TE OGH 2018/1/26 8Ob155/17b

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Veröffentlicht am 26.01.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** M*****, vertreten durch die GKP Gabl Kogler Leitner Stöglehner Bodingbauer Rechtsanwälte OG in Linz, gegen die beklagte Partei Dr. A***** M*****, vertreten durch Dr. Manfred Harrer, Rechtsanwalt in Linz, wegen 12.938,47 EUR sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 14.938,47 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. November 2017, GZ 14 R 29/17h-50, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos behoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über den Antrag der beklagten Partei auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 508 Abs 1 ZPO aufgetragen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin erhob gegen den Beklagten als Hundehalter eine Schadenersatzklage auf Zahlung sowie auf Feststellung der Haftung für künftige Schäden. Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang. Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Zudem sprach es aus, dass der Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsurteil wurde dem Beklagten am 4. 10. 2017 zugestellt; der letzte Tag der Frist für die Einbringung eines Abänderungsantrags nach § 508 Abs 1 ZPO war
– unter Berücksichtigung des § 126 Abs 2 ZPO – der 2. 11. 2017.

Am 31. 10. 2017 erhob der Beklagte einen Abänderungsantrag, den er allerdings
– entgegen § 508 Abs 2 ZPO – beim Berufungsgericht und nicht beim Erstgericht einbrachte. Das Berufungsgericht leitete daraufhin den Abänderungsantrag am 2. 11. 2017 justizintern im ERV an das Erstgericht weiter. Die Weiterleitung langte beim Erstgericht am 2. 11. 2017 elektronisch ein; als Zustellungszeitpunkt dieser Weiterleitung gemäß § 89d Abs 2 GOG wird in der Zustellungsbescheinigung der 3. 11. 2017 angegeben.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht den Antrag des Beklagten nach § 508 ZPO samt der ordentlichen Revision als verspätet zurück. Die elektronische Weiterleitung des Antrags durch das Berufungsgericht sei erst am 3. 11. 2017 beim Erstgericht eingelangt. Zu diesem Zeitpunkt sei die Antragsfrist bereits abgelaufen gewesen.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, den Zurückweisungsbeschluss ersatzlos zu beheben.

Mit ihrer Rekursbeantwortung beantragt die Klägerin, dem Rekurs den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss ist zulässig und auch berechtigt.

1. Das Berufungsgericht hat den Abänderungsantrag nach § 508 ZPO als verspätet zurückgewiesen, weil es zur Beurteilung der Einhaltung der Antragsfrist auf den Zustellungszeitpunkt gemäß § 89d Abs 2 GOG für die justizinterne Weiterleitung des Antrags an das Erstgericht abgestellt hat.

2. Der Abänderungsantrag nach § 508 Abs 1 ZPO ist nach Abs 2 leg cit beim Erstgericht einzubringen. Wird das Rechtsmittel (hier der Antrag nach § 508 ZPO) beim unzuständigen Gericht eingebracht und von diesem dem zuständigen Gericht übersendet, so kommt es für die Wahrung der Rechtsmittelfrist auf das tatsächliche Einlangen beim zuständigen Gericht an (vgl RIS-Justiz RS0060177 [T2]; RS0041608 [T7, T8, T12]). Dies gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel im ERV eingebracht wurde. Langte der Rechtsmittelschriftsatz wegen unrichtiger Bezeichnung (hier wegen des unrichtigen Dienststellenkürzels) des Adressatgerichts beim falschen Gericht ein, das ihn an das zuständige Gericht übermitteln musste, so ist die Eingabe nur dann als rechtzeitig anzusehen, wenn sie noch innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht einlangt (RIS-Justiz RS0124533; 5 Ob 126/17s).

Im Anlassfall besteht die Besonderheit darin, dass die Weiterleitung des Abänderungsantrags an das zuständige Gericht ebenfalls im (justizinternen) ERV erfolgte.

3.1 § 89a GOG regelt die Zulässigkeit elektronischer Eingaben und elektronischer Zustellungen von gerichtlichen Erledigungen. § 89d GOG regelt den Zeitpunkt der Einbringung und jenen der Zustellung. Gemäß § 89d Abs 1 GOG gelten elektronische Eingaben (§ 89a Abs 1 GOG) grundsätzlich als bei Gericht angebracht, wenn ihre Daten zur Gänze bei der Bundesrechenzentrum GmbH eingelangt sind. Nach § 89d Abs 2 GOG (idF BGBl I 2012/26) gilt als Zustellungszeitpunkt elektronisch übermittelter gerichtlicher Erledigungen und Eingaben (§ 89a Abs 2 GOG) jeweils der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag, wobei Samstage nicht als Werktage gelten. Durch die Neuregelung des § 89d Abs 2 GOG sollte ein einheitlicher und nicht zwischen den Teilnehmern des ERV differenzierender Zustellungszeitpunkt festgesetzt werden (vgl 1 Ob 26/13z). Die verfassungsrechtlichen Bedenken aufgrund der Begünstigung bei ERV-Zustellungen gegenüber postalischen Zustellungen (6 Ob 133/14y; 6 Ob 73/15a) wurden vom Verfassungsgerichtshof nicht geteilt (VfGH G 201/2014; G 325/2015).

3.2 Die dargelegten Regelungen und insbesondere auch § 89d GOG unterscheiden somit zwischen elektronischen Eingaben von Parteien oder Parteienvertretern an das Gericht einerseits und der Zustellung (Übermittlung) gerichtlicher Erledigungen an Empfänger andererseits. Im Anlassfall stellt sich die Frage, wann die vom Berufungsgericht im justizinternen ERV veranlasste Weiterleitung des Abänderungsantrags an das Erstgericht beim Erstgericht eingelangt ist.

Bei dieser Weiterleitung handelt es sich nicht um eine elektronische Eingabe iSd § 89d Abs 1 GOG. In dieser Bestimmung werden die darunter fallenden Eingaben durch den Verweis auf § 89a Abs 1 GOG präzisiert. Dementsprechend handelt es sich dabei um Eingaben von „Einschreitern“ (ausdrücklich in § 89a Abs 2 GOG unter Verweis auf Abs 1 leg cit), also von Parteien oder Parteienvertretern. Demgegenüber wurde die hier fragliche Weiterleitung vom Berufungsgericht veranlasst, weshalb eine gerichtliche Übermittlung vorliegt.

§ 89d Abs 2 GOG bezieht sich zunächst auf gerichtliche Erledigungen, die an eine Partei bzw einen Parteienvertreter als Empfänger zugestellt werden. Zudem nennt diese Bestimmung auch (gerichtlich zuzustellende) Eingaben, wozu auf § 89a Abs 2 GOG verwiesen wird. § 89a Abs 2 GOG ordnet allgemein die Ermächtigung an, dass
– anstelle schriftlicher Ausfertigungen von gerichtlichen Erledigungen sowie anstelle von Gleichschriften elektronischer Eingaben – das Gericht solche Schriftstücke auch elektronisch übermitteln (zustellen) darf. Konkret dürfen solche elektronischen Daten (von Ausfertigungen oder Gleichschriften) an Einschreiter, die Eingaben elektronisch anbringen, auch elektronisch übermittelt werden; die Übermittlung von Rubriken an den Einbringer kann bei elektronischen Anbringen unterbleiben. Die hier interessierenden (gerichtlich zuzustellenden) Eingaben sind also „elektronische“ Gleichschriften, die an elektronische „Einschreiter“ oder an den konkreten „Einbringer“ elektronisch übermittelt werden.

Die hier zu beurteilende gerichtliche Weiterleitung wird auch von § 89d Abs 2 GOG nicht erfasst, weil dafür maßgebend wäre, dass die elektronische Übermittlung (Zustellung) an einen Einschreiter (Partei oder Parteienvertreter) erfolgt. Die justizinterne Weiterleitung von einem Gericht an ein anderes Gericht fällt nicht darunter.

4. Mit der Regelung des Zustellungszeitpunkts in § 89d Abs 2 GOG – in Abweichung vom Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers – soll eine Verkürzung der Rechtsmittelfrist für Parteien bei elektronischen Übermittlungen in den Nachtstunden vermieden werden. Für diese Bestimmung ist daher maßgebend, dass es sich um eine gerichtliche Zustellung eines elektronischen Dokuments an eine Partei oder einen Parteienvertreter handelt.

Auf eine justizinterne Weiterleitung eines Schriftstücks trifft dies nicht zu. In einem solchen Fall kommt es daher auf das tatsächliche Einlangen der Weiterleitung beim zuständigen Gericht an. Für ein solches Einlangen eines elektronischen Dokuments bei Gericht stellt das GOG in § 89d Abs 1 auf das Einlangen der Daten bei der Bundesrechenzentrum GmbH ab. Diese Regelung ist daher auch für eine justizinterne Weiterleitung von einem Gericht an ein anderes Gericht im ERV maßgebend.

5. Für den Anlassfall ergibt sich damit, dass es für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Abänderungsantrags nach § 508 ZPO nicht auf den in der elektronischen Zustellungsbescheinigung angegebenen Zustellungszeitpunkt nach § 89d Abs 2 GOG ankommt. Vielmehr ist auf den Tag des tatsächlichen Einlangens (Einbringens) beim Erstgericht am 2. 11. 2017 abzustellen. Der Abänderungsantrag des Beklagten ist damit rechtzeitig beim Erstgericht eingelangt. Das Berufungsgericht hat diesen Antrag damit zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen.

Die angefochtene Entscheidung hält der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof somit nicht Stand. In Stattgebung des Rekurses war die Entscheidung ersatzlos zu beheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über den Abänderungsantrag aufzutragen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

Textnummer

E120600

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00155.17B.0126.000

Im RIS seit

15.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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