TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/23 2000/11/0032

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.05.2000
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
44 Zivildienst;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
ZDG 1986 §76a Abs1;
ZDG 1986 §76a Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des C in S, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Wischerstraße 30, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Dezember 1999, Zl. 232.156/02-IV/10/99, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. Dezember 1999 wies der Bundesminister für Inneres den mit 29. April 1999 datierten und am 30. April 1999 zur Post gegebenen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung gemäß § 71 Abs. 1 und 2 AVG ab.

In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer sei am 23. Jänner 1991 für tauglich befunden worden, sei dies jedenfalls bis 1. Jänner 1997 geblieben und habe bis zu diesem Zeitpunkt keinen Grundwehrdienst geleistet. Bis zum 12. Februar 1997, dem letzten Tag der in § 76a Abs. 1 ZDG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 788/1996 normierten Frist habe er keine Zivildiensterklärung eingebracht. Damit habe er die Einbringungsfrist versäumt.

Seinen Antrag stütze der Beschwerdeführer darauf, dass er zum Zeitpunkt seiner Stellung keinen Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht aus Gewissensgründen eingebracht hätte, weil er in der damals geltenden Rechtslage keine für ihn nachvollziehbaren Entscheidungskriterien für das Handeln der damals bestehenden Zivildienstkommission habe erkennen können und gehofft habe, dass sich während seiner Studienzeit ein politischer Konsens für eine legistische Beseitigung dieser Problematik finden würde. Von den mehrfachen Novellen des Zivildienstgesetzes habe er gewusst, so auch von der Abschaffung der "Gewissensprüfung" und der Verlängerung des Zivildienstes. Aus Gesprächen mit Studienkollegen hätte er erfahren, dass bis zwei Tage vor Erhalt des Einberufungsbefehls die Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung bestehe. Andere einzuhaltende Fristen seien ihm bis zum 22. April 1999 unbekannt geblieben. An diesem Tag habe er die Zivildienstberatungsstelle der Österreichischen Hochschülerschaft an der Universität Linz aufgesucht. Im Zuge eines Beratungsgespräches habe er von der Frist des § 76a Abs. 1 ZDG erfahren. Angesichts zahlreicher Anträge des Beschwerdeführers auf Aufschub des Antritts des Grundwehrdienstes, denen lediglich sein Wunsch auf Verschiebung des Antritts des Grundwehrdienstes entnommen werden könne, sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer schon während der Laufzeit für ihn offen stehender Fristen zur Abgabe einer Zivildiensterklärung tatsächlich Interesse am Zivildienst gehabt habe. Es sei ihm auch klar gewesen, dass die Dauer des Zivildienstes und letztlich auch die durch die ZDG-Novelle 1996 eingeführte Änderung der Frist zur "Antragstellung zum Zivildienst" geändert worden war. Wenn auch die durch Studienkollegen erlangte Information zu dieser Fristenänderung nur jene Wehrpflichtigen betroffen habe, die ab Geltung dieser Norm erstmals für tauglich befunden wurden, stehe fest, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich gewusst habe, dass in dem von ihm anzustrebenden Verwaltungsverfahren zur Erlangung der Zivildienstpflicht Antragsfristen bestünden.

Der von ihm behauptete Wiedereinsetzungsgrund liege nicht vor. Er habe nämlich während des Fristenlaufs und jedenfalls auch noch bei mehreren Anträgen an das Militärkommando nicht das geringste Interesse zur Leistung des Zivildienstes erkennen lassen. Seine Behauptung, wonach er innerlich schon längst eine Entscheidung für die Zivildienstleistung getroffen hätte, sei unglaubwürdig. Er habe selbst nach Zustellung seines Einberufungsbefehles nichts unternommen, um diese bevorstehende Situation durch Erlangung der Zivildienstpflicht abzuwehren. Spätestens nach Zustellung eines Einberufungsbefehls am 23. Februar 1998 zum Dienstantrittstermin 6. Juli 1998 hätte sich der Beschwerdeführer, sofern damals seine Gewissenshaltung zur Ablehnung des Wehrdienstes entsprechend gefestigt gewesen sein sollte, für die Leistung des Zivildienstes interessieren müssen. Sein gesamtes Verhalten in der Folgezeit lasse aber ein solches Interesse bis zum Antrag auf Wiedereinsetzung nicht erkennen. Es sei daher nicht glaubhaft, dass er mangels rechtzeitiger Information im Sinne des § 76a Abs. 2 ZDG die Einbringungsfrist des § 76a Abs. 1 ZDG versäumt habe. Sein Zivildienstinteresse habe sich erst nach Ablauf der Einbringungsfrist manifestiert, die Annahme bereits früher bestehender dienstbezüglicher Interessen sei durch nichts gerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

§ 76a ZDG lautet in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 788/1996 (Fettschreibung im Original):

"§ 76a (1) (Verfassungsbestimmung) für Wehrpflichtige, deren Tauglichkeit vor dem 1. Jänner 1994 festgestellt worden ist und seither fortbesteht und die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch keinen Grundwehrdienst geleistet haben, ruht das Recht, eine Zivildiensterklärung abzugeben. Nach Ablauf von fünf Jahren ab Abschluss des Stellungsverfahrens kann in diesen Fällen während eines Zeitraumes von sechs Wochen wieder eine Zivildiensterklärung abgegeben werden.

(2) Die in Abs. 1 genannten Wehrpflichtigen sind vom Bundesminister für Landesverteidigung über die neuerliche Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung rechtzeitig in Kenntnis zu setzen."

Vorauszuschicken ist, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung verfahrensrechtlicher Natur ist, weshalb gegen ihre Versäumung unter den Voraussetzungen des § 71 AVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist (vgl. zur Rechtslage nach der ZDG-Novelle 1996, BGBl. Nr. 788, das hg. Erkenntnis vom 29. September 1999, Zl. 99/11/0196).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis vom 29. September 1999 dargelegt hat, hat sich der Gesetzgeber genötigt gesehen, in der mit der ZDG-Novelle 1996 eingeführten Bestimmung des § 76a Abs. 2 ZDG die Verpflichtung des Bundesministers für Landesverteidigung zur Information des in § 76a Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Personenkreises über die neuerliche (letztmalige) Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung zu statuieren. Diese dem Gesetz zugrunde liegende Wertung lässt erkennen, dass diesem Personenkreis die diesbezügliche Kenntnisbeschaffung nicht ohne weiteres zugemutet werden konnte. Im Unterbleiben von Recherchen über die Möglichkeit der neuerlichen Antragstellung kann daher kein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließendes (d.h. einen minderen Grad des Versehens übersteigendes) Verschulden des Beschwerdeführers gesehen werden.

Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass die im § 76a Abs. 2 ZDG vorgeschriebene Information im Falle des Beschwerdeführers unterblieben ist.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob sich der Beschwerdeführer bereits früher mit der Möglichkeit der Zivildienstleistung auseinander gesetzt hat, da § 76a Abs. 1 ZDG nur die Abgabe einer Zivildiensterklärung innerhalb der in dieser Bestimmung genannten Frist verlangt. War dem Beschwerdeführer aber infolge des Unterbleibens der im § 76a Abs. 2 ZDG vorgeschriebenen Information die Möglichkeit einer letztmaligen Abgabe der Zivildiensterklärung nicht bekannt gegeben worden und nicht bekannt gewesen, so kann es ihm auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn er sich im - objektiv maßgeblichen - Zeitraum bis zum 12. Februar 1997 mit der Möglichkeit der Abgabe einer Zivildiensterklärung nicht auseinander gesetzt haben sollte.

Dass der Beschwerdeführer bereits zu einem früheren als dem von ihm genannten Zeitpunkt von der Möglichkeit der neuerlichen Antragstellung nach § 76a Abs. 2 ZDG Kenntnis erlangt hat, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Soweit sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführt, es stehe fest, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich gewusst habe, dass in dem von ihm anzustrebenden Verwaltungsverfahren zur Erlangung der Zivildienstpflicht Antragsfristen bestehen, lässt sie die unzutreffende Ansicht erkennen, dass schon ein "grundsätzliches" Wissen um die Fristbezogenheit der Abgabe einer Zivildiensterklärung ausreiche, um die hier einzig und allein maßgebliche Kenntnis von der Möglichkeit einer Antragstellung bis zum 12. Februar 1997 zu bejahen.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. Mai 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000110032.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten