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83/01 Natur- und UmweltschutzNorm
B-VG Art144 Abs1 / LegitimationLeitsatz
Zurückweisung der Beschwerde zweier Gemeinden gegen die Genehmigung des Windparks Au am Leithaberge mangels Legitimation; Gemeinderatsbeschlüsse zur Beschwerdeerhebung nicht innerhalb der Beschwerdefrist gefasst; kein subjektives Recht der Gemeinde als Selbstverwaltungskörper auf rechtmäßige Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes; Parteistellung im Genehmigungsverfahren nur im Hinblick auf "echte" subjektive öffentliche RechteSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
1. Mit Schreiben vom 24. November 2014 stellte die mitbeteiligte Partei einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für das Vorhaben "Windpark Au am Leithaberge" gemäß §5 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 – UVP-G 2000. Das beantragte Vorhaben wurde mit Bescheid vom 24. November 2015 nach erfolgter Kundmachung per Edikt von der Niederösterreichischen Landesregierung genehmigt. Mit ihrer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wenden sich die Gemeinden Loretto und Leithaprodersdorf gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. April 2016 (zugestellt am 18. April 2016), mit dem die Beschwerden gegen die erteilte Genehmigung für Errichtung und Betrieb des Windparks Au am Leithaberge nach dem UVP-G 2000 hinsichtlich der Gemeinde Loretto ab- und hinsichtlich der Gemeinde Leithaprodersdorf mangels Parteistellung zurückgewiesen wurde.
2. Die beschwerdeführenden Gemeinden behaupten durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK), auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG) und im Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht (Art47 GRC) verletzt zu sein. Sie beantragen die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses sowie für den Fall der Ablehnung oder Abweisung der Beschwerde die Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof. Ihre Beschwerde begründen die beschwerdeführenden Gemeinden im Wesentlichen damit, dass ihnen bei rechtlich richtiger Beurteilung auf Grund der Auswirkungen des bundesländerübergreifenden Vorhabens Parteistellung eingeräumt hätte werden müssen sowie ein einvernehmliches Vorgehen der niederösterreichischen und burgenländischen Landesregierung auf Grund von europarechtlichen Vorgaben und der Bestimmungen des UVP-G 2000 notwendig gewesen wäre.
3. Die Bürgermeister der Gemeinden Loretto und Leithaprodersdorf erhoben am 30. Mai 2016 Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.
§29 Abs1 Burgenländische Gemeindeordnung bestimmt:
"Kann bei Gefahr im Verzug ein Beschluss des zuständigen Kollegialorgans nicht ohne Nachteil für die Sache oder ohne Gefahr eines beträchtlichen Schadens für die Gemeinde abgewartet werden, ist der Bürgermeister berechtigt auf eigene Verantwortung tätig zu werden; er hat jedoch ohne unnötigen Aufschub dem zuständigen Kollegialorgan zu berichten und dessen nachträgliche Genehmigung einzuholen. Wird die Genehmigung nicht erteilt, ist die getroffene Verfügung sofort aufzuheben."
Die beschwerdeführenden Gemeinden übermittelten Niederschriften der Sitzungsprotokolle des Gemeindesrates, in denen die nachträgliche Genehmigung zur Einbringung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof eingeholt wurde. Aus den Sitzungsprotokollen ergibt sich, dass die Beschlüsse am 15. Juni 2016 (Leithaprodersdorf) und am 27. Juni 2016 (Loretto) gefasst wurden, also nach Ablauf der Beschwerdefrist am 30. Mai 2016.
Da nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der Beschwerde nach Art144 B-VG ein innerhalb der Beschwerdefrist gefasster Beschluss des dafür zuständigen Gemeindeorganes zugrunde zu liegen hat (vgl. VfSlg 10.646/1985, 13.792/1994, 14.583/1996, 15.563/1999, 17.664/2005 und 19.114/2010; VfGH 26.10.2013, B932/2013), war die Fassung der Beschlüsse der Gemeinderäte jedenfalls verspätet und die vorliegende Beschwerde ist schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.
4. Zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, dass die Beschwerdelegitimation nach Art144 Abs1 B-VG nur dann gegeben ist, wenn durch den bekämpften Bescheid irgendein subjektives Recht der beschwerdeführenden Partei verletzt worden sein kann, dh., wenn die bescheidmäßigen Anordnungen oder Feststellungen die subjektive Rechtssphäre des Beschwerdeführers berühren, der Bescheid demgemäß subjektive Rechte begründet (verändert) oder feststellt (vgl. VfSlg 11.764/1988, 15.398/1999, 15.733/2000, 17.840/2006, 17.920/2006, 18.442/2008, 19.151/2010, 19.289/2011). Wie der Verfassungsgerichtshof ebenfalls schon ausgesprochen hat (VfSlg 5358/1966, 8746/1980, 14.575/1996, 15.733/2000; VfGH 12.6.2015, E385/2015; 10.6.2016, E427/2016 ua.), hat die Existenz subjektiv-öffentlicher Rechte zwingend die Parteistellung im Verwaltungsverfahren zur Folge, oder – anders ausgedrückt – es kann die für die Beschwerdeberechtigung maßgebende Möglichkeit, durch den Bescheid in der Rechtssphäre verletzt zu werden, nur bei Personen vorliegen, denen in der im konkreten Verwaltungsverfahren behandelten Sache die Stellung einer Partei zugekommen ist. Für die Beschwerdelegitimation gemäß Art144 Abs1 B-VG in der mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen Fassung gelten sinngemäß dieselben Voraussetzungen (vgl. VfGH 20.2.2014, B182/2014; 12.6.2015, E385/2015; 10.6.2016, E427/2016 ua.; 12.6.2015, E402/2015; 24.2.2017, E65/2017).
Die beschwerdeführenden Gemeinden erachten sich durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf ein faires Verfahren verletzt. Der Gemeinde kommt jedoch als Ausfluss der Selbstverwaltungseigenschaft nicht in allen Belangen des eigenen Wirkungsbereiches eine Beschwerdelegitimation auf Grund von Art144 B-VG zu. Die Gemeinde ist – anders als der Gemeindevorstand als belangte Behörde gemäß §18 VwGVG – auch keine Partei des vorangegangenen Verfahrens (vgl. dazu VfGH 12.6.2015, E385/2015; 10.6.2016, E427/2016 ua.); ihr kommt somit auch als Selbstverwaltungskörper kein subjektives Recht auf rechtmäßige Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zu (vgl. VfSlg 19.092/2010, VfGH 27.6.2017, E1823/2017).
5. Die Standortgemeinden und die an diese unmittelbar angrenzenden österreichischen Gemeinden, die von wesentlichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt betroffen sein können, haben gemäß §19 Abs3 UVP-G 2000 im Genehmigungsverfahren Parteistellung. Die Parteistellung steht ihnen jedoch nur im Hinblick auf "echte" subjektiv öffentliche Recht zu (VfSlg 18.563/2008) und insofern nicht, wenn sich die Gemeinde bloß auf die in §19 Abs3 UVP-G 2000 eingeräumten subjektiven Rechte beruft. Die beschwerdeführenden Gemeinden haben in ihrer Beschwerde vielmehr die objektive Rechtswidrigkeit des Vorhabens behauptet. Damit mangelt es den beschwerdeführenden Gemeinden auch insofern an der Legitimation zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofes.
6. Die Beschwerde ist daher mangels Legitimation der beschwerdeführenden Gemeinden gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Legitimation, Gemeinderecht, Gemeinderecht Organe, Vertretung nach außen, Umweltverträglichkeitsprüfung, Parteistellung Umweltschutz, Rechte subjektive öffentlicheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E1041.2016Zuletzt aktualisiert am
15.02.2018