TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/8 L508 2168886-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.02.2018
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Entscheidungsdatum

08.02.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L508 2168886-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger aus Pakistan und dem paschtunischen Stamm der Turi sowie der schiitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 04.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 3, 23).

2. Im Rahmen der Erstbefragung am 05.06.2015 (AS 1 - 11) gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass es in Parachinar die Taliban und Daesch gebe. Letzterer sei noch gefährlicher als die Taliban. Er habe von beiden Gruppen aufgrund seines Schulbesuches Probleme bekommen. Er habe nicht frei leben können. Bei einer Rückkehr nach Pakistan würde er befürchten, dass ihn die Taliban und Daesch wieder unterdrücken und misshandeln.

3. Am 04.08.2015 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) einem Sachverständigen (Röntgenfacharzt) den Auftrag, ein Röntgenbild ("Preliminares Handröntgen") zu erstellen und eine Altersschätzung vorzunehmen (AS 37 – 41). Der Befund erbrachte das Ergebnis "GP 31, Schmeling 4" (AS 51). Offenbar auf Grund dieses Ergebnisses erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 02.09.2015 DDr. XXXX den Auftrag, ein Gutachten zum Alter des Beschwerdeführers zu erstatten (AS 61 – 63). Dieser erstattete sein Gutachten am 06.10.2015 (AS 81 – 127 [AS 129 – 154]).

4. Im Rahmen einer Einvernahme im Asylverfahren vor dem BFA am 09.11.2016 (AS 163 - 170) gab der BF - zu seinen Ausreisegründen befragt - zu Protokoll, dass er Probleme mit den Taliban gehabt habe. Sein Onkel habe für die Taliban spioniert, dann aber mit deren Unterstützung aufgehört, woraufhin dieser von den Taliban getötet worden sei. In der Folge hätten die Taliban auch auf seinen Vater geschossen und diesen hierbei verletzt. Seine Mutter habe ihm dies erzählt.

Die Frage, ob er selbst konkret von den Taliban bedroht, unterdrückt oder misshandelt worden sei, verneinte der BF. Er habe generell Angst vor den Taliban gehabt. Im Falle der Rückkehr würde er getötet werden.

Des Weiteren wurden mit dem BF die von der belangten Behörde herangezogenen Länderfeststellungen erörtert und gab der BF hierzu folgende Stellungnahme ab: "Ja, ich bin mit den Feststellungen voll inhaltlich einverstanden." (AS 168).

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 09.08.2017 (AS 195 - 286) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Dem Fluchtvorbringen wurde die Glaubwürdigkeit versagt und im Rahmen einer Eventualbegründung wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer bei Glaubhaftunterstellung seines Vorbringens die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative offen stünde und er staatlichen Schutz in Anspruch nehmen könnte. Des Weiteren wurde begründend dargelegt, warum nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Letztlich wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

6. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2017 (AS 187, 188, 193, 194) wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und dieser ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

7. Gegen den oa. Bescheid des BFA erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz vom 23.08.2017 (AS 299 – 311) in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

7.1. Zunächst wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

* die angefochtene Entscheidung zur Gänze beheben und dem BF Asyl gem. § 3 AsylG gewähren;

* in eventu gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG feststellen, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zukommt;

* in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverweisen;

* sowie feststellen, dass die gem. § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig sei und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gem. § 55 AsylG vorliegen und dem BF daher gem. § 58 Abs. 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen zu erteilen sei

* sowie in eventu feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG vorliegen und dem BF daher eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 Abs. 1 AsylG von Amts wegen zu erteilen sei und

* eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen.

7.2. In weiterer Folge wurde der bisherige Verfahrensgang und das Vorbringen wiederholt und moniert, dass seitens des Bundesamtes die Ermittlungspflichten nach § 18 AsylG nicht erfüllt worden seien. So übersehe das BFA, dass der BF aus einem Gebiet stamme, wo diverse radikal islamistische und bewaffnete Gruppierungen sehr einflussreich seien. Es gebe viele bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der pakistanischen Regierung und den vor Ort operierenden unterschiedlichen Taliban-Gruppierungen. Auch untereinander würden diese radikal islamistischen Gruppierungen heftige Auseinandersetzungen führen. Eine Berücksichtigung der instabilen Sicherheitslage in den FATA-Gebieten sei nicht erfolgt. In diesem Zusammenhang wurde auch auszugsweise auf mehrere Länderberichte der "Asylum Research Consultancy", "Dutch Counsil für Refugees" und Human Rights Watch sowie des UK Home Office (AS 303 – 306) verwiesen, aus denen klar ersichtlich sei, dass die pakistanischen Sicherheitsbehörden nicht in der Lage seien, umfassenden Schutz zu gewährleisten und Korruption und Rechtsmissbrauch weit verbreitet seien. Des Weiteren werde ausgeführt, dass sich der Zugang zur Polizei für Angehörige von Minderheiten besonders schwierig gestalte.

7.3. Der BF werde in Pakistan aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie (hinsichtlich seines Onkels, der die Taliban unterstützt habe) in Pakistan verfolgt. Das Fluchtvorbringen des BF sei als glaubhaft zu werten. Unbestritten sei seitens des BFA geblieben, dass sein Onkel von den Taliban ermordet und auf seinen Vater geschossen worden sei.

Der BF habe im Verfahren dargelegt, dass es nicht zumutbar sei, sich im konkreten Fall an die pakistanischen Sicherheitsbehörden zu wenden. In Zusammenschau mit den persönlichen Erlebnissen des BF sei daher davon auszugehen, dass derartige staatliche Strukturen, die Schutz bieten könnten, in Pakistan und konkret im Fall des BF nicht bestünden bzw. bestanden hätten.

Ergänzend sei darauf zu verweisen, dass auch eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht offen stehe. Der BF habe außerhalb seines Herkunftsortes keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte. Auch sei dem BF derzeit nicht bekannt, wo sich sein Vater aufhalte. Ihm sei es nicht zumutbar, in einen vollkommen fremden Landesteil zu übersiedeln, wo er keinerlei Unterstützungs- oder Unterkunftsmöglichkeiten hätte. Der BF wäre zudem mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in die Mittel- und Obdachlosigkeit getrieben. Darüber hinaus sei auf die Länderberichte zu Pakistan zu verweisen, wonach die derzeitige Sicherheitslage sehr prekär sei.

7.4. Selbst, wenn man aufgrund der Prüfung des Sachverhalts zum Ergebnis käme, dass die Flüchtlingseigenschaft nicht bestehe, wäre im vorliegenden Fall zumindest der vom Refoulement-Verbot abzuleitende subsidiäre Schutz zu gewähren gewesen.

7.5. Der BF sei sehr um eine positive Integration in Österreich bemüht und habe Deutschkurse absolviert. Er sei seit über zwei Jahren in Österreich.

7.6. Mit diesem Rechtsmittel wurde jedoch kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

8. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des BFA unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes.

2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

2.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und dessen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen und dem Stamm der Turi an und ist schiitischen Glaubens.

Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat und seinem Wohnort, sowie des Umstandes, dass der Antragsteller eine für Pakistan gebräuchliche Sprache spricht sowie aufgrund seiner Kenntnisse über Pakistan ist festzustellen, dass es sich bei ihm um einen pakistanischen Staatsangehörigen handelt.

Der von ihm vorgebrachte Fluchtgrund (Verfolgung und Bedrohung durch die Taliban und/oder Daesch) wird mangels Glaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens nicht festgestellt. Es kann sohin nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus Gründen der GFK asylrelevant verfolgt bzw. dessen Leben bedroht wurde beziehungsweise dies im Falle einer Rückkehr nach Pakistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintreffen könnte.

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde.

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland festgestellt werden.

Selbst wenn man sein Vorbringen als wahr unterstellen und daher annehmen würde, dass der BF nach der Ermordung eines Onkels und der Verletzung seines Vaters seitens seiner Verfolger bedroht und verfolgt worden war, muss diesbezüglich festgestellt werden, dass sein Vorbringen keine Asylrelevanz entfalten würde (siehe rechtliche Würdigung zur Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Innerstaatlichen Fluchtalternative), zumal dem BF jedenfalls auch eine Rückkehr nach Islamabad möglich und zumutbar wäre. Es wären dort die existentiellen Lebensgrundlagen des Beschwerdeführers angesichts einer finanziellen Unterstützung durch seine in Parachinar lebende Familie – etwa durch Überweisungen – oder durch Aufnahme einer eigenen beruflichen Tätigkeit gesichert. In den Städten leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben. Auch besteht die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen (AA 30.5.2016). Die Hauptstadt Pakistans, Islamabad, gilt als vergleichsweise sicher. Islamabad erlitt lediglich einen Anschlag mit einem Toten im Jahr 2016 (PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 war es von 3 Anschlägen mit 4 Toten betroffen (PIPS 3.1.2016), weshalb hier von einer stabilen Sicherheitslage auszugehen ist. Diese Stadt ist für den Beschwerdeführer auch direkt erreichbar.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung.

Der BF lebte bis zu seiner Ausreise in der Nähe von Parachinar in der Kurram Agency an einer gemeinsamen Wohnadresse mit seinen Eltern und Geschwistern. Der BF besuchte in Pakistan die Grundschule. Die Familie des BF besitzt eine große Landwirtschaft und geht es der Familie finanziell gut. Die engsten Angehörigen des BF leben nach wie vor in Pakistan.

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich. In Österreich halten sich keine Verwandten des BF auf. Der BF befand sich bis Mitte August 2017 in der Grundversorgung und lebte in dieser Zeit von staatlicher Unterstützung. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF mittlerweile selbsterhaltungsfähig ist und er über umfassende Deutschkenntnisse verfügt. Der BF absolvierte Deutschkurse, brachte aber bislang keine Bestätigung über diesbezüglich erfolgreich abgelegte Prüfungen in Vorlage. Unterstützungserklärungen wurden ebenso wenig vorgelegt. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.

Er hat mit Ausnahme seines nunmehrigen Aufenthalts in Europa sein Leben zum überwiegenden Teil in Pakistan verbracht, wo er sozialisiert wurde und wo sich nach wie vor seine nächsten Verwandten aufhalten.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr wieder bei seiner Familie wohnen wird können. Davon abgesehen ist der Beschwerdeführer als arbeitsfähig und -willig anzusehen. Der Beschwerdeführer spricht Paschtu.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Pakistan festzustellen ist.

2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan war insbesondere festzustellen:

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 29.6.2017: Anschlagserie Quetta – Parachinar – Karatschi (Abschnitt 1, relevant für Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Kurz vor Ende des Fastenmonats Ramadan ist Pakistan am 23.6.2017 von mehreren Anschlägen erschüttert worden. Bei drei Explosionen im Süden und im Nordwesten des Landes sowie einem Überfall wurden mehr als 70 Menschen getötet und mehr als 260 verletzt (tagesschau.de 23.6.2017).

In Quetta, der Hauptstadt der Unruheprovinz Balutschistan, einer Hochburg islamistischer Aufständischer (SPIEGEL ONLINE 23.6.2017), hatte sich am Morgen des 23.6.2017 ein Selbstmordattentäter in einem Auto nahe dem Amtssitz des Polizeichefs in die Luft gesprengt (tagesschau.de 23.6.2017). Dabei wurden mindestens 14 Menschen getötet und 19 verletzt (DAWN 24.6.2017c). In der an Afghanistan und den Iran grenzenden Region kämpft die pakistanische Regierung seit 2004 gegen islamistische und nationalistische Aufständische (SPIEGEL ONLINE 23.6.2017). Die pakistanische Taliban-Gruppierung Jamaat-ul-Ahrar bekennt sich ebenso zur Durchführung des Anschlages, wie der Islamische Staat (tagesschau.de 23.6.2017).

Am Nachmittag explodierten an einem belebten Markt in Parachinar (Kurram Agency) in Nordwestpakistan an der Grenze zu Afghanistan innerhalb von drei Minuten zwei Bomben. Nach Angaben eines Abgeordneten richtete sich der Doppelanschlag offenbar gegen Schiiten, da die Bomben kurz nach der Auflösung einer schiitischen Prozession explodiert seien. Parachinar wird mehrheitlich von Schiiten bewohnt und ist oft Ziel von Anschlägen sunnitischer Extremisten. Der neue Anschlag war der dritte in der Stadt seit Jahresbeginn. Wer hinter der Tat steckt, ist unklar (Die Presse 23.6.2017). Sunnitische Hardliner, wie die Taliban oder der Islamische Staat bezeichnen Schiiten als Ketzer und bekämpfen diese (BBC News 23.6.2017). Parachinar steht seit geraumer Zeit unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Armee und paramilitärische Kräfte betreiben Checkpoints auf allen Einfahrtsstraßen der Stadt und führen strenge Kontrollen durch (DAWN 24.6.2017b).

Am späten Abend schossen in der südpakistanischen Millionenstadt Karatschi Männer von Motorrädern aus auf Polizisten, die zum Fastenbrechen in einem Straßenrestaurant gesessen hatten. Vier Polizisten seien bei dem Überfall getötet worden, sagte ein örtlicher Beamter (tagesschau.de 23.6.2017). Nach Angaben der Behörden soll die Jamaat-ul-Ansar Al-Sharia Pakistan – eine neue militante Organisation – die Verantwortung für den Anschlag übernommen haben (DAWN 24.6.2017a).

Quellen:

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BBC News (23.6.2017): Pakistan day of violence: Scores killed and injured, http://www.bbc.com/news/world-asia-40385007, Zugriff 29.6.2017

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DAWN (29.6.2017): Judicial probe sought into Parachinar bombings, https://www.dawn.com/news/1342100/judicial-probe-sought-into-parachinar-bombings, Zugriff 29.6.2017

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DAWN (24.6.2017a): 4 policemen gunned down in Karachi's SITE area during iftar, https://www.dawn.com/news/1341305, Zugriff 27.6.2017

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DAWN (24.6.2017b): At least 67 dead, 200 injured in twin explosions in Parachinar,

https://www.dawn.com/news/1341299/at-least-25-dead-100-injured-in-twin-explosions-in-parachinar, Zugriff 27.6.2017

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Dawn (23.6.2017c): 14 killed in suicide attack on Quetta's Gulistan Road,

https://www.dawn.com/news/1341271/13-killed-in-suicide-attack-on-quettas-gulistan-road, Zugriff 27.6.2017

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Die Presse (23.6.2017): Anschläge in Pakistan: Zahl der Toten steigt,

http://diepresse.com/home/ausland/welt/5240222/Anschlaege-in-Pakistan_Zahl-der-Toten-steigt, Zugriff 28.6.2017

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SPIEGEL ONLINE (23.6.2017): Mehr als 40 Menschen bei Anschlagserie getötet,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/pakistan-mindestens-42-tote-bei-vier-anschlaegen-in-pakistan-a-1153851.html, Zugriff 27.6.2017

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Tagesschau.de (23.6.2017): Viele Tote bei Anschlagsserie in Pakistan,

https://www.tagesschau.de/ausland/anschlaege-pakistan-101.html, Zugriff 27.6.2017

KI vom 4.5.2017: Update zur Sicherheitslage: Anschlagszahlen 1. Quartal 2017 (Abschnitt 1, relevant für Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Update: Anschlagszahlen des 1. Quartals 2017 laut Aufzeichnungen Pakistan Institute for Peace Studies

Im Jänner 2017 war Pakistan insgesamt von 29 Terroranschlägen betroffen, bei denen 40 Personen getötet wurden. 128 Personen wurden verletzt. Die regionale Verteilung zeigt folgendes Bild: Khyber Pakhtunkhwa – 6 Anschläge mit einem Toten; Sindh - 4 Anschläge mit 3 Toten; alle in Karatschi; Belutschistan - 14 Anschläge mit 7 Toten; FATA - 3 Anschläge mit 27 Toten (PIPS 10.2.2017). Darunter fiel auch der Sprengstoffanschlag auf einen Gemüsemarkt in Parachinar / Kurram Agency, bei welchem am 21.1.2017 mindestens 25 Menschen getötet und rund 85 Personen verletzt worden sind (Dawn 22.1.2017). Die Kurram Agency ist eine mehrheitlich von Schiiten bewohnte Agency, der Verwaltungssitz Parachinar oft Ziel von Anschlägen sunnitischer Extremisten (NZZ 31.3.2017). Punjab war von 2 Anschlägen mit 2 Toten betroffen. In Gilgit-Baltistan und Islamabad wurden keine Anschläge gemeldet (PIPS 10.2.2017).

Der Februar war nach einer langen Zeitspanne rückläufiger terroristischer Gewaltakte von einem starken Anstieg betroffen. In sechs aufeinanderfolgenden Selbstmordanschlägen wurden allein in weniger als einer Woche beinahe 100 Menschen getötet (BBC News 17.2.2017). Im Februar stiegen die Anschläge und Opferzahlen auf 159 Tote und 426 Verletzte in 32 Anschlägen (PIPS 17.3.2017). Regionale Verteilung: Khyber Pakhtunkhwa - 7 Anschläge mit 23 Toten; Belutschistan - 8 Anschläge mit 9 Toten; Sindh - 92 Tote in 5 Anschlägen (PIPS 17.3.2017). Darunter finden sich auch die Opfer des Selbstmordanschlages auf den Lal Shahbaz Qalandar - Schrein des Sufismus in Sehwan vom 16.2.2017 (Dawn 17.2.2017). Drei der registrierten Anschläge fanden in Karatschi statt. Punjab war von einem Anschlag mit 16 Toten betroffen. Azad Jammu Kaschmir war von einem Anschlag mit 2 Verletzten betroffen. In der FATA wurden 10 Anschläge mit 19 Toten verübt. Islamabad verzeichnete keinen Anschlag (PIPS 17.3.2017).

Im März ging die Zahl der Anschläge wieder zurück auf 28. Dabei wurden 40 Menschen getötet und 98 verletzt. Regionale Verteilung:

Khyber Pakhtunkhwa - 7 Anschläge mit 9 Toten; FATA – 9 Anschläge, 30 Tote. Darunter war wieder ein größerer Anschlag in Parachinar, der alleine 23 Tote forderte. In Belutschistan fanden 9 Anschläge statt, niemand wurde dabei getötet. Sindh verzeichnete 2 Anschläge ohne Tote, dabei fand kein Anschlag in Karatschi statt. Der Punjab zählte einen Anschlag mit einem Toten. Islamabad verzeichnete keinen Anschlag (PIPS 14.4.2017).

Das 1. Quartal 2017 verzeichnet mit insgesamt 89 Anschlägen bei einer Opferzahl von 239 Toten und 652 Verletzten zwar eine geringere Anzahl von Anschlägen als im Vergleichszeitraum des 1. Quartals 2016. In diesem wurden 103 Anschläge mit 285 Toten und 547 Verletzte aufgezeichnet (eigene Auswertung aus: PIPS 10.2.2017, PIPS 17.3.2017, PIPS 14.4.2017, PIPS 7.2.2016, PIPS 7.3.2016, PIPS 7.4.2016).

Quellen:

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BBC News (17.2.2017): Pakistan: IS attack on Sufi shrine in Sindh kills dozens, http://www.bbc.com/news/world-asia-38994318, Zugriff 17.2.2017

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Dawn (22.1.2017): 'Terrorists will fail in their attempt to regain lost relevance,' army chief says, http://www.dawn.com/news/1309800/terrorists-will-fail-in-their-attempt-to-regain-lost-relevance-army-chief-says, Zugriff 23.1.2017

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Dawn (17.2.2017): At least 70 dead as bomb rips through Lal Shahbaz shrine in Sehwan, Sindh, http://www.dawn.com/news/1315136/at-least-70-dead-as-bomb-rips-through-lal-shahbaz-shrine-in-sehwan-sindh, Zugriff 17.2.2017

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NZZ – Neue Züricher Zeitung(31.3.2107): Mindestens 24 Tote auf belebten Markt,

https://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/bombenanschlag-in-pakistan-mindestens-zehn-tote-auf-belebten-markt-ld.154575, Zugriff 3.5.2017

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (10.2.2017): Pakistan Monthly Security Reports, Pakistan Security Report: January, 2017, Zugriff 28.4.2017

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (17.3.2017): Pakistan Monthly Security Reports, Pakistan Security Report: February, 2017, Zugriff 28.4.2017

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (14.4.2017): Pakistan Monthly Security Reports, Pakistan Security Report: March, 2017, Zugriff 28.4.2017

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.2.2016): Pakistan Monthly Security Reports, Pakistan Security Report: January, 2016, Zugriff 28.4.2017

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.3.2016): Pakistan Monthly Security Reports, Pakistan Security Report: February, 2016, Zugriff 28.4.2017

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (8.4.2016): Pakistan Monthly Security Reports, Pakistan Security Report: March, 2016, Zugriff 28.4.2017

2. Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber-Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province/NWFP) sowie den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 12.2016a).

Die pakistanische Bevölkerung wird vom CIA World Factbook mit Stand Juli 2016 auf knapp unter 202 Millionen geschätzt. Pakistan ist damit der siebtbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 12.1.2017).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die durch die Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 12.2016a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 12.2016a).

Bei den Parlamentswahlen vom 11.5.2013 wurde eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung von der Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Nawaz Sharif abgelöst. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 – 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte eine absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die ehemalige Regierungspartei PPP, dicht gefolgt von der PTI (Pakistan Tehreek-e-Insaf) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion im Parlament (AA 12.2016a).

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 Prozent der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber-Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei NP geführt, die eine Koalition mit PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 12.2016a).

Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen war überraschend hoch (NZZ 11.5.2013). Die TTP (Tehrik-e-Taliban Pakistan) hielt die Wahl für unislamisch und hatte für den Wahltag Anschläge angekündigt. Die Wahl fand deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 620.000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz (DZ 11.5.2013). Im Rahmen der Vorwahlzeit und der Wahlen verübten terroristische Gruppen mehr als 150 Anschläge, bei denen ca. 170 Menschen getötet und 700 verletzt wurden (BFA 10.2014).

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 12.2016a).

Ministerpräsident Nawaz Sharif erklärte wirtschafts- und finanzpolitische Themen sowie die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten Afghanistan und Indien zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit. Die Regierung setzt ihren vorsichtigen Reformkurs fort (AA 12.2016a).

Katastrophen

Nach dem Erdbeben 2005 wurde die National Disaster Management Authority (NDMA) und 2010 Katastrophenmanagement-Behörden in den Distrikten und Provinzen eingerichtet, doch leiden diese an einem Mangel an ausgebildetem Personal, Koordination und finanziellen Ressourcen (IRIN 3.4.2014). In den letzten Jahren haben sich allerdings die Kapazitäten der Regierungsbehörden, der Sicherheitskräfte und der heimischen zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Bewältigung von Katastrophen deutlich verbessert (UNOCHA 31.1.2016).

Bei einem Erdbeben der Stärke 7,5 am 26.10.2015 kamen mindestens 248 Menschen ums Leben. Das pakistanische Militär und Zivilbehörden führten die Rettungsmaßnahmen durch (Dawn 28.10.2015). Beinahe 666.000 Menschen wurden in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa und der Agency Bajaur durch das Beben vertrieben (IDMC/NRC 5.2016). Zwischen März und Juli 2016 wurden 239 Menschen bei starken Monsoon Regenfällen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa getötet. Die Regierung führte die Rettungs- und Suchaktionen durch, die internationale Gemeinschaft wurde nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 4.7.2016). Im April 2016 kamen 5 Menschen in Pakistan bei einem Erdbeben ums Leben, die Provincial Disaster Management Authority von Khyber Pakhtunkhwa sowie die NDMA übernahmen die Versorgung der von den Fluten Betroffenen, auch hier wurde die internationale Gemeinschaft nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 11.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Pakistan – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3, Zugriff 18.3.2017

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BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives

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CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 18.13.2017.

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Dawn (28.10.2015): Earthquake toll reaches 248, relief efforts continue, https://www.dawn.com/news/1215703, Zugriff 29.10.2015

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IDMC/NRC - Internal Displacement Monitoring/Norwegian Refugee Council (5.2016): GRID 2016 Global Report on Internal Displacement, http://www.internal-displacement.org/globalreport2016/pdf/2016-global-report-internal-displacement-IDMC.pdf, Zugriff 28.11.2016.

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IRIN (3.4.2014): Analysis: How effective is Pakistan’s disaster authority?,

http://www.irinnews.org/report/99880/analysis-how-effective-is-pakistan-s-disaster-authority, Zugriff 18.3.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (11.5.2013): Hohe Wahlbeteiligung in Pakistan Anschläge fordern mindestens 24 Todesopfer, http://www.nzz.ch/aktuell/international/anschlaege-islamistischer-extremisten-auf-wahllokale-fordern-mindestens-16-todesopfer-1.18079638, Zugriff 18.3.2017

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UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.1.2016): Humanitarian Bulletin Pakistan Issue 37, December 2015 - January 2016, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/humanitarian_bulletin_dec_jan_2016.pdf, Zugriff 18.3.2017

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.4.2016): Flash Update: #1 Afghanistan-Pakistan Earthquake, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_afg_pak_earthquake_20160410_1_0.pdf, Zugriff 18.3.2017

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (4.7.2016): Flash Update: #2 Pakistan Rains, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_2_pak_rains_20160704.pdf, Zugriff 18.3.2017

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DZ - Die Zeit (11.5.2013): Anschläge überschatten Wahlauftakt in Pakistan,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-05/pakistan-parlamentswahl-anschlagk, Zugriff 18.3.2017

3. Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinz Khyber-Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch die pakistanischen Großstädte wie Karachi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Is

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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