Entscheidungsdatum
05.02.2018Norm
ASVG §113 Abs1 Z1Spruch
W178 2162083-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Einzelrichterin im Beschwerdeverfahren des XXXX , vertreten durch HETSCH & PAULINZ Rechtsanwälte, Albrechtsgasse 12, 3430 Tulln, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 20.04.2017, Zl: VA/ED-FP-0091/2017, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 29.05.2017, , betreffend Vorschreibung eines Beitragszuschlages nach dem ASVG in der Höhe von 1.300,-- Euro zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung vom 29.05.2017 behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 07.02.2017, um 13:30 Uhr, führten Beamte der Landespolizeidirektion Wien, Abteilung Fremdenpolizei, in 1020 Wien eine Kontrolle des LKW Ford Transit, Kennzeichen XXXX durch. Als Lenker des Fahrzeuges kontrollierten die Beamten lt Amtsvermerk Herrn XXXX (in weiterer Folge: Mitbeteiligter). Bei der Kontrolle gab der Mitbeteiligte gegenüber den Beamten an, dass er "schwarz" für Herrn XXXX (in weiterer Folge: Beschwerdeführer) arbeite. Die Beamten erstatteten eine Mitteilung an die Finanzbehörde.
2. Am 20.04.2017 erließ die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (in weiterer Folge: belangte Behörde) den angefochtenen Bescheid, in dem festgestellt wurde, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von 1.300,-- Euro vorgeschrieben wird, weil er die Anmeldung den Mitbeteiligten zur Pflichtversicherung als Dienstnehmer nicht vor Arbeitsantritt erstattet habe.
Die belangte Behörde verwies weiter auf die Feststellungen aus dem Bericht der Bundespolizei (siehe Pkt 1.).
Der Beitragszuschlag setze sich wie folgt zusammen: Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung: 500,00 Euro, Teilbetrag für den Prüfeinsatz: 800,00 Euro.
3. Der Beschwerdeführer erhob am 19.05.2017 fristgerecht Beschwerde im Wege seines ausgewiesenen Vertreters.
Die Anschuldigung sei unrichtig. Der Mitbeteiligte sei von 21.09.2015 bis 30.05.2016 für den Beschwerdeführer tätig gewesen.
4. Die belangte Behörde erließ am 29.05.2017 eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde. Aus dem Polizeibericht gehe hervor, dass es eine Lenker- und Fahrzeugkontrolle gegeben habe, bei welcher der Mitbeteiligte als Lenker kontrolliert worden sei. Auch sei der Aussage des Mitbeteiligten Glauben zu schenken.
5. Der Beschwerdeführer brachte mit Schreiben vom 12.06.2017 im Wege seines Vertreters einen Vorlageantrag ein. Der Beschwerdeführer habe die Übertretung nicht begangen.
6. Die belangte Behörde übermittelte den Beschwerdeakt am 20.06.2017 dem Bundesverwaltungsgericht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Inhaber einer Gewerbeberechtigung ua für das Kleintransportgewerbe.
1.1. Am 07.02.2017 um 13:30 Uhr wurde der LKW Ford Transit, XXXX , der auf den Beschwerdeführer zugelassen ist, in 1020 Wien einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle durch Organe der Bundespolizei unterzogen.
1.2. Gemäß Amtsvermerk vom selben Tag wurde der Mitbeteiligte, der einen firmenspezifischen Overall trug, als Lenker kontrolliert, da er im Verdacht stand, mehrere Verwaltungsübertretungen begangen zu haben.
1.3. Im Zuge dieser Amtshandlung gab der Mitbeteiligte gegenüber den Polizeiorganen an, dass er "schwarz" für den Beschwerdeführer arbeite, pro Woche von Mo bis Fr arbeite und dafür ca. 350 Euro pro Woche erhalte.
2. Beweiswürdigung:
Die Ausführungen zum Verfahrensgang und zu den Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde
3.1 Rechtliche Grundlagen:
Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.
Gemäß § 4 Abs. 2 1. Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Gemäß § 35 Abs. 1 1. Satz ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne des ASVG unter anderem derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.
Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
§ 111a. ASVG lautet auszugsweise:
(1) Die Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben, die entgegen § 33 Abs. 1 nicht vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet wurden, haben in den Verwaltungsstrafverfahren nach § 111 Parteistellung und sind berechtigt, gegen Entscheidungen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht und Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Verzichten sie auf die Parteistellung, so tritt der Versicherungsträger in diese Parteistellung ein. ( ..)
Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können den in § 111 Abs. 1 ASVG genannten Personen (Stellen) Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn
1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder
2. die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde oder
3. das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde oder
4. ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde.
Der Beitragszuschlag setzt sich gemäß § 113 Abs. 2 ASVG im Fall des Abs. 1 Z 1 nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf 500 € je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf 800 €. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf 400 € herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.
3.2 Auf den Fall bezogen:
Der Beitragszuschlag setzt sich gemäß § 113 Abs. 2 ASVG im Fall des Abs. 1 Z 1 nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a [ .Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben ..] aus zwei Teilbeträgen zusammen.
Aus dem Zusammenwirken der beiden angeführten Bestimmungen ist abzuleiten, dass die Vorschreibung eines Beitragszuschlages nur rechtens ist, wenn die unmittelbare Betretung durch die Abgabenbehörden des Bundes oder deren Prüforgane erfolgt ist.
Im vorliegenden Fall erfolgte die Kontrolle und unmittelbare Betretung nicht von Prüforganen der Abgabenbehörde, sondern von Organen der Landespolizeidirektion Wien. Nach dem Wortlaut des § 113 Abs. 2 iVm 111a ASVG liegen daher die formalen Voraussetzungen für die Vorschreibung eines Beitragszuschlages nicht vor.
Aus diesem Grund konnte von der weiteren Prüfung Abstand genommen werden, ob der Mitbeteiligte dem Beschwerdeführer als Dienstnehmer zuzurechnen ist.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
3.4. Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt ist und in der Beschwerde und dem Vorlageantrag nicht bestritten wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 2. September 2004, 68.087/01 [Hofbauer/Österreich ], wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jegliche Anhörung [im Originaltext "any hearing at all"] erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 29.April 2015, Zl. Ro 20015/08/0005. Vielmehr erschien der Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (siehe oben 3.6.2.), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen lag eine eindeutige Rechtslage vor.
Schlagworte
Beitragszuschlag, VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W178.2162083.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.02.2018