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L8500 StraßenNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie im Gleichheitsrecht durch Nichtaufgreifen der Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde durch das Landesverwaltungsgericht Steiermark betreffend einen Einspruch gegen die Auflassung eines GemeindewegesRechtssatz
Die Auflassung einer Gemeindestraße erfolgt nach §8 Abs3 Stmk LStVG 1964 durch Verordnung der Gemeinde. Gemäß §8 Abs5 leg cit darf durch die Auflassung von Gemeindestraßen das Recht der Anlieger auf Wahrung des Zuganges nicht beeinträchtigt werden. Die dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zugrundeliegende Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Ligist vom 18.11.2015, die auf einem Beschluss des Gemeinderates vom selben Tag beruht, wurde unter Verweis auf §92 Abs1 und Abs2 Stmk GdO kundgemacht und von 18.11.2015 bis 2.12.2015 an der Amtstafel angeschlagen. Unbestritten besitzt sie einen normativen Inhalt, soweit sie die Auflassung (eines Teilstückes) einer Gemeindestraße iSd §8 Abs3 Stmk LStVG 1964 verfügt. Der VfGH hegt daher keinen Zweifel, dass die "Kundmachung" vom 18.11.2015 angesichts ihrer Eigenschaft als von einer Verwaltungsbehörde erlassener Rechtsnorm mit generell-abstraktem Adressatenkreis als Verordnung zu qualifizieren ist.
Die vom Landesverwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung des VwGH zu §8 Stmk LStVG 1964 (VwSlg 5694 A/1961) ist auf die geltende Rechtslage (Änderung des §8 mit der LStVG-Novelle 1969, LGBl 195, dahingehend, dass die Auflassung einer Gemeindestraße nunmehr durch Verordnung der Gemeinde zu erfolgen hat) nicht übertragbar.
Die Prüfung einer Verordnung steht in dem durch das B-VG vorgesehenen Rechtsquellensystem jedoch ausschließlich dem VfGH im Verfahren nach Art139 B-VG zu. Aus der Bekräftigung in §8 Abs5 Stmk LStVG 1964, dass die Auflassung einer öffentlichen Straße nur zulässig ist, soweit das Recht der Anlieger auf einen Zugang nicht beeinträchtigt ist, kann indes nicht abgeleitet werden, dass den Verwaltungsbehörden und in weiterer Folge den Verwaltungsgerichten die Kompetenz zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung eingeräumt würde. Für die Erlassung eines Bescheides, mit dem die Rechtmäßigkeit der Verordnung überprüft werden soll, bleibt vor diesem Hintergrund kein Raum.
Der Gemeinderat der Marktgemeinde Ligist hat daher eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, für die keine Rechtsgrundlage besteht. Diese Unzuständigkeit hätte das Landesverwaltungsgericht wahrnehmen müssen. Dadurch, dass das Landesverwaltungsgericht Steiermark die Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde nicht aufgegriffen und den Bescheid nicht aufgehoben, sondern eine Sachentscheidung getroffen hat, wurde der Beschwerdeführer im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Für das Vorgehen des Landesverwaltungsgerichtes findet sich im Gesetz keine Rechtsgrundlage. Die Entscheidung ist vor diesem Hintergrund gesetzlos ergangen und begründet damit auch den Vorwurf der Willkür.
Soweit der Beschwerdeführer mit der vorliegenden Beschwerde einen (wenngleich von Verfassungs wegen nicht zulässigen) Weg, die Gesetzwidrigkeit der Verordnung beim VfGH geltend zu machen, bereits beschritten hat, teilt der VfGH die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Ligist vorgetragenen Bedenken nicht (vgl VfSlg 17267/2004 mwN).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Straßenverwaltung, Gemeindestraße, Auflassung (einer Straße), Verordnungserlassung, Verordnungsbegriff, Behördenzuständigkeit, Rechtsquellensystem, VfGH / ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E3218.2016Zuletzt aktualisiert am
14.02.2018