Entscheidungsdatum
06.02.2018Norm
AlVG §38Spruch
W238 2170906-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER und Mag. Josef WURDITSCH als Beisitzer über das am 19.06.2017 erstattete Anbringen von XXXX , betreffend eine Mahnung im Zusammenhang mit dem Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Johnstraße vom 12.06.2017, VN XXXX , beschlossen:
A) Das Anbringen wird wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des AMS Wien Johnstraße vom 12.06.2017 wurde der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 08.04.2017 bis 30.04.2017 gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen. Unter einem wurde der nunmehrige Einschreiter gemäß § 38 iVm 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe iHv EUR 536,59 verpflichtet. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Einschreiter die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den angegebenen Zeitraum zu Unrecht bezogen habe, da zur selben Zeit ein Anspruch auf Krankengeld der WGKK bestanden habe. Gleichzeitig würden auch Förderungen aus Kursnebenkosten rückgefordert.
2. Nach Erlassung dieses Bescheides erhielt der Einschreiter vom AMS eine Mahnung hinsichtlich des rückgeforderten Geldbetrages.
3. Am 19.06.2017 übermittelte der Einschreiter dem AMS im Wege seines eAMS-Kontos eine Nachricht, in der er insbesondere auf die erwähnte (aus seiner Sicht zu früh ergangene) Mahnung und auf ein Stundungs- bzw. Ratenansuchen Bezug nahm. Zudem erwähnte er, dass "noch bis zum 10.07 Recht auf Rechtsmittel gegen diesen Bescheid" bestehe.
4. Diese Eingabe wurde vom AMS als Beschwerde gegen den Bescheid vom 12.06.2017 gewertet und dem Bundesverwaltungsgericht samt Verwaltungsakt am 18.09.2017 vorgelegt.
5. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.09.2017 wurde der Einschreiter darüber informiert, dass aus seiner Eingabe vom 19.06.2017 nicht hinreichend deutlich erkennbar ist, ob er sich über den Erhalt einer Mahnung hinsichtlich des rückgeforderten Geldbetrages beschweren oder ein Rechtsmittel gegen den Bescheid des AMS vom 12.06.2017 an das Bundesverwaltungsgericht erheben wollte. Der Einschreiter wurde aufgefordert, innerhalb einer Frist von zwei Wochen mitzuteilen, ob seine Eingabe vom 19.06.2017 auf die Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 12.06.2017 gerichtet war.
6. Der Einschreiter ließ dieses Schreiben unbeantwortet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Bei dem Anbringen des Einschreiters vom 19.06.2017 handelt es sich nicht um eine Beschwerde gegen den Bescheid des AMS Wien Johnstraße vom 12.06.2017.
2. Beweiswürdigung:
Die entscheidungserhebliche Feststellung ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut der Eingabe vom 19.06.2017 sowie aus dem Umstand, dass der Einschreiter trotz Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes keine Erklärung dahingehend abgegeben hat, dass seine Eingabe als Bescheidbeschwerde zu verstehen wäre (vgl. dazu näher die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zurückweisung des Anbringens:
3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Voraussetzung für eine Beschwerdeführung vor dem Bundesverwaltungsgericht ist daher, dass eine Bescheidbeschwerde im Sinne der zitierten Verfassungsbestimmung vorliegt.
3.2. Das Anbringen des Einschreiters vom 19.06.2017 ist – entgegen der Auffassung des AMS – aus folgenden Erwägungen nicht als Beschwerde (im Sinne eines Rechtsmittels) anzusehen:
3.2.1. Nach Erlassung des Bescheides des AMS vom 12.06.2017 betreffend Widerruf des Bezuges der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 08.04.2017 bis 30.04.2017 gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG und Verpflichtung zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe iHv EUR 536,59 gemäß § 38 iVm 25 Abs. 1 AlVG erhielt der Einschreiter eine Mahnung der Behörde. Daraufhin erstattete der Einschreiter im Wege seines eAMS-Kontos am 19.06.2017 ein Anbringen folgenden Wortlauts:
"Betreff: Beschwerde
Ich habe eine Mahnung bekommen für einen Bescheid den ich am 12.06 bekommen habe, die Zahlungsfrist beträgt aber 14 Tage – womit die Mahnung zu früh losgegangen ist. Außerdem besteht noch bis zum 10.07 Recht auf Rechtsmittel gegen diesen Bescheid. Ich verstehe nicht, wieso mir Mahnungen geschickt werden die keinerlei Grundlage haben. Ich kann den Betrag sowieso nicht auf einmal zahlen und bereite gerade ein Stundungs/Ratengesuch vor. Der Fehler lag ja auch nicht bei mir, sondern beim Kursinstitut das Ihnen die Krankmeldung offensichtlich nicht weitergeleitet hat."
3.2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Parteienerklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen und kommt es darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte und nicht das Gewollte maßgebend. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist es der Behörde verwehrt, diesem eine abweichende eigene Deutung zu geben, und es ist dem Anbringen einer Partei im Zweifel auch nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt.
Die falsche Bezeichnung eines Schriftsatzes schadet nicht. Vielmehr ist für die Beurteilung des Charakters einer Eingabe ihr wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend (vgl. VwGH 29.04.2014, Fr 2014/16/0001, mwN). Bei der Auslegung von Parteianbringen kommt es demnach auf das aus diesen erkenn- und erschließbare Ziel des Einschreiters an.
Die Anwendung dieses Grundsatzes setzt allerdings voraus, dass eine der Auslegung zugängliche Parteienerklärung vorliegt und dass der Wille der Partei aus ihrem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden kann. Hat ein Anbringen einen unklaren oder einen nicht genügend bestimmten Inhalt, so hat die Behörde den Gegenstand des Anbringens von Amts wegen zu ermitteln bzw. den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern (vgl. etwa VwGH 06.11.2006, 2006/09/0094; 24.10.2013, 2011/07/0139).
3.2.3. Der hier zu beurteilende Schriftsatz erscheint seinem Inhalt nach primär als Beschwerde (im Sinne einer Unmutsäußerung) gegen die aus Sicht der Einschreiters zu früh ergangene Mahnung bzw. auch als Stundungs- oder Ratenansuchen hinsichtlich des rückgeforderten Betrages. In einem weiteren Sinn könnte der Schriftsatz aber auch als Beschwerde (im Sinne eines Rechtsmittels) gegen den Bescheid vom 12.06.2017 verstanden werden. Das Anbringen enthält in seinem Betreff die Bezeichnung "Beschwerde", jedoch kein klar erkennbares Begehren. Mit Ausnahme des letzten Satzes des Anbringens, in dem ein Fehlverhalten des Einschreiters in Abrede gestellt wird, findet sich in seinem Inhalt nichts, was unmissverständlich auf die Absicht hinweist, eine oder zumindest auch eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 12.06.2017 zu erheben, zumal der Einschreiter selbst auf die zum Zeitpunkt der Eingabe noch offene Beschwerdefrist sowie darauf verweist, dass er ein Stundungs- bzw. Ratenansuchen vorbereite. Daraus lässt sich der grundsätzliche Zahlungswille des Einschreiters ableiten.
Um jeden verbleibenden Zweifel auszuschließen, wurde der Einschreiter mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.09.2017 aufgefordert, innerhalb einer Frist von zwei Wochen mitzuteilen, ob seine Eingabe vom 19.06.2017 auf die Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 12.06.2017 gerichtet war.
Darauf reagierte der Einschreiter nicht.
Da der Wille des Einschreiters im Lichte des Wortlauts seines Anbringens primär als Unmutsäußerung betreffend die an ihn ergangene Mahnung zu deuten war und sich der Einschreiter über dessen Gegenstand letztlich verschwiegen hat, hatte das Bundesverwaltungsgericht keinen Anlass, den Schriftsatz als Beschwerde zu behandeln.
Es fehlt sohin an der für die Bescheidbeschwerde gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wesentlichen Voraussetzung des Vorliegens einer Beschwerde, weshalb das Anbringen mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückzuweisen war.
3.3. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Senatszuständigkeit nach § 56 Abs. 2 AlVG knüpft zwar an die Entscheidung "über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle" an. Da die Verneinung eines der zuständigkeitsbegründenden Tatbestandselemente – nämlich das Vorliegen einer Beschwerde – den (einzigen) Gegenstand des hg. Beschlusses bildet, erscheint aber insoweit eine analoge Anwendung des § 56 Abs. 2 AlVG sachgerecht.
3.4. Im vorliegenden Beschwerdefall konnte die Verhandlung in sinngemäßer Anwendung des § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG entfallen, weil das Anbringen zurückzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).
Schlagworte
Unzuständigkeit, ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W238.2170906.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.02.2018