Entscheidungsdatum
01.02.2018Norm
AsylG 2005 §75 Abs20Spruch
W111 1437687-1/38E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Ukraine, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.08.2013, Zl. 13 04.986-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.11.2017, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 8 Asylgesetz 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 75 Abs. 20 1. Satz, 2. Fall und 2. Satz Asylgesetz 2005 idgF wird das Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Ukraine und der kurdischen Volksgruppe zugehörig, reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 17.04.2013 einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz. Zum Nachweis ihrer Identität legte die Beschwerdeführerin ihren ukrainischen Reisepass vor.
Im Rahmen ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 18.04.2013 führte die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen aus, sie habe in der Ukraine Probleme mit ihrer Familie, da ihr Ehemann und dessen Bruder schon längere Zeit im Streit stehen. Ihr Ehemann habe ihr deshalb geraten, das Land zu verlassen. Sie sei schließlich nach Österreich gereist, weil ihre beiden Söhne in Österreich aufhältig seien. Ihr Ehemann werde in nächster Zeit das kleine Haus verkaufen und ebenfalls nach Österreich reisen. Der Bruder ihres Mannes habe auch verlangt, dass ihre Söhne ihm Geld schicken sollten, ansonsten würde er sie, die Beschwerdeführerin, umbringen.
Gelegentlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 05.08.2013 gab die Beschwerdeführerin eingangs zu ihrem Gesundheitszustand an, in der Ukraine sei sie erfolgreich wegen Brustkrebs behandelt worden und seien diesbezüglich nur mehr Nachuntersuchungen notwendig.
Zu ihren persönlichen Verhältnissen befragt, brachte die Beschwerdeführerin vor, in Armenien geboren worden zu sein. Ihr Vater sei bereits vor längerer Zeit verstorben und ihre Mutter lebe noch in Armenien. In Armenien lebe auch noch ein Bruder, ein weiterer Bruder lebe in Russland. Sie habe auch zwei Schwestern, wobei eine ebenfalls in Russland lebe und die andere in Frankreich. Sie habe weder eine Schul- noch eine Berufsausbildung genossen und sie spreche nur Kurdisch. Im Alter von 15 Jahren habe sie ihren Ehemann traditionell und standesamtlich geheiratet. Im Jahr 1990 sei sie mit ihrem Ehemann und den beiden Söhnen in die Ukraine gezogen. Dort arbeite ihr Ehemann bei einer Straßenbaufirma und hätten sie zuletzt in einem kleinen Haus gelebt. Sie wisse nicht, seit wann sie ukrainische Staatsbürgerin sei.
Zu ihren Ausreisegründen führte die Beschwerdeführerin aus, ihr Schwager habe ihren Söhnen geholfen nach Österreich zu gelangen und dafür EUR 10.000,-verlangt. Der Schwager
habe ihren Söhnen geraten, sie sollten behaupten, dass die Mutter verstorben sei und dass er, der Schwager, ihr Vater sei. Nach zwei Jahren Aufenthalt der Söhne in Österreich habe er das Geld verlangt, aber ihre Söhne hätten sich zu dieser Zeit immer noch in der Grundversorgung befunden und daher das Geld nicht zahlen können. Daher habe der Schwager begonnen ihr zu drohen, dass er die Söhne wieder in die Ukraine bringe. Schließlich habe ihr Schwager erfahren, dass die Söhne "Papiere" erhalten hätten, weshalb er sehr zornig geworden sei. Er habe ihr im März 2013 zwei Mal zwei Männer nach Hause geschickt als ihr Ehemann nicht zu Hause gewesen sei. Daraufhin habe sie aus Angst bei den Nachbarn übernachtet.
Auf Nachfrage, was diese Männer bei ihr gemacht hätten, erklärte die Beschwerdeführerin, beim ersten Mal habe sie die Tür nicht aufgemacht, weshalb sie vom Schwager angerufen und mit dem Umbringen bedroht worden sei. Beim zweiten Mal habe sie die Tür aufgemacht, da sie nicht gewusst habe, dass es sich bei den Männern um die Leute ihres Schwagers gehandelt hätte. Die Männer hätten Geld verlangt, doch sie habe ihnen nichts geben können. Daraufhin hätten die Männer verlangt, dass die Söhne Geld schicken müssten. Aus Angst sei sie mitten im Gespräch in der Küche bewusstlos geworden. Befragt, was sie gemacht habe, nachdem sie wieder zu Bewusstsein gekommen sei, gab die Beschwerdeführerin an, sie habe ihrem Ehemann alles erzählt, woraufhin dieser ein neues Schloss an der Tür befestigt habe. Ihr Schwager sei vor einem Jahr in Österreich gewesen und habe Briefe an ihre Söhne geschickt. Auch in den Briefen habe er gedroht sie umzubringen, wenn er kein Geld von den Söhnen erhalte. Sie wisse aber nicht, wo sich diese Briefe befänden.
Die Frage, ob sie sich wegen ihren Problemen an die Polizei gewandt habe, verneinte die Beschwerdeführerin. Ihr Ehemann habe ihr davon abgeraten, da der Schwager bereits über 70 Jahre alt sei und es deshalb nicht gut gewesen wäre, wenn sie die Polizei eingeschaltet hätte. Auf Vorhalt, dass dies nicht glaubwürdig sei, erwiderte die Beschwerdeführerin, ihr Ehemann habe auch gemeint, ohne Beweismittel mache eine Anzeige keinen Sinn. Da auf dem Drohbrief kein Absender angeführt gewesen sei, habe sie auch diesen nicht als Beweismittel in Betracht gezogen.
Die Beschwerdeführerin brachte weiters vor, auch ihr Ehemann habe Probleme in der Ukraine und wolle ausreisen; er mache sich Sorgen, dass auch er bald von seinem Bruder bedroht werde. Auf Nachfrage, ob es konkrete Übergriffe auf ihn gegeben habe, antwortete sie, nur sie sei bedroht worden. Auf Vorhalt, warum nur sie bedroht worden wäre, erklärte die Beschwerdeführerin, der Schwager habe zu ihrem Ehemann gesagt, dass er sich auch für ihn etwas einfallen lassen werde, wenn er sein Geld nicht erhalte.
Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst vor ihrem Schwager; in Österreich fühle sie sich sicher und die medizinische Behandlung sei auch besser. Auf Vorhalt, dass ihr Schwager bereits einmal in Österreich gewesen sei und auch jederzeit wieder kommen könnte, entgegnete die Beschwerdeführerin, sie wisse nicht, wo er sich jetzt aufhalte, doch in Österreich seien ihre Söhne und fühle sie sich hier sicher.
In Österreich lebe sie von den Leistungen im Rahmen der Grundversorgung und wohne bei ihren Söhnen. Sie besuche keinen Deutschkurs und sei kein Mitglied in einem Verein. Sie gehe keiner Beschäftigung nach und absolviere keine Ausbildung. Abgesehen von den beiden Söhnen, habe sie keine Familienangehörigen in Österreich. Ihre Söhne erhalten ebenfalls Leistungen aus der Grundversorgung.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.08.2013 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen und dieser der Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine (Spruchpunkt II.) nicht zuerkannt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurde die Genannte aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es sei glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin ihren Herkunftsstaat verlassen habe, um bei ihren Söhnen zu leben. Es sei jedoch nicht glaubhaft, dass sie von ihrem Schwager bedroht worden sei. So habe die Beschwerdeführerin keinerlei Beweismittel vorlegen können, obwohl der Schwager Drohbriefe verschickt hätte. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass der Schwager von einer Hausfrau das Geld verlangt habe oder dass die Beschwerdeführerin aufgrund des hohen Alters des Schwagers auf eine Anzeige verzichtet habe. Darüber hinaus halte sich der Ehemann der Beschwerdeführerin weiterhin im Herkunftsstaat auf. Da der Beschwerdeführerin keine Verfolgung drohe, sie über Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat verfüge und an keiner lebensbedrohenden Erkrankung leide, sei davon auszugehen, dass ihr keine Gefahren drohen würden, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Hinsichtlich der Ausweisungsentscheidung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe bereits seit sechs Jahren von ihren volljährigen Söhnen getrennt gelebt und seither kein gemeinsames Familienleben geführt. Die Beschwerdeführerin lebe erst seit April 2013 im gemeinsamen Haushalt mit ihren Söhnen und spreche diese kurze Aufenthaltsdauer gegen eine intensive familiäre Bindung. Eine Ausweisung würde daher auch im Hinblick auf ihre sonstige Integration keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin bedeuten.
3. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 03.09.2013 Beschwerde erhoben. In dieser wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter ausgeführt, die belangte Behörde habe es unterlassen zu überprüfen, ob die Beschwerdeführerin der ukrainischen Sprache mächtig sei. Die Beschwerdeführerin habe nämlich "in der kurzen Zeit ihres Aufenthaltes" in der Ukraine niemals die ukrainische Sprache erlernt und wäre somit nicht in der Lage gewesen, ihre Situation der Polizei zu erklären. Weiters habe es die belangte Behörde unterlassen, die zwei in Österreich lebenden Söhne der Beschwerdeführerin als Zeugen zur Bedrohungssituation der Beschwerdeführerin einzuvernehmen. Zudem gebe es in den Asylakten der Söhne als auch in dem gegen die Söhne geführten Strafverfahren genügend Hinweise darauf, dass zumindest die Söhne massiv zur Herausgabe des Geldes gedrängt worden seien. Der Onkel bzw. Schwager habe auch nicht davor zurückgeschreckt, einen Brief an die Polizei in Österreich zu schreiben, damit die Söhne ihren Aufenthaltstitel verlieren würden. Die Söhne der Beschwerdeführerin lebten mit deren Familien in Österreich, verfügen über eine Niederlassungsbewilligung und seien bestens integriert. Die Beschwerdeführerin lebe im Familienkreis und werde von ihren Söhnen unterstützt.
4. Am 25.11.2014 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Die Beschwerdeführerin gab im Beisein ihres Sohnes als Vertrauensperson eingangs an, sie habe im bisherigen Verfahren die Wahrheit angegeben und habe keine Ergänzungen oder Richtigstellungen vorzunehmen. Zu ihren Gesundheitszustand führte sie aus, aufgrund ihrer in der Ukraine behandelten Brustkrebserkrankung müsse sie auch weiterhin regelmäßig ärztliche Kontrollen durchführen. Sie nehme jedoch keinerlei Medikamente ein.
Zu ihren persönlichen Verhältnissen brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei traditionell verheiratet und lebe ihr Ehemann in der Ukraine. Sonst lebten noch weitschichtige Verwandte und ein Bruder ihres Ehemannes in der Ukraine. Ihre Mutter, zwei Brüder und eine Schwester lebten in Armenien; wo die andere Schwester lebe, wisse sie nicht. Ihr Vater sei bereits verstorben. Nach Vorhalt, sie habe vor dem Bundesasylamt angegeben, dass ihre Brüder in Russland und eine Schwester in Frankreich lebe, erwiderte die Beschwerdeführerin, hinsichtlich ihrer Schwester habe sie nie konkret gesagt, dass diese in Frankreich lebe. Ihre Brüder lebten momentan in Armenien. Ihre Söhne lebten in XXXX und ihre Tochter in XXXX. Sie sei ukrainische Staatsangehörige, gehöre der Volksgruppen der Kurden und der Religionsgemeinschaft der Jesiden an. Nach Vorhalt, dass im bisherigen Verfahren hinsichtlich des Religionsbekenntnisses Islam festgehalten worden sei, entgegnete die Beschwerdeführerin, dies sei falsch. Die Beschwerdeführerin erklärte weiters, sie habe nie eine Schule besucht, sei daher Analphabetin und sie spreche nur jesidisch. Über Nachfrage bei der Dolmetscherin, in welcher Sprache sie mit der Beschwerdeführerin kommuniziere, erklärte diese, mit der Beschwerdeführerin Kurmanci zu sprechen. Befragt, warum sie weder Russisch noch Armenisch spreche, wenn sie in Armenien aufgewachsen sei, gab die Beschwerdeführerin an, sie spreche selbstverständlich Armenisch und sie spreche auch ausreichend gut Russisch, da sie im russischsprachigen Teil der Ukraine gelebt habe. Nach Vorhalt, warum in der Beschwerdeschrift im Gegensatz dazu ausgeführt worden sei, dass sie sich in der Ukraine nicht ausreichend artikulieren hätte können, entgegnete die Beschwerdeführerin, sie könne sich dies nicht erklären, da sie sich immer ausreichend verständigen habe können. In der Ukraine habe sie immer in XXXX gelebt und lebe ihr Ehemann dort immer noch im eigenen Haus. Ihr Ehemann habe sich um den Lebensunterhalt der Familie gekümmert.
Über Nachfrage brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei im Herkunftsstaat weder wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit noch aus religiösen Gründen verfolgt worden. Sie habe sich auch niemals politisch betätigt.
Befragt, wo der besagte Schwager lebe, gab die Beschwerdeführerin an, dieser habe zuerst in Deutschland gelebt und sei dann nach Armenien zurückgekehrt. Dort habe er sich von seiner Frau getrennt und sei in die Ukraine gekommen, wo er drei Jahre bei ihnen gelebt habe. Im Jahr 2007 sei er mit ihren Söhnen nach Österreich gereist. Mittlerweile wohne er wieder in der Ukraine, den genauen Wohnort kenne sie nicht. Über Nachfrage, woher sie wisse, dass er wieder in der Ukraine lebe, erklärte die Beschwerdeführerin, vor etwa sechs Monaten habe ihr dies ihre Cousine mitgeteilt. Der besagte Schwager sei etwa 77 Jahre alt und Pensionist; früher habe er für den KGB gearbeitet. Seine Exfrau und die Kinder lebten in Georgien. Ihr Ehemann habe seit vier Jahren, als der Schwager damals die Leute zu ihr geschickt habe, keinerlei Kontakt zu seinem Bruder.
Über Nachfrage, warum sie glaube, dass ihr Schwager über genügend Einfluss verfüge, um nach ihren Leben zu trachten, antwortete die Beschwerdeführerin, ihr Schwager besitze nichts in der Ukraine, warum er sie bedrohe, wisse sie nicht. Auf nochmalige Nachfrage, erklärte die Beschwerdeführerin, er habe Geld von jemand gebraucht.
Befragt, wann sie das erste Mal von ihrem Schwager bedroht worden sei, führte die Beschwerdeführerin aus, die erste Bedrohung sei im April 2013 vorgefallen. Er habe an die Tür geklopft und als sie aufgemacht habe, sei er dort mit zwei seiner Männer gestanden. Die
Beschwerdeführerin korrigierte ihre Angaben sogleich dahingehend, dass sie die Tür nicht aufgemacht habe. Sie habe aber gehört, dass er Geld gefordert habe. Sie habe ihm durch die geschlossene Tür erklärt, dass sie kein Geld habe und daraufhin sei er weggegangen. Eine Woche später habe er sie angerufen und ihr mitgeteilt, dass er Geld brauche und ihre Kinder in Europa arbeiten würden. Sie erwiderte ihm, dass sie selbst auch kein Geld von ihren Kindern bekäme und ihm deshalb keines zukommen lassen könnte. Sodann habe er gedroht, ihr etwas anzutun, wenn er kein Geld erhalte. Sie habe den Hörer ihrem Ehemann weitergereicht und habe dieser seinen Bruder gefragt, was er wolle. Der Schwager habe wiederholt, dass er Geld brauche und habe anschließend ihren Ehemann gedroht, dass er ihr etwas antun würde.
Die Beschwerdeführerin gab weiters an, in Österreich bislang keine Berufstätigkeiten oder ehrenamtlichen Tätigkeiten ausgeübt zu haben. Sie lebe daher von den Leistungen im Rahmen der Grundversorgung und werde von ihren Kindern finanziell unterstützt. Sie lebe seit ihrer Einreise im gemeinsamen Haushalt mit ihrem älteren Sohn und dessen Familie. Ihr Sohn sei derzeit arbeitslos und dessen Ehefrau kümmere sich um die Kinder. Ihren anderen Sohn besuche sie ein bis zwei Mal in der Woche. Auch er sei derzeit arbeitslos und dessen Frau kümmere sich um die Kinder. Ihre Tochter habe sie seit einem Jahr nicht mehr gesehen. Sie sei Hausfrau und der Schwiegersohn arbeite nicht, da er keine Papiere habe. Sie sei nicht in der Lage auch körperlich anstrengende Arbeiten zu übernehmen, da sie operiert worden sei und Probleme mit den Schultern und dem Hals habe. Sie habe bislang keinen Deutschkurs oder sonstige Ausbildungsmaßnahmen besucht. Ihren Alltag verbringe sie damit, für die Familie zu kochen und die Enkelkinder zu betreuen. Sie habe nur mit ihrer Familie Kontakt und kenne sonst niemanden. Sie sei auch kein Mitglied in einem Verein.
In weiterer Folge wurde im Einverständnis der Beschwerdeführerin der anwesende Sohn als Zeuge einvernommen.
Die Frage, ob es seit der Einreise der Beschwerdeführerin im April 2013 zu Drohungen gegenüber der Familie im Zusammenhang mit seinem Onkel gekommen sei, verneinte der Zeuge. Er habe auch sonst seit der Ausreise seines Onkels aus Österreich im Jahr 2009 keinerlei Kontakt zu diesem gehabt. Einmal habe sich der besagte Onkel wegen Geld an seinen Bruder gewandt. Er habe auch keine Drohungen des Onkels gegenüber seinen Eltern wahrgenommen, da er sich selbst in Österreich aufgehalten habe.
5. Die Beschwerde wurde in weiterer Folge mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.03.2016, Zl. W190 1437687-1/20E, gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
6. Mit Schreiben vom 18.04.2016 wurde die Beschwerdeführerin im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - unter Anschluss eines diesbezüglichen Fragenkatalogs sowie aktueller Feststellungen zur Situation in deren Herkunftsstaat - zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme zu Aspekten ihres Privat- und Familienlebens im Rahmen des Parteiengehörs aufgefordert.
Mit Eingabe vom 04.05.2016 wurde durch den rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin eine bezughabende Stellungnahme eingebracht. Darin wurde zusammenfassend ausgeführt, die Beschwerdeführerin halte sich seit April 2013 durchgehend in Österreich auf. In Österreich würden ihre beiden Söhne, ihre Schwiegertöchter und ihre fünf Enkelkinder leben, welche alle über Rot Weiß Rot-Karten Plus verfügen würden. Die Beschwerdeführerin lebe mit einem ihrer Söhne und dessen Familie im gleichen Haushalt, sie beziehe Grundversorgung in der Höhe von EUR 200,-, doch reiche dieser Betrag nicht zur Bestreitung der Lebenskosten aus; für den Rest würden ihre beiden Söhne aufkommen. Eine besondere Bindung zu Österreich bestünde aufgrund ihrer hier aufwachsenden Enkelkinder, an deren Betreuung die Beschwerdeführerin mitwirke. Die 54-jährige Beschwerdeführerin habe keine Schulbildung absolviert und sei Analphabetin. Sie könne Deutsch verstehen und ein wenig sprechen, schreiben und lesen könne sie weder auf Deutsch, noch auf Russisch. Die Beschwerdeführerin ginge keiner Arbeit nach; sie passe untertags auf ihre Enkelkinder auf, wodurch die Schwiegertöchter zumindest stundenweise zur Arbeit gehen könnten. Die Sicherheitslage in der Ukraine habe sich seit Erlassung des Bescheides dramatisch verschlechtert. Die Lage in der Herkunftsregion der Beschwerdeführerin sei derart gefährlich, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Ausweisung deren Rechte nach Art 2, 3 EMRK verletzen würde. Die Beschwerdeführerin stamme aus der Stadt XXXX im Osten der Ukraine, welche von einer bürgerkriegsähnlichen Lage betroffen sei, wie sich aus den durch die Behörde übermittelten Länderberichten ergebe. Es müsse als absolut unzulässig erachtet werden, eine fast 60 Jahre alte Frau in ein Kriegsgebiet zurück zu bringen, hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass deren Lebensunterhalt im Falle einer Rückkehr als nicht gesichert erachtet werden müsse. Die Beschwerdeführerin erhalte eine äußert geringe Pension, welche zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts nicht ausreichen würde und sei aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation nicht mehr dazu in der Lage, einer Arbeit nachzugehen. Eine Übersiedlung in einen anderen Landesteil wäre der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer persönlichen Lage in Zusammenschau mit der instabilen Situation in ihrem Herkunftsland nicht möglich.
7. Mit im fortgesetzten Verfahren ergangenen Bescheid vom 30.06.2016 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass der beschwerdeführenden Partei ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt wird. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, erlassen. Unter einem wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist, die Frist für die freiwillige Ausreise der beschwerdeführenden Partei wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Die Behörde legte ihrer Entscheidung einen allgemeinen Ländervorhalt zur Situation in der Ukraine zugrunde. Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass im Falle der beschwerdeführenden Partei trotz der in Österreich vorhandenen familiären Anknüpfungspunkte keine Umstände erkennbar gewesen seien, die auf eine außergewöhnliche Integration schließen ließen und gesamtbetrachtend das öffentliche Interesse an einer Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin überwiege. Die Beschwerdeführerin verfüge in ihrem Herkunftsstaat durch ihren nach wie vor dort aufhältigen Ehemann über familiäre Anknüpfungspunkte sowie über eine Wohnmöglichkeit und stünde ihr im Bedarfsfall Zugang zu medizinsicher Versorgung offen. Zum Entscheidungszeitpunkt sei überdies gegenüber der erst kürzlich ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, entsprechend den behördlichen Länderfeststellungen, keine Verschlechterung der allgemeinen tatsächlichen Gegebenheiten im Heimatstaat der Beschwerdeführerin hervorgekommen.
8. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 13.07.2016 fristgerecht Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Begründend wurde insbesondere ausgeführt, der VwGH habe zuletzt in seiner Entscheidung vom 16.12.2015, Ra 2015/21/0119, erkannt, dass bei einer Konstellation nach § 75 Abs 20 AsylG die Feststellung bezüglich der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat regelmäßige Konsequenz der Nichtgewährung von Asyl und subsidiärem Schutz wäre. Die Behörde könne sich dem BVwG diesbezüglich jedoch nur bei unveränderter Sachlage anschließen. Stünde hingegen eine maßgebliche Verschlechterung der Verhältnisse im Raum, so sei eine Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob eine Abschiebung in den Herkunftsstaat vor dem Hintergrund des Art. 3 EMRK noch zulässig wäre. Diese eindeutige Judikatur habe die belangte Behörde jedoch vollkommen ignoriert. Die seitens der gewillkürten Vertretung der Beschwerdeführerin eingebrachte Stellungnahme sei durch die Behörde in ihrer Entscheidungsfindung unberücksichtigt geblieben. Alleine aufgrund der vorliegenden Länderberichte zu XXXX und der Judikatur zur Rückkehrgefährdung müsse von einer realen Gefahr einer Verletzung der Artikel 2 und 3 EMRK ausgegangen werden. Am Wohnort der Beschwerdeführerin tobe ein brutaler Bürgerkrieg, was sich aus den seitens der Behörde herangezogenen Länderberichten ableiten ließe. Es müsse als absolut unzulässig erachtet werden, eine fast 60-jährige Frau in ein Kriegsgebiet zurückzubringen, zumal auch von einem nichtgesicherten Lebensunterhalt in diesem Falle auszugehen wäre. Hätte die Behörde kein willkürliches Verfahren geführt, so hätte sie feststellen müssen, dass aufgrund des in der Ukraine herrschenden innerstaatlichen Konfliktes und der massiven Anzahl an innerstaatlichen Flüchtlingen im Falle einer Rückkehr eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, 3 EMRK gegeben sei. Aus diesem Grund würden die Anträge gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerdeführerin einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen, in eventu feststellen, dass eine Rückkehr in die Ukraine dauerhaft unzulässig sei, in eventu das Verfahren zur Ergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückzuverweisen.
9. Die bezughabende Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 21.07.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
10. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.12.2016, Zl. Ra 2016/20/0098-9, wurde das in Revision gezogene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.03.2016 in seinem Spruchteil A) I., soweit der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt wurde, aufgrund Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. In Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten wurde die Revision zurückgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof führte begründend insbesondere aus, die Revision habe zutreffend aufgezeigt, dass angesichts der ab 2014 hervorgerufenen instabilen Konfliktlage in der Ostukraine, aus welcher die Beschwerdeführerin ihren diesbezüglichen, seitens des Bundesverwaltungsgerichts nicht näher beurteilten, Angaben zufolge stamme, die im Hinblick auf diese Region herangezogenen, im Zeitpunkt der Entscheidung annähernd zwei Jahre alten, Länderberichte nicht die nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung erforderliche Aktualität aufweisen würden. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Bundesverwaltungsgericht - sollte die Beschwerdeführerin tatsächlich wie von ihr behauptet aus der Ostukraine stammen, was im fortgesetzten Verfahren festzustellen sein werde - bei der Berücksichtigung aktuellen Berichtsmaterials ein anderes Verfahrensergebnis im Hinblick auf die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten erzielt hätte, sei das angefochtene Erkenntnis infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben gewesen.
11. Da somit das Verfahren gegen die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. des Bescheids des Bundesasylamtes vom 20.08.2013 (Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten sowie Verfügung der Ausweisung in die Ukraine gemäß § 10 AsylG aF) wieder vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig wurde, wurde der am 30.06.2016 im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ergangene Bescheid mit hg. Entscheidung vom 24.01.2017 zu Zl. W103 1437687-2/3E gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG behoben.
12. Am 30.11.2017 fand im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung zur Erhebung des entscheidungsmaßgeblichen Sachverhalts statt, an welcher die Beschwerdeführerin, ihr rechtsfreundlicher Vertreter, die Schwiegertochter der Beschwerdeführerin als ihre Begleitperson sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Kurmanchi teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war ordnungsgemäß geladen worden, verzichtete jedoch auf eine Teilnahme an der Verhandlung.
Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung gestalteten sich wie folgt:
"(...)
R: Möchten Sie Ihrem bisherigen Vorbringen etwas hinzufügen oder korrigieren?
BF: Nein. Ich habe alles richtig und vollständig angegeben.
R: Hat sich hinsichtlich Ihres Fluchtvorbringens etwas geändert?
BF: Nein.
R: Schildern Sie in kurzen Worten Ihren Lebenslauf bis zu Ihrer Ausreise aus der Ukraine.
BF: Ich bin Armenien in der Ortschaft XXXX geboren. Als ich geheiratet habe, bin ich 1990 in die Ukraine gezogen. Mein Mann war auch kurdischer Armenier und wir sind einige Zeit nach der Hochzeit in die Ukraine übersiedelt, weil mein Mann dort Arbeit gefunden hatte. Zu dieser Zeit hatten wir bereits drei Kinder. Wir zogen in die Region Donezk, in die Ortschaft XXXX. Ich habe mit meinen Kindern auf dem Feld gearbeitet. Mein Ehemann hat als Chauffeur gearbeitet. Zuerst mieteten wir ein Haus, bei dem auch ein Feld dabei war, diese Liegenschaft haben wir dann ca. Mitte der 90er-Jahre gekauft. Wir hatten auch Tiere. Mitte der 2000er Jahre sind meine Kinder nach Österreich gegangen. Ich bin im Jahre 2013 auch nach Österreich gekommen.
R: Wer Ihrer nächsten Verwandten wohnt gegenwärtig in der Ukraine und wo?
BF: Mein Ehemann. Er wohnt in dem Haus, von dem ich vorher erzählt habe. Das Haus befindet sich am Rande von XXXX. Abgesehen von meinem Mann habe ich keine Verwandten mehr in der Ukraine.
R: Wo lebt Ihre Tochter und wie heißt sie?
BF: Ihr Name ist XXXX. Sie ist nach Russland gegangen. Vor vier oder fünf Jahren hat sie Österreich verlassen. Sie hat drei Kinder, ist 36 Jahre alt und verheiratet.
R: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt mit Ihrem Ehemann?
BF: Er ruft bei uns mehrfach in der Woche an, primär möchte er allerdings mit seinen Enkelkindern reden.
R: Wie sind die Lebensumstände, unter denen er in XXXX lebt?
BF: Er arbeitet und es geht ihm gut.
R: In welchem Zustand ist sein Haus?
BF: Das Haus ist klein und alt und dementsprechend in einem schlechten Zustand, aber es steht noch. Durch die Kriegshandlungen in der Region wurde das Haus aber nicht beschädigt.
R: Nach den vorliegenden Informationen wurde die Stadt XXXX nach einer Besetzung durch prorussische Separatisten im Jahre 2014 von den ukrainischen Streitkräften rückerobert.
BF: Ja, das kann ich bestätigen.
R: Haben Sie Informationen über die Zustände in der Stadt XXXX?
BF: Es wurden viele Häuser zerstört und auch viele Menschen sind weggezogen. Aber die Versorgung mit Lebensmittel und Wasser und die medizinische Grundversorgung funktioniert.
R: Wovon lebt Ihr Mann?
BF: Er arbeitet als Chauffeur beim Straßenbau.
R: Wie ist das Verhältnis zu Ihrem Mann?
BF: Vorher war es gut, aber jetzt, weil ich hier bin, haben wir uns etwas auseinander gelebt, aber unser Verhältnis ist immer noch aufrecht. Einen Streit gab es nicht.
R: Sie haben viele Jahre in der Ukraine gelebt, welche Sprachen der Ukraine sprechen Sie?
BF: Ein bisschen ukrainisch, weil ich meistens zu Hause war. Russisch spreche ich nicht sehr gut. Meine Sprachkenntnisse, speziell in der russischen Sprache, waren aber ausreichend, dass ich den Alltag problemlos bewältigen konnte.
R: Sind Sie arbeitsfähig?
BF: Ja.
R: Leiden Sie unter schweren oder chronischen Krankheiten?
BF: Ich hatte drei Brustoperationen, weil man ein Karzinom befürchtete, es stellte sich aber heraus, dass es sich um gutartige Gewächse gehandelt hat. Ich habe Schmerzen im Knie, aber dafür gehe ich zum Therapeuten. Ich mache eine Physiotherapie, aber meine Beschwerden hindern mich nicht am Gehen. Operationen diesbezüglich sind gegenwärtig nicht notwendig. Nachgefragt gebe ich an, dass ich altersentsprechend gesund bin.
R: Schildern Sie mir bitte Ihre Lebensumstände hier in Österreich.
BF: Ich wohne bei meinem Sohn XXXX, meine Schwiegertochter XXXX und den drei Enkelkindern. Ich helfe bei der Kinderbetreuung, bringe die Kinder in die Schule und hole sie ab. Mein Sohn arbeitet. Er ist selbständig und hat eine eigene Werkstätte. Seine Werkstätte hat ungefähr 100 Quadratmeter und ich glaube, dass er zwei Angestellt hat. Die Schwiegertochter ist zu Hause. Ich helfe auch meiner anderen Schwiegertochter XXXX. Sie hat zwei Kinder. Sie ist Jungdesignerin.
R: Wovon bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?
BF: Die Kinder unterstützen mich. Nachgefragt gebe ich an, dass ich monatlich 200 Euro von öffentlicher Seite erhalte. Ansonsten habe ich keine Unterstützungen durch die öffentliche Hand.
R: Sprechen Sie Deutsch?
BF: Nein.
R: Haben Sie Deutschkurse besucht bzw. Prüfungen absolviert?
BF: Nein.
R: Sind Sie in Österreich vorbestraft?
BF: Nein.
R: Haben Sie Kontakt zu in Österreich lebenden Personen außerhalb Ihrer Familie?
BF: Eigentlich nicht. Hie und da wechsle ich ein paar Worte mit den Nachbarn, aber grundsätzlich habe ich keine näheren Bekannte oder Freunde in Österreich.
R: Gesetzt den Fall, Sie müssten in die Ukraine zurückkehren, wie würden Ihre Lebensumstände sein?
BF: Meine Kinder sind alle hier. In der Ukraine wäre ich allein. Ich habe dort niemanden.
R: Ihr Mann ist doch dort.
BF: Ich möchte bei den Kindern bleiben.
R: Aber Sie hätten vermutlich eine Unterkunft bei Ihrem Mann?
BF: Ja. Aber da mein Mann als Chauffeur viel unterwegs ist, wäre ich oft alleine und hier habe ich meine restliche Familie.
R: Ich lege Ihnen die vorliegenden Länderberichte über die Ukraine vor. Dies sind das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, sowie ein kurzer Auszug aus Wikipedia zur Stadt XXXX. Möchten Sie je ein Exemplar haben bzw. eine Stellungnahme dazu abgeben?
BF: Ich verzichte auf die Aushändigung der Länderberichte und verzichte ebenso auf eine Stellungnahme.
Festgehalten wird, dass ein Exemplar des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (Stand 26.07.2017), sowie ein Auszug aus Wikipedia betreffend die Stadt XXXX zum Akt genommen werden.
R: Möchten Sie noch etwas anmerken?
BF: Ich möchte hier mit meinen Kindern zusammen leben.
R: Haben Sie, abgesehen von dem Wunsch mit Ihren Kindern zu leben, noch andere Vorbehalte gegen eine Rückkehr in die Ukraine?
BF: Mein Schwager hat geholfen, dass die Kinder nach Österreich kommen und er bedroht mich. Er verlangt auch von meinen Kindern Geld.
R: Haben Sie, abgesehen von diesem Vorbringen, über welches bereits rechtskräftig entschieden wurde, noch andere Vorbringen, die gegen eine Rückkehr in die Ukraine sprechen?
BF: Nein.
(...)"
Nach Rückübersetzung der Verhandlungsniederschrift erhob die Beschwerdeführerin gegen die Niederschrift selbst keine Einwendungen. Die Beschwerdeführerin gab nunmehr allerdings an, dass ihr Mann zwischenzeitlich eine neue Lebensgefährtin hätte, die im gleichen Haus wohne. Auf Grund ihrer jesidischen Religionszugehörigkeit könnten sie sich nicht scheiden lassen. Die Beschwerdeführerin wurde in weiterer Folge zu diesem Aspekt befragt:
"R: Warum haben Sie das vorher nicht angegeben, als ich Sie nach dem Verhältnis zu Ihrem Mann gefragt habe?
BF: Ich habe gesagt, dass er nicht mit mir, sondern nur mit den Enkelkindern spricht.
R: Aber aus dieser Aussage ist keinesfalls abzuleiten, dass Ihr Mann eine Lebensgefährtin hat. Ich habe Sie ausdrücklich nach dem Verhältnis zu Ihrem Mann gefragt und Sie haben von einer neuen Frau im Leben Ihres Mannes nichts erwähnt.
BF: Ich wollte nicht über diesen Punkt sprechen. (...)"
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin trägt den im Spruch ersichtlichen Namen, ist Staatsangehörige der Ukraine, der kurdischen Volksgruppe sowie dem jesidischen Glauben zugehörig. Die Beschwerdeführerin stellte infolge illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 17.04.2013 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und ist seitdem durchgehend im Bundesgebiet aufhältig. Die Beschwerdeführerin stammt aus der Stadt XXXX in der Region Donezk im Osten der Ukraine, wo sich unverändert ihr Ehemann aufhält, bei welchem die Beschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr neuerlich wohnen könnte. Die Beschwerdeführerin verfügt über ausreichende Kenntnisse der russischen und ukrainischen Sprache um das Alltagsleben in der Ukraine bewältigen zu können.
Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in die Ukraine in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Die Beschwerdeführerin leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen.
Die unbescholtene Beschwerdeführerin verfügt in Österreich über kein schützenswertes Privat- oder Familienleben. In Österreich befinden sich zwei volljährige Söhne der Beschwerdeführerin mit deren jeweiligen Familien, mit der Familie ihres ältesten Sohnes lebt die Beschwerdeführerin im gleichen Haushalt und kümmert sich gemeinsam mit ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter um ihre Enkelkinder. Ein finanzielles oder persönliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und ihren in Österreich aufhältigen Angehörigen kann nicht festgestellt werden. Sie ging während ihres Aufenthaltes keiner Erwerbstätigkeit nach und bestreitet ihren Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung sowie durch Unterstützung ihrer in Österreich aufenthaltsberechtigten Söhne. Sie eignete sich keine Deutschkenntnisse an, engagierte sich nicht ehrenamtlich und ist kein Mitglied in einem Verein. Die Beschwerdeführerin knüpfte außerhalb des Kreises ihrer hier lebenden Angehörigen keine sozialen Kontakte in Österreich.
1.2. Zum Herkunftsland der Beschwerdeführerin wird auf die anlässlich der mündlichen Beschwerdeverhandlung ausgehändigten Länderinformationen verwiesen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Ukraine, Stand 26.07.2017, sowie Auszug aus Wikipedia zur Stadt XXXX). Aus diesen ergeben sich insbesondere die folgenden verfahrensrelevanten Feststellungen:
(...)
1. Sicherheitslage
Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt (AA 7.2.2017).
Die ukrainische Regierung steht für einen klaren Europa-Kurs der Ukraine und ein enges Verhältnis zu den USA. Das 2014 von der Ukraine unterzeichnete und ratifizierte Assoziierungsabkommen mit der EU ist zum Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten und bildet die Grundlage der Beziehungen der Ukraine zur EU. Es sieht neben der gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch die Ukraine vor. Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützt bis heute die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine (AA 2.2017c).
Die sogenannten "Freiwilligen-Bataillone" nehmen offiziell an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Streitkräfte teil. Sie sind nunmehr alle in die Nationalgarde eingegliedert und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Offiziell werden sie nicht mehr an der Kontaktlinie eingesetzt, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, eventuell auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).
Seit Ausbruch des Konflikts im Osten der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk im April 2014 zählte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der UN (OHCHR) 33.146 Opfer des Konflikts, davon
9.900 getötete und 23.246 verwundete Personen (inkl. Militär, Zivilbevölkerung und bewaffnete Gruppen). Der Konflikt wird von ausländischen Kämpfern und Waffen, die nach verschiedenen Angaben aus der Russischen Föderation in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (NGCA) gebracht werden, angeheizt. Zudem gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen sind betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Der bewaffnete Konflikt stellt einen Bruch des Internationalen Humanitären Rechts und der Menschenrechte dar. Der Konflikt wirkt sich auf die ganze Ukraine aus, da es viele Kriegsrückkehrern (vor allem Männer) gibt und die Zahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) hoch ist. Viele Menschen haben Angehörige, die getötet oder entführt wurden oder weiterhin verschwunden sind. Laut der Special Monitoring Mission der OSZE sind täglich eine hohe Anzahl an Brüchen der Waffenruhe, die in den Minsker Abkommen vereinbart wurde, zu verzeichnen (ÖB 4.2017).
Russland kontrolliert das Gewaltniveau in der Ostukraine und intensiviert den Konflikt, wenn es russischen Interessen dient (USDOS 3.3.2017a).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017
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AA - Auswärtiges Amt (2.2017b): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017
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AA - Auswärtiges Amt (2.2017c): Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017
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ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine
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USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 12.7.2017
1.1. Halbinsel Krim
Die Halbinsel Krim wurde 2014 von der Russischen Föderation besetzt. Das "Referendum" über den Anschluss an Russland, welches auf der Krim durchgeführt wurde, wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen für ungültig erklärt. Die Resolution 71/205 der Generalversammlung der UN bezeichnet die Russische Föderation als Okkupationsmacht auf der Krim. Seit 2014 sind konstant Menschenrechtsverletzungen seitens der Machthaber zu beobachten:
Gefangene legen Geständnisse ab, die durch Misshandlung und Folter erreicht wurden. Individuen bestimmter Gruppen werden in psychiatrische geschlossene Anstalten zwangseingewiesen. Anwälte können nicht uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen. Menschen, die keinen russischen Pass haben, wird der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verwehrt. Weiters bestehen Diskriminierungen aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität. Menschen mit anderer politischer Meinung werden verhaftet und unter Bezugnahme auf russische "Anti-Terror"-Gesetze zu Haftstrafen verurteilt. Auch werden Individuen entführt oder verschwinden plötzlich. Wenige bis keine dieser Fälle werden ausreichend investigativ und juristisch verfolgt. Besonders die ethnische Gruppe der Krimtataren, aber auch Ukrainer anderer ethnischer oder religiöser Gruppen, sind von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Der Mejlis, die krimtatarische gewählte Versammlung zur Repräsentation der Krimtataren, wurde am 18. April 2016 durch die lokalen Behörden suspendiert und am 26. April vom Russischen Obersten Gerichtshof als "extremistisch" eingestuft und verboten. Menschenrechtsorganisationen sowie Journalisten haben keinen uneingeschränkten Zugang zur Krim. Bestimmte Webseiten werden blockiert und unabhängige Medien mussten auf das ukrainische Festland übersiedeln. Die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird massiv eingeschränkt. Am 7. März 2016 wurden in Simferopol alle öffentlichen Versammlungen verboten, die nicht von den Machthabern organisiert wurden (ÖB 4.2017).
Auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Auf der Krim werden seit der völkerrechtswidrigen Annexion durch Russland im März 2014 staatliche Aufgaben von russischen Behörden ausgeübt. Die Einwohner wurden pauschal eingebürgert, es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Reisepässen, auszustatten. Einwohner der Krim, die ihr Widerspruchsrecht nutzten haben damit u.
a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren. Die Minderheit der Krimtataren unterliegt erheblichen Restriktionen. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit verschwinden, nicht mehr auf die Krim reisen dürfen bzw. vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren, das Selbstverwaltungsorgan Medschlis, wird von den de-facto-Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft, seine Mitglieder werden verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg. Medien stehen unter Druck, eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Seine Sendungen können auf der Krim nur noch im Internet und dort sehr eingeschränkt verfolgt werden. Auch jüngste Berichte von UNHCR sowie Amnesty International listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reicht. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert (AA 7.2.2017).
Auf der Halbinsel Krim sind Dissidenten das Ziel systematischen Missbrauchs und der Verfolgung durch die russischen Behörden. Es gibt Berichte über Fälle von Verschwindenlassen. Internationalen und nationalen Menschenrechtsbeobachtern wird die Einreise auf die Krim verweigert. Wenn Gruppen versuchen dort tätig zu werden, werden sie zum Ziel erheblicher Drangsale und Einschüchterung (USDOS 3.3.2017a).
Im Feber 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim militärisch. Im März wurde die Krim nach einem Scheinreferendum schließlich annektiert und zum Teil der Russischen Föderation erklärt. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Schritt und riefen Staaten und internationale Organisation auf, dies nicht anzuerkennen. Auf der Krim gilt seither de facto russisches Recht, es wurde eine russische Regierung installiert. Die russischen Sicherheitsbehörden konsolidieren ihre Kontrolle der Halbinsel weiterhin und beschränken die Menschenrechte durch unverhältnismäßige Anwendung repressiver russischer Gesetze. Abweichende und Meinungen und Opposition zur Annexion der Krim werden von den russischen Behörden durch Einschüchterung unterdrückt. Dazu gehören Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlung, politische Prozesse, wiederholte grundlose Vorladungen durch die Sicherheitsbehörden, gegenstandslose Festnahmen, usw. Bestimmte Gruppen, vor allem ethnische Ukrainer und Krimtataren werden systematisch diskriminiert und ihre Menschenrechte eingeschränkt. Der Selbstverwaltungskörper der krimtatarischen Minderheit, der demokratisch gewählte Mejlis, wurde als extremistische Organisation verboten. Personen, welche die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft verweigern, werden beim Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Arbeitsmarkt diskriminiert. Es gibt auch Eingriffe in die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit, speziell durch Behinderung bei der Pflege des kulturellen Erbes und durch Einschränkung des Zugangs zu Unterricht in ukrainischer und krimtatarischer Sprache. Die Medienfreiheit auf der Krim wird ebenfalls eingeschränkt, unabhängige Medien gibt es nicht mehr. Die wenigen verbleibenden unabhängigen bzw. kritischen Journalisten wurden eingesperrt und wegen Extremismus angeklagt. Es kommt zu politischer Einmischung in gerichtliche Verfahren, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Diskriminierung ethnischer und sexueller Minderheiten. Tausende Personen flüchteten als Binnenvertriebene in die Ukraine. Bei den russischen Behörden auf der Krim herrscht betreffend Menschenrechtsverletzungen ein Klima der Straflosigkeit. Fälle von Entführung oder Tötung von Einwohnern der Krim in den Jahren 2014 und 2015 werden nicht angemessen untersucht (USDOS 3.3.2017b).
Die Rechte der Bevölkerung der Krim, besonders der Krimtataren, werden weitgehend verletzt. Der krimtatarische Mejlis wurde verboten und krimtatarische Führungspersönlichkeiten dürfen die Krim nicht betreten oder sind inhaftiert (FH 29.3.2017).
Auf der Krim setzten die de-facto-Behörden ihre Maßnahmen zur Unterdrückung jeglicher pro-ukrainischer Opposition fort, wobei sie zunehmend auf russische Gesetze zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus zurückgriffen und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Dutzende Personen anstrengten, die als illoyal betrachtet wurden. In keinem der Fälle von Verschwindenlassen, die sich im Anschluss an die russische Besetzung ereignet hatten, gab es gründliche Ermittlungen. Die russischen Behörden hielten Parlamentswahlen auf der Krim ab, die international nicht anerkannt wurden. Die bereits stark eingeschränkten Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wurden 2016 noch weiter beschnitten. Die Websites einiger unabhängiger Medienkanäle, die in den Jahren zuvor gezwungen waren, ihren Sitz auf das ukrainische Festland zu verlegen, wurden von den De-facto-Behörden auf der Krim gesperrt. Am 7. März 2016 verbot der Bürgermeister von Simferopol, der Hauptstadt der Krim, alle öffentlichen Versammlungen, die nicht von den Behörden organisiert wurden. Ethnische Krimtataren waren von dem Bestreben der De-facto-Behörden zur Beseitigung jeglicher pro-ukrainischer Opposition nach wie vor besonders stark betroffen. Am 18. April wurde der Medschlis, eine von der krimtatarischen Volksversammlung Kurultai gewählte Vertretung, aufgelöst und am 26. April von einem Gericht als "extremistisch" verboten. Das Verbot wurde am 29. September vom Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation bestätigt (AI 22.2.2017).
Russland setzt Kritiker der Krim-Okkupation weiterhin politischer Strafverfolgung aus und schränkt die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit weiter ein. Krimtataren werden unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung verfolgt (HRW 12.1.2017).
Die im Zuge der Annexion der Halbinsel Krim bzw. im Zuge der Kampfhandlungen im Osten bekanntgewordenen und nicht zuletzt durch OSZE-Beobachter wiederholt thematisierten Verschleppungen von Journalisten durch Separatisten sowie die Behinderung objektiver Berichterstattung gaben ebenfalls zu verstärkter Sorge Anlass (ÖB 4.2017).
Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim häufen sich Berichte über den Versuch der systematischen Einschränkung der Versammlungsfreiheit unter dem Vorwand sicherheitspolitischer Erwägungen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Aktivitäten der Krimtataren aus. Exemplarisch sei auf das Argument verwiesen, wonach Parkflächen während der Schulferien für Kinderaktivitäten freizuhalten und dementsprechend öffentliche kulturelle Veranstaltungen der Krimtataren aus Anlass des Tags der Flagge der Krimtataren in Simferopol am 26. Juni 2014 zu untersagen seien (ÖB 4.2017).
Quellen:
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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty Internation