TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/23 99/11/0200

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Veröffentlicht am 23.05.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

AVG §54;
AVG §77 Abs2;
BKommGebV 1976 §1;
FSG-PV 1997 §3 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der R in W, vertreten durch DDr. Elisabeth Steiner und Dr. Daniela Witt-Dörring, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Nibelungengasse 1/3/46, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Mai 1999, Zl. MA 65 - 8/174/99, betreffend Kommissionsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 77 AVG in Verbindung mit der Bundes-Kommissionsgebührenverordnung 1976 - BKommGebV 1976 ein Betrag von S 160,-- als Kommissionsgebühr für die am 24. September 1998 abgelegte theoretische Fahrprüfung vorgeschrieben.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe einen Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung für die Klasse B gestellt und sei am 24. September 1998 in den Räumlichkeiten einer näher bezeichneten Fahrschule zur theoretischen Fahrprüfung angetreten. Diese Amtshandlung habe von 11,30 Uhr bis 12,15 Uhr gedauert, weshalb der Beschwerdeführerin S 160,-- vorgeschrieben worden seien.

Dem Einwand der Beschwerdeführerin, dass sie die computerunterstützte theoretische Prüfung in weniger als 20 Minuten erledigt habe, weshalb die Verrechnung von zwei halben Stunden a S 80,-- nicht berechtigt sei, sei zu erwidern, dass ihr die volle Prüfungszeit zur Verfügung gestanden sei. Nach § 3 Abs. 5 Fahrprüfungsverordnung - FSG-PV habe die Aufsichtsperson nach Beendigung der Prüfung die Prüfungsergebnisse der Kandidaten einzusammeln, die Prüfsummen darauf zu überprüfen, den Ergebnisausdruck zu unterschreiben und den Kandidaten das Ergebnis bekannt zu geben. Die Amtshandlung ende somit erst mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses.

Soweit die Beschwerdeführerin die Aufteilung der Kommissionsgebühren im Sinne des § 4 BKommGebV 1976 auf die insgesamt acht beaufsichtigten Kandidaten begehre, sei ihr entgegenzuhalten, dass sich der Begriff "Beteiligte" im Sinne des § 4 der genannten Verordnung nur auf das der betreffenden Amtshandlung zugrunde liegende Verfahren beziehen könne. An dem Verfahren, das durch den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung der Lenkberechtigung für die Klasse B eingeleitet worden sei, seien die übrigen Kandidaten, die gemeinsam mit der Beschwerdeführerin zur theoretischen Fahrprüfung angetreten seien, nicht beteiligt. Es treffe daher jeden Kandidaten die Verpflichtung zur Entrichtung der gesamten Kommissionsgebühr.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die §§ 76 und 77 AVG lauten wie folgt:

"§ 76. Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen, nicht jedoch die Gebühren, die einem Gehörlosendolmetscher zustehen. Im Falle des § 52 Abs. 3 hat die Partei für die Gebühren, die den nichtamtlichen Sachverständigen zustehen, nur so weit aufzukommen, als sie den von ihr bestimmten Betrag nicht überschreiten.

(2) Wurde jedoch die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht, so sind die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.

(3) Treffen die Voraussetzungen der vorangehenden Absätze auf mehrere Beteiligte zu, so sind die Auslagen auf die einzelnen Beteiligten angemessen zu verteilen.

(4) Ist eine Amtshandlung nicht ohne größere Barauslagen durchführbar, so kann die Partei, die um die Amtshandlung ansucht, zum Erlag eines entsprechenden Vorschusses verhalten werden.

(5) Die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehenden Gebühren sind - falls hiefür nicht die Beteiligten des Verfahrens aufzukommen haben - von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen die Behörde in der Angelegenheit gehandelt hat.

§ 77. (1) Für Amtshandlungen der Behörden außerhalb des Amtes können Kommissionsgebühren eingehoben werden. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühren ist § 76 sinngemäß anzuwenden.

(2) Die Kommissionsgebühren sind in Bauschbeträgen (nach Tarifen) oder, soweit keine Bauschbeträge (Tarife) festgesetzt sind, als Barauslagen nach § 76 aufzurechnen. Die Bauschbeträge (Tarife) sind nach der für die Amtshandlung aufgewendeten Zeit, nach der Entfernung des Ortes der Amtshandlung vom Amt oder nach der Zahl der notwendigen Amtsorgane festzusetzen.

(3) Die Festsetzung der Bauschbeträge (Tarife) erfolgt durch Verordnung der Bundesregierung, für die Behörden der Länder, Bezirke und Gemeinden durch Verordnung der Landesregierung.

(4) Die Kommissionsgebühren sind von der Behörde, die die Amtshandlung vorgenommen hat, einzuheben und fließen der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand dieser Behörde zu tragen hat.

(5) Entsenden andere am Verfahren beteiligte Verwaltungsbehörden Amtsorgane, so sind von der die Amtshandlung führenden Behörde Kommissionsgebühren nach den für die entsendeten Organe geltenden Tarifen als Barauslagen einzuheben und dem Rechtsträger, dem die entsendeten Verwaltungsorgane zugehören, zu übermitteln.

(6) § 76 Abs. 4 gilt auch für die Kommissionsgebühren."

Aufgrund des § 77 AVG wurde die BKommGebV 1976 BGBl. Nr. 172 erlassen, deren §§ 1 bis 4 folgenden Wortlaut haben:

"§ 1. Die Kommissionsgebühren, die gemäß den §§ 76 und 77 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 von den Beteiligten für die von Bundesbehörden außerhalb des Amtes vorgenommenen Amtshandlungen (mündliche Verhandlung oder Augenschein) zu entrichten sind, werden in Bauschbeträgen nach den Ansätzen des angeschlossenen, einen Bestandteil dieser Verordnung bildenden Tarifes festgesetzt.

§ 2. Der Berechnung der Kommissionsgebühren ist nur die zur Vornahme der Amtshandlung selbst einschließlich etwaiger Begehungen und Besichtigungen notwendig aufgewendete Zeit, nicht aber der Zeitaufwand zugrunde zu legen, der mit der Zurücklegung des Hin- und Rückweges zwischen dem Amte und dem Orte der Amtshandlung verbunden ist.

§ 3. (1) Neben den tarifmäßigen Bauschbeträgen dürfen den Beteiligten Reisekosten oder sonstige den Amtsorganen der die Amtshandlung vornehmenden Behörde aus diesem Anlasse zukommende Entschädigungen nicht aufgerechnet werden.

(2) Für den Ersatz anderer Barauslagen, insbesondere der anderen Verwaltungsbehörden durch Entsendung von Amtsorganen erwachsenen Kosten, und für die Entrichtung der Verwaltungsabgaben gelten, soweit nicht andere gesetzliche Regelungen bestehen, die Vorschriften der §§ 76 und 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 und der darauf gegründeten Verordnungen. Sie sind ebenso wie die Stempel- und Rechtsgebühren des Bundes neben den Kommissionsgebühren einzuheben.

§ 4. Trifft die Verpflichtung zur Tragung der Kommissionsgebühren mehrere Beteiligte, so ist der gemäß § 1 zu entrichtende Betrag auf die einzelnen Beteiligten angemessen zu verteilen. Jeder Beteiligte haftet in einem solchen Fall nur für den ihm auferlegten Teil der Gebühren."

Aus § 1 BKommGebV 1976 folgt, dass Kommissionsgebühren in Bauschbeträgen gemäß § 77 Abs. 2 AVG nur für mündliche Verhandlungen und Augenschein (in Verfahren nach dem AVG) festgesetzt wurden. Der Klammerausdruck in § 1 der genannten Verordnung stellt eine taxative Aufzählung jener Amtshandlungen dar, für die Bauschbeträge festgesetzt werden.

Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung auch durch die historische Auslegung. Die Formulierung "mündliche Verhandlung(en) oder Augenschein" findet sich bereits in den Vorgängerverordnungen (Bundes-Kommissionsgebührenverordnung 1954, BGBl. Nr. 102;

Bundes-Kommissionsgebührenverordnung 1948, BGBl. Nr. 67;

Bundes-Kommissionsgebührenverordnung, BGBl. Nr. 382/1926) jeweils in dem einen Bestandteil der Verordnung bildenden Tarif, in dem auch Bauschbeträge für andere Amtshandlungen als mündliche Verhandlungen oder Augenschein festgesetzt waren. Durch das Weglassen dieser anderen Amtshandlungen ergab sich für den Verordnungsgeber der BKommGebV 1976 die Möglichkeit, die verbliebenen Amtshandlungen (mündliche Verhandlung oder Augenschein) aus dem Tarif herauszunehmen und in den Text des § 1 der Verordnung einzubauen.

Gemäß § 3 Abs. 1 FSG-PV ist die computerunterstützte theoretische Prüfung in gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 lit. a FSG ermächtigten Prüfungsstellen abzuhalten. Als Prüfungsstellen sind gemäß § 3 Abs. 2 FSG-PV Fahrschulen unter näheren bestimmten Voraussetzungen zu ermächtigen.

Gemäß § 3 Abs. 5 FSG-PV hat für die theoretische Fahrprüfung der Landeshauptmann eine geeignete Aufsichtsperson aus dem Personalstand einer Gebietskörperschaft zu bestellen oder durch die Behörde bestellen zu lassen. Die Aufsichtsperson hat bei jedem Kandidaten die Identität festzustellen, bevor das Prüfprogramm beginnt. Nach Beendigung der Prüfung hat die Aufsichtsperson die Prüfungsergebnisse der Kandidaten einzusammeln, die Prüfsummen darauf zu überprüfen, den Ergebnisausdruck zu unterschreiben und den Kandidaten das Ergebnis bekannt zu geben.

Dass die Prüfungsaufsicht gemäß § 3 Abs. 5 FSG-PV keine mündliche Verhandlung darstellt, liegt auf der Hand. Es handelt sich bei der Prüfungsaufsicht auch um keinen Augenschein. Bei einem Augenschein geht es um die Beweisaufnahme durch die von einem Behördenorgan vorgenommene unmittelbare sinnliche Wahrnehmung von Tatsachen oder Vorgängen (vgl. dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Anm. 1 zu § 54 AVG). Da die Prüfungsaufsicht im Sinne des § 3 Abs. 5 FSG-PV nicht unter die Amtshandlungen fällt, für die die BKommGebV 1976 Bauschgebühren festgesetzt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid, der sich auf diese Verordnung stützt, als rechtswidrig.

Auf die im Mittelpunkt der Beschwerdeausführungen stehenden Fragen, welcher Zeitaufwand im vorliegenden Fall der Berechnung der Kommissionsgebühren zugrunde zu legen gewesen wäre und ob die Kommissionsgebühren auf mehrere beaufsichtigte Prüflinge aufzuteilen wären, brauchte daher nicht näher eingegangen zu werden.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. Mai 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999110200.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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