TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/1 W191 2148577-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.02.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

01.02.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W191 2148577-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch Rechtsanwältin XXXX , Österreichische Flüchtlings- und MigrantInnenhilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.02.2017, Zahl 1092235703-151616029, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 und 57 Asylgesetz 2005 sowie §§ 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein indischer Staatsangehöriger aus dem Bundesstaat Punjab, reiste nach seinen Angaben irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 23.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. In seiner Erstbefragung am 24.10.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion (PI) Trofaiach gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Punjabi im Wesentlichen Folgendes an:

Er stamme aus Sangroor (auch Sangrur), Bundesstaat Punjab, sei Angehöriger der Volksgruppe der Punjabi und der Glaubensgemeinschaft der Sikhs und ledig. Er habe zwölf Jahre die Grundschule bzw. Highschool in Sangroor besucht. Zu Hause würden seine Eltern leben.

Er sei vor 25 Tagen von Sangroor per PKW nach New Delhi gefahren und von dort per Flugzeug nach Moskau geflogen, von wo er (mit ca. 15 bis 20 Personen) über die Ukraine und weitere, ihm unbekannte Länder in LKWs bis nach Österreich gebracht worden sei. Er sei zur Polizei gegangen und habe um Asyl angesucht. Die Kosten für die Reise habe seine Familie bezahlt.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er Sikh sei. Bei ihnen gebe es noch eine andere Religion – die Hindus, die gute Kontakte zu den Behörden hätten und die Sikhs nicht mögen. Er sei mehrmals bedroht und unmenschlich behandelt worden, weil er Sikh sei und für seine Religion und seine Leute gearbeitet habe. Deshalb habe er sein Heimatland verlassen müssen.

1.3. Bei seiner Einvernahme am 06.12.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA), Regionaldirektion Wien, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Punjabi, bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben und gab im Wesentlichen Folgendes an:

Zu Hause würden noch seine Eltern, ein Bruder und eine Schwester leben. Er habe zu ihnen keinen Kontakt.

Zu seinen Fluchtgründen gab der BF an (Auszug aus der Verhandlungsschrift, Schreibfehler teilweise korrigiert):

" [ ] VP [Verfahrenspartei]: Ich habe an Demonstrationen teilgenommen, weil sie in Sangrur unser heiliges Buch verbrannt haben. Eine hinduistische Gruppe hat gewusst, dass ich auch an Demonstrationen teilnehme. Diese Gruppe hat sehr gute Beziehung[en] mit der Polizei, und die haben mich oft geschlagen. Mein Vater hat dann meine Reise organisiert, von meinem Dorf sind wir nach Neu Delhi gefahren. Dort hat mein Vater den Schlepper kennengelernt, und der Schlepper hat [mir] einen falschen RP [Reisepass] gegeben, und ich bin dann nach Moskau geflogen. Dann bin ich mit einem anderen Schlepper [bin ich] über die Ukraine nach Österreich gekommen.

LA [Leiter der Amtshandlung]: Haben Sie nun all Ihre Fluchtgründe genannt?

VP: Ja.

LA: Was hätten Sie im Fall einer Rückkehr zu befürchten?

VP: Ich habe vor dieser Gruppe Angst.

LA: Wann waren die Demonstrationen?

VP: Anfang September 2015.

LA: Wie oft haben Sie an Demos teilgenommen?

VP: 5-6 Mal.

LA: Wann waren die Demos?

VP: Manchmal wurde 24 Stunden lang demonstriert.

LA: Sie haben 5-6 Mal teilgenommen, erzählen Sie jeweils, wann und wo demonstriert wurde und wie viele Leute beteiligt waren.

VP: Im September in Sangrur. Wir hatten eine Gruppe von 30-40 Personen.

LA: Weiter bitte.

VP: Wir sind von einem Dorf zum anderen Dorf gegangen und haben gegen die Regierung demonstriert, dass sie was gegen diese Leute unternehmen, die das heilige Buch verbrannt haben.

LA: Das war eine Demonstration, aber Sie haben angegeben, an 5-6 teilgenommen zu haben, was war noch?

VP: Ja, wir sind von einem Dorf zum anderen gegangen, das ist alles.

LA: Wie lange hat das gedauert?

VP: Eine Demonstration hat 12-14 Stunden gedauert.

LA: Wenn eine Demo 12-14 Stunden dauert, wann fanden die anderen Demos statt und wo?

VP: Die ersten 2-3 waren hintereinander. Befragt gebe ich an, das war eine Demonstration und 5-6 verschiedene Orte.

LA: Wo sind Sie hingegangen?

VP: Von Sangrur nach XXXX .

LA: Wie hat die Demo begonnen, wie hat sie geendet?

VP: Unsere Gruppe hat angefangen, gegen die Regierung zu demonstrieren, und am Nachmittag sind wir wieder zurück nach Hause gekommen, und so haben wir das jeden Tag gemacht.

LA: Wer hat die Demo organisiert?

VP: Eine Person aus unserem Dorf.

LA: Wie haben Sie davon erfahren?

VP: Im Sikh Tempel haben sie es am Lautsprecher gesagt.

LA: Wie hat die Demo geendet?

VP: Die andere Gruppe hat uns geschlagen, dann haben wir aufgehört.

LA: Kennen Sie die Leute, die Sie geschlagen haben?

VP: Nein, die sind von einer anderen Partei, wir kennen diese Leute nicht.

LA: Was meinen Sie mit andere Partei?

VP: Sie waren mit der indischen Regierung und der Polizei, sie haben gegen uns gearbeitet.

LA: Welcher Gruppierung gehören Sie an?

VP: Unsere Gruppe war gegen diese Leute, die das heilige Buch verbrannt haben.

LA: Welche Gruppe war das?

VP: Das waren Sikh, befragt gebe ich an, es gibt keine Namen.

LA: Was ist Ihnen konkret zugestoßen?

VP: Es hat mein Leben geändert, weil ich nicht als freier Mensch leben kann.

LA: Beschreiben Sie genau, was passiert ist bitte.

VP: Die haben uns mit Holzstangen geschlagen, und das nächste Mal haben sie Steine auf uns geworfen, und dann haben wir aufgehört.

LA: Wenn 30-40 Leute teilgenommen haben, warum wurden gerade Sie verfolgt?

VP: Die waren nicht nur hinter mir her, sondern es wurden alle geschlagen.

LA: Wo sind die anderen?

VP: Das weiß ich nicht, manche waren auch von einem anderen Dorf.

LA: Was wissen Sie über das heilige Buch?

VP: Es ist sehr heilig wie die Bibel, und unsere 10 Gurus haben es geschrieben.

LA: Geben Sie chronologisch alle Adressen an, an denen Sie bisher – also bis zu Ihrer Ausreise aus Ihrem Heimatland – aufhältig waren!

VP: In Sangrur im Dorf BHUTAR.

LA: Haben Sie versucht, an einen andern Ort zu ziehen in Indien?

VP: Nein.

LA: Warum nicht?

VP: Wir kennen niemanden in Indien.

LA: Haben Sie irgendetwas anderes unternommen, um Ihren Problemen zu entgehen, bevor Sie ausgereist sind?

VP: Nein.

LA: Warum nicht?

VP: Ich habe keine Kontakte dort.

LA: Sie waren in der Lage, eine schlepperunterstützte Ausreise zu organisieren, da hätten Sie sich auch an die Behörden wenden können.

VP: Diese Leute haben gute Beziehungen mit den indischen Behörden.

LA: Woher wissen Sie das?

VP: Die Polizei hat nichts gegen diese Leute unternommen.

LA: Woher wissen Sie das?

VP: Der Obmann von unserem Dorf hat uns das erzählt, dass er ein paar Mal zur Polizei gegangen ist, aber die machen nichts.

LA: Das war 2015, was hätten Sie nunmehr zu befürchten?

VP: Ich habe Angst vor den Leuten, wenn ich dort hingehe, habe ich Probleme.

LA: Warum?

VP: Vielleicht kommen sie drauf, dass ich dabei war bei der Demonstration.

LA: Sie gaben an, die Leute nicht zu kennen, sie sind einer von 30-40 aus der Gruppe, warum sollte man Sie verfolgen?

VP: Die kennen unser Dorf, deswegen.

LA: Erklären Sie das.

VP: Sie wissen, dass viele Leute von unserem Dorf teilgenommen haben, und sie kennen auch unseren Obmann.

LA: Hat der Obmann auch an der Demo teilgenommen?

VP: Ja. Er war Hauptmann in unserer Gruppe.

LA: Der Obmann war Hauptmann in der Gruppe und war bei der Polizei und kann dort leben und Sie nicht?

VP: Ich weiß nicht, wie es ihm geht.

LA: Wie heißt er und wo wohnt er?

VP: XXXX , er wohnt in Sangrur im Dorf XXXX . Genauer weiß ich es nicht.

LA: Wie viele Leute leben in dem Dorf?

VP: Sicher 600 – 700 Leute.

LA: Wissen Sie irgendetwas über die Angreifer?

VP: Nein.

LA: Wissen Sie etwas über die Leute, die das heilige Buch verbrannt haben?

VP: Viel weiß ich nicht, aber die sind immer mit der Polizei gekommen.

LA: Wohin sind die immer gekommen?

VP: Da wo wir teilgenommen haben an Demos.

[ ]

LA: Hatten Sie jemals Probleme mit den Behörden Ihres Heimatlandes?

VP: Ja.

LA: Welche Probleme hatten Sie?

VP: Wir haben immer gesagt, die sollen uns helfen, aber sie haben nichts unternommen. Sonst war nichts.

LA: Waren Sie jemals politisch tätig?

VP: Nein.

LA: Waren Sie jemals in Haft?

VP: Nein.

[ ]

LA: Sie haben in Ihrer Erstbefragung nichts von dem Heiligen Buch erzählt. Warum?

VP: Die haben mich nicht gefragt und hatten wenig Zeit.

LA: Sie haben in der EB [Erstbefragung] gesagt, sie hätten für ‚ihre Leute und Ihre Religion‘ gearbeitet, was haben sie damit gemeint?

VP: Die Demonstrationen.

[ ]

LA: Wer war bei der Demo anwesend?

VP: Leute von mehreren Dörfern.

LA: Wieso sollten die Leute Sie finden, wenn sie Sie nicht kennen?

VP: Weil sie unseren Obmann sehr gut kennen, und vielleicht wenn sie mich sehen, habe ich Probleme. [ ]"

Dem BF wurde laut Niederschrift die Möglichkeit gegeben, in das Länderinformationsblatt (der Staatendokumentation) Einsicht und gegebenenfalls schriftlich Stellung zu nehmen, worauf der verzichtete.

Im Verfahren vor dem BFA wurden seitens des BF keine Beweismittel oder Belege für seine Identität oder sein Fluchtvorbringen in Vorlage gebracht oder weitere Beweisanträge gestellt.

1.4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 02.02.2017 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 23.10.2015 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubhaft. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Indien. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse – im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen – glaubwürdig wäre.

Die Feststellungen zur Situation in Indien wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Zu seinem Fluchtvorbringen führte das BFA beweiswürdigend unter anderem aus (Auszug aus der Bescheidbegründung, Schreibfehler teilweise korrigiert):

" [ ] Ihre Angaben zu den mutmaßlichen Fluchtgründen waren allgemein und vage. Sie gaben an, an Demonstrationen teilgenommen zu haben, da in Sangrur das ‚Heilige Buch‘ verbrannt worden wäre. Sie wurden als Sikh von einer hinduistischen Gruppe geschlagen.

Ihre Schilderung war insgesamt emotionslos und detailarm und die Angaben über Ihre Teilnahme an den Demonstrationen widersprüchlich. Nach genauen Einzelheiten befragt konnten Sie keine konkreten Angaben tätigen.

Zunächst gaben Sie an, Anfang September 2015 mit dem Demonstrieren begonnen zu haben. Sie hätten fünf bis sechs Mal demonstriert. Aufgefordert zu berichten, wann genau diese Massenversammlungen stattgefunden haben sollen, erwiderten Sie, dass manchmal 24 Stunden lang demonstriert wurde. Sie wären von einem Dorf zum anderen gegangen und hätten gegen die Regierung demonstriert. Aufgefordert konkrete Angaben zu machen, meinten Sie, an einer 12 bis 14 stündigen Demonstration teilgenommen zu haben.

Nochmals befragt wann die weiteren Kundgebungen stattgefunden haben sollen, korrigierten Sie Ihre Angaben dahingehend, an einer Demonstration teilgenommen zu haben, die an fünf bis sechs Orten stattgefunden haben soll.

Nach Details befragt gaben Sie wiederum widersprüchlich hierzu an, ‚Ihre Gruppe‘ hätte angefangen zu demonstrieren und sei am Nachmittag nach Hause gegangen, so hätten Sie das ‚jeden Tag‘ gemacht.

Ihre Antworten waren unschlüssig, zumal Sie nicht mit Sicherheit angeben konnten, ob Sie nun an einer oder mehreren Demonstrationen teilgenommen hätten.

Sie behaupteten, von einer Gruppe Hindus angegriffen worden zu sein, gaben jedoch an, diese Leute nicht gekannt zu haben. Sie meinten, die vorgeblichen Angreifer gehörten einer anderen ‚Partei‘ an. Aufgefordert diese Bemerkung zu erläutern, gaben Sie an, die Leute hätten gegen Ihre Gruppe gearbeitet. Auch diese Angaben waren vage.

Sie konnten nicht plausibel erklären, woher Sie gewusst haben sollten, zu welcher ‚Gruppe‘ die Leute gehörten, wenn Sie sich nicht gekannt hätten. Sie konnten auch nicht angeben, weshalb gerade Sie einer Verfolgung ausgesetzt wären, wenn Sie behaupteten, 30 bis 40 Personen hätten an der Demonstration teilgenommen.

Unglaubwürdig ist auch Ihre Behauptung, dass der Initiator der Demonstration, der Obmann des Dorfes, im Stande gewesen sei, sowohl Hilfe bei den indischen Behörden zu suchen, als auch weiterhin in Indien, sogar im Herkunftsdorf zu leben, während Sie als einer von rund 40 Beteiligten einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sein sollen.

Schließlich gaben Sie an, geflohen zu sein, da Sie Angst gehabt hätten, die mutmaßlichen Angreifer könnten erfahren, dass Sie an der Demonstration teilgenommen hätten. Zuvor gaben Sie jedoch an, diese ‚Angreifer‘ hätten Sie bereits verfolgt. Demnach müssten die Personen bereits gewusst haben, wer Sie sind.

Sie gaben an, die indische Polizei würde nichts unternehmen. Dies wüssten Sie vom Obmann. Sie gaben an, die mutmaßlichen Angreifer wären von der Polizei begleitet worden. Die Behörde sieht darin keinen zwingenden Grund einer Zusammenarbeit mit den mutmaßlichen Gegnern der Demonstration. Wie aus dem LIB [Länderinformationsblatt] hervorgeht, können öffentliche Protestveranstaltungen zur Lahmlegung des gesamten öffentlichen Lebens führen, weshalb aus Sicherheitsgründen und zur Aufrechterhaltung des fließenden Fahrzeugverkehrs die Anwesenheit der Polizei gerechtfertigt erscheint.

Sie hätten sich vor Ihrer Ausreise an die indischen Behörden gewendet.

Sie zogen auch die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht in Betracht.

Das begründeten Sie damit, in Indien keine Kontakte zu haben. In Österreich haben Sie ebenso keine Angehörigen. Sie befinden sich in einem fremden Land, dessen Sprache Sie nicht kennen und in dem Sie keine Freunde und Bekannte haben. Es ist anzunehmen, dass ein innerstaatlicher Ortswechsel weniger umständlich gewesen wäre als eine schlepperunterstützte Ausreise. Sie waren offensichtlich in der Lage, diese Ausreise zu organisieren und zu finanzieren. Es ist davon auszugehen, dass Sie nicht willens waren, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.

Es existiert kein Meldewesen in Ihrem Heimatland, wie sich aus dem LIB zur Lage in Indien ergibt, sodass Ihnen jedenfalls die Möglichkeit offen steht, sich an einen anderen Ort in Ihrem Herkunftsstaat zu begeben, um Ihren angeblichen Problemen zu entgehen. Dass man gerade Sie in ganz Indien suchen und auch finden sollte, ist, wie erwähnt, widersprüchlich zur im LIB geschilderten allgemeinen Lage und somit aus Sicht der Behörde nicht glaubhaft.

Die von Ihnen genannten Verfolgungshandlungen beschränkten sich allenfalls auf einen regionalen Bereich.

Es ist Ihnen nicht gelungen, eine Verfolgung auf dem ganzen Staatsgebiet Indiens glaubhaft zu machen, da Sie sich, wie bereits erwähnt [und] wie sich aus den Feststellungen ergibt, in Indien außerhalb Ihrer engeren Heimat niederlassen können und Ihnen daher eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative offensteht. So gibt es kein Registrierungssystem, das Neuankömmlinge aus anderen Bundesstaaten erfasst, die Bürger haben häufig keine Ausweise, und die lokalen Polizeibehörden verfügen nicht über die Ressourcen oder über die Sprachkenntnisse, um die Lebensläufe der Neuankömmlinge und damit ihre Ursprungsregion zu überprüfen. Personen, die aus anderen Teilen Indiens zuziehen, werden nicht überprüft.

Abschließend ist zu erklären, dass Sie sich mit dem Verlassen Indiens dazu entschlossen hatten, die äußerste aller Möglichkeiten zu wählen, um Ihren vermeintlichen Problemen zu entgehen.

Aus Ihrer Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit im Rahmen der amtswegigen Prüfung ergibt sich keine Gefahr einer systematischen, landesweiten, staatlich geduldeten asylrelevanten Verfolgung. [ ]"

1.5. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seiner gewillkürten anwältlichen Vertreterin ohne Datum fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wegen "inhaltlich falscher Entscheidung und mangelhafter Verfahrensführung" ein.

Begründend wurde im Wesentlichen das knappe Fluchtvorbringen des BF zusammengefasst wiederholt. Das BFA hätte eine konkrete Einzelfallüberprüfung des Fluchtvorbringens vornehmen müssen, der BF habe eine Fülle von persönlichen Details geliefert und viele Einzelheiten vorgebracht. Die Beweiswürdigung des BFA erweise sich als "unbrauchbar".

Das Vorbringen des BF enthalte einen politisch-religiösen Kern und bringe einen erheblichen Mangel der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Heimatbehörden zum Ausdruck.

Der BF habe sich bereits in Österreich sozial und beruflich nach besten Kräften integriert, arbeite nach Gelegenheit als Zeitungszusteller und teile sich eine ortsübliche Unterkunft mit Freunden. Er habe sich in Österreich nichts zuschulden kommen lassen und nehme keine sozialen Geldhilfen in Anspruch. Er könne sich – wenn auch auf sehr einfachem Niveau – in der deutschen Sprache verständigen. Die geforderte Interessenabwägung iSd Art. 8 EMRK hätte somit zugunsten des BF ausgehen können.

Schließlich wurden Rechtsausführungen zur – im gegenständlichen Verfahren nicht relevanten – Frage der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsmittelfrist in Asylverfahren getätigt (worüber der Verfassungsgerichtshof im Übrigen zwischenzeitlich bereits abgesprochen hat) und unter anderem die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 24.10.2015 und der Einvernahme vor dem BFA am 06.12.2016 sowie die Beschwerde ohne Datum, eingebracht am 14.02.2017

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (offenbar Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Aktenseiten 66 bis

105)

Der BF hat im Verfahren vor dem BFA sowie vor dem BVwG keine Beweismittel für sein Fluchtvorbringen oder seine angegebene Identität vorgelegt.

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Nachfolgende Feststellungen wurden aufgrund der in Punkt 2. angeführten Beweismittel glaubhaft gemacht:

3.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist indischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Punjabi an, bekennt sich zur Religionsgemeinschaft der Sikhs und ist ledig. Er spricht neben Punjabi auch Hindi und Englisch. Der BF besuchte zwölf Jahre lang die Schule (Grundschule und Highschool). Seine Eltern und seine Geschwister (ein Bruder und eine Schwester) leben nach wie vor in Indien.

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

3.2.1. Der BF hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch aus politischen Gründen Probleme. Der BF war nicht politisch tätig und gehörte keiner politischen Partei an.

3.2.2. Der BF hat sein Vorbringen, dass er von einer "Gruppe" von Hindus verfolgt werde, weil er an Demonstrationen gegen eine Verbrennung eines heiligen Buches der Sikhs teilgenommen habe, nicht glaubhaft gemacht. Zumal auch bei Wahrunterstellung eine solche Bedrohung nicht asylrelevant wäre, konnten somit asylrelevante Gründe des BF für das Verlassen seines Heimatstaates nicht glaubhaft gemacht werden.

3.2.3. Es konnte vom BF nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Sinne des Punkt 3.2.2. ausgesetzt wäre.

3.3. Innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative:

Für den Fall der Wahrunterstellung seines Vorbringens steht dem BF eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative zur Verfügung.

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 03.03.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.08.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 03.03.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

(Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 09.01.2017)

Selbst bei Wahrunterstellung, dass der BF von einer Gruppe Hindus in seinem Heimatort verfolgt, ist nicht nachvollziehbar, warum sich der BF nicht einer solchen Verfolgung im Rahmen einer innerstaatlichen Fluchtalternative dauerhaft entziehen hätte können. Dies ergibt sich aus der einheitlichen Berichtslage.

Die Polizei ist mangels Meldewesens und Ausweispflicht nicht in der Lage, eine Person, die in Indien verzieht, zu finden, wenn es sich nicht um einen landesweit gesuchten Kriminellen handelt. Die Fahndung nach Menschen wird durch das Fehlen eines obligatorischen indienweiten Meldesystems und durch das Fehlen einer Ausweispflicht erheblich erschwert.

Umso weniger besteht eine reale Gefahr, dass eine Privatperson ihren indienweit verzogenen Feind finden kann. Die Einreise nach Indien ist dem BF jedenfalls möglich.

Diese Tatsache begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil (selbst) im Falle von Verfolgung oder strafrechtlicher Verfolgung, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss, und je nachdem, wie die individuellen Fähigkeiten wie z.B. Sprache, Kenntnisse und die körperliche Verfassung sind.

In Indien leben laut der letzten Volkszählung im Jahr 2011 im gesamten Land fast 21 Millionen Sikhs, das sind rund 1,7 % der indischen Bevölkerung. Sikhs bilden im Bundesstaat Punjab mit etwa 16 Millionen die Mehrheit.

Außerhalb des Punjab ist auch in fast allen anderen indischen Großstädten eine Gemeinschaft von Sikhs vertreten, da die Städte sehr multikulturell sind. Besonders große Sikh-Gemeinschaften gibt es etwa in Delhi und im Distrikt Udham Singh Nagar im Bundesstaat Uttarakhand sowie in den Bundesstaaten Jammu, Rajasthan, Haryana und Himachal Pradesh, welche an Punjab grenzen.

(ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Indien: Lage der Sikhs [a 9850-1 (9850)], 21.09.2016 (verfügbar auf ecoi.net) http://www.ecoi.net/local_link/329937/470995_de.html (Zugriff am 02.12.2016)

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit, sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.08.2016). Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

(Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 09.01.2017)

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

(Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 09.01.2017)

Da der BF – er ist relativ jung, im erwerbsfähigen Alter, männlich, bei guter Gesundheit und arbeitsfähig, hat zwölf Jahre die Schule besucht, spricht Punjabi als auch Hindi und ist daher auch sprachlich nicht lokal gebunden und verfügt über Berufserfahrung (als Zeitungszusteller, zumal in einem fremden Land mit fremder Kultur und fremder Sprache) – in Indien jedenfalls ein Fortkommen hat, ist es ihm auch zumutbar, einer allfälligen Verfolgung durch die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Flucht- bzw. Schutzalternative zu entgehen.

3.4. Zur Integration des BF in Österreich:

Dem BF steht in Österreich kein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylrechtes zu, und er hatte niemals ein anderes als das vorübergehende Aufenthaltsrecht als Asylwerber in Österreich.

Der BF hat keine hinsichtlich Art. 8 EMRK relevanten Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Allfällige freundschaftliche Beziehungen in Österreich sind erst zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem sich der BF seiner unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste.

Der BF besucht in Österreich keine Kurse, Schulen oder Universitäten. Er hat Deutschkenntnisse nicht belegt. Er ist nach eigenen Angaben in Österreich gelegentlich als Zeitungszusteller tätig.

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Das Vorliegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen ist nicht bekannt. Der BF ist irregulär in das Bundesgebiet eingereist.

Eine Integration des BF in Österreich in besonderem Ausmaß liegt nicht vor.

3.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

3.5.1. Auf Grund der Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF steht fest, dass es in diesem Staat die Todesstrafe gibt. Dass der BF einem diesbezüglich real bestehenden Risiko unterliegen würde, hat sich jedoch auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht ergeben und wurde vom BF auch nicht behauptet.

3.5.2 Zur allgemeinen Lage in Indien bzw. im Bundesstaat Punjab (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 09.01.2017, Schreibfehler teilweise korrigiert):

Überblick über die politische Lage:

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.08.2016, BBC 27.09.2016). Die – auch sprachliche – Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.09.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.04.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.08.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.08.2016).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.04.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.08.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.04.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Sicherheitslage:

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.08.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt, und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.04.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976, für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 09.01.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.08.2016).

Justiz:

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft, und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig lange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 16.08.2016; vgl. auch:

USDOS 13.04.2016). Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 24.04.2015).

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet, und der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums ergab mit 01.08.2015 eine Vakanz von 34% der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 13.04.2016). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 16.08.2016; vgl. auch: USDOS 13.04.2016).

Sicherheitsbehörden:

Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde (BICC 6.2016) und untersteht den Bundesstaaten (AA 16.08.2016). Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreicher nationaler Strafrechte und der zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department – CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und bundesstaatenübergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 6.2016).

Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter, außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 6.2016; vgl. auch: USDOS 13.04.2016). Die Polizei bleibt weiterhin überlastet, unterbezahlt und politischem Druck ausgesetzt, was in einigen Fällen zu Korruption führt. (USDOS 13.04.2016). Versprochene Polizeireformen verzögerten sich 2015 erneut (HRW 27.01.2016).

Die Effektivität der Strafverfolgung und der Sicherheitskräfte ist im gesamten Land sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während es einerseits Fälle von Polizisten/Beamten gibt, die auf allen Ebenen ungestraft handeln, so gab es andererseits auch Fälle, in denen Sicherheitsbeamte für ihre illegalen Handlungen zur Verantwortung gezogen wurden (USDOS 13.04.2016).

Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur im militärischen Sinne (BICC 6.2016). Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 16.08.2016; vgl. auch: BICC 6.2016), wie etwa beim Kampf gegen bewaffnete Aufständische, der Unterstützung der Polizei und der paramilitärischen Einheiten sowie dem Einsatz bei Naturkatastrophen (BICC 6.2016).

Für den Einsatz von Streitkräften – vor allem von Landstreitkräften – in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der "Armed Forces Special Powers Act" (AFSPA) herangezogen. Der AFSPA gibt den Streitkräften weitgehende Befugnisse zum Gebrauch tödlicher Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl. Bei ihren Aktionen genießen die Handelnden der Streitkräfte weitgehend Immunität vor Strafverfolgung. Der AFSPA kommt zur Anwendung, nachdem Regierungen der Bundesstaaten ihre Bundesstaaten oder nur Teile davon auf der Basis des "Disturbed Areas Act" zu "Unruhegebieten" erklären. Als Unruhegebiete gelten zurzeit der Bundesstaat Jammu und Kaschmir und die nordöstlichen Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Assam, Meghalaya, Manipur, Mizoram und Nagaland (AA 16.08.2016 vgl. USDOS 25.06.2015).

Die unter anderem auch in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten Indiens unterstehen zu weiten Teilen dem Innenministerium (AA 16.08.2016). Dazu zählen insbesondere die National Security Guard (Nationale Sicherheitspolizei NSG), eine aus Angehörigen des Heeres und der Polizei zusammengestellte Spezialtruppe für Personenschutz, auch als "Black Cat" bekannt, die Rahtriya Rifles, eine Spezialtruppe zum Schutz der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen bei inneren Unruhen und zur Bekämpfung von bewaffneten Rebellionen, die Central Reserve Police Force (CRPF) – die Bundesreservepolizei, eine militärisch ausgerüstete Polizeitruppe für Sondereinsätze –, die Border Security Force (BSF – Bundesgrenzschutz), als größte und am besten ausgestattete Miliz zum Schutz der Grenzen zu Pakistan, Bangladesh und Myanmar. Sie wird aber auch zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung in anderen Landesteilen eingesetzt. Weiters zählen die Assam Rifles – zuständig für Grenzverteidigung im Nordosten –, die Indo-Tibetan Border Force (ITBP) als Indo-Tibetische Grenzpolizei sowie die Küstenwache, die Railway Protective Force zum Schutz der nationalen Eisenbahn und die Central Industrial Security Force, zum Werkschutz der Staatsbetriebe dazu (ÖB 12.2016). Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.08.2016).

Die Grenzspezialkräfte ("Special Frontier Force)" unterstehen dem Büro des Premierministers. Die sogenannten Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten der Grenze zu China eingesetzt werden. Auch für das Handeln der Geheimdienste, das sogenannte Aufklärungsbüro ("Intelligence Bureau" – Inlandsgeheimdienst) und den Forschungs- und Analyseflügel ("Research and Analysis Wing" – Auslandsgeheimdienst), bestehen gesetzliche Grundlagen (AA 24.04.2015; vgl. auch USDOS 25.06.2015).

Der "Unlawful Activities (Prevention) Act" (UAPA) wurde verschärft. Die Änderungen beinhalten u.a. eine erweiterte Terrorismusdefinition und in Fällen mit Bezug zu Terrorismus die Möglichkeit zur Ausweitung der Untersuchungshaft ohne Anklage von 90 auf 180 Tage und erleichterte Regeln für den Beweis der Täterschaft eines Angeklagten (die faktisch einer Beweislastumkehr nahekommen) (AA 24.04.2015).

Allgemeine Menschenrechtslage:

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.08.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.08.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt.

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.04.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.08.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.08.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen dort, wo es interne Konflikte gibt, teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.04.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein, und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.04.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission – NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC-Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierungen, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.04.2016).

Bewegungsfreiheit:

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.04.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.08.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen, vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.04.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern. Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller – geboren in Jammu und Kaschmir –, darunter auch Kinder von Militäroffizieren, Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.08.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 03.03.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probl

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten