TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/10 VGW-031/018/12379/2017

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Veröffentlicht am 10.01.2018
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Entscheidungsdatum

10.01.2018

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §4 Abs5
StVO 1960 §99 Abs3 litb

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter DDr. Lacina über die Beschwerde der Frau R. S. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat …, vom 28.07.2017, Zahl: VStV/916301446357/2016, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 4 Abs. 5 StVO,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR  30,-- (das sind 20% der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Das angefochtene Straferkenntnis vom 28.07.2017, GZ: VStV/916301446357/2016 hat folgenden Spruch:

„Sie sind am 15.06.2016 um 08:00 Uhr in 1210 Wien, Floridsdorfer Brücke, Höhe Auffahrt A 22 Richtung Adalbert Stifter Straße als Lenker(in) des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen W-5 mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl Sie und die Person(en) in deren Vermögen der Schaden eingetragen ist, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben.

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 4 Abs. 5 StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von               falls diese uneinbringlich ist, […] gemäß
Ersatzfreiheitsstrafe
von

€ 150,00          2 Tage(n) 0 Stunde(n)          § 99 Abs. 3 lit. b StVO
                            0 Minute(n)

Ferner hat der Beschuldigte gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG zu zahlen:

€ 15,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens 10 Euro für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

[…]

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher € 165,00.“

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde vom 17.8.2017, führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, dass nicht bewiesen wäre, dass das Fahrzeug von Herrn A. K. mit dem Kennzeichen W-5 in einen Unfall verwickelt gewesen sei, auch könne nicht bewiesen werden, wer dieses Kfz zur Tatzeit gelenkt hätte.

3. Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen zur Entscheidung berufenen Richter erwogen:

Folgender Sachverhalt wird als erwiesen angenommen:

Die Beschwerdeführerin, Frau R. S., stand am 15.06.2016 um 08:00 Uhr in 1210 Wien, Floridsdorfer Brücke, Höhe Auffahrt A 22 Richtung Adalbert Stifter Straße als Lenkerin des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen W-5 mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang und unterließ es, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle von diesem Verkehrsunfall zu verständigen, obwohl die Beschwerdeführerin und die Person in deren Vermögen der Schaden eingetragen ist, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben.

Zu diesen Feststellungen gelangte das Gericht aufgrund folgender Beweise:

Laut Aussage von Herrn A. K. anlässlich seiner zeugenschaftlichen Einvernahme am 28.9.2016 vor dem Polizeikommissariat ... ist er zwar der Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges, mit diesem fährt jedoch nur seine Lebensgefährtin Frau R. S., geb. … 70, whft in Wien, L.-Str. (Blatt 4).

In der Anzeige vom 20.6.2016 wird festgehalten, dass der zweitbeteiligte Fahrzeuglenker, Herr P. Sch., zum Unfallshergang angab, dass er auf der Floridsdorfer Brücke in Richtung Adalbert Stifter Straße bei der roten Ampel gestanden sei als ihm ein anderes Fahrzeug aufgefahren ist. Es handelte sich dabei um einen dunklen Audi. Die Lenkerin war weiblich und in etwa 40 Jahre alt.

Der Sachschaden an dem von Herrn Sch. zur Unfallszeit gelenkten Kfz im Bereich der hinteren Stoßstange konnte von der Meldungslegerin – laut Anzeige - besichtigt werden. Bei dem von der erstbeteiligten Lenkerin zur Tatzeit verwendeten Fahrzeug handelte es sich um einen PKW, Audi, mit dem amtlichen Kennzeichen W-5.

Anlässlich seiner zeugenschaftlichen Einvernahme 17.5.2017 führte der zweitbeteiligte Lenker zum Unfallshergang befragt noch aus, dass er sich an den Verkehrsunfall noch gut erinnern könne; er lenkte sein Fahrzeug auf der Floridsdorfer Brücke und hatte verkehrsbedingt wegen Rotlichts angehalten als er plötzlich einen Ruck am Heck seines Fahrzeuges verspürte. Er sah dann im Rückspiegel eine Dame mit den Händen herumfuchteln. Sie sei dann ein Stück zurückgeschoben, auf den rechts neben ihm befindlichen Fahrstreifen gewechselt und auf die Floridsdorfer Brücke Richtung Adalbert Stifter Straße weitergefahren. Er hätte das Fahrzeug der Dame nicht verfolgen können, da die Fahrzeuge auf seiner Fahrspur langsamer waren. In der Adalbert Stifter Straße, bei einer dort befindlichen Tankstelle, hätte er dann bei seinem Fahrzeug nachgeschaut und konnte eine Kratzspur an der Stoßstange entdecken. Das Fahrzeug wurde mittlerweile verkauft.

Für das erkennende Gericht steht nun auf Grund der Aussage des Zulassungsbesitzers, wonach nur die Beschwerdeführerin mit seinem Kfz fährt in Zusammenhang mit der annähernd genauen Altersangabe der Beschwerdeführerin durch den zweitbeteiligten Fahrzeuglenker (in etwa 40 Jahre), und dass es sich bei dem von der Beschwerdeführerin (zur Tatzeit 46 Jahre alt) gelenkten Kfz tatsächlich um einen Audi gehandelt hat, fest, dass die Beschwerdeführerin zur Tatzeit am Tatort an eben diesem Verkehrsunfall als Lenkerin ursächlich beteiligt war, indem sie dem zweitbeteiligten Lenker aufgefahren war und dabei die Stoßstange des von ihm gelenkten Fahrzeuges beschädigte.

Die Angaben der Beschwerdeführerin, wonach das Kfz ihres Lebensgefährten von vielen Personen, darunter auch Gästen aus Polen gefahren werde, erscheint eine bloße Schutzbehauptung zu sein, um sich der Verantwortung zu entziehen. Dadurch, dass die Beschwerdeführerin nach der glaubwürdigen Aussage des zweitbeteiligten Lenkers unmittelbar nach dem Zusammenstoß mit den Händen herum gefuchtelt hat, ist ihr dieser Verkehrsunfall auf jeden Fall haptisch zur Kenntnis gelangt, sodass Sie verpflichtet gewesen wäre, den in § 4 Abs. 5 StVO 1960 enthaltenen Bestimmungen nachzukommen. Es ist dabei ohne Belang, ob das zweitbeteiligte Fahrzeug in der Zwischenzeit verkauft wurde, zumal der damals entstandene Sachschaden (Kratzer an der hinteren Stoßstange) vom Meldungsleger am 17.6.2016 besichtigt werden konnte.

4. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 4 Abs 1 lit a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

Nach Abs 5 leg cit haben die in Abs 1 leg cit genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs 1 leg cit genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht des Abs 1 lit a leg cit und des Abs 5 leg cit ist als objektives Tatbildmerkmal des Eintritts wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417).

Da im konkreten Fall die Beschwerdeführerin mit dem von ihr gelenkten Fahrzeug an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, den sie durch einen Aufprall wahrgenommen hatte, ursächlich beteiligt war, und es unterließ, die nächste Polizeidienststelle nicht ohne nötigen Aufschub von dem Verkehrsunfall zu verständigen, hat sie das objektive Tatbild verwirklicht.

Bei dieser Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt, weil weder der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr vorausgesetzt, noch über das Verschulden etwas bestimmt wird. Bei einem solchen Delikt obliegt es gemäß § 5 Abs 1 VStG dem Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich war. Das bedeutet, dass der Beschuldigte initiativ alles darzulegen hat, was für seine Entlastung spricht, zB durch die Beibringung von Beweismitteln bzw die Stellung entsprechender Beweisanträge.

Die Beschwerdeführerin konnte nicht glaubhaft machen, dass ihr die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne ihr Verschulden nicht möglich gewesen wäre. Zweifelsfrei steht auch fest, dass nur die Beschwerdeführerin das Fahrzeug ihres Lebensgefährten zur Tatzeit am Tatort gelenkt hat, sodass auch der ihr zur Last gelegte Tatbestand in subjektiver Hinsicht verwirklicht wurde.

5. Strafbemessung

Gemäß § 10 VStG richten sich Strafart und Strafsatz nach den Verwaltungsvorschriften, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Nach § 99 Abs 3 lit b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726,00 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs 2 lit a leg cit bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 leg cit verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet.

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Überdies sind gemäß Abs 2 leg cit im ordentlichen Verfahren (§§ 40-46 VStG) die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das öffentliche Interesse an der raschen Aufklärung eines Verkehrsunfalles und an Durchsetzbarkeit von Zivilrechtsansprüchen, indem es die Beschwerdeführerin unterließ, den Verkehrsunfall zu melden. Der objektive Unrechtsgehalt der Tat erweist sich daher als erheblich.

Auch kann das Ausmaß des Verschuldens im vorliegenden Fall nicht als geringfügig bezeichnet werden, da nicht hervorgekommen ist, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, dass die Einhaltung der verletzten Rechtsvorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder die Verwirklichung des hergestellten Straftatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können; Die Beschwerdeführerin musste aufgrund des Aufpralles klar sein, dass sie einen Unfall verursacht hatte und dass sie durch das Unterlassen einer Meldung vorschriftswidrig handelte.

Aufgrund mangelnder Angaben der Beschwerdeführerin war von durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Beschuldigten auszugehen.

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin wurde bereits von der belangten Behörde durch Verhängung einer niedrigen Geldstrafe ausreichend berücksichtigt.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe, spezial- und generalpräventive Erwägungen, aber auch auf die Einkommens- und Vermögenssituation war die Strafe angemessen und eine Herabsetzung kam nicht in Betracht.

Gemäß § 44 Abs 3 Z 3 VwGVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da im angefochtenen Bescheid eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.

6. Revisionsausspruch

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ampel; Rotlicht; Auffahrunfall; Kratzer; Stoßstange; Fahrerflucht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.031.018.12379.2017

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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