TE Vwgh Beschluss 2018/1/23 Ra 2017/20/0234

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Veröffentlicht am 23.01.2018
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E19104000;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32004L0081 Menschenhandel-RL;
AsylG 2005 §57 Abs1 Z2;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art140;
EURallg;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Hainz-Sator und Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, in der Rechtssache der Revision der O F in Wien, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juni 2017, Zl. W205 2153918-1/3E, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und Anordnung der Außerlandesbringung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, dass es verfassungswidrig und unionsrechtswidrig sei, wenn das Gesetz eine amtswegige Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) nicht auch dann vorsehe, wenn eine auf § 5 AsylG 2005 gestützte Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz zu ergehen hat.

5 Dem Vorbringen, dass die hier maßgebliche Bestimmung (nämlich soweit sich die in § 10 Abs. 1 AsylG 2005 enthaltene Anordnung nur auf die in § 10 Abs. 1 Z 1 und Z 3 bis Z 5 leg.cit. genannten Fälle bezieht, nicht aber auch auf jenen der Z 2 des § 10 Abs. 1 AsylG 2005) dem innerstaatlichen Gleichheitssatz widerspreche, genügt es zu entgegnen, dass die Zulässigkeit einer Revision mit der Behauptung der Verfassungswidrigkeit genereller Normen nicht begründet werden kann (vgl. VwGH 27.6.2017, Ra 2017/12/0042, mwN).

6 Soweit die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang eine verfassungskonforme Interpretation einfordert, bleibt sie es schuldig darzulegen, weshalb eine solche aufgrund des - insofern eindeutigen und am Willen des Gesetzgebers keinen Zweifel offen lassenden - Wortlautes des § 10 Abs. 1 AsylG 2005 überhaupt möglich wäre. Das Fehlen von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, die ausdrücklich zur Verfassungsmäßigkeit bestimmter gesetzlicher Regelungen Stellung nimmt, begründet für sich aber keine Rechtsfrage nach Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 2.9.2014, Ra 2014/18/0062, 23.9.2014, Ra 2014/01/0127). Art. 133 Abs. 4 B-VG kann zudem nicht so verstanden werden, dass schon die bloße Behauptung, eine Norm könne und müsse verfassungskonform interpretiert werden, dazu führen würde, dass die Revision von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt, nur weil der Verwaltungsgerichtshof zu einer derartigen Behauptung in seiner bisherigen Judikatur noch nicht Stellung genommen hat (vgl. zur insoweit gleichgelagerten Ausgangssituation der bloßen Behauptung, das Gesetz weise eine planwidrige Lücke auf, VwGH 21.8.2014, Ro 2014/11/0080).

7 Entgegen der Revision ist der von ihr zitierten Richtlinie (2004/81/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren) keine Anordnung zu entnehmen, wonach die Mitgliedstaaten verpflichtet wären, im Rahmen der Prüfung eines Antrages auf internationalen Schutz jedenfalls eine amtswegige Erteilung des nach dieser Richtlinie vorzusehenden Aufenthaltstitels vorzunehmen. Somit steht den Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung dieser Richtlinie insoweit hinsichtlich der Ausgestaltung des Verfahrens ein Gestaltungsspielraum offen. Dass jene Bestimmungen des AsylG 2005, die regeln, wie das Verfahren zwecks Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 eingeleitet wird, mit den sonstigen Vorgaben der genannten Richtlinie oder - wie die Revisionswerberin erkennbar meint - den von ihr verfolgten Zielen in Widerspruch stünden, ist nicht zu sehen.

8 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 23. Jänner 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017200234.L00

Im RIS seit

14.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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