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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlassfallLeitsatz
Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im AnlassfallSpruch
I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch Spruchpunkt A) II. des angefochtenen Erkenntnisses wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.
2. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Begründung
Entscheidungsgründe
1. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen pakistanischen Staatsangehörigen, der am 2. Februar 2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 28. März 2017 ab, erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Pakistan fest und setzte eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27. April 2017 Beschwerde und stellte zudem einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 16. Mai 2017 ab. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit angefochtenem Erkenntnis vom 22. Juni 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Bescheid vom 16. Mai 2017 ab (Spruchpunkt A) I.) und die Beschwerde gegen den Bescheid vom 28. März 2017 als verspätet zurück (Spruchpunkt A) II.). Letzteres begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass der Bescheid vom 28. März 2017 dem Beschwerdeführer am 30. März 2017 durch Hinterlegung zugestellt worden sei und die Abholfrist am 31. März 2017 begonnen habe. Gemäß §16 Abs1 BFA-VG bestehe eine zweiwöchige Beschwerdefrist in den Fällen des §3 Abs2 Z2, 4 und 7 BFA-VG. Im gegenständlichen Verfahren habe die Beschwerdefrist am 14. April 2017 geendet. Die am 27. April 2017 eingebrachte Beschwerde sei daher verspätet.
2. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet wird.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die – insoweit zulässige – Beschwerde gegen Spruchpunkt A) II. des angefochtenen Erkenntnisses erwogen:
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 26. September 2017, G134/2017 ua., die Wortfolge "2, 4 und" sowie den zweiten Satz in §16 Abs1 BFA-VG, BGBl I 87/2012 idF BGBl I 24/2016, als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass diese Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind.
Das Bundesverwaltungsgericht hat bei der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses eine der als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzesbestimmungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Ausspruch, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind, hat auch für den Verfassungsgerichtshof die Wirkung, dass er die betreffenden Bestimmungen nicht mehr anzuwenden hat (vgl. etwa VfSlg 12.954/1991, 15.401/1999; VfGH 14.12.2005, B1025/04; 29.6.2011, B308/11; 9.6.2016, E543/2016).
Der Beschwerdeführer wurde somit durch Spruchpunkt A) II. des angefochtenen Erkenntnisses, soweit es also die Zurückweisung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28. März 2017 betrifft, wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt.
Das Erkenntnis ist daher insoweit aufzuheben.
4. Durch die Aufhebung von Spruchpunkt A) II. des angefochtenen Erkenntnisses durch den Verfassungsgerichtshof ist für den Beschwerdeführer im Verfahren über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Beschwer weggefallen. Die Rechtslage ist daher so zu beurteilen, als ob der Beschwerdeführer im Sinne des §86 VfGG klaglos gestellt worden wäre, weshalb die Beschwerde im Übrigen (also im Hinblick auf Spruchpunkt A) I. des angefochtenen Erkenntnisses) als gegenstandslos anzusehen und das Verfahren in sinngemäßer Anwendung des §86 VfGG einzustellen ist (vgl. zB VfGH 19.11.2015, E1168/2015 ua. mwN).
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z3 und 4 VfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil der Beschwerdeführer Verfahrenshilfe (auch) im Umfang des §64 Abs1 Z1 lita ZPO genießt.
Schlagworte
VfGH / Anlassfall, VfGH / Aufhebung WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E2461.2017Zuletzt aktualisiert am
14.02.2018