TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/9 L518 2159464-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.02.2018
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Entscheidungsdatum

09.02.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28 Abs1
Dublin III-VO Art.28 Abs2
FPG §76 Abs2
VwG-AufwErsV §1
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs2

Spruch

L518 2159467-1/8E

L518 2159464-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2017, Zahl: XXXX , die Anordnung der Schubhaft sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von XXXX 2017 bis 18.05.2017 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 FPG idgF iVm § 22a Abs 1BFA-VG iVm Art. 28 Abs 1 und 2 Dublin III-VO Nr. 604/2013 stattgegeben und der angefochtene Bescheid vom XXXX 2017 sowie die Anhaltung in Schubhaft von XXXX 2017 bis 18.05.2017 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG iVm § 1 VwGAufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters den Verfahrensaufwand in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Antrag der Verwaltungsbehörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.

III. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2017,

Zahl: XXXX , die Anordnung der Schubhaft sowie die Anhaltung der Beschwerdeführerin in Schubhaft von XXXX 2017 bis 18.05.2017 zu

Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 FPG idgF iVm § 22a Abs 1BFA-VG iVm Art. 28 Abs 1 und 2 Dublin III-VO Nr. 604/2013 stattgegeben und der angefochtene Bescheid vom XXXX 2017 sowie die Anhaltung in Schubhaft von XXXX 2017 bis 18.05.2017 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG iVm VwGAufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters den Verfahrensaufwand in Höhe von 736,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Antrag der Verwaltungsbehörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.

III. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "BF1" und "BF2" bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Serbien und reisten am XXXX 2017 aufgrund des von Deutschland erlassenen Einreise- und Aufenthaltsverbotes für das Gebiet der Schengener Staaten rechtswidriger Weise über Ungarn (Einreisestempel in Pässen) in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich ein. Am XXXX 2017 wurden die BF von Beamten der deutschen Polizei am Grenzübergang Saalbrücke der österreichischen Polizei übergeben. Die BF wurden in das PAZ XXXX überstellt.

Die BF 2 ist die Mutter des BF 1.

Die durchgeführte EURODAC-Abfrage ergab beim BF 1 zwei Treffer (1x Deutschland, 1x Schweiz) und bei der BF 2 vier Treffer (Schweiz, 2x Belgien und Deutschland)

I.2. Am XXXX 2017 wurden die BF niederschriftlich von der Polizei einvernommen. Die BF gaben an, dass sie den Bruder der BF 2 in Deutschland besuchen wollten und beide einverstanden damit wären, Österreich freiwillig zu verlassen. In die Niederschrift eingefügt waren "Zusatzfragen fürs BFA", hinsichtlich derer überwiegend lediglich "Ja" bzw. "Nein" protokolliert wurde. Die BF gaben zusammengefasst an, dass sie in Österreich keinen Wohnsitz haben, keine Familienangehörigen oder sonstige Bekannte hier leben und keinen Aufenthaltstitel für einen anderen Mitgliedstaat besitzen. Sie führten gemeinsam ca. 400 EUR an Barmittel mit sich. Bei beiden BF ist zusätzlich zur Frage, ob sie schon einmal einen Asylantrag gestellt haben und wie der Verfahrensstand ist, eingetragen: "Ja, in Deutschland 2015, Asylantrag negativ". Hinsichtlich der Frage, ob die BF jemals von einem Mitgliedstaat in ihren Heimatstaat zurückverbracht worden sind, ist bei beiden BF nein vermerkt. Die BF gaben darüber hinaus an, dass sie sich im Falle der Haftentlassung nach Serbien begeben würden und beantworteten auch die Frage danach, ob es Gründe gäbe, die einer Schubhaft entgegenstehen lediglich dahingehend, zurück nach Serbien zu wollen.

Die BF waren jeweils im Besitz eines gültigen Reisepasses (ausgestellt am XXXX 2017 BF 1; ausgestellt am XXXX 2017 BF 2)

I.3. Am XXXX 2017, 19.25 Uhr wurde das Ersuchen um Einleitung eines Konsultationsverfahrens an die EAST-West übermittelt, wo das Konsultationsverfahren am Mo, 15.05.2017 eingeleitet worden ist.

I.4. Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde über die BF gemäß Art. 28 Abs 1 und 2 Dublin III-VO Nr. 604/2013 iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde den BF persönlich am XXXX 2017 zugestellt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die BF wissentlich illegal im Schengen Raum gereist wären (Einreiseverbot) und kein gelinderes Mittel anzuwenden sei, da sie nicht genügend Barmittel hätten bzw. keine Integration in Österreich vorliege. § 76 Abs. 3 Z 2, 6 und 9 FPG würden zutreffen und hätten sich die BF mehreren Behörden entzogen bzw. würden die EURODAC Treffer und dem Einreise- und Aufenthaltsverbot die Fluchtgefahr belegen.

I.5. Aufgrund der verspäteten Zuteilung einer Rechtsberatung wurde den BF die Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG gemeinsam mit dem Schubhaftbescheid zugestellt. Am 17.05.2017 nahm die Rechtsberaterin nach Durchführung des Rechtsberatungsgespräches Kontakt mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) auf.

Es wurde eine Stellungnahme zur Verständigung von der Beweisaufnahme vom XXXX 2017 übermittelt, in welcher ausgeführt wurde, das sich bei den Effekten Rückfahrtickets befänden, welche jederzeit verwertet werden könnten. Schon daher sei ersichtlich, dass kein Sicherungsbedarf gegeben sei, da die BF bereits für die Ausreise Vorsorge getroffen hätten. Die BF lebten im Kreis der Familie in Belgrad, wo der 10 jährige Sohn und Ehegatte der BF 2 warten würden. Nach Deutschland wären zu einer Hochzeit gereist, da dort mehrere Verwandte leben. Die BF 2 hätte schon wieder bei ihrer Arbeitsstelle sein sollen. Die BF verfügten über Geld und Versicherungsschutz und könnten sich jederzeit mehr Geld überweisen lassen. Die bestehenden Aufenthaltsverbote seien ihnen in der Form nicht bekannt gewesen, da diese Schreiben für sie nicht verständlich gewesen wären. Es wurde ersucht, da den BF nur illegale Einreise vorzuwerfen sei, von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung im vorliegenden Fall abzusehen. Die Asylverfahren der BF seien bereits länger abgeschlossen und hätten sie seitdem jedenfalls 3 Monate im Heimatland verbracht.

I.6. Am 17.05.2017 wurde dem Antrag auf freiwillige Rückkehr nach Serbien und Übernahme der Heimreisekosten durch das BFA zugestimmt.

Am 18.05.2017 um 09.15 Uhr wurden die BF aus der Schubhaft entlassen und durch einen Vertreter des VMÖ abgeholt. Eine Buchungsbestätigung für die Flüge XXXX – Wien, Wien – Belgrad vom selben Tag liegen im Akt auf.

I.7. Am 23.05.2017 langte ein Schreiben der EAST West beim BFA-RD XXXX ein. Ausgeführt wurde darin, dass mit Deutschland ein Konsultationsverfahren eingeleitet wurde, wobei am 18.05.2017 die Ablehnung von Deutschland eingelangt sei, in welcher darüber informiert wurde, dass die BF am 30.08.2016 von der Schweiz in ihren Herkunftsstaat überstellt worden wären. Das Konsultationsverfahren mit der Schweiz hätte dasselbe Ergebnis gebracht und mit einer Ablehnung geendet.

I.8. Am 30.05.2017 langten die Schubhaftbeschwerden des BF beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde beantragt, die bekämpften Bescheide zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die Anhaltung von XXXX 2017 bis 18.05.2017 in rechtswidriger Weise erfolgt sei, und auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung der BF in Schubhaft nicht vorliegen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, der Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sowie der belangten Behörde die Kosten im gesetzlichen Ausmaß aufzuerlegen und etwaige Dolmetscherkosten zu ersetzen.

Die Rechtswidrigkeit der Verhängung der Schubhaften wurde im Wesentlichen damit begründet, dass – entgegen der Behauptung der belangten Behörde – kein Dublin-Sachverhalt anzunehmen sei. Des Weiteren werde von Seiten der belangten Behörde nicht nachvollziehbar dargelegt, warum im vorliegenden Fällen die Verhängung eines gelinderen Mittels nicht in Frage kommen könne.

I.9. Auf Ersuchen der zuständigen Gerichtsabteilung wurden dem Bundesverwaltungsgericht in Folge vom BFA die Verwaltungsakten übermittelt. In der Stellungnahme der belangten Behörde vom 31.05.2017 wurde beantragt, den Bescheid zu bestätigen, die Beschwerde abzuweisen sowie Kostenersatz in der gesetzlichen Höhe zuzusprechen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Die BF sind Staatsangehörige von Serbien, besitzen nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und sind somit Fremde im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Die BF reisten unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und reisten unter Gewährung von Rückkehrhilfe freiwillig nach Serbien zurück.

Gegen die BF besteht ein schengenweites Aufenthalts- und Einreiseverbot.

Die BF sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten und verfügen über keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich. Sie verfügen über Euro 400 an Barmittel.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich die BF – auf freiem Fuß belassen – einer Überstellung nach Serbien entzogen hätten.

II.2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung zur unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt und der Tatsache, dass die BF entgegen dem bestehenden Einreiseverbot in Österreich einreisten.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der BF ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die BF haben mit den Behörden kooperiert und kann auch nicht – wie im Bescheid festgehalten – festgestellt werden, dass sie sich anderen Behörden entzogen hätten oder zuletzt quasi Asyltourismus betrieben hätten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie lediglich – wie die Rückkehrtickets belegen – zu einer Hochzeit zu Verwandten gelangen wollten. Darüber hinaus hatten sie Barmittel bei sich und gaben in ihrer Befragung vor der Polizei eindeutig an, dass sie wieder nach Serbien zurückwollen. Die kurzen Fragen waren letztlich nicht geeignet, in diesem Fall eine Beurteilungsgrundlage für das BFA dahingehend zu schaffen, dass klar erkennbar gewesen wäre, ob nunmehr ein Dublin-Sachverhalt vorliegt oder nicht. Im gegenständlichen Fall lag jedenfalls kein Dublin Sachverhalt vor, wie dies die belangte Behörde selbst in ihrer Stellungnahme letztlich einräumt. Damit hat die Behörde ihren Bescheid schon auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt und konnte im Bescheid darüber hinaus einen akuten Sicherungsbedarf nicht darlegen. Es wurde auch nicht schlüssig dargelegt, warum im vorliegenden Fall mit der Anordnung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen gefunden werden könnte.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

II.3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

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1.-dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2.-die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

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1.-ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a.-ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2.-ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3.-ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4.-ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5.-ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6.-ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a.-der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b.-der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.-es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7.-ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8.-ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9.-der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine erhebliche Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes, selbst wenn daraus keine Haftunfähigkeit resultiert, kann im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Ergebnis führen, dass unter Berücksichtigung des gesundheitlichen Zustandes des Fremden und der bisherigen Dauer der Schubhaft die Anwendung gelinderer Mittel ausreichend gewesen wäre (im Zusammenhang mit behaupteter Haftunfähigkeit wegen psychischer Beschwerden vgl. VwGH 05.07.2012, Zl. 2012/21/0034; VwGH 19.04.2012, Zl. 2011/21/0123; VwGH 29.02.2012, Zl. 2011/21/0066). Der Krankheit eines gemeinsam geflüchteten Familienmitglieds kann insofern Bedeutung zukommen, als eine sich aus der Erkrankung ergebende Betreuungsbedürftigkeit auch die Mobilität der übrigen Familienmitglieder einschränken und damit die Gefahr eines Untertauchens in die Illegalität vermindern könnte (vgl. VwGH vom 28.02.2008; Zl. 2007/21/0391).

In seiner Judikatur zu § 77 FPG 2005 ging der Verwaltungsgerichtshof bisher davon aus, dass der UVS als Beschwerdeinstanz im Schubhaftbeschwerdeverfahren nach der Bejahung eines Sicherungsbedarfs bei seiner Entscheidung zwar die Möglichkeit der Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG 2005 an Stelle der Schubhaft im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen hat, diesem allerdings keine Zuständigkeit zur Entscheidung darüber, welches der im § 77 Abs. 3 FPG 2005 demonstrativ aufgezählten gelinderen Mittel anzuwenden wäre, zukommt. Deren Auswahl blieb vielmehr der Fremdenpolizeibehörde vorbehalten (vgl. VwGH 20.10.2011, Zl. 2010/21/0140; VwGH 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die einer Übertragung dieser Judikatur hinsichtlich des mit Ausnahme der neuen Absätze 8 und 9 weitgehend unveränderten § 77 FPG auf das seit 01.01.2014 anstelle des UVS zuständige Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entgegenstehen würden.

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig"(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.1.3. Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts Sicherungsbedarf in Hinblick auf den im § 76 Abs. 2 oder auch 3 FPG enthaltenden Kriterienkatalog nicht gegeben, dies einerseits im Hinblick darauf, dass kein Dublin-Sachverhalt vorliegt und andererseits in Hinblick auf die Mittel der BF, die Rückkehrwilligkeit der BF und das Vorliegen von Rückkehrtickets.

3.1.4. Jedenfalls ist die verhängte Schubhaft auch nicht als Ultima Ratio zu qualifizieren. Der Gesetzgeber sieht die Möglichkeit der Verhängung eines gelinderen Mittels vor, von welcher das Bundesamt Gebrauch machen hätte müssen. Im gegenständlichen Fall wird dies nach Ansicht des Gerichtes zur Sicherung der Abschiebung der BF als ausreichend erachtet, verfügen sie doch über Reisepässe, den Willen, in ihre Heimat zurückzukehren und hätten die Möglichkeit gehabt, sich Geld von der Heimat überweisen lassen zu können. Die in § 77 Abs. 3 Z 1-3 vorgesehenen Möglichkeiten stellen einerseits für die BF eine lediglich geringfügige und wohl auch zumutbare Beschränkung dar und bieten andererseits der Behörde eine gute Möglichkeit, zur Sicherung der Abschiebung der BF durch die verhängten Maßnahmen eine engmaschige Kontrolle zu organisieren. Aus dem bisherigen Verfahren ist nicht zu erkennen, weshalb die Behörde die Anwendung gelinderer Mittel nicht in Betracht gezogen hat. Die diesbezüglich enthaltenen Ausführungen blieben inhaltsleer bzw. stellten sich als unrichtig heraus. Im konkreten Fall erachtet das BVwG die Verhängung von gelinderen Mittel für ausreichend.

Aus diesen Gründen ist der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, muss dies auch für die gesamte Zeit der auf ihn gestützten Anhaltung gelten (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0014; 19.03.2013, 2011/21/0025; 28.08.2012, 2010/21/0388).

3.1.5. Hinsichtlich der Anträge in den Beschwerden, diesen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist festzuhalten, dass die BF bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht mehr in Österreich anwesend waren und somit ein Abspruch über diesen Punkt hinfällig ist. Ebenso hinfällig ist aus diesem Grund ein beantragter Abspruch über die Fortsetzung der bereits am 18.05.2017 beendeten Schubhaften.

3.1.6. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten im Zusammenhang mit der seitens der belangten Behörde abgegebenen Stellungnahem abschließend ermittelt werden.

Zu Spruchpunkt II. – Kostenbegehren

Die BF begehrten den Ersatz der Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die BF vollständig obsiegten, steht ihnen nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz der Aufwendungen zu, während Kostenersatz der belangten Behörde abzuweisen war. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Zu Spruchpunkt III. (Unzulässigkeit der Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen.

Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen.

Aufgrund der nunmehr eindeutigen Rechtslage, die Frage des Kostenersatzes betreffend, war die Revision aber auch diesbezüglich des Spruchpunktes II. nicht zuzulassen.

Schlagworte

Anhaltung, Einzelfallprüfung, gelinderes Mittel, Gesamtbetrachtung,
Kostenersatz, Rechtswidrigkeit, Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L518.2159464.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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