TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/1 L525 2170283-1

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Veröffentlicht am 01.02.2018
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Entscheidungsdatum

01.02.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L525 2170283-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2017, Zl. 1081148409-151012000/BMI_SZB_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.11.2017, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, §§ 57 und 55, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 4.8.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer wurde am 6.8.2015 einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, sein Vater hätte einen jungen Mann überfahren, der in weiterer Folge verstorben wäre. Dessen Familie hätte Rache geschworen und hätte den Beschwerdeführer töten wollen, weil der Vater den Sohn überfahren hätte. Deshalb habe er seine Heimat verlassen. Sonst habe er keine weiteren Gründe.

Der Beschwerdeführer wurde am 31.3.2017 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab zunächst an, er sei völlig gesund, aber er leide unter psychologischen Problemen und nehme Medikamente. Die Probleme hätte er seit seiner Einreise und habe er auch Probleme mit den Venen. Bei der Erstbefragung sei alles richtig rückübersetzt worden und alles korrekt protokolliert worden. Er habe aber auch noch andere Gründe, er sei nämlich konvertiert. Er sei ledig, am 16.9.1983 in Teheran geboren worden und sei Iraner und Moslem. Er habe keine Angehörigen in Österreich oder der EU. Seine Familie befinde sich im Iran. Er stehe in Kontakt mit seiner Familie. Er habe den Entschluss, den Iran zu verlassen, im Jahr 2001 gefasst und sei im April 2007 ausgereist. Er habe sechs Jahre in Griechenland gelebt. Er habe eigentlich nach Deutschland reisen wollen, aber der Schlepper habe ihm davon abgeraten. In Griechenland hätte er für die Asylantragstellung einen Anwalt gebraucht, das Geld hätte er nicht gehabt. In Ungarn habe er nicht bleiben wollen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er hätte seit seiner Kindheit Probleme wegen seiner Religion gehabt. Er habe den Islam nicht mögen und habe deswegen zuerst Probleme mit seinen Eltern und später mit der iranischen Regierung gehabt. ZB sei er, als er 18 Jahre alt gewesen sei, beim Konsum von alkoholischen Getränken von der Polizei erwischt worden und sei er dann gefoltert worden. Acht Monate später sei er wieder wegen dem Konsum von alkoholischen Getränken gefoltert worden. Danach habe er sich nicht mehr frei bewegen können. Die Polizisten hätten immer wieder an ihm was zum Aussetzen gehabt. Nach Beendigung des Wehrdienstes sei er während des Ramadans beim Essen erwischt worden und hätte er seine Arbeit deswegen verloren. Danach habe er sich entschlossen den Iran zu verlassen. Auf Nachfrage, ob dies all seine Gründe für die Antragstellung seien, gab der Beschwerdeführer an, es gäbe noch einen Grund, er hätte gerne mit Mädchen im Iran gesprochen. Er hätte während seiner Militärzeit ein Mädchen kennen gelernt und hätte die Milizen sie in einem Park in Teheran erwischt. Bedrohungen oder Verfolgungen seitens des iranischen Staates hätte es nie gegeben. Zu seiner Festnahme und der behaupteten Folterung befragt führte der Beschwerdeführer aus, er sei ca 2001 in der Polizeistation gewesen. Er sei im Hof gefesselt gestanden und hätten ihn die Polizisten beschimpft und hätte er unterschreiben müssen, dass er nie wieder Alkohol trinken würde. Befragt zu den Angaben während der Erstbefragung führte der Beschwerdeführer aus, er hätte damals gelogen. Der Schlepper hätte ihm diese Aussage damals geraten. Zur Konversion führte der Beschwerdeführer aus, sein Mitbewohner in XXXX hätte ihm gesagt, er könne auch konvertieren. Sie hätten eine Veranstaltung besucht und seien getauft worden. Er hätte aber die Bibel gelesen und habe er erkannt, dass Religion nichts für ihn sei. Er sei Atheist. Auf den Vorhalt, er hätte am Beginn der Befragung angegeben, dass er konvertiert sei, führte der Beschwerdeführer aus, er sage nunmehr er glaube an niemanden, nicht an Gott, nicht an Jesus oder Moses oder Mohammed. Das Konvertieren sei auf die Kirche, die ihn getauft habe bezogen gewesen, und er hätte gerade erklärt, dass dies keine Alternative für ihn sei. Im Iran sei er – außer vom Bruder des Unfallopfers – niemals persönlich bedroht worden. Dieser habe ihm nur gesagt, dass er sterben würde, falls das Unfallopfer sterben würde. Auf die nochmalige Frage, warum er nicht in den Iran zurückkehren könne, führte der Beschwerdeführer abermals aus, weil er konvertiert sei. Er sei im Jahr 2016 zur Perzische Kerk Kores konvertiert, das genaue Datum wisse er nicht mehr. Er habe dies im Iran nur seinen Eltern gesagt. Er habe außerhalb der Betreuungsstelle zur Dr. XXXX Kontakt. Politisch habe er sich nie betätigt. Im Iran habe es niemals eine Verfolgung aufgrund seiner Religionszugehörigkeit gegeben. Den Dolmetsch habe er immer verstanden. Er wolle zum Schluss der Befragung nochmals sagen, dass er weder an Gott noch den Propheten glaube.

Der Beschwerdeführer gab mit Schreiben vom 22.5.2017 eine Stellungnahme ab, wonach er angegeben habe, dass sein Leben in Gefahr sei, sowohl von privater Seite als auch von staatlicher Seite, weil er sich vom Islam losgesagt hätte. Er sei Atheist. Er sei seit August 2015 in Österreich, er habe Deutschkurse der Volkshochschule A1 und A2 gemacht und dafür Zertifikate erhalten. Jetzt besuche er derzeit den B1 Kurs. Er wolle in Österreich arbeiten. Er würde jede Arbeit annehmen, jedoch sei das im Asylverfahren ohne Arbeitserlaubnis nicht möglich. Er würde später eine Familie gründen. Der Beschwerdeführer legte auch einen fachärztlichen Befundbericht vom 17.2.2017 vor, wonach der Beschwerdeführer an einer mittelgradigen Depression leide.

Die belangte Behörde holte eine medizinische Begutachtung ein, wonach der Beschwerdeführer an einer leichten bis mittelschweren Anpassungssungsstörung mit depressiver Symptomatik leide. Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer in einen lebensbedrohlichen Zustand kommen würde, wenn ihm die aktuell verordneten Medikamente nicht mehr zur Verfügung stehen würden, führte die Sachverständige aus, dass der Beschwerdeführer seine Medikation selbständig abgesetzt hätte und kein lebensbedrohlicher Zustand erkennbar sei.

Mit Bescheid des BFA vom 7.8.2017 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Das BFA stellte zunächst fest, dass die Identität feststehe. Der Beschwerdeführer sei iranischer Staatsbürger und sei illegal in das Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer bekenne sich zur moslemischen Religionszugehörigkeit. Der Beschwerdeführer sei nur zum Schein konvertiert. Er sei ledig, habe keine Kinder und besitze eine Schulausbildung von acht Jahren. Der Beschwerdeführer sei schlepperunterstützt und illegal nach Österreich gereist. Eine Bedrohung durch den iranischen Staat habe nicht festgestellt werden können und werde er auch nicht von Dritten verfolgt. Die Rückkehr in den Iran sei möglich und zumutbar. Der Beschwerdeführer verfüge über geringe Deutschkenntnisse und habe keine maßgebliche Integration festgestellt werden können. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde zu den vorgebrachten Fluchtgründen zusammengefasst aus, dass den angegebenen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde und von einer Scheinkonversion ausgegangen werde. Gründe, die die Gewährung von subsidiärem Schutz notwendig erscheinen lassen würden, seien nicht hervorgekommen und habe eine Integration nicht festgestellt werden können.

Mit Schreiben der Staatendokumentation vom 9.8.2017 wurde eine Stellungnahme abgegeben zur Frage, ob die beim Beschwerdeführer diagnostizierte Anpassungsstörung im Iran behandelbar wäre.

Mit Schriftsatz vom 28.8.2017 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte zusammengefasst aus, er hätte vor der belangten Behörde angegeben, dass er wegen seiner Religion Probleme in seinem Heimatland gehabt hätte. Er wolle nicht den Islam, deshalb habe er Probleme mit seinen Eltern und später mit der iranischen Regierung gehabt. Dem Beschwerdeführer würde im Iran die Todesstrafe drohen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 16.11.2017 eine mündliche Verhandlung durch zu der der vertretene Beschwerdeführer erschien. Die belangte Behörde schickte entschuldigt keinen Vertreter.

Der Beschwerdeführer übermittelte durch seinen Vertreter mit Schreiben vom 13.12.2017 eine Bescheinigung der BH XXXX vom 5.12.2017 über den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft.

Mit Schreiben vom 4.1.2018 übermittelte der Beschwerdeführer ein Teilnahmezertifikat beim Kurs "Men Talk".

Mit Schreiben vom 23.1.2018 übermittelte die belangte Behörde ein Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 21.12.2017, wonach der Beschwerdeführer gemäß § 125 StGB zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen à 4 Euro verurteilt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer bekennt sich zur Volksgruppe der Aseri-Türken und hat im Iran die Schule abgeschlossen und den Präsenzdienst absolviert. Der Beschwerdeführer hat im Iran als Teppichrestaurator gearbeitet. Der Beschwerdeführer stand unter ärztlicher Behandlung und wurde mit einer Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik leicht bis mittelschwer diagnostiziert. Nunmehr geht es dem Beschwerdeführer gut, er nimmt keine Medikamente und steht nicht in ärztlicher Behandlung. Der Beschwerdeführer hat Kontakt mit seinem Bruder im Iran.

Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 4.8.2015 in Österreich ein und hielt sich der Beschwerdeführer zuvor für ca. sechs Jahre in Griechenland auf. Der Beschwerdeführer hat ein A1 und ein A2 Zertifikat erworben und ist eine einfache Unterhaltung mit dem Beschwerdeführer möglich. Der Beschwerdeführer nahm außerdem an dem Kurs "Men Talk" teil, in dem es um Informationen und Gespräche zu den Themenbereichen, Ehre, Respekt, Umgang mit Aggressionen, Gewaltschutz, Frauen- und Kinderrechte, etc. ging. Der Beschwerdeführer hat seinen Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft erklärt. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Anknüpfungspunkte in Österreich, er betreibt Sport, liest und spielt Tischfußball. Er befindet sich in Grundversorgung und ist vorbestraft.

Eine maßgebliche Integration konnte nicht festgestellt werden.

1.2. Zum Fluchtgrund des Beschwerdeführers:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Iran einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.

Weiters konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran eine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.

1.3 Länderfeststellungen:

Zur Konversion im Iran enthält das Länderinformationsblattes der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.3.2016 folgende Ausführungen:

Die Bevölkerung besteht zu 98% aus Muslimen, darunter ca. 88% Schiiten und ca. 10% Sunniten (v.a. Araber, Turkmenen, Belutschen, Kurden). Die im Iran lebenden Schiiten gehören zum größten Teil zu den sogenannten 12er-Schiiten. Sie folgen einer Reihe von 12 Imamen. Es gibt keine offiziellen Zahlen zur Anzahl der Sufis, sie wird auf zwei bis fünf Millionen geschätzt. Die restlichen zwei Prozent verteilen sich auf Christen (ca. 117.000, davon 80.000 Armenisch-Apostolisch, 11.000 Assyrer, 10.000 Lateiner, 7.000 Chaldäer und mehrere Tausend Protestanten), Baha'i (350.000), Zoroastrier (ca. 19.000), Juden (ca. 10.000) und Mandäer (ca. 5.000) (AA 9.12.2015, vgl. UK Home Office 12.2015).

Im Iran ist der schiitische Islam (Zwölfer-Schia) Staatsreligion. Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) ChristInnen – werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen – Bahá‘í, konvertierte evangelikale ChristInnen, Sufi (Derwisch-Orden), Sunni – werden in unterschiedlichem Grad verfolgt. Missionarische Tätigkeit, d.h. jegliches nicht-islamisches religiöses Agieren in der Öffentlichkeit und Konversion vom Islam sind verboten und werden streng geahndet (ÖB Teheran 10.2015, vgl. AA 9.12.2015). Statistische Daten über missionarische Tätigkeit bzw. deren regionale Aufteilung liegen nicht vor. Es gibt im Iran anerkannte religiöse Minderheiten, deren Vertreter zumindest selbst immer wieder betonen, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Anerkannte religiöse Minderheiten sind laut Verfassung Christen, Juden und Zoroastrier. Diese sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten). Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Moslems anwesend sind. Grundrechtlich besteht "Kultusfreiheit" innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der – auch von außen als solche klar erkennbaren – Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismus-Verbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismus-Verbots wird - entgegen autochthoner Kirchen, welche sich aus unterschiedlichen Gründen penibel an das Verbot halten - gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Die Mitglieder mancher Glaubensgemeinschaften sind angewiesen Mitgliedskarten mit sich zu tragen, die von Behördenvertretern außerhalb von Gottesdiensten kontrolliert werden (ÖB Teheran 10.2015, vgl. US DOS 14.10.2015).

Religions- und Glaubensfreiheit besteht im Iran nur in eingeschränktem Maße. Die wirtschaftliche, berufliche und soziale Diskriminierung religiöser Minderheiten zusammen mit der von einem Großteil der Betroffenen empfundenen wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit führen zu einem unverändert starken Auswanderungsdruck dieser Gruppen. Diskriminierungen von Nichtmuslimen äußern sich u.a. darin, dass diese weder höhere Positionen in den Streitkräften (Art. 144 der Verfassung) einnehmen noch Richter werden können (Art. 163 der Verfassung i.V.m. dem Gesetz über die Wahl der Richter von 1983). Seit der Islamischen Revolution waren sämtliche Kabinettsmitglieder, Generalgouverneure, Botschafter und hochrangige Militärs sowie Polizeikommandeure ausschließlich schiitische Muslime. Eine Ausnahme ist der Kurde Saleh Adibi, der, wie am 2.9.2015 bekannt wurde, als erster sunnitischer Botschafter den Iran in Vietnam vertreten soll. Art. 14 der Verfassung statuiert, dass Nichtmuslime "nach bester Sitte, mit Anstand und unter Wahrung islamischer Gerechtigkeit zu behandeln und ihre Menschenrechte zu achten sind". Dies gilt aber "nicht gegenüber jenen, die sich gegen den Islam und die Islamische Republik Iran verschwören und hiergegen handeln". Im Bereich des Strafrechts variieren die Strafen je nach Religionszugehörigkeit von Täter bzw. Opfer. Im Bereich des Zivilrechts besagt z.B. § 881a des islamischen Zivilgesetzbuches, das Nichtmuslime nicht von Muslimen erben können. Ist dagegen der Erblasser ein Nichtmuslim und befindet sich an irgendeiner Stelle in der Erbfolge ein Muslim, so werden alle nichtmuslimischen Erben von der Erbfolge ausgeschlossen und der muslimische Erbe wird Alleinerbe. Diese Regelung kann jedoch durch Errichtung eines Testaments zum Teil umgangen werden (AA 9.12.2015, vgl. ÖB Teheran 10.2015).

Anhänger der Baha'i-Glaubensgemeinschaft, Sufis, die Gemeinschaft der Ahl-e Haqq und andere religiöse Minderheiten wurden auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungswesen diskriminiert und konnten ihren Glauben nicht frei praktizieren. Dies galt auch für Muslime, die zum Christentum konvertierten, Schiiten, die zum sunnitischen Islam übertraten, und Sunniten. Es gingen Berichte ein, wonach zahlreiche Baha'i, zum Christentum konvertierte Personen und Angehörige anderer religiöser Minderheiten 2015 festgenommen und inhaftiert wurden. Einige von ihnen kamen in Haft, weil sie Baha'i-Studierende unterrichtet hatten, denen der Zugang zur höheren Bildung verweigert wird (AI 24.2.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

-

AI – Amnesty International (24.2.2016): Jahresbericht 2015/16 – Iran, http://www.ecoi.net/local_link/319678/458901_de.html, Zugriff 21.3.2016

-

ÖB Teheran (10.2015): Asylländerbericht

-

UK Home Office (12.2015): Country information and Guidance, Iran:

Christians and Christian Converts, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1449654645_cig-iran-christians-and-christian-converts.pdf, Zugriff 23.2.2016

-

US DOS - US Department of State (14.10.2015): Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2014, Iran,

http://www.ecoi.net/local_link/313313/451577_de.html, Zugriff 16.3.2016

Die christliche Minderheit besteht vor allem aus Armeniern verschiedener Konfessionen. Daneben gibt es noch einige Ostchristen, unter denen die Assyrer die größte Gruppe stellen. Die Christen lebten traditionell vor allem im Nordwesten des Landes, außerdem in Teheran und Esfahan. Nach der Islamischen Revolution zogen viele Armenier nach Teheran, so dass heute 75% von ihnen dort leben. Insgesamt gibt es etwa – je nach Quelle – 100.000 (GIZ 1.2016) bis 300.000 christliche Iraner, ihnen stehen zwei Parlamentssitze zu (FIS 21.8.2015).

Das Christentum im Iran kann in ethnische und nicht-ethnische Christen unterteilt werden. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen und beziehen sich auf armenische und assyrische (oder auch chaldäische) Christen, die eine lange Geschichte im Iran vorweisen und ihre eigenen linguistischen und kulturellen Traditionen besitzen. Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah Regimes. Die Mitglieder sind – wenn auch nicht alle – Konvertierte aus dem Islam. Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird berichtet. Im Oktober 2014 waren mindestens 49 Christen wegen ihres Bekenntnisses zu Kirchen außerhalb des Irans, die Mitwirkung in informellen Hauskirchen und anderen christlichen Aktivitäten in Haft (ÖB Teheran 10.2015, vgl. FIS 21.8.2015, ICHRI 2013). Laut der Gefangenenliste von Open Doors befinden sich mit Stand Dezember 2015 70 Christen in Haft, zwölf wurden auf Kaution freigelassen und vier freigelassen (Open Doors 12.2015).

Christen, die Angehörige der ethnischen Minderheiten sind (Armenier, Assyrer, Chaldäer), sind weitgehend in die Gesellschaft integriert. Soweit sie ihre Arbeit ausschließlich auf die Angehörigen der eigenen Gemeinden beschränken, werden sie nicht behindert oder verfolgt. Repressionen betreffen missionierende Christen, unabhängig davon, ob diese zuvor konvertiert sind. Missionierungsarbeit findet hauptsächlich durch evangelikale Freikirchen (z.B. die "Assemblies of God"), sowie in weitaus geringerem Umfang durch die Assyrische und Armenisch-evangelische Kirche statt. Staatliche Maßnahmen (v.a. Verhaftungen, Einschüchterung) richteten sich hier bisher ganz überwiegend gezielt gegen die Kirchenführer und in der Öffentlichkeit besonders aktive Personen. Staatliche Repressionen gegen registrierte Kirchen haben in letzter Zeit zugenommen. Christlichen Kirchen wurde untersagt, ihre Gottesdienste an einem Freitag und auf persischer Sprache abzuhalten. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen. Regelmäßig werden Berichte über Auflösungen von häuslichen christlichen Versammlungen und gelegentlichen Festnahmen von Angehörigen einer Hauskirchengemeinde bekannt. Verfolgung von Konvertiten und Missionaren erfolgt nicht strikt systematisch, sondern stichprobenartig, wenn z.B. von der Bevölkerung hauskirchliche Tätigkeiten oder private Versammlungen von Nachbarn gemeldet werden (AA 9.12.2015, vgl. FIS 21.8.2015).

Vor allem evangelikale Christen sahen sich weiterhin Schikanen und Beobachtung ausgesetzt. Die Behörden verhafteten Christen unverhältnismäßig oft. Einige dieser Personen wurden beinahe sofort wieder freigelassen, andere wurden an geheimen Orten ohne Zugang zu einem Anwalt festgehalten (US DOS 14.10.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

-

FIS – Finnish Immigration Office (21.8.2015): Christian Converts in Iran,

http://www.migri.fi/download/62318_Suuntaus-raportti_Kristityt_kaannynnaiset_IranissaFINALFINAL160915_2_.pdf?6385541925bfd288, Zugriff 22.3.2016

-

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (1.2016a): Iran, Gesellschaft,

http://liportal.giz.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 9.2.2016

-

ICHRI – International Campaign for Human Rights in Iran (2013):

The cost of faith,

https://www.iranhumanrights.org/wp-content/uploads/Christians_report_Final_for-web.pdf, Zugriff 23.3.2016

-

Open Doors (12.2015): Gefangenenliste 2015, https://www.portesouvertes.ch/pdf/prisonnier-d.pdf, Zugriff 22.3.2016

-

ÖB Teheran (10.2015): Asylländerbericht

-

US DOS - US Department of State (14.10.2015): Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2014, Iran,

http://www.ecoi.net/local_link/313313/451577_de.html, Zugriff 22.3.2016

Laut iranischer Verfassung hat ein muslimischer Bürger nicht das Recht, seinen Glauben auszusuchen, zu wechseln oder aufzugeben. Die Regierung sieht das Kind eines muslimischen Mannes als Muslim an und erachtet eine Konversion vom Islam als Apostasie. Apostasie kann mit der Todesstrafe bestraft werden. Nicht-Muslime dürfen ihre religiösen Ansichten und Überzeugungen nicht öffentlich ausdrücken, da dies als Missionierung gilt (Proselytismus) und ebenso mit der Todesstrafe bedroht ist. Christen, die vom Islam konvertiert sind, können von staatlichen Behörden bedroht sein, da sie als Apostaten gelten und dies eine Straftat ist (UK Home Office 12.2015, vgl. US DOS 14.10.2015).

Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund von "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der 2014 (ebenso wie 2013) dokumentierten Hinrichtungen gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2015). Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Die Zahl der politischen Gefangenen, die sich aufgrund von Apostasie oder missionarischer Tätigkeit in Haft befinden, wird auf mindestens zehn geschätzt. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2015, vgl. DIS 23.6.2014).

Stark eingeschränkt sind das Recht, eine Religion zu wählen oder zu wechseln, sowie das Recht, für einen Glauben oder eine Religion frei zu werben. Ehemals muslimischen Konvertiten droht Verfolgung und Bestrafung. In Einzelfällen werden Gerichtsverfahren eingeleitet, Verurteilungen erfolgen allerdings oft nicht wegen Apostasie, sondern wegen Sicherheitsdelikten. Es gibt allerdings auch Konvertiten, die unbehelligt eine der anerkannten Religionen ausüben. Die Konvertiten und die Gemeinden, denen sie angehören, stehen jedoch insofern unter Druck, als den Konvertiten hohe Strafen drohen und auch die Gemeinden mit Konsequenzen rechnen müssen (z.B. Schließung), wenn die Existenz von Konvertiten in der Gemeinde öffentlich bekannt wird. Zum anderen wird die "Ausübung" der Religion restriktiv ausgelegt und schließt jede missionierende Tätigkeit aus. Missionierende Angehörige auch von Buchreligionen werden verfolgt und hart bestraft, ihnen kann als "Kämpfer gegen Gott" ("Moharebeh") sogar eine Verurteilung zum Tode drohen (AA 9.12.2015, vgl. HRW 27.1.2016).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken. Zum Christentum konvertierte Muslime sehen sich Schikanen, Verhaftungen und Strafverfolgung ausgesetzt. Viele dieser Verhaftungen finden während Polizeirazzien bei religiösen Versammlungen statt und es wird auch religiöses Eigentum konfisziert. Die Regierung vollzieht das Verbot des Proselytismus, indem sie vor allem die Aktivitäten der Evangelikalen streng überwacht, Muslime davon abbringt, kirchliche Grundstücke zu betreten, Kirchen schließen lässt und Christen verhaftet. Die Behörden zwingen evangelikale Kirchenführer Zusicherungen zu unterschreiben, dass sie keine Muslime missionieren oder Muslime den Zugang zum Gottesdienst zu verwehren. Berichten zufolge sehen die Behörden es als Proselytismus an, wenn eine christliche Kirche einem Muslim erlaubt, die Kirche zu betreten. Evangelikale Gottesdienste bleiben auf Sonntag [Werktag] beschränkt. Sowohl die armenischen, assyrischen und auch evangelikalen Christen wurden dazu gezwungen, ihre Gottesdienste auf Farsi zu beenden. Mitglieder von evangelikalen Kongregationen müssen Mitgliedsausweise mit sich führen und Kopien dieser müssen den Behörden übergeben werden. Sicherheitspersonal, das vor den Kirchen postiert ist, führen Identitätskontrollen der Gläubigen durch. Offizielle Berichte und die Medien charakterisierten die christlichen Hauskirchen weiterhin als "illegale Netzwerke" und "Zionistische Propagandainstitutionen". Verhaftete Hauskirchenmitglieder werden oft beschuldigt, von feindlichen Ländern unterstützt zu werden (US DOS 14.10.2015).

Im FFM Bericht des Danish Immigration Service wird von mehreren Quellen berichtet, dass sich Konvertiten in Bezug auf ihren Religionswechsel eher ruhig verhalten, um keine Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zu lenken. Wenn aber ein Konvertit z.B. in Hauskirchen aktiv ist oder missioniert, können sich Probleme mit Behörden ergeben. Es wird weiter berichtet, dass sich an Arbeitsstätten Herasat Büros mit Repräsentanten des Informationsministeriums und der Staatssicherheit befinden, die die Mitarbeiter überwachen. Diese Büros befinden sich auch bei Universitäten, staatlichen Organisationen und Schulen. Auch in privaten Firmen ab einer bestimmten Größe gibt es solche Büros. Wenn Herasat Informationen über eine Konversion einer Person erhält, kann es durchaus sein, dass diese Person gekündigt bzw. von der Universität ausgeschlossen wird. Auch Familienangehörige sind dadurch von einem etwaigen Jobverlust bzw. vom Zugang zu höherer Bildung ausgeschlossen. Seit 1990 gab es keinen Fall mehr, indem ein Konvertit wegen Apostasie exekutiert worden wäre. Der letzte Apostasie Fall war jener von Youssef Naderkhani, einem Pastor der Kirche von Iran, der international großes Medienecho hervorrief. Der FFM Bericht berichtet weiter, dass ab 2009-2010, als Naderkhanis Fall aufkam, Gerichte vom Regime unter Druck gesetzt wurden, Apostasieanklagen gegen Konvertiten zu verwenden. Die Gerichte wären aber eher zögerlich gewesen, da Apostasiefälle den religiösen Gerichtshöfen vorbehalten waren. Religiöse Gerichtshöfe waren die einzigen die Apostasiefälle verhandeln durften und demzufolge würde eine Anklage wegen Apostasie nur bei einem konvertierten Kleriker zur Anwendung kommen. Stattdessen würden Gerichte, die nicht den religiösen Gerichtshöfen zuzurechnen sind, Konversionsfälle eher mit Anklagen wegen Störung der öffentlichen Ordnung als Apostasie bearbeiten. Die einzige größere Änderung seit 2011 wie die Behörden Konvertiten zum Christentum behandeln scheint darin zu bestehen, dass Apostasie nicht auf christliche Konvertiten anwendbar sei. Die iranischen Behörden gaben von 2009 bis 2011 offiziell bekannt, dass Hauskirchen in direkter Verbindung mit ausländischen Bewegungen stehen, beispielsweise mit zionistischen Bewegungen oder Organisationen im Ausland, z.B. in den USA. Das Regime sieht die Anstrengungen der evangelikalen Bewegungen als Angriff gegen das iranische Regime an. Als Ergebnis werden evangelikale Kirchen und Hauskirchen als Bedrohung der nationalen Sicherheit gesehen. Diese Sichtweise erklärt auch, dass einige Fälle von Konversionen, im speziellen von Führern von Hauskirchen, ebenso Anklagen, die eher politischer Natur sind, beinhalten. In Bezug auf Naderkhani gibt Christian Solidarity Worldwide im FFM Bericht des Danish Immigration Service an, dass laut ihren Informationen Naderkhani weiterhin als Pastor in Rasht tätig ist. Seitdem Naderkhanis Anklage gekippt wurde, gab es keine Apostasieanklage gegen Christen im Iran. Heutzutage sind alle Anklagen gegen Konvertiten und Pastoren/Hauskirchenführer von politischer Natur, immer im Zusammenhang mit Bedrohung der nationalen Sicherheit oder Spionage, einschließlich Verbindungen zu ausländischen Organisationen und Feinden des Islam. Auch werden Konvertiten häufig mit sehr vagen und weit definierten Anklagen konfrontiert, wie z.B. "Bildung einer illegalen Gruppierung", "Handlungen gegen die nationale Sicherheit durch illegale Versammlungen" und anderen Anklagen, die ähnlich unpräzise und eine große Bandbreite an Aktivitäten umfassen können (DIS 23.6.2014).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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DIS - Danish Immigration Service (23.6.2014): Update on the Situation for Christian Converts in Iran; Report from the Danish Immigration Service’s fact-finding mission to Istanbul and Ankara, Turkey and London, United Kingdom, Zugriff 23.3.2016

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HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Iran, http://www.ecoi.net/local_link/318407/457410_de.html, Zugriff 23.3.2016

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ÖB Teheran (10.2015): Asylländerbericht

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UK Home Office (12.2015): Country information and Guidance, Iran:

Christians and Christian Converts, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1449654645_cig-iran-christians-and-christian-converts.pdf, Zugriff 23.2.2016

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US DOS - US Department of State (14.10.2015): Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2014, Iran,

http://www.ecoi.net/local_link/313313/451577_de.html, Zugriff 22.3.2016

Zur Todesstrafe im Iran enthält das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.3.2016 folgende Ausführungen:

Die Todesstrafe kann nach iranischem Recht für eine große Zahl von Delikten, auch politische Straftaten, verhängt werden: Neben Mord, Rauschgiftschmuggel, terroristischen Aktivitäten sowie "Kampf gegen Gott" können ebenso bewaffneter Raub, Straßenraub, Teilnahme an einem Umsturzversuch, Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Vergewaltigung und andere Sexualstraftaten, u.a. weibliche und männliche Homosexualität, Ehebruch und Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslimen mit einer Muslimin, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islam oder heiligen Personen (z.B. durch Missionstätigkeit) mit dem Tod bestraft werden (AA 9.12.2015, vgl. ÖB Teheran 10.2015, AI 24.2.2016). Vor allem bei Drogendelikten wird die Todesstrafe häufig angewendet, regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießung, z.T. öffentlich, und auch gegen (zum Tatzeitpunkt) Minderjährige. Der zweitgrößte Anteil an Hinrichtungen ist auf Verurteilungen wegen Mord bzw. Sexualdelikten zurückzuführen. Der Iran exekutiert weltweit pro Kopf die meisten Menschen (ÖB Teheran 10.2015, vgl. HRW 27.1.2016, AI 24.2.2016). Viele Häftlinge, die wegen Kapitalverbrechen angeklagt waren, hatten während ihrer Untersuchungshaft keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Die neue Strafprozessordnung hob Paragraf 32 des Drogenbekämpfungsgesetzes von 2011 wieder auf, wonach wegen Drogendelikten zum Tode verurteilten Gefangenen das Recht auf Einlegung von Rechtsmitteln aberkannt worden war. Es blieb jedoch unklar, ob auch Gefangene, die vor Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung zum Tode verurteilt worden waren, Rechtsmittel einlegen durften. In den Todeszellen saßen weiterhin zahlreiche zum Tatzeitpunkt minderjährige Straftäter. Einige erhielten - gemäß der neuen Leitlinien zur Bestrafung jugendlicher Straftäter im islamischen Strafgesetzbuch von 2013 - ein Wiederaufnahmeverfahren und wurden erneut zum Tode verurteilt. Das islamische Strafgesetzbuch sah auch weiterhin Steinigung als Hinrichtungsmethode vor. 2015 wurden mindestens zwei Personen zum Tod durch Steinigung verurteilt. Es gab allerdings keine Berichte über vollstreckte Steinigungen (AI 24.2.2016).

Bei Drogendelikten verhängt die Justiz in der Regel die Todesstrafe nicht schon bei bloßem Besitz oder Schmuggel von Mengen, die laut Gesetz zur Verhängung der Todesstrafe ausreichen (mehr als 5 kg Opium oder 30 g Heroin), sondern erst bei Vorliegen zusätzlicher erschwerender Umstände wie bewaffnetem Schmuggel und Bandenbildung sowie bei Wiederholungstätern, die zum dritten Mal wegen Drogendelikten verurteilt werden. Wenn keine erschwerenden Umstände vorliegen, wird nicht selten eine Strafe an der Untergrenze des gesetzlichen Strafmaßes verhängt. Nicht immer wird eine verhängte Todesstrafe auch vollstreckt. An religiösen Feiertagen oder zum iranischen Neujahrsfest werden auch zu langen Freiheitsstrafen Verurteilte bisweilen begnadigt. Darüber hinaus haben die Angehörigen der Opfer ein Begnadigungsrecht bei Qesas-Strafen. Es häufen sich Meldungen über Hinrichtungskandidaten, die von den Familienangehörigen des Opfers begnadigt werden. Das dafür zu zahlende Blutgeld ("Diyeh") liegt im Falle eines Mordes bei mindestens umgerechnet 45.000 €, ist aber Verhandlungssache. Sollte dies aus Mangel an finanziellen Mitteln der Familie des Täters scheitern, hat die Regierung einen Unterstützungsfond eingerichtet, der nach Angaben der Justiz von März bis August 2014 umgerechnet ca. 2,4 Mio. Euro auszahlte, um 125 Personen vor einer Hinrichtung zu bewahren. In absoluten Zahlen weniger auffällig (mindestens 8 Fälle im Jahr 2014 und 5 in 2015), aber rechtlich besonders missbrauchsanfällig sind die Hinrichtungen wegen "Kampf gegen Gott" und "Korruption auf Erden". Der Tatbestand ist offen formuliert und eignet sich in besonderem Maße für die Aburteilung politisch Andersdenkender. Mit Einführung des neuen Strafgesetzes sind die Tatbestandsvoraussetzungen für "Kampf gegen Gott" und "Korruption auf Erden" noch weiter gefasst und bieten somit zusätzlichen Spielraum für politischen Missbrauch. Die Entscheidung über die Art der Vollziehung der Todesstrafe obliegt dem erkennenden Richter. In der Regel wird die Todesstrafe durch Erhängen und häufig öffentlich vollstreckt (AA 9.12.2015).

Im ersten Halbjahr 2015 mehr Menschen hingerichtet als im gesamten Jahr 2014. In den ersten sechs Monaten 2015 wurden 533 Personen exekutiert, im Jahr 2014 waren es 482. Über die Hälfte davon wurden für Straftaten mit Bezug zu Drogen hingerichtet (FCO 15.7.2015). Bis 19.11.2015 sollen bereits 694 Personen hingerichtet worden sein. Ein Großteil der Hinrichtungen wird wegen Drogendelikten vollstreckt (2014 etwa 40%, 2015 rund 68%). Es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer an Hinrichtungen hoch ist und die bekannten Zahlen beträchtlich übersteigt. Es finden sich zudem unbestätigte Meldungen, nach denen die Todesstrafe insb. wegen eines Drogendelikts tatsächlich wegen eines anderen Strafgrunds vollstreckt wurde (AA 9.12.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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AI – Amnesty International (24.2.2015): Jahresbericht 2014/15 – Iran,

https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/iran#unfairegerichtsverfahren, Zugriff 3.3.2016

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FCO - UK Foreign and Commonwealth Office (15.7.2015): Human Rights and Democracy Report 2014: Islamic Republic of Iran - in-year update July 2015, http://www.ecoi.net/local_link/311545/449636_de.html, Zugriff 3.3.2016

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HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Iran, http://www.ecoi.net/local_link/318407/457410_de.html, Zugriff 3.3.2016

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ÖB Teheran (10.2015): Asylländerbericht

Zur Situation im Sozialwesen, der medizinischen Grundversorgung und der Situation im Falle der Rückkehr enthält das Länderinformationsblatt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.3.2016 folgende Ausführungen:

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber angeboten werden (IOM 12.2015).

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Obgleich der Iran keine universelle soziale Absicherung bietet, schätzte das Iranische Zentrum für Statistik (the Iranian Center for Statistics) 1996, dass mehr als 73% der iranischen Bevölkerung von der Sozialversicherung erfasst waren. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialversicherung sichert allen Arbeitnehmern einen Schutz bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter und Berufsunfällen zu. Im Jahr 2003 begann die Regierung ihre Wohlfahrtsorganisationen zusammenzulegen, um Überflüssigkeiten und Ineffizienz zu beseitigen. Im Jahr 2003 lag die Mindestrente bei 50% des Lohns, aber bei nicht weniger als dem Mindestlohn. Der Iran gab 22,5% seines Haushaltes für Sozialhilfeprogramme aus, von welchen mehr als 50% die Renten betrafen. Von 15.000 Obdachlosen im Iran im Jahr 2015 waren 5.000 Frauen. Arbeitnehmer im Alter von 18 und 65 Jahren werden vom Sozialversicherungssystem erfasst. Die Finanzierung ist zwischen Arbeitnehmer (7% des Lohns), Arbeitgeber (20–23%) und dem Staat, welcher den Beitrag des Arbeitnehmers um weitere 3% erhöht, aufgeteilt. Das Sozialversicherungssystem ist für Selbständige zugänglich, sofern diese zwischen 12% und 18% ihres Einkommens freiwillig zahlen. Beamte, Soldaten, Polizisten und IRGC haben ihre eigenen Rentensystems. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 12.2015). BEHZISTI ist die Staatliche Wohlfahrtsorganisation (SWO), die sich um Personen mit Behinderungen, benachteiligte Personen und Personen mit geringen Einkommen kümmert (SWO o.D.).

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die sadeqe, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten sollen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden im Moment dadurch behindert, das der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 2.2016c).

Quellen:

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2016c): Iran, Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 17.2.2016

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IOM – International Organization for Migration (12.2015):

Länderinformationsblatt Iran

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SWO – State Welfare Organization (o.D.):

http://behzisti.ir/Modules/ShowFramework.aspx?TemporaryTempID=538, Zugriff 17.3.2016

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Zwar ist es fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung (100% in Städten, 95% auf dem Land) – aber die Qualität schwankt (GIZ 1.2016a). Die medizinische Versorgung ist in Teheran und anderen großen Städten ausreichend bis gut. In den zahlreichen Apotheken [Persisch: daru-khane] sind die meisten auch in Europa gebräuchlichen Medikamente zu kaufen und nicht sehr teuer (GIZ 1.2016b). Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten (IOM 12.2015).

Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 17.3.2016). In allen größeren Städten existieren Krankenhäuser. Gegen Zahlung hoher Summen ist in den Großstädten eine medizinische Behandlung nach erstklassigem Standard erhältlich. Die Versorgung mit Medikamenten ist weitgehend gewährleistet; in speziellen Apotheken können Medikamente aus dem Ausland bestellt werden. Allerdings erschweren die anhaltenden Sanktionen im Finanzbereich den Import von Medikamenten und medizinischem Gerät aus dem westlichen Ausland, sodass häufiger auf weniger hochwertige Präparate aus China zurückgegriffen werden muss.

Behandlungsmöglichkeiten auch für schwerste Erkrankungen sind zumindest in Teheran grundsätzlich gegeben (AA 9.12.2015).

Iran verfügt über ein staatliches Versicherungswesen, welches prinzipiell auch die Deckung von Krankheitskosten umfasst. Allerdings müssen Patienten hohe Eigenaufwendungen leisten, da die Behandlungskosten die Versicherungsleistungen in vielen Fällen deutlich übersteigen. Zumindest größere medizinische Eingriffe erfolgen nur, wenn der Patient hohe Vorauszahlungen leistet. Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst; freiberuflich tätige Personen können sich freiwillig absichern. Es

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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