahl um 20% zugenommen. Prognosen lassen erwarten, dass die Zahl der akut Bedrohten im ersten Halbjahr 2017 um eine weitere Viertelmillion zunehmen wird. Ähnliche Bedingungen hatten im Jahr 2011 zu einer Hungersnot und Hungertoten geführt (FAO 20.12.2016). Folglich fahren humanitäre Organisationen ihre lebensrettenden Maßnahmen hoch, angesammelte Fonds werden angezapft (UNOCHA 12.1.2017).

Eine Entschärfung der Situation ist in rein nomadisch genutzten Gebieten nicht für Mai/Juni zu erwarten; in agro-pastoral genutzten Gebieten nicht vor Juni/Juli. Im schlimmsten anzunehmenden Szenario bleibt auch die Gu-Regenzeit des Jahres 2017 – wie gegenwärtig prognostiziert – schwach und in der Folge sinkt die Kaufkraft auf das Niveau der Jahre 2010/2011. Reicht dann die humanitäre Hilfe nicht aus, wird eine Hungersnot (IPC 5) die Folge sein (FEWSNET 16.1.2017). Bereits jetzt werden vereinzelt Hungertote aus den Regionen Bay (UNSOM 16.1.2017) und Gedo gemeldet (SMN 15.1.2017).

Quellen:

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FAO – Food and Agriculture Organization of the United Nations (20.12.2016): With continued drought, Horn of Africa braces for another hunger season,

http://reliefweb.int/report/somalia/continued-drought-horn-africa-braces-another-hunger-season, Zugriff 19.1.2017

-

FEWSNET – Famine Early Warning Systems Network (16.1.2017): Severe drought, rising prices, continued access limitations, and dry forecasts suggest Famine is possible in 2017, http://www.fews.net/east-africa/somalia/alert/january-16-2017, Zugriff 19.1.2017

-

SMN – Shabelle Media Network (15.1.2017): A Mother and her kids die of hunger in Gedo,

http://allafrica.com/stories/201701160709.html, Zugriff 19.1.2017

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (12.1.2017): Somalia: Humanitarian Snapshot (as of 12 January 2017), http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/somalia_humanitarian_snapshot_-_january_2017.pdf, Zugriff 19.1.2017

-

UNSOM – UN Assistance Mission to Somalia (16.1.2017): Deputy SRSG de Clercq assesses humanitarian crisis in Somalia’s South West state,

http://reliefweb.int/report/somalia/deputy-srsg-de-clercq-assesses-humanitarian-crisis-somalia-s-south-west-state, Zugriff 19.1.2017

KI vom 20.9.2016: Dürre (betrifft: Abschnitt 23 / Grundversorgung)

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Die humanitäre Lage in Somalia bleibt prekär. Etwa 38 Prozent der Bevölkerung sind auf Unterstützung angewiesen, eine Million Menschen können ihren grundlegenden Nahrungsbedarf nicht decken. 305.000 Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt. Zwischen Jänner und Juni wurden ca. 490.000 Menschen mit Nahrungsmittelhilfe versorgt, 125.000 Kinder konnten wegen akuter Unterernährung behandelt werden (UNSC 6.9.2016). UNOCHA stellt hinsichtlich Nahrungsmittelsicherheit nebenstehende aktuelle Karte zur Verfügung (UNOCHA 9.9.2016).

Das Klimaphänomen El Niño führte in Somaliland und in Puntland zu Dürre. Dort sind 385.000 Menschen akut von Nahrungsmittelunsicherheit bedroht, weitere 1,3 Millionen Menschen sind dem Risiko ausgesetzt, ohne Unterstützung in eine akute Bedrohung abzugleiten (UNSC 6.9.2016; vgl. UNOCHA 1.9.2016). In Süd-/Zentralsomalia brachte El Niño hingegen schwere Regenfälle und teilweise Überschwemmungen (UNOCHA 1.9.2016).

Die Regenzeit Gu (März-Juni) brachte für Puntland und Somaliland zwar eine teilweise Entlastung; doch wird für den Zeitraum Juli-Dezember 2016 wieder eine Erhöhung der Nahrungsmittelunsicherheit erwartet (UNSC 6.9.2016). Für eine nachhaltige Besserung bedarf es mehr als nur einer guten Regenzeit. Prognosen zufolge könnte sich die Situation durch das nachfolgende Wetterphänomen La Niña weiter verschärfen. So bietet auch die Nahrungsmittelsicherheit in Süd-/Zentralsomalia zunehmend Grund zur Sorge. Derzeit sind also – v.a. im Norden – noch die Auswirkungen von El Niño zu spüren, während aufgrund von La Niña eine schlechte Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) erwartet wird. Die schwere Hungersnot der Jahre 2011/2012 war durch La Niña verursacht worden (UNOCHA 1.9.2016).

Quellen:

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (9.9.2016): Somalia – Humanitarian Snapshot, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Somalia%20Humanitarian%20Snapshot%20-%20September%202016.pdf, Zugriff 20.9.2016

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (1.9.2016): Humanitarian Bulletin Somalia, August 2016, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/August%202016%20Somalia%20Humanitarian%20Bulletin.pdf, Zugriff 20.9.2016

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UNSC - UN Security Council (6.9.2016): Report of the Secretary-General on Somalia [S/2016/763], http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1473923936_n1627603.pdf, Zugriff 20.9.2016

Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.12.2015).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.12.2015). Somalia ist keine Wahldemokratie. Es gibt keine demokratischen Institutionen. Das Parlament wurde durch Clan-Repräsentanten ausgewählt, und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel. Diese gibt den vier Hauptclans jeweils gleich viele Sitze, und den kleineren Clans und Minderheiten insgesamt halb so viele Sitze, wie einem Hauptclan. Trotzdem wird die Förderung der Demokratie formell von allen politischen Akteuren – mit der Ausnahme von al Shabaab – akzeptiert. So ist das politische System Somalias weder demokratisch noch autoritär; alles dreht sich um die Repräsentation auf Basis der Clans (BS 2016).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Das derzeitige Bundesparlament wurde konsensual unter Einbeziehung traditioneller Eliten bestimmt und hat dann den Präsidenten gewählt (AA 1.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Dies ist die erste Regierung Somalias seit 1991, der breite internationale Unterstützung zukommt (BS 2016). Somalia gilt laut dem UN-Repräsentanten nicht mehr als failed state, sondern als fragiles Land. Die Situation hat sich in den vergangenen drei Jahren stabilisiert (AP 23.12.2015; vgl. AA 1.12.2015).

Eigentlich waren für 2016 Wahlen vorgesehen. Der Präsident hat aber im Juni 2015 angekündigt, dass diese "one person, one vote"-Wahlen verschoben werden (USDOS 13.4.2016; vgl. UNSC 8.1.2016). Dagegen hat es im Parlament Proteste gegeben (AI 24.2.2016). Ein von der Regierung einberufenes National Consultative Forum soll über einen anderen Wahlprozess für das Jahr 2016 beraten. Gleichzeitig soll das Forum auf Vorbereitungen für allgemeine Wahlen im Jahr 2020 treffen (UNSC 8.1.2016).

Obwohl seit dem Ende der Übergangsperiode wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet wird, ist die faktische Situation nach wie vor in all diesen Bereichen sehr mangelhaft (AA 1.12.2015). Die Erfolge der aktuellen Regierung bei Friedens- und Staatsbildung waren sehr bescheiden. Politische Grabenkämpfe zwischen dem Präsidenten und dem Premierminister haben zu mangelnder Kontinuität beim Regierungspersonal geführt (BS 2016). Zuletzt gab es im August 2015 eine Regierungskrise, als das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Mohamud einleiten wollte (UNSC 11.9.2015; vgl. AI 24.2.2016). Dieses Begehren wurde später zurückgezogen (UNSC 8.1.2016).

Die anhaltenden politischen Grabenkämpfe und der Fokus auf die Föderalisierung haben die Regierung von Reformen im Justiz- und Sicherheitsbereich abgelenkt (HRW 27.1.2016). Das Clansystem hat wiederum die Einrichtung nachhaltiger Regierungs- und Verwaltungsstrukturen behindert (UNHRC 28.10.2015). Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt (AA 1.12.2015).

Es gab einen signifikanten Fortschritt bei der Einrichtung staatlicher Strukturen auf regionaler Ebene, und für alle Bezirke (außer Baardheere) gibt es vorläufige Verwaltungen (UNSC 8.1.2016). Gleichwohl gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach, wesentliche Staatsfunktionen können nicht ausgeübt werden (AA 1.12.2015). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 10.2015). Die regionalen Verwaltungen kämpfen noch damit, ihre Autorität durchzusetzen. Sie stehen dabei einem Mangel an Geld, einem Mangel an Regierungsinfrastruktur und einem Mangel an Personal gegenüber. Außerdem fehlt es an Details zu den Strukturen der Bundesstaaten sowie an breiter Unterstützung beim Staatsbildungsprozess (UNSC 8.1.2016). Die internationalen Partner werden auch weiterhin signifikante Unterstützung gewähren müssen (UNSC 8.1.2016), wie etwa über laufende Projekte zur Kapazitätsbildung und zu Kernfunktionen der Regierung durch die Weltbank und UNDP (UNSC 11.9.2015).

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Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/319738/445108_en.html, Zugriff 22.3.2016

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AP - Associated Press (23.12.2015): Somalia no longer a failed state, just a fragile one, says UN. The Guardian, http://www.theguardian.com/world/2015/dec/23/somalia-no-longer-a-failed-state-just-a-fragile-one-says-un, Zugriff 20.4.2016

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 24.3.2016

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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 14.4.2016

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HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/318350/443530_en.html, Zugriff 22.3.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (10.2015):

Asylländerbericht Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016

-

UNHRC - UN Human Rights Council (28.10.2015): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Bahame Tom Nyanduga,

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

-

UNSC - UN Security Council (8.1.2016): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453284910_n1600065.pdf, Zugriff 1.4.2016

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UNSC - UN Security Council (11.9.2015): Report of the Secretary - General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2015&dlid=252727, Zugriff 14.4.2016

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2. Sicherheitslage

Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen. Es wurden die unterschiedlichen Akteure in Somalia kategorisiert:

* Die farbigen Gebiete zeigen Akteure, die über signifikanten Einfluss verfügen. Diese Akteure verfügen auch über Ressourcen, um diesen Einfluss zu garantieren. Derartige Akteure sind: Somaliland, Puntland, die Galmudug Interim Administration (GIA), AMISOM und die Somali National Army (SNA), die Jubbaland Interim Administration (JIA), al Shabaab (AS) und die Ahlu Sunna Wal Jama’a (Zentralsomalia; ASWJ). Einige Städte werden von anderen Parteien beherrscht: Von der Clan-Miliz SSC (Dulbahante; Khatumo), von der Clan-Miliz der Warsangeli, von ASWJ (Fraktion Gedo), von Clan-Milizen an der Grenze zu Äthiopien (in den Regionen Gedo, Bakool und Hiiraan). Eine Gebiete – und hier vor allem in Süd-/Zentralsomalia – werden von zwei dieser relevanten Akteure beeinflusst.

* In mit strichlierten Linien umrandeten Gebieten gibt es zusätzliche Akteure mit eingeschränktem Einfluss. Diese Akteure agieren neben den oben erwähnten Hauptakteuren, und sie verfügen nur über eingeschränkte Ressourcen (EASO 2.2016).

Kommentare zu den Eintragungen auf der Karte:

* In Puntland und Jubbaland wurden Zellen des Islamischen Staates markiert; diese Markierungen erfolgten auf der Grundlage anekdotischer Berichte über größere Gruppen von AS-Deserteuren.

* Einige der kleineren Ortschaften der al Shabaab wurden auf der Grundlange anekdotischer Berichte eingetragen.

* Hinsichtlich der Städte Buuhoodle (Togdheer) und Taalex (Sool) gibt es unterschiedliche Berichte und Information

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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