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43/01 Wehrrecht allgemein;Norm
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des W in S, vertreten durch Dr. Reinhard Schwarzkogler und Mag. Norbert Stiefmüller, Rechtsanwälte in 4650 Lambach, Marktplatz 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 2. November 1999, Zl. 600.499/2-2.7/99, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung von Kader- und Truppenübungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1966 geborene Beschwerdeführer hat in der Zeit vom 1. Oktober 1986 bis 31. März 1987 den Grundwehrdienst in der Dauer von sechs Monaten geleistet. Er ist gemäß § 28 Abs. 2 Wehrgesetz 1990 - WG zur Leistung von Truppenübungen und auf Grund einer freiwilligen Meldung zur Leistung von Kaderübungen verpflichtet.
Mit Bescheid des Militärkommandos Oberösterreich vom 24. Juli 1997 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 WG von einer (in der Zeit vom 9. bis 10. September 1997 stattfindenden) Kaderübung und von einer (vom 11. bis 20. September 1990 stattfindenden) Truppenübung aus besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen Gründen befristet befreit, weil er ein neu gegründetes Unternehmen in der Aufbauphase betreibe. Der Bescheid enthält die Mitteilung, dass der Beschwerdeführer alle Vorkehrungen zu treffen habe, damit er die nächste "Kader-/Truppenübung" ableisten könne.
Mit Schreiben vom 2. Mai 1999 beantragte der Beschwerdeführer die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des restlichen Präsenzdienstes aus wirtschaftlichen Gründen. Er verwies auf die im Jahre 1997 ausgesprochene befristete Befreiung und führte aus, dass sich die Gründe seither nicht oder nur unwesentlich geändert hätten und sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern würden. Sein Unternehmen sei ein 1-Mann-Betrieb. Es gebe keine Vertretung. Er erhalte die Aufträge sehr kurzfristig. Diese müssten innerhalb kürzester Zeit "geliefert" werden. Bei einem Ausfall von zwei Wochen würde er einen Umsatzverlust von S 110.000,-- erleiden. Zugleich würde Mitbewerbern die Chance geboten, an seine Stelle zu treten. Dies wäre für ihn existenzbedrohend. Von ihm beschäftigte Subunternehmen wären gleichfalls betroffen.
Im Rahmen seiner am 17. September 1999 durchgeführten niederschriftlichen Vernehmung zum Ergebnis der Beweisaufnahme führte der Beschwerdeführer aus, Dispositionen, wie sie im Bescheid des Militärkommandos Oberösterreich vom 24. Juli 1997 verlangt worden seien, seien für ihn nicht möglich, weil er von den Kunden immer persönlich verlangt werde. Es sei nicht möglich, einen Vertreter einzustellen, da dies ein Vertrauensbruch gegenüber den Kunden wäre.
Mit Bescheid vom 20. September 1999 wies das Militärkommando Oberösterreich den Antrag des Beschwerdeführers vom 2. Mai 1999 gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 WG ab. In der Begründung dieses Bescheides wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 12. Dezember 1994 das Gewerbe "Werbung und Marktkommunikation" angemeldet und betreibe das Unternehmen als Einzelunternehmer. Gegenstand des Unternehmens seien die visuelle Konzeption und die Gestaltung jeglicher Werbemittel (vorwiegend Plakate, Inserate, Broschüren, Direkt-Mails, etc.). Der Beschwerdeführer arbeite zu 95 % für Werbeagenturen. Er erteile Aufträge an zwei Subunternehmer. In rechtlicher Hinsicht führte das Militärkommando Oberösterreich aus, beim Beschwerdeführer lägen zwar wirtschaftliche Interessen vor, diese seien aber nicht besonders rücksichtswürdig. Der Beruf des Beschwerdeführers sei mit der Leistung der angeführten Präsenzdienstarten vereinbar. Die mit der Leistung von Kader- und Truppenübungen verbundenen Nachteile bedeuteten keine Existenzgefährdung des vom Beschwerdeführer betriebenen Unternehmens. Ein allfälliger Verdienstentgang des Beschwerdeführers werde durch die ihm zustehenden Ansprüche nach dem HGG 1992 jedenfalls teilweise abgedeckt. Die allenfalls darüber hinausgehenden Nachteile würden kein die wirtschaftliche Existenz des Beschwerdeführers gefährdendes Ausmaß erreichen, insbesondere wenn man in Rechnung stelle, dass durch die frühzeitige Versendung der Vorausverständigung und des Einberufungsbefehles die Möglichkeit gegeben werde, entsprechende wirtschaftliche Dispositionen rechtzeitig zu treffen. Besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen habe der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht und seien auch nicht erkennbar.
In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, für ihn als 1-Mann-Betrieb sei es in dieser Branche unerlässlich, "fast Tag und Nacht" für seine Kunden erreichbar zu sein. Er erhalte die Aufträge sehr kurzfristig und müsse diese auch kurzfristig ausführen. Er arbeite zu 70 % für eine "sehr große Firma". Sollte er für diese nicht erreichbar sein, würde ihn diese nicht mehr berücksichtigen und sämtliche Aufträge an einen anderen Werbegrafiker vergeben. Nur 2 % der selbständigen Grafiker übten den Beruf so aus wie er. Eine mehrtägige Abwesenheit von seinem Unternehmen sei existenzbedrohend. Er könne keinen Stellvertreter für diese Zeit einstellen, weil nur er der Ansprechpartner für seine Kunden sei. Eine Verletzung der Verpflichtung zur Harmonisierung seiner wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Präsenzdienstpflicht könne ihm nicht vorgeworfen werden. Im Hinblick auf die Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz im Falle der Ableistung von Kader- und Truppenübungen werde es zu finanziellen Engpässen in seiner Familie kommen und lägen darin auch besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung ihres Bescheides verwies die belangte Behörde auf die von der Erstbehörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen und führte aus, die wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers seien nicht besonders rücksichtswürdig. Hinsichtlich längerfristiger Aufträge könne der Beschwerdeführer im Hinblick auf die lange vor den Übungen erfolgende Vorverständigung und den Einberufungsbefehl rechtzeitig entsprechende Dispositionen für die verhältnismäßig kurze Dauer der Übungen treffen. Die wirtschaftlichen Nachteile, die im Zusammenhang mit kurzfristig erhaltenen Aufträgen entstehen könnten, würden zu keiner Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen. Eine solche Existenzgefährdung habe der Beschwerdeführer zwar in seiner Berufung behauptet, sein Vorbringen aber nicht konkretisiert. Die Behauptung, der Hauptkunde werde zur Gänze abwandern, sei in dieser Form nicht nachvollziehbar, weil die Möglichkeit gegeben sei, die Geschäftspartner rechtzeitig vor dem Übungstermin in Kenntnis zu setzen, und nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden könne, dass die verhältnismäßig kurze Abwesenheit während der Übungen nicht zu einer völligen Aufgabe der geschäftlichen Beziehungen seitens der Geschäftspartner führen werde. Für den Fall einer krankheitsbedingten Abwesenheit müsse der Beschwerdeführer gleichfalls entsprechende Vorkehrungen treffen. Es sei nicht anzunehmen, dass eine solche Abwesenheit zum Untergang des Unternehmens führen würde. Nach den Ausführungen des Beschwerdeführers dürfte ein Einzelunternehmer in der Werbebranche niemals auf Urlaub gehen, was gleichfalls unrealistisch erscheine. Die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers sei gut, wie der im Jahr 1998 erwirtschaftete Gewinn von über S 800.000,-- zeige. Die Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet Werbegrafikwirtschaft sowie eines Gutachtens eines Buchsachverständigen könne im Hinblick auf den festgestellten Sachverhalt unterbleiben. Familiäre Interessen seien nicht gegeben, weil die Existenzgrundlage der Familie ohnedies gesichert sei. Eine Unterstützungsbedürftigkeit seiner Familienangehörigen in gesundheitlicher Hinsicht oder hinsichtlich sonstiger lebenswichtiger Interessen sei nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 WG können taugliche Wehrpflichtige von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes - dazu zählen Truppen- und Kaderübungen gemäß § 27 Abs. 1 Z. 2 und 3 leg. cit. - befreit werden, wenn und so lange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.
Besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen an der Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung von Truppen- und Kaderübungen liegen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann vor, wenn - ungeachtet der Ungewissheit in Bezug auf ihre zeitliche Lagerung und Dauer - eine mit der Leistung einer solchen Übung verbundene Existenzgefährdung zu befürchten wäre (siehe dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 3. März 1989, Zl. 88/11/0108, vom 8. Mai 1990, Zl. 89/11/0188, vom 28. Februar 1995, Zl. 94/11/0239, und vom 1. Oktober 1996, Zl. 96/11/0252).
Der Beschwerdeführer wiederholt in der Beschwerde im Wesentlichen sein in der Berufung erstattetes Vorbringen und zieht aus dem vorgebrachten Sachverhalt den Schluss, dass seine Abwesenheit vom Unternehmen während einer Truppen- oder Kaderübung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führe. Er wirft der belangten Behörde in diesem Zusammenhang unrichtige rechtliche Beurteilung und die Verletzung von Verfahrensvorschriften vor.
Die zentrale Behauptung des Beschwerdeführers, dass ein - nicht näher bezeichneter - Hauptkunde ihn bei weiteren Aufträgen nicht mehr berücksichtigen würde, wenn er wegen der Abwesenheit während einer Übung nicht erreichbar sei, wurde nicht konkret begründet. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang mit Recht ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit, seine wichtigsten Geschäftspartner von seiner Abwesenheit während der Leistung einer Kader- oder Truppenübung rechtzeitig zu verständigen, und es widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein derart verständigter Geschäftspartner allein wegen der vorübergehenden Abwesenheit des Beschwerdeführers die Geschäftsverbindung beenden werde. Ein derart ungewöhnliches Verhalten eines Geschäftspartners des Wehrpflichtigen, für das es zudem keine konkreten Anhaltspunkte gibt, kann bei der Beurteilung einer allfälligen wirtschaftlichen Existenzgefährdung des Wehrpflichtigen durch die Abwesenheit während einer Truppen- und Kaderübung nicht zugrunde gelegt werden. Auszugehen ist vielmehr von einem gewöhnlichen Ablauf der Ereignisse, somit auch von einem üblichen Verhalten von Geschäftspartnern. In seinem Antrag vom 2. Mai 1999 hat der Beschwerdeführer einen Abbruch der Geschäftsbeziehung nicht behauptet oder befürchtet, sondern darauf hingewiesen, dass er Umsatzeinbußen erleide und Mitbewerbern eine Chance geboten werde, an seine Stelle zu treten. Die belangte Behörde hat auch mit Recht ins Treffen geführt, dass es auch andere Anlässe für eine mehrtägige Abwesenheit des Beschwerdeführers von seinem Unternehmen gebe, ohne dass deshalb schon eine Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz zu befürchten wäre, und zudem der im Jahre 1998 erwirtschaftete Gewinn und das Fehlen von Betriebsschulden gegen die Gefahr des Unterganges des Unternehmens infolge der Abwesenheit des Beschwerdeführers während einer Kader- oder Truppenübung sprechen.
Die Ausführungen der belangten Behörde betreffend die Verpflichtung jedes Wehrpflichtigen zur Harmonisierung seiner wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Erfüllung der Wehrpflicht, können nicht dahin verstanden werden, dass dem Beschwerdeführer die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit vorgeworfen wird. Die belangte Behörde hat vielmehr aus der genannten Harmonisierungspflicht abgeleitet, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich längerfristiger Aufträge entsprechende Dispositionen zu treffen habe (siehe S. 4 erster Absatz des angefochtenen Bescheides).
Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel, dass die belangte Behörde keine Gutachten von Sachverständigen aus den Fachgebieten der Werbegrafikwirtschaft und der Buchführung eingeholt und ihn nicht ergänzend vernommen habe. Daraus hätte sich ergeben, dass die Aufträge sehr kurzfristig erteilt werden, dass er zu 70 % für eine große Firma arbeite und für den Fall, dass er nicht erreichbar sei, von dieser Firma bei weiteren Aufträgen nicht mehr berücksichtigt werde.
Diesen Ausführungen ist zu erwidern, dass die belangte Behörde ohnedies davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer (auch) kurzfristig zu erfüllende Aufträge erhält. Sie hat auch ihren Ausführungen zugrunde gelegt, dass der Beschwerdeführer einen "Hauptkunden" habe, und ist demnach auch insoweit dem Vorbringen des Beschwerdeführers gefolgt. Was die Frage der Existenzgefährdung betrifft, wird auf die vorangegangenen Ausführungen hingewiesen. Die vom Beschwerdeführer vermissten Sachverständigengutachten waren demnach entbehrlich. Der Beschwerdeführer hatte im Verfahren ausreichend Gelegenheit, sein Vorbringen zu erstatten und seinen Standpunkt zu vertreten, sodass nicht erkennbar ist, welche konkreten Sachverhaltsfeststellungen seine ergänzende Vernehmung erbracht hätte. Auch die Beschwerde gibt darüber keinen Aufschluss.
Eine Verletzung der oben beschriebenen Harmonisierungspflicht hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nicht angelastet, sodass seine Ausführungen, dies käme einem Berufsverbot gleich, ins Leere gehen.
Der Beschwerdeführer meint, im Hinblick auf die Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz durch die Leistung von Kader- und Truppenübungen seien auch besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen gegeben, weil er seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommen könne.
Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer lediglich Auswirkungen der von ihm geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen auf, sodass es genügt, auf die vorangegangenen Ausführungen zu verweisen.
Besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann anzunehmen, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser wegen der präsendienstbedingten Abwesenheit nicht gewähren kann, und als Folge des Ausbleibens dieser Unterstützung in seiner Gesundheit oder in sonstigen lebenswichtigen Interessen gefährdet würde (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 8. Mai 1990, Zl. 89/11/0056, vom 30. April 1991, Zl. 90/11/0075, und vom 22. September 1995, Zl. 93/11/0079). Einen Sachverhalt in diesem Sinn hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der vorliegenden Beschwerde behauptet. Der Akteninhalt bietet dafür auch keinen Anhaltspunkt.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Mai 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999110370.X00Im RIS seit
20.11.2000