TE Vwgh Beschluss 2018/1/24 Ra 2017/09/0041

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Veröffentlicht am 24.01.2018
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
DO Wr 1994 §18 Abs3;
DO Wr 1994 §94 Abs2;
StGB §340;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die Revision der Ing. XY in Z, vertreten durch Mag. Franz Scharf, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schulerstraße 20/7, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 13. Juni 2017, VGW-171/008/7461/2017-1, betreffend Suspendierung nach der Dienstordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die 1966 geborene Revisionswerberin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien. Sie ist Fachbeamtin des technischen Dienstes im Bereich der Unternehmung A. und Mitarbeiterin im Dezernat X. Sie ist unter anderem zuständig für die Durchführungdes Gebrechendienstes, Instandsetzung von Leerwohnungen, Aufkategorisierung von Leerwohnungen, Rechnungsprüfung und Abrechnung und für die Bearbeitung und Erledigungen von Mieteranfragen hinsichtlich der in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Wohnhausanlagen von A..

2 Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 2 - Personalservice vom 24. Februar 2017, wurde die Revisionswerberin vorläufig vom Dienst suspendiert. Ausschlaggebend für die (vorläufige) Suspendierung war ein vorliegender Verdacht wegen Bestechlichkeit nach § 340 StGB iVm der nach § 18 Abs. 3 DO verbotenen Geschenkannahme.

3 In der Folge wurde die Revisionswerberin mit dem vor dem Verwaltungsgericht Wien angefochtenen Bescheid der Disziplinarkommission der Stadt Wien (im Folgenden: DK) vom 30. März 2017, gemäß § 94 Abs. 2 DO 1994 vom Dienst suspendiert. Begründend führte die DK aus, dass am 20. Februar 2017 in der MA 2 ein Schreiben der Direktion von A. eingelangt sei, in dem zu zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von A. Sachverhaltsdarstellungen enthalten gewesen wären. Konkret sei der Revisionswerberin vorgeworfen worden, sie habe sich von der Y Glaserei Gesellschaft m.b.H., die im Bezug habenden Zeitraum für A. auf Grund von Rahmenverträgen tätig gewesen sei, im Jänner 2013 einen Betrag von EUR 250,-- in Form eines Einkaufsgutscheines (M Markt, zuwenden lassen), wobei dieser Zuwendung die in der einen integrierenden Bestandteil des Bescheides bildenden Beilage dargestellten zehn Rechtsgeschäfte zuordenbar seien, um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

4 Dagegen brachte die Revisionswerberin rechtzeitig Beschwerde ein, und wies den Vorwurf eines strafrechtlich relevanten Verhaltens zurück. Sie habe zu keinem Zeitpunkt von den Auftragnehmern von A. Barmittel in Form von Gutscheinen angenommen. Die dem Bescheid angeschlossenen Listen seien bloß firmeninterne Unterlagen und ließen keinen Rückschluss darauf zu, dass die Revisionswerberin in irgendeiner Weise begünstigt worden sei. Die Verdachtslage sei bloß vage, zumal diese Listen auch in fingierter Natur etwa zur Verschleierung von Geldflüssen dienen könnten, es mangle an einem Konnex dieser Listen zur Revisionswerberin.

5 Die Beschwerde der Revisionswerberin wies das Verwaltungsgericht Wien mit dem nun angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

6 In der Begründung ging das Verwaltungsgericht vom Vorliegen einer typischen Konstellation aus, welche eine Suspendierung rechtfertigen würde. Dienstpflichtverletzungen, die den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllen, seien jedenfalls als besonders relevant einzustufen, was auf die angelastete Dienstpflichtverletzung, welche den Verdacht der Geschenkannahme durch Beamte gemäß § 304 StGB, allenfalls nach § 305 oder § 306 StGB begründe, zutreffe. Das Vertrauen des Magistrats der Stadt Wien in die dienstliche Tätigkeit der Revisionswerberin sei durch die ihr vorgeworfene Dienstpflichtverletzung jedenfalls massiv erschüttert. Auf Grund der Anzahl an in der Strafsache W involvierten Mitarbeitern von A. könne nicht ausgeschlossen werden, dass es bei Belassen im Dienst zu Absprachen zwischen den Betroffenen, vor allem auch im Hinblick auf das anhängige Strafverfahren, in welchem die Stadt Wien als Geschädigte auftrete, komme. Aus diesem Grund könne der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie Verdunkelungsgefahr annehme. Dass bei einem Belassen der Revisionswerberin im Dienst angesichts der wider sie erhobenen Vorwürfe, die darin gipfeln würden, sie habe ihre Dienstpflichten durch Korruption, Bestechlichkeit sowie Bereicherung zu ihrem persönlichen Vorteil erheblich verletzt, das Ansehen des Amtes und wesentliche Interessen des Dienstes wegen der Art dieser zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung gefährden würden, sei offenkundig und läge demnach auf der Hand. Dass Vertragsbedienstete, die mit ähnlichen Vorwürfen wie die Revisionswerberin konfrontiert seien, noch nicht entlassen worden seien, sei in diesem Zusammenhang nicht weiter von Relevanz. Umstände wie die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte disziplinäre Unbescholtenheit und bisher anstandslose Dienstverrichtung etc. seien allenfalls bei der Strafbemessung im Rahmen des Disziplinarverfahrens zu berücksichtigen. Einen ausreichenden Grund für die Aufhebung der Suspendierung würden sie jedoch nicht darstellen, was insbesondere auch für die allenfalls geltend gemachten Entschuldigungs- oder Milderungsgründe gelte.

7 Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde beantragte in der von ihr erstatteten Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

8 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Die Überprüfung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Zulässigkeitsgründe anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2014/19/0175, mwN).

9 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Suspendierung ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme, die bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zwingend zu treffen ist. Sie stellt keine endgültige Lösung dar. Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt vielmehr erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Ein Verdacht kann immer nur aufgrund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen. Die Suspendierung eines Beamten gehört demnach in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst aufgrund des in der Regel einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das allgemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern. Die Verfügung der Suspendierung setzt den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraus, die wegen "ihrer Art" das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet. Es können daher nur schwerwiegende, auf der Hand liegende Interessen der Verwaltung als sachbezogen anerkannt werden und die Suspendierung rechtfertigen. So kann eine Suspendierung zunächst in Betracht kommen, weil das verdächtige Verhalten noch nicht abzugrenzen, aber als schwerwiegend zu vermuten ist. Aber auch bei geringeren Verdachtsgründen kann aus der konkreten Situation das dienstliche Interesse an der Suspendierung begründet sein, z. B. bei schwerer Belastung des Betriebsklimas. Für eine Suspendierung sind greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung von ausreichender Schwere sowohl in Richtung auf die objektive wie auf die subjektive Tatseite erforderlich (vgl. zum Ganzen VwGH 21.4.2015, Ro 2015/09/0004, mit umfangreichen Hinweisen auf die Vorjudikatur; zuletzt auch darauf stützend VwGH 19.12.2017, Ra 2017/09/0045 bis 0046).

10 Das Verwaltungsgericht Wien hat vor dem Hintergrund der festgestellten, konkreten Umstände die Verdachtslage einer Dienstpflichtverletzung gewürdigt und ausführlich begründet. Es gelangte zu dem Ergebnis, dass die Suspendierung der Revisionswerberin notwendig und gerechtfertigt sei.

11 Dieser Ansicht ist im Licht der bereits bestehenden Leitlinien der Rechtsprechung sowie vor dem Hintergrund der vorliegenden Revision nicht entgegenzutreten.

12 Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist im Suspendierungsverfahren ausschließlich die Frage nach einem Verdacht einer Dienstpflichtverletzung zu klären, die wegen "ihrer Art" das Ansehen des Amtes oder wesentlicher Interessen des Dienstes gefährdet. Entgegen dem Vorbringen in der Zulassungsbegründung in der Revision kann im Hinblick auf die in den "Listen" erwähnten Geschenkgutscheine samt Zuordnung an die jeweiligen Mitarbeiter von A., und so auch an die Revisionswerberin, die Verdachtslage einer verbotenen Geschenkannahme nicht verneint werden und liegt eine Gefährdung wesentlicher Interessen des Dienstes bzw. eine Schädigung des Ansehens des Amtes schon aufgrund des Tätigkeitsbereichs der Revisionswerberin vor.

13 Ob die Revisionswerberin die ihr zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat, wird erst im nachfolgenden Disziplinarverfahren zu klären sein.

14 Mit den Revisionsausführungen zur Zulässigkeitsbegründung, die sich im Wesentlichen auf die Bestreitung des Tatvorwurfs beziehen, zeigt die Revisionswerberin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

15 Die vorliegende Revision war daher wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

16 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 24. Jänner 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017090041.L00

Im RIS seit

15.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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