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90/02 Führerscheingesetz;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des F in K, vertreten durch Dr. Heimo Fürlinger und Mag. Klaus Michael Fürlinger, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 7/4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. September 1999, Zl. VerkR-393.633/3-1999-Kof/O, betreffend Befristung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beging am 27. Februar 1999 als Lenker eines Pkws eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960. Er wurde deshalb rechtskräftig bestraft.
Mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 15. März 1999 wurde ihm gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C und G für die Dauer von vier Monaten entzogen. Mit demselben Bescheid wurde gemäß § 26 Abs. 8 FSG die Absolvierung eines Einstellungs- und Verhaltenstrainings angeordnet. Weiters wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, sich vor Ablauf der Entziehungsdauer einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
Der Beschwerdeführer unterzog sich am 4. Mai 1999 einer verkehrspsychologischen Untersuchung. In der zusammenfassenden Stellungnahme führte die Verkehrspsychologin aus, der Beschwerdeführer habe eine durchschnittliche Gedächtnis- und Merkfähigkeitsleistung geboten. Bei der kraftfahrspezifischen Leistungsprüfung zeige er insgesamt eine ausreichende Leistungsfähigkeit, lediglich Mängel in der Beobachtungsfähigkeit. Die Persönlichkeitsuntersuchung habe den Befund einer derzeit emotional stabilen Persönlichkeit ergeben. Der Beschwerdeführer beschreibe sich ruhig und um Selbstkontrolle bemüht. Bei einem verkehrsspezifischen Persönlichkeitstest zeige er geringe Anzeichen einer erhöhten Risikobereitschaft. Er sei aber sicher bemüht, sich Normen und Regeln im Straßenverkehr anzupassen. Ein regelmäßiger Alkoholmissbrauch sei derzeit auszuschließen, es könne aber zu gelegentlich verstärktem Alkoholkonsum kommen, denn Alkohol habe für den Beschwerdeführer eher eine soziodynamische Funktion. Gerade in Gesellschaft sei er geneigt, verstärkt Alkohol zu trinken. Aus verkehrspsychologischer Sicht sei der Beschwerdeführer derzeit bedingt geeignet, Kraftfahrzeuge zu lenken. Bedingung sei eine zeitliche Befristung auf ein Jahr mit abermaliger Überprüfung der Leistungsfunktionen, um einen eventuell weiteren Leistungsabfall erfassen zu können, und ein psychologisches Kontrollgespräch in einem Jahr, um die Wirksamkeit des Nachschulungskurses überprüfen zu können.
Der ärztliche Amtssachverständige der Erstbehörde vertrat in seinem Gutachten vom 23. Juni 1999 die Auffassung, der Beschwerdeführer sei bedingt geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Als Bedingung nannte er die Nachuntersuchung in einem Jahr "mit Vorlage von Leberfunktionsproben, MCV und CD-Tect". Ein Befund über die Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen und über ein psychologisches Kontrollgespräch bezüglich der Wirksamkeit des Nachschulungskurses sei bei der Nachuntersuchung ebenfalls vorzulegen. Zur Begründung verwies er auf die verkehrspsychologische Stellungnahme, die Mängel in der Beobachtungsfähigkeit und eine erhöhte Risikobereitschaft aufgezeigt habe. Aus diesem Grund sei eine zeitliche Befristung mit Überprüfung der Leistungsfunktion und ein psychologisches Kontrollgespräch in einem Jahr empfohlen worden. Dementsprechend sei eine Nachuntersuchung in einem Jahr notwendig.
Mit Bescheid der Erstbehörde vom 25. Juni 1999 wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C 1, C, E, F und G, "ausgestellt" jeweils am 15. Mai 1950, befristet bis 23. Juni 2000 "erteilt".
Die Begründung dieses Bescheides enthält keine Sachverhaltsfeststellungen und erschöpft sich in einem Hinweis auf § 5 Abs. 5 FSG.
In der dagegen erhobenen Berufung rügte der Beschwerdeführer das Unterbleiben jeglicher Sachverhaltsfeststellungen.
Die belangte Behörde ersuchte ihre ärztliche Amtssachverständige um Erstattung eines Gutachtens darüber, ob die Befristung aus gesundheitlichen Gründen erforderlich sei.
In ihrer Stellungnahme vom 16. August 1999 führte die ärztliche Amtssachverständige der belangten Behörde aus, die von der Erstbehörde ausgesprochene Befristung stütze sich allein auf die verkehrspsychologische Stellungnahme vom 4. Mai 1999. Es sollte das gegen die Befristung erstattete Berufungsvorbringen an die verkehrspsychologische Untersuchungsstelle übermittelt werden. Die verkehrspsychologische Eignung, welche die kraftfahrspezifische Leistung sowie die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung umfasse, könne nur an einer ermächtigten verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle überprüft werden. Da es sich aus amtsärztlicher Sicht um eine fachfremde Wissenschaft handle, könnten Einwände hinsichtlich des verkehrspsychologischen Untersuchungsergebnisses nur aus verkehrspsychologischer Sicht beantwortet werden.
Die belangte Behörde übersandte eine Kopie dieser Stellungnahme dem Beschwerdeführer und lud ihn ein, binnen zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen.
Der Beschwerdeführer führte in seiner Stellungnahme vom 7. September 1999 aus, ihm sei im Verfahren erster Instanz nicht zur Kenntnis gebracht worden, dass die Befristung aufgrund der verkehrspsychologischen Stellungnahme erfolgt sei. Im Übrigen sei § 8 FSG nur auf das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung anzuwenden, nicht aber im Verfahren zur Wiederausfolgung des Führerscheines. Eine nachträgliche Befristung einer bereits erteilten Lenkberechtigung sehe das Gesetz nicht vor. Selbst wenn diese zulässig wäre, wären die Gründe für die Befristung "aufzunehmen" gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 24 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 5, § 3 Abs. 1 Z. 3 und § 8 Abs. 3 Z. 2 FSG als unbegründet ab.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach der verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 4. Mai 1999 sei eine zeitliche Befristung der Lenkberechtigung auf ein Jahr mit abermaliger Überprüfung der Leistungsfunktionen erforderlich, "um einen eventuell weiteren Leistungsabfall erfassen zu können". Nach der Stellungnahme der ärztlichen Amtssachverständigen der Erstbehörde und der belangten Behörde sei eine Befristung der Lenkberechtigung auf ein Jahr aufgrund der zitierten verkehrspsychologischen Stellungnahme erforderlich. Der Beschwerdeführer habe gegen die verkehrspsychologische Stellungnahme keine inhaltlichen Einwände erhoben, geschweige denn sie auf gleicher fachlicher Ebene widerlegt. Hinsichtlich des Einwandes des Beschwerdeführers, eine nachträgliche Befristung sei nicht zulässig, genüge ein Hinweis auf § 24 Abs. 1 Z. 2 FSG.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 30. November 1999, B 1754/98-3, die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid vom 25. Juni 1999 ungeachtet seiner missverständlichen Textierung, in der von einer Erteilung der Lenkberechtigung die Rede ist, als Bescheid angesehen hat, mit dem die dem Beschwerdeführer bereits im Jahr 1950 erteilte Lenkberechtigung für die genannten Klassen gemäß § 24 Abs. 1 Z. 2 FSG befristet wurde. Diese Auffassung begegnet deshalb keinen Bedenken, weil der erstinstanzliche Bescheid das Datum der seinerzeitigen Ausstellung des Führerscheines (15. Mai 1950) enthält und für die befristete Wiedererteilung der Lenkberechtigung im Hinblick auf den aufrechten Bestand der Lenkberechtigung nach Ablauf der Entziehungsdauer kein Grund bestanden hätte.
Der Beschwerdeführer vertritt auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Auffassung, eine Befristung der Lenkberechtigung sei nicht zulässig. § 24 Abs. 1 Z. 2 FSG biete nur dann eine Grundlage, wenn beim Besitzer der Lenkberechtigung die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben wären. Außerdem wäre die Einschränkung der Lenkberechtigung bei Fehlen von Erteilungsvoraussetzungen ein Widerspruch in sich. Nach den Grundsätzen der Logik käme bei Nichtvorliegen einer Erteilungsvoraussetzung nur die Nichterteilung oder die Entziehung der Lenkberechtigung in Frage.
Gemäß § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1.
die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2.
die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.
Gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen.
Gemäß § 8 Abs. 3 Z. 2 FSG hat u.a. bei Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind, das ärztliche Gutachten "bedingt geeignet" zu lauten und Befristungen, Bedingungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann.
§ 24 Abs. 1 Z. 2 FSG erfasst entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch solche Fälle, in denen die gesundheitliche Eignung (§ 3 Abs. 1 Z. 3 FSG) nicht zur Gänze weggefallen, sondern nur auf ein Maß gesunken ist, das gemäß § 5 Abs. 5 FSG die Erteilung unter entsprechenden Bedingungen, Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit rechtfertigen würde. § 8 Abs. 3 Z. 2 FSG ist somit nicht nur für das Erteilungsverfahren von Bedeutung sondern auch für jenes Verfahren, in dem die Behörde - wie im vorliegenden Fall - gemäß § 24 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit Abs. 4 über Einschränkungen der Gültigkeit der Lenkberechtigung entscheidet.
Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Z. 2 FSG ist dann gegeben, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen im Sinne des zuletzt Gesagten anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 99/11/0266, mwN).
Ausführungen im dargelegten Sinn finden sich weder im angefochtenen Bescheid noch im erstinstanzlichen Bescheid. Soweit sich die belangte Behörde darauf stützt, nach der Stellungnahme ihrer ärztlichen Amtssachverständigen sei eine Befristung auf ein Jahr jedenfalls erforderlich, sind ihre Ausführungen aktenwidrig, weil die Stellungnahme der ärztlichen Amtssachverständigen der belangten Behörde vom 16. August 1999 keinerlei Beurteilung der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers enthält, sondern anregt, das Berufungsvorbringen der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle zu übermitteln, weil nur diese es entsprechend beantworten könne.
Soweit sich die belangte Behörde auf das von der erstinstanzlichen Behörde eingeholte ärztliche Amtssachverständigengutachten stützt, wonach aufgrund der verkehrspsychologischen Stellungnahme eine Nachuntersuchung in einem Jahr notwendig sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass weder das von der erstinstanzlichen Behörde eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten noch die verkehrspsychologische Stellungnahme vom 4. Mai 1999 nachvollziehbare Ausführungen enthalten, die erkennen lassen, dass die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zwar noch für ein Jahr anzunehmen sei, jedoch aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung mit einer Verschlechterung im beschriebenen Sinn gerechnet werden muss.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a bis c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Mai 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999110368.X00Im RIS seit
20.11.2000